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15 und 20 Jahren giebt es jest in allen größeren Siddten
des Britischen Indiens. In diesen Instituten empfängt die
Jugend auch in Europäischen Sprachen Unterricht. Das Engs
lische wird am höchsten geschäßt, Shakspeare ist hier ein Liebs
lings Autor, wie in England, und feine Stücke werden von der
Hinduschen Jugend recht gut aufgeführt.

Die Britische Regierung hat sich große Mühe gegeben, um
das Verhältniß zwischen den niederen und höheren Kasten für die
ersteren weniger drückend zu machen. Alle Kasten find
dem Gefege vollkommen gleich bie einzige Gleichheit, bie man
in jedem Lande vernünftiger Weise erwarten kann.ESTRIC COTIA
Die Britische Regierung hat die Menschenovfer abgeschafft,
welde bei der ersten Ankunft der Briten noch Gitte waren fie
Idamals in gewiffen Provinzen (namentlich in Radschpu
tana) herrschenden barbarischen Gebrauch, folche weibliche
Kinder, welche die Zahl zwei oder drei in einer Familie übers
Freigen, su tödten, wirksam gesteuert. Auch das Verbrennen der
Witwen ist in der Zeit, als Lord William Bentinck General Statts
halter war, abgeschafft worden.

Die grdßlichen Mißbrauche, welche mit dem Kultus des Gösen Dichagernaht verbunden waren, dürfen großentheils nicht mehr stattfinden; und nur Wenige gehen in ihrem relis giösen Wahnsinn noch so weit, von den Radern des Wagens, auf welchem das Idol ruht, sich zermalmen zu lassen. Doch bleibt in dieser Hinsicht noch Manches zu thun; besonders müßten die Pilgerfahrten, welche alle Jahre Taufenden das Leben kosten, streng verboten werden.engi wag sila's misleben g

Neben den erwähnten großen Vortheilen hat die Britische Regierung ihren Indischen Unterthanen das wichtigste Paladium der constitutionnellen Gesellschaft, Freiheit der Presse, bewils ligt; fie hat ihnen das herrliche Recht freier Bürger, nur von ihres Gleichen in einer Jury gerichtet zu werden, zugestanden und hält die vollkommenste religióje Freiheit gewissenhaft aufs recht. Rechnen wir zu allen diesen Segnungen die treffliche hands habung der Gefeße, den blühenden Zustand des Handels, den tiefen Frieden, der jest in dem ganzen ungebeuren Lande waltet und, was das Wichtigste von Allem ist, die Heiligkeit des Eigens thumsrechtes und der persönlichen Freiheit, so müssen wir einrdu men, daß Indien nicht bloß in Vergleichung mit seinem früheren Zustande, sondern auch absolut betrachtet unendlich gewonnen hat. Der Menschenfreund fann also nicht umbin, die gouliche Vorsehung zu preifen, welche unter den Millionen Indiens solche Segnungen ausstreut, und die Britische Nation zu ehren, welche, Dant ihrer weisen Regierung, das edle Werkzeug dazu gewesen ist. phullsfasmat

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Man weiß er sich England und Rußland gegen das

Ende des Jahres 1806 bemühten, die Pforte in die Coalition bin einzuziehen, welche das Geld des Kabinets von Saint James feit 1793 zum vierten Mal gegen Frankreich zu Stande gebracht, und wie geschickt damals der General Sebastiani, Napoleon's Gesands ter, die Bemühungen der Gesandten Stalinsky und Arbuthnot zu vereiteln wußte. Das Kabinet von Saints James, um dem Ultis matum, das sein Gesandter dem Divan überreichen sollte, Nachs druck zu geben, befahl dem Admiral Collingwood, welcher die Britische Flotte vor Cadir fommandirte, drei Linienschiffe zu des tafchiren, welche den Zustand der Dardanellen Schlösser und der anliegenden Forts untersuchen sollten. Dies geschah, ohne daß von Seiten der Türken ein Hinderniß in den eg gelegt wurde. Eines von diesen Schiffen, unter dem Contre Admiral Sir Thomas Louis, und eine Fregatte segelten fogar in den Hafen von Kon stantinopel. Am 12. Januar 1807 bekam der Admiral Collings wood eine zweite Order, ein Geschwader nach den Dardanellen unter dem Vice Admiral Duckworth abzusenden. Die Instructionen diefes Leßteren lauteten dabin, da er fofort vor Konftantis nopel zu segeln und eine Stellung einzunehmen habe, die ihn in Stand fegre, diese Stadt zu beschießen, sobald man sich weigerte, ihm die aus 11 bis 12 Linienschiffen und mehreren Fregatten be stehende Türkische Flotte nebst einer zur Bewaffnung und Equi pirung dieser Fahrzeuge hinreichenden Quantität von Munition und Segelwert auszuliefern. Dieselben Jnstructionen besagten außerdem, daß,,die Hauptaufgabe des Vice Admirals fen, sich der Türkischen Flotte zu bemachtigen, oder, wenn dies nicht ginge, fie zu vernichten." Dieser Zufaß ist charakteristisch: er bildet einen wesentlichen Bestandtheil aller für die Befehlshaber der Britischen Streitkräfte bestimmten Instructionen. Die Vers nichtung der fremden Flotten war immer das Endziel der Engs lischen Politik.

Duckworth brauchte, nachdem er am 18. Januar abgefegelt war, 23 Tage, um Tenedos zu erreichen; erst am 19. Februar fand er den Wind günstig genug, um in die Meerenge einzus fahren. Um fieben Uhr Morgens ging das Geschwader unter Segel und rückte in Schlachtordnung vor. Um acht Uhr befand sich das vorderste Schiff den Schlössern gegenüber, welche zu schießen anfingen; doch das Feuer hinderte das Geschwader nicht, zu pass firen, ohne daß es großen Schaden nahm. Duckworth beauftragte den berühmten Sidney Smith, ein kleines Tirlisches Geschwader, das bei der Spiße von Nagara lag und die Flagge des Kapus dans Pascha trug, anzugreifen und zu zerstören. Nachdem diese Operation ausgeführt war, feßte der Vice Admiral, der sich ohne Noth einige Stunden lang aufgehalten, seinen Weg fort. Doch dieser Aufenthalt und die Veränderung des Windes bewirkten, daß er nicht bis vor Konstantinopel kommen konnte, fondern auf der Höhe der Prinzen Inseln halten mußte. Da diese Inseln nur drei Lieues von Konstantinopel entfernt sind, so konnte man die Englischen Schiffe leicht sehen, deren Erscheinen in der Stadt und im Serail Schrecken erregte. Man beschuldigte den Kapudans Pascha und Gerzi, Efendi, den Commandeur der Dardanellen, den Einen der Feigheit, den Anderen des Verraths; ohne Umstände wurde der Erstere abgefeßt und der Zweite hingerichtet. Id

Da keine Anstalt für die Vertheidigung der Hauptstadt ges troffen war, glaubte ter Sultan den Umständen nachgeben zu müssen und ließ dem Französischen Gesandten melden, er sehe fich gezwungen, die von den Englandern vorgeschriebenen Bedins gungen, deren erste die Entfernung der Französischen Gesandes schaft war, anzunehmen. Der Groß: Offisier des Serails, dec dieje Botschaft auszurichten hatte, folie dem Gesandrew vorstellen, daß icin Leben nicht mehr sicher sen, da das wüthende Volk ibu als den Antifter des Krieges betrachtete.

900 Metres hat. An den beiden Kästen deffetbenennung Die Anwer oce Generais captiani verdient von der Ges

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fdichte aufbewahrt zu werden. Metne persönlichen Gefahren", fagte er,,,können mich nicht einen Augenblick beunruhigen, wenn es sich darum handelt, nicht bloß die freundschaftliche Verbindung zwischen Frankreich und der Pforte zu erhalten, sondern die Unabs hängigkeit und Ehre des ganzen Osmanischen Reiches zu retten. Ich werde Konstantinopel nicht verlassen, und ich erwarte mit Vertrauen einen neuen Entschluß, der des Sultans Selim und der Türkischen Nation würdiger ist. Sagen Sie Ihrem mächtigen Monarchen, daß es sein Wille nicht seyn könne, von dem hohen Rang, auf welchen ihn seine glorreichen Vorfahren erhoben, herabausteigen, indem er einigen Englischen Schiffen eine Stadt von 900,000 Seelen preisgiebt, die mit Waffen, Munition und Lebensmiucln versehen ist."

Nie wird man die Wirkung dieser edlen Antwort auf den Geist des Großherrn, noch den Enthusiasmus vergessen, den sie unter der Bevölkerung der Stadt und der Vorstädte erregte. Dieser Enthusiasmus erzeugte Wunder, und durch die Anstrens gungen sämmtlicher Einwohner Klassen, ohne Unterschied des Stammes oder Glaubens, so wie durch die geschichte Leitung derselben von Seiten des Gesandten und der Französischen Offi siere, die sich in Konstantinopel befanden, war der ganze Theil der Stadt, der ans Meer stößt, in weniger als drei Tagen in den besten Vertheidigungszustand gesezt. Wie durch Zauber ers hoben fich Batterieen, die mit mehr als 600 Kanonen von schwes rem Kaliber befeßt waren und von denen mehrere Defen hatten, um die Kugeln roth zu glühen.

Außerdem wurden Anstalten getroffen zur Sicherung der Türkischen Marine, um deren Besis es England besonders zu thun war und deren Auslieferung von dem Gesandten als Haupts bedingung aufgestellt wurde. Die Flotte und sämmtliche Marines Anstalten waren in dem Hafen von Konstantinopel vereinigt. Um fie anzugreifen und zu zerstören, hätte das Englische Geschwas der bis zur Mündung des Bosporus vordringen und sich zwischen Slutari, der Serailspiße und Topchane lagern müssen. Nur von da aus hatte es zugleich die Stadt und die Vorstädte, den Hafen und den Palast des Großherrn beschießen können; daher suchte man besonders die Hindernisse, die ihm den Weg dahin vers sperrten, zu vermehren. Der Eingang in den Hafen und den Kanal des Schwarzen Meeres wurde durch die zahlreichen Batterieen vertheidigt; der Leander, Thurm war mit schwerem Geschüß und einem Ofen zum Rothglühen der Kugeln versehen worden; ein Geschwader lag bei Beschiktasch hinter einer Linie von mehr als hundert Kanonen Schaluppen; endlich wurden Brander bereit gehalten, um gegen die feindlichen Schiffe ges fchleudert zu werden, und mehr als zweihundert Muselmanner, die entschlossen waren, sich für ihre Religion und ihr Vaterland su opfern, hatten sich erboten, sie zu leiten, und würden sie nicht verlassen haben, ehe sie sie angeentert.

Es war ein großer Fehler von Seiten des Englischen Admis rals, daß er so den Türken Zeit ließ, ihre Hülfsquellen zu bes nußen und sich zur Vertheidigung zu rüsten. Umsonst hatte Ducks worth den Befehl bekommen, sich mit dem Britischen Gesandten au verständigen und nur, wenn dieser seine Einstimmung dazu gegeben, die Feindseligkeiten zu beginnen. Nachdem einmal die Forts und die Türkischen Schiffe auf die Englische Flotte bei der Durchfahrt durch die Meerenge geschossen, war der Krieg de facto angefangen, der Admiral war dadurch vom Gesandten uns abhängig geworden und konnte unter eigener Verantwortlichkeit feinen Instructionen gemäß so rasch wie möglich vor Konstanti nopel rücken und, nachdem er dreißig Minuten lang eine lette Pategorische Antwort auf seine Forderungen abgewartet, die Kas nonade beginnen und Stadt, Hafen und Flotte zugleich beschießen; fo, fagen die Englischen Schriftsteller, hätte ein anderer Admiral, der als Unterbefehlshaber in jenem Geschwader diente, Sir Sidney Smith, gehandelt, dessen unternehmenden Charakter fie der Unents fchloffenheit und Kleinmüthigkeit Duckworth's gegenüberstellen.T

Genug, es vergingen acht Tage in leeren Unterhandlungen, die fein anderes Resultat hatten, als daß sie den Admiral, der immer fort drohte und nie handelte, lächerlich machten. 2 Allers dings waren die Winde während dieser Zeit den Engländern uns günstigs indeß hatten wohl diejenigen, welche das Geschwader bis zu den Prinzen Inseln gebracht, es auch unter die Mauern des Serails geführt, wenn Duckworth nicht das Marmora Meer so langsam paffirt und sich nicht unnüßer Weise bei der Zerstö rung der Escadrille des Kapudan. Pafcha aufgehalten hatte, die Sidney Smith ganz gut ohne ihn vollbringen konnte, während er mit allen Segeln weiter gefahren wäre, um die Hauptstadt des Osmanischen Reichs zu überraschen.

Am 1. Marz mit Tagesanbruch gab Duckworth das Zeichen, die Anker zu lichten, und um acht Uhr waren sämmtliche Schiffe unter Segel in Schlachtordnung. Jest glaubte Jeder, er würde feine Drohungen ausführen; es sah eine Zeit lang aus, als hátte er die Absicht, fich Konstantinopel au nähern; auf einmal nahm die Flotte die Richtung des Windes und fegelte nach den Dardas nellen zurück.

Der Englische Admiral kannte die Anstalten, welche die Türken noch fortwährend trafen, um die Dardanellen in einen befferen Bertheidigungszufland au seßen, als er sie gefunden, und er fühlte, daß die Gefahren der zweiten. Durchfahrt viel größer feyn würden, als die der ersten, und daß er durch langeres Baudern fle noch vermehre. Doch zog er einen Aufenthalt von

einigen Stunden den Gefahren einer nächtlichen Durchfahrt vor, und nachdem er reiflich Alles überlegt, beschloß er, bei hellem Lage zu paffiren. Demgemäß warf er am 2. Mars Nachmittags, uns gefähr zwei Lieues oberhalb der Spiße von Nagara, Anker.

Am 3ten zwischen 7 und 8 Uhr Morgens machte er sich wieder auf und erreichte bald die engste Stelle der Meerenge. Als er sich dem Schloß von Abydos näherte, gebot er seinem Geschwader, dieses Fort mit dreizehn Kanonenschüssen zu grüßen. Zur Antwort auf diese Ehrensalve begann ein Hagel von Kugeln und Bomben von den beiden Schlössern und der Batterie der Nagara, Spiße aus; die anderen Forts und Batterieen eröffneten ihr Feuer ebenfalls, sobald die Schiffe in ihr Schußfeld lamen; diese waren mit der Antwort nicht faul, und die Kanonade dauerte fort, bis die Englander die Meerenge paffirt hauen, was fie nicht ohne bedeutenden Schaden thaten. Den größten Schas den hatten Granitfugeln von 7-800 Pfund Gewicht anges richtet, die fast aufs Gerathewohl von ungeheuren Bronzeßtüden ohne Lafferen geschleudert wurden. Eine dieser Kugeln, die vom Asiatischen Schloß abgeschossen wurde, fiel auf das Hintertheil eines Schiffes, tödtete sehn Menschen, verwundete eine gleiche Anzahl, trug das Rad des Steuerruders davon und richtete noch anderen Schaden an. Auf dem Admiralschiff wurden eben so dreißig Mann lampfunfähig gemacht. Eine andere Kugel aus dem Schloß von Sestos erreichte den,,Standard", tödtete & Mann und verwundete 47. Diese Kugel, die man nach England mits nahm, wog 770 Pfund und hatte einen Durchmesser von zwei Fuß zwei Boll.

Die Fregatte,,Active" wurde ebenfalls von einer Granis tugel von 800 Pfund Gewicht getroffen. Das Loch, welches dies selbe in dem Fahrzeug machie, war so groß, daß, als der Capis tain nach außen blickte, um den Schaden zu untersuchen, den ein Stoß dem Schiff beigebracht, er zwei Matrofen bemerkte, welche durch dieses neue Schießloch ihren Kopf steckten. Die Breite dies ser Deffnung und ihre Lage gefährdeten das Schiff in dem Grade, daß es, wenn eine Veranderung des Windes oder ein anderer Umstand es gezwungen haue, nach dieser Seite hinübersuneigen, fofort leck geworden wäre. Die anderen Schiffe wurden mehr oder weniger mißhandelt. Die Verluste der Escadre bei der Rückfahrt beliefen sich auf 29 Todte und 138 Verwundete, und mit denen der ersten Durchfahrt hatte sie zusammen 46 Todte und 235 Verwundete.

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So endete eine Unternehmung, welche, wenn sie nicht an den Fehlern ihres Chefs gescheitert wäre, die Britische Seemacht noch furchtbarer gemacht hätte.

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Versuch einer Französin über die Italianische Literatur. Ein Fräulein Estelle von Aubigny hat einen,,Vers fuch über die Italianische Literatur seit dem Falle des Römischen Kaiserreichs bis auf unsere Zeit" geschrieben und diesen so eben bei Treutel und Würz in Paris in einem anständigen Oltavs band herausgegeben.*) Wir zweifeln nicht, daß es bei dem ,,Verfuche" bleiben werde, denn Niemand dürfte wohl nach dieser Probe die Verfasserin bewegen wollen, ein größeres Werk über die Italianische Literatur auszuarbeiten und drucken zu lassen. In der Vorrede bemerkt Fraulein von Aubigny, daß unsere Zeit mit Riesenschritten vorwärts schreite; ein Beweis davon sen, daß alle Welt fremde Sprachen erlerne; um diese aber vollkommen zu verstehen, müsse man auch die fremden Literaturen kennen lernen, von denen die Italiänische ziemlich reich sen, wie oft man auch das Gegentheil schon behauptet habe! (Celle des Italiens est assez riche, quoiqu'on ait souvent dit le contraire.). Es sahe doch traurig um die Bildung in Frankreich aus, wenn es dort wirklich noch Leute gabe, denen so etwas erst bewiesen werden müßte. Indeffen gesteht Fräulein von Aubigny, daß sie bei der Zusammenstellung ihres Buches hauptsächlich ein Publikum von fungen Mädchen im Auge gehabt, denen sie dadurch nůßlich zu werden hoffe. Diese können in der That Manches daraus erfah ren, besonders über solche Epochen der Italianischen Literatur, die auch anderweitig bereits zur Genüge bekannt und ausführlich bearbeitet sind. Dagegen drängt sich das leßte Kapitel dieses Buches, welches die Literatur des 19ten Jahrhunderts behandelt, auf wenige Seiten zusammen, und man erfährt von Manzoni, Groffi, Azeglio, Rofini und einigen anderen berühmten Star lianischen Zeitgenossen eben nur so viel, daß fie existiren, von den meisten übrigen aber auch das nicht einmal. Die Verfasserin ist so naiv, in der Einleitung ihres Werkes dasselbe mit Frau von Staël's Revelationen über Deutschland zusammenzustellen. Es verhält sich aber jenes Buch zu diesem ungefähr so, wie sich das heutige Italien, hinsichtlich seiner geistigen Thätigkeit und feines Antheils an der gemeinsamen Europäischen Bildung, zu dem heutigen Deutschland verhält. Hätte Frau von Staël über die cisrhenanischen Dichter nichts Befferes zu sagen gewußt, als Fraulein von Aubigny über die transalpinischen, so wurde man in Frankreich gewis heutzutage noch beweisen müssen,,,daß die Deutsche Literatur ziemlich reich fen, wie oft man auch das Gegentheil schon gesagt habe."

*) Essai sur la litérature italienne, depuis la chute de l'empire romain jusqu'à nos jours. Par Mile. Estelle F. d'Aubigny. Paris, 1839 ASTRA

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vierteljährlich, 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie.

No 117.

für die

Expedition (Friedrichs-Straße Nr. 72); in der Provinz sa wie im Auslande bei den Wohlöbl. Post - Aemtern

Literatur des
des Auslande s.

Berlin, Montag den 30. September

1839.

Frankreich.

Französische Bühnendichter und ihr Verhältniß zu den Schauspielern.

Noch in der ersten Zeit des vorigen Jahrhunderts war nichts unsicherer, als die Steilung Französischer Autoren, da diese ganz von der launenhaften Gunft ihrer vornehmen Beschüßer abhingen. Das Potronat der Könige und Großen umgab fie mit einem tänftlichen Glanze, und wie Höflinge, erborgten sie ihr Ansehen in der Welt von Etwas, das außer ihnen lag. Ehre und Des müthigung wurden ihnen abwechselnd zu Theil, und es stand eben so wenig in ihrer Macht, die eine festzuhalten, als die andere zu verhüten.

Vielleicht hatte eine große Anzahl Shriftsteller eine so uns würdige Stellung gern sich gefallen lassen, wäre nicht ihr mas ter ielles Interesse in gleichem Grade dabei kompromittirt gewesen. Aber viele Männer der Literatur fonnten mit ihrer geistigen Thdtigkeit kaum so viel erwerben, als einem Handwerker seine tagliche Arbeit einbringt. Es ist z. B. faktisch, daß der Dichter Durier für hundert seiner Verse, wenn sie zwölf Füße hatten, fünf Livres und, wenn sie fürzer waren, zwanzig Sous sich bes jahlen ließ. Immer war es jene finanzielle Frage, was die Lites racen schon im Voraus beunruhigte, so oft man auch in unserer Zeit sagen hört, daß das Genie fiher weniger kaufmännisch gervesen sen, als jezt. Die Verleugnung des persönlichen Ins ter effe's war immer nur von der Nothwendigkeit diftirt, und es gab so wenige Ausnahmen von der herrschenden Regel, daß man auf dergleichen Leute mit Fingern wies. Der arme Literat wollte im Rufe einer heroischen Tugend stehen, odhrend die eiserne. Nothwendigkeit auf ihm lastete; gelang es ihm nicht, einen libes ralen Gönner zu finden, so versicherie er oft und feierlich, der Ruhm sen das einzige Ziel seiner Bemühungen.

Den dramatischen Autoren war das Glück im Ganzen holder, als den übrigen. Während der Büchermacher dem Buchhändler faum ein mittelm siges Honorar avaringen konnte, erwarb sich der dramatische Dichter, wenn auch keine Reichthumer, wie Herr Scribe, so doch wenigstens die Fähigkeit, unabhängig leben zu Pönnen. Aber die Größe der Honorare bing von dem guten Willen der Schauspieler ab, und man fam niemals wegen bes stimmter Summen überein. Bald empfing der Autor ein Viers jehrtheil oder ein lebentheil der Einnahme, bald mußte er sich mit dem 24sten Theile derselben Legnügen. Dazu war von den Gebühren des Autors eine lange Periode hindurch erst nach Be treitung der Kosten die Rede; und traf es sich so unglücklich, daß die Einnal, men die Ausgaben nicht deckten, so mußte der Schriftsteller ganz lcer obziehen. Zwar fehlte es auch nicht an Beispielen, daß die Schauspieler, von dem überraschend glans senden Erfolge eines Stückes in Extase verseßt, den Autor mit crstaunlicher Liberaltat honorirten; aber solche Großmuth war feinesweges unintereffiri: man wollte den Dichter um jeden Preis festhalten, damit er sich's nicht einfallen ließe, für andere Theater zu arbeiten. *)

Um den ZuRand der Verknec tung und der Käuflichkeit, in welchen die meisten Autoren versunken waren, au bekampfen, Fonnten die beißendsten Lißworte eben so wenig, als die gründ lichsten philosophischen Declamationen ausreichend seyn. Eine Heilung der Wunde fland nur zu erwarten, wenn man das Uebel mit der Wurzel ausrottete. Der Schriftsteller mußte durch sein eigenes Beispiel darthun, daß er alle seine Hülfsquellen in fich felber zu finden verstand, und daß es ihm zufam, den Anderen vorzuschreiten, und nicht, ihnen demüthig nachzufolgen. Da die Gesellschaft gegen seine Reclamationen taub, gewesen war, so. mußte er von Bitten zu Gewaltftreichen übergehen und sich neh men, was man ihm nicht gutwillig geben wollte. Nachdem einige ausgejei.onete Literaten ihre Macht so begründet, nach

"C'est tout comme chez nous, tönnen wir hierauf nicht einmal anwen den. Wäre es bei uns in Deutschland jezt auch nu so, wie früher, zu der hier perhorrescirten Periode, in Frankreich, so nnten unsere Bühnendichter fchon aufrieden seyn. Daß einige größere Bühnen, wie die Hoftheater in Berlin und Wien, bei der Hon virung der Dichter nicht knaufern, ist bes. Farent; wie viel fehlt aber noch, um diesen die Aussicht zu gewähren, von thren Arbeiten für die zahlreichen Bühnen Deutschlands auch nur leben zu tönen?

dem Voltaire, Rousseau, d'Alembert, Diderot, Beaumarchais ihrem Landsleuten begreiflich gemacht hätten, wie groß der politische Einfluß des Gedankens seyn konnie, nahmen sie in dem Staate eine Stellung ein, die um so sicherer war, als fie diese Stellung nur sich selbst verdankten. Die heilsamen Folgen ihrer Bemühuns gen erstreckten sich auch auf solche Schriftsteller, die bis dahin kein Bedenken getragen hatten, ihre Geistes, Produkte um jeden Preis loszuschlagen. Sie boten fich nicht mehr zum Verkaufe aus, sondern man kam, um sie zu kaufen; und es war weniger eine Wohlthat, als ein Handel, was man ihnen vorschlug. Das Publikum bedurfte ihrer Intelligens, wie sie selber dessen bedurfe ten, was ihnen dafür geboten wurde.

Die Pensionen der Schriftsteller hatten seit jener Zeit nichts Demüthigendes mehr; fie bezogen diese Jahrgelder nicht ferner unter dem Titel Arbeitslohn (gages), sondern als mehr oder wes niger verdiente Honorare, als Vergeltung dafür, daß sie ihr Bas terland verherrlichten. Die Jahrgehalte flossen nicht mehr aus der Privats Kaffe eines Königs, eines Prinzen oder Finanzier's sie wurden von der Regierung, dem Ministerium bewilligt. Der Französische Merkur" lieferte einen großen Theil jener Pensionen; aber sobald der Benefiziar die ihm aufgelegten Bedingungen nicht erfüllte, schwebte er, wie billig, in großer Gefahr, das Benefiz au verlieren. Fréron hatte bei seinem Nießbrauch der Année littéraire viele Verdrießlichkeiten, und endlich entzog man ihm sogar das Prie vilegium, jedoch erst kurz vor seinem Lode. Allzu unabhängigen Geistern verweigerte die Akademie nicht selten den Zutritt; und nur zu oft fanden die unruhigen Köpfe in der Bastille, in Vin cennes oder in Bicêtre ein trauriges Asyl; aber man unterhans delte wenigstens auf einem gewissen Fuße der Gleichheit mit ihnen und verzich auch wohl manchen Fehler, aus Besorgnis, einen noch größeren zu begehen. Rousseau kämpfte persönlich mit dem Erzbischof von Paris; d'Alembert sah einen Zirkel vors nehmer Herren auf seiner bescheidenen Stube im vierten Stocks werk, und Voltaire hielt einen förmlichen Hof in Fernen, wo er Levers und große Cour gab, wie der König von Frankreich. I weiß recht gut, daß nicht alle Männer der Literatur eine Stellung hatten, wie die eben Erwähnten; hier, wie anderwärts, sah man eine Aristokratie und einen Volkshaufen; aber beide Stände waren verhältnismäßig vorgeschritten. Es war billig genug, daß sie ihre nunmehrige Autorität auf dem Theater, wie in der Gesellschaft, geltend machten; und dies veranlaßte denn auch eine Coulissen Reformation.

Es gehört unstreitig zu den größten Nachtheilen, die mit dem Berufe eines dramatischen Autors verknüpft sind, wenn er erst durch Mittelspersonen, die sich als Richter und Ausleger des ihnen anvertrauten Werkes aufwerfen, dem Publikum bekannt werden muß. Die Schauspieler sind oft nur allzu geneigt, die Stellung ihrer Klienten zu mißbrauchen. Man weiß, daß ihr schon lange Zeit bestehendes Verhältniß zu den Autoren nicht immer auf vollkommene Gleichheit gegründet war. Beide Klass sen, von denen keine ohne die andere leben konnte, führten oft innere Kriege unter einander, die um so beklagenswerther waren, als die unangenehmen Details derselben dem Publikum offen vors lagen. Die Autoren zogen dabei alle Mal das schlimmere LoosVon der Ueberreichung eines Stückes bis zu feiner Aufnahme, und von der Aufnahme bis zur Vorstellung, mußte der Dichter eine Reihe Fatalitäten bestehen, die nur ein Mensch, dessen Brust dreifaches Erz umschloß, überdauern konnte.

Das im Jahre 1766 für die Franzöfifchen Schauspieler ers laffene Reglement umfaßte auch ihr Verhältniß zu den AutorenDie Rechte der Lesteren wurden in diesem Reglement sehr bes friedigend festgestellt; allein von der Theorie bis zur Praxis ist oft ein großer Schritt. Das Nichtvorhandenseyn eines zweiten Franzöfifchen Theaters, und folglich aller Konkurrens, gestattete den Schauspielern volle Willkår, ihren ganzen Despotismusauf den dramatischen Autoren lasten zu lassen. Wenn man nur Einen Weg hat, um irgend ein Ziel zu erreichen, so muß man ihn gern oder ungern einschlagen. Die Annahme eines übers reichten Stückes hing nach wie vor nur von dem guten Willem der Schauspieler ab; und war das Stück einmal in Gnaden ans genommen, so geschah es noch leicht, daß Schauspieler, die mit. Den ihnen augetheilten Rollen unzufrieden waren, diese Rollen aus Rache grundschlecht spielten und ihren eigenen Ruf zum Opfer brachien, um nur den des Autors zu vernichten. Die

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'pecuniaire Interesse der Autoren hatte man in dem neuen Regles ment gut bedacht; allein es gab noch tausend Mittel, wodurch sie auch dieser Vortheile verlustig werden konnten. Die Einnahme, von welcher der Autor ein Neuntheil, Zwölftheil oder Achtzchn theil erheben sollte, begriff nur dasjenige Geld, das man am Tage der Vorstellung an der Kasse empfing. Weder der jährliche. Ertrag der Logen, noch die Abonnements, welche oft den größten Theil der Einnahme bildeten, wurden dazu gerechnet. Auch ereignete sich's wohl, daß ein Stück, von dem man nicht ohne Grund angenommen hatte, es werde Glück machen, nach Abzug der Kosten dem Autor ganz und gar nichts abwarf; ja, Leßterer konnte sich zuweilen glücklich schäßen, wenn er den Schauspielern die Billets, die er unkluger Weise unter seine Freunde vertheilt, nicht zu vergüten brauchte.

Den nämlichen Statuten zufolge sollte jedes Stück, das während der zwölf ersten Vorstellungen zwei Mal eine geringere Summe als 1200 Livres eingebracht hatte, alleiniges Eigenthum der Schauspieler bleiben. Nun aber konnte es wegen der kleinen Logen und Abonnements dahin kommen, daß eine allgemeine Einnahme, die bis auf 2000 Franken stieg, dem Anschein nach hinter der erforderlichen Summe zurückblicb. Auch fehlte es nicht an Beispielen eines nachträglichen sehr glänzenden Erfolges folcher Stücke, die, wahrend sie noch dem Verfasser angehörten, im Sinne des Reglements durchgefallen waren.

Der Leser urtheile nun selbst, was für Mißbrauche in dem Verhaltnisse zwischen Autoren und Schauspielern Wurzel faffen mochten! Diejer Stand der Dinge erhielt sich so lange, bis ein Mann auftrat, der schon mit anderen Leuten, als mit Schaus spielern, zu thun gehabt hatte und aus allen Kämpfen, die er zu bestehen gehabt, immer als Sieger hervorgetreten war. Dieser Mann war Beaumarchais. Er war es, der die Grundlagen zu dem jeßigen Verhältnisse zwischen Bühnen und Bühnendichtern in Frankreich feststellte. Den Hergang selbst theilen wir vielleicht nächstens einmal mit. C. Loubens.

Sidonius Apollinaris, der erste chriftliche Dichter Galliens. (Schluß.)

Endlich wird Avitus zum Kaiser ausgerufen; Jupiter schließt feine Geschichte, indem er Rom eine neue Jugend verspricht unter der langen, ruhmvollen Regierung des Avitus. Aber es vergeht kein Jahr, und Avitus ist gefallen. Sidonius, der die Waffen für seinen Schwiegervater ergriffen, war besiegt, und, was noch trauriger ist, er hält zwei Jahre später in Lyon wieder eine Lobrede, aber diesmal für den, der den Avitus verdrängt, ja vielleicht hatte umbringen lassen, für den Kaiser Majorianus. Um sich zu enschuldigen, vergleicht er sich mit Virgil, welcher den August befungen, und mit Horaz, der erst unter Brutus und Cassius gedient hatte und dann zu Oktavian übergegangen war. Dabei vergißt er freilich, daß diese Züge in dem Leben seiner Muster, besonders des Legteren, nicht die sind, welche ihnen die meiste Ehre machen, und daß Horaz nicht Brutus' Schwiegers fohn war. Das Eine entschuldigt ihn, daß Majorianus sein Lob wirklich verdiente. Auch dieser Panegyrikus ist mythologisch allegorisch. Rom sigt auf seinem Thron; alle Völker der Erde, alle Provinzen kommen, ihm zu huldigen und die Produkte der verschiedenen Länder zu den Füßen der Herrscherin niederzulegen. Unter ihnen erscheint auch Afrika, welches, nachdem es alle Gemeinplage des alten Ruhms der Römer aufgezählt, Roms Hülfe gegen die Vandalen anfleht. Sidonius läkt sehr geschickt das Lob des Majorian von einem feindlichen Munde aussprechen, der Frau des Aetius, welche die Eifersucht ihres Gatten gegen den fünftigen Kaiser aufregt. Auch aus diesem Meer von Schmeicheleien ragen einige Züge hervor, welche für den Zustand der Vandalen nach der Eroberung Afrika's merkwürdig sind; ihre Verweichlichung, ihr kränkliches, blasses Embonpoint, die Wirs fung des Afrikanischen Himmels und des Römischen Lurus auf diese Germanischen Naturkinder, wird sehr lebendig geschildert.

Um Afrika zu trösten und es von den Vandalen zu befreien, verspricht ihm Rom den Majorian. Nun nimmt der Dichter das Wort und schildert den großen Zug, den Majorian mit einer Menge barbarischer Stämme gegen die Vandalen unternimmt, und dabei werden eine Menge Details mitgetheilt, die für die Geschichte sehr werthvoll sind und deren sich auch Gibbon bedient hat. Auch dieser Panegyrikus schließt mit Verheißungen des Sieges und einer glorreichen Zukunft; aber obwohl Majorian. die Erfüllung derselben eher verdient hätte, als Avitus, so vers ging doch kein Jahr, und Majorian war ermordet.

Beim Nachfolger des Majorian, Severus, schweigt der Panegyrist; diesmal halt er keine Lobrede. Nach einer Pause von zehn Jahren läßt ihn der Nachfolger des Severus, Anthes mius, nach Rom kommen, wo er die Lobrede dieses dritten Kaisers hielt.

Sidonius macht die Reise nach Rom als Schöngeist und Gelehrter; er erwähnt sorgfältig alle politische und historische Er innerungen, die ihm unterweges begegnen. Bei Mantua erinnert er fich an Birgit, bei Rimini an Cafar's Empörung, bei Fano an Hasdrubal's Lod.

In Rom beschaftigt ihn der Ehrgeiz: er spricht nicht vom Papst, er denkt an nichts Kirchliches, nur an Kaiser und Hof. Einem Freunde, dem er schreibt, macht er Vorwürfe, daß er

verbringt, statt nach Rom zu kommen und sich um Aemter und Würden zu bewerben. Man merkt, daß er selbst von dem, was er sagt, ganz durchdrungen ist, daß er sich jene Nichtachtung des Glanzes, die er an seinem Freunde tadelt, nicht vorwerfen kann. Einige Briefe lassen uns einen Blick in die Jutriguen thun, welche die vergängliche Gewalt der Kaiser umgaben.

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Kaum ist er in Rom angekommen, als er das Terrain zu untersuchen beginnt. Ich foriche", sagte er,,, auf welchem Wege man zur Gunst gelangen kann. Bald hat er zwei bes rühmte Konfularen gefunden, von welchen er glaubt, daß fie gute Patrone seyn müssen. Jeder hatte sein besonderes Verdienst: Avienus protegirte die ganze Welt, hatte aber nicht viel Einfluß; Basilius war weniger zugänglich und versprach weniger, hielt aber desto mehr.,,Nachdem ich sie lange mit einander verglichen“, fagt Sidonius,,,schlug ich einen Mittelweg ein: indem ich den alten Konsular, dessen Haus ich häufig besuchte, mit der größten Rücksicht behandelte, hielt ich mich mehr an diejenigen, welche Basilius besuchten.

Aus einer Stelle in Sidonius' Briefen geht hervor, daß er eine Zeit lang Präfekt von Rom war und als solcher die Pflicht hatte, die Einwohner mit Lebensmitteln zu versorgen. Er für de tet, das hungrige Volk möchte im Theater seine Unzufriedenheit durch Geschrei zu erkennen geben, woraus man schließen kann, daß das Volk damals noch im Theater sich versammelte und, wenn es unzufrieden war, seine Beamten dies fühlen licß.

Sidonius Apollinaris war keiner, der einen Panegyrikus abschlug. Nachdem er seinem Schwiegervater und dem Nachfols folger feines Schwiegervaters einen gemacht, machte er auch einen für Anthemius. Das neue Stück hatte ganz denselben Charakier wie die früheren: nur hatte Sidonius diesmal feinen Mann vor sich, dessen wahres Verdienst die Gespreiztheit eines solchen Wachwerks verdeckt hätte. Anthemius war von dem orientas lischen Kaiser, dessen Tochter er geheirathet hatte, dem Occi dent aufgedrungen oder geschenks, so daß Sidonius, um, feiner· Gewohnheit nach, Rom in seinem Panegyrikus auftreten zu lassen, gezwungen ist, es in ein abhangiges, demüthigendes Verhältniß zu Konstantinopel zu seßen. Er dankt dem Kaifer Leo dafür, daß er den Römern habe erlauben wollen, Anthemius auf den Thron zu rufen; kurz, er bringt mit einer eigenthümlichen Resignation dem neuen Rom die Huldigungen des alten dar. Man fühlt, wenn man die Verse des Sidonius liest, Konstantinopel steigen, je mehr Rom falli: schon jener Zeit erschien die Königin der orientalischen Welt in dem Glanze, wie später den Kindern des Mittelalters. Manche Verse von Sidonius erinnern geradezu an die Schilderungen Konstantinopels, die wir von den Lateinischen Kreuzfahrern haben.

Was also dieser Panegyrikus zum Bewußtseyn bringt, das ist die Herrschaft des Orients und der Fall des Occidents: diefe doppelte Thatsache wird nicht bloß durch das eingestanden, was Sidonius in feinem Namen fagt, fondern auch durch das, was er Rom sagen läßt. Italien sucht die Tiber und finder fie in einer Grotte, wo sie unter Schilfrohr schläft, wie der Rhein in Boileau's Epistel. Italien weckt den alten Fluß und rắth ihm, Rom aufzusuchen und es zu bewegen, daß es von der Aurora einen Vertheidiger erflehe.

Rom bekennt in dieser Rede seine ganze Schwäche gegenüber dem Orient; es erinnert ihn, was es ihm abgetreten: eine ganze Welt, eine ganze Hemisphäre hat es ihm geschenkt. Zum Dank dafür bittet es die Aurora, sein Alter zu beschüßen und ihm den Anthemius zu schenken; Aurora bewilligt dies.,,Uebrigens“, sagt fie, ist es nicht das erste Mal, daß ich dem Orient zu Hülfe ges lommen bin. Ich habe schon früher den Memnon geschickt, dem Vaterland des Julus, des Vaters der Cafaren, zu helfen." Si donius knüpft die Ereignisse des 5ten Jahrhunderts an die ältesten Erinnerungen der mythischen Geschichte.

Diefer dritte Panegyrikus, der nicht besser war als die ersten, fand vielen Beifall und zog ihm große Auszeichnungen zu; er ward Patrizier und bekam eine Satue auf dem Trajanischen Forum. Er selbst gesteht offen, daß, wenn sein Gedicht fein -gutes Kunstwerk sen, es doch wenigstens ein gutes Geschäft wäre. Außer diesen drei Panegyriken hatte Sidonius, besonders in seiner Jugend, eine Menge Poesieen geschrieben, von denen uns einige erhalten worden sind; es sind Gelegenheits-Impromptus oder Epigramme: die Poesie ist die gefpreiste, frivole und zuweis len finnreiche des Aufonius, nur hundert Jahr später geschrieben, und darum auch pedantischer, manierirter und barbarischer.

Sidonius, wie Aufonius, benußt den unbedeutendsten Vorfall des häuslichen Lebens zu Compositionen, die er poetisch nannte: vier Fische fingen sich des Nachts in den Neben seines Fischteichs, schnell machte er vier Verse. Er zeichnet sich, wie Aufonius, im Impromptu aus und giebt uns, wie dieser, die ausführlichsten Nachrichten darüber. Man findet in seinen Werken ein gewisses Distichon, das er besonders liebte, weil man es rückwäris lesen konnte; doch haben diese Verse den Uebelstand, daß man wenig versucht ist, sie wieder von hinten anzufangen, wenn man das legte Wort gelesen hat. - - Verschiedene Stellen in den Schriften des Sidonius zeigen, wie fehr das Impromptu damals beliebt war. Suizot sitirt einen Brief von Sidonius, worin dieser mit ergög licher Offenheit seine Vorliebe für diese Uebungen verräth; man steht darin, wie ihn die Autor-Eitelkeit bis in die kirchlichen Feierlichs feiten verfolgt. Besonders kurios ist die Schilderung einer Scene, die zwischen ihm und einem seiner Feinde, Poonius, der ihn beschuldigt hatte, er mache Satiren, bei einem Kaiserlichen Sous

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ein Distichon; lauter Beifall läßt sich hören, der Kaiser ist zufrieden und Sidonius in großer Gunst. Beim Abschied wirft fich der Konful in seine Arme, und Poonius macht ihm viel Komplimente. Alle Einzelheiten dieser kleinen Erzählung find im Original bemers Fens verth; denn fie seigen uns, wie es im Sten Jahrhundert unter den Schöngeistern und Großen, auging, die der Kaiser zu fleinen literarischen Soupers einlad.

nicht den Geistlichen merken. Er selbst dachte vielleicht noch nicht daran, es zu werden; aber kurz nach feiner Rückkehr von Rom gab er mit großer Aufrichtigkeit die weltlichen Geschäfte, die den ersten Theil feines Lebens ausgefüllt hatten, auf und bekehrte fich. Drei Jahre, nachdem er jenen Panegyrikus voller heidnis scher Gottheiten und Erinnerungen gehalten, war er Bischof. Wie diese Belehrung zu Stande fam? Offenbar legte der Grund dazu, und erst später verband fich damit der Glaubenseifer. Sidonius hatte alle Ehren, die für ihn erreich bar waren, erlangt; er war Patrisier, er hatte in Rom vor dem Kaiser gesprochen, hatte eine Statue auf dem Forum Trajant; er mußte es wohl müde werden, Lobreden zu machen, die denen, für die er sie machte, Reich und Leben nicht retten konnten. Auf politische Beförderung hatte er feine Aussicht mehr. Das Episkopat war noch das einzige Mittel, durch welches die großen Patrisier Familien des Landes auf die Bevölkerungen Einfluß ausüben konnten. Diese Gründe haben gewiß viel zu der etwas unerwarteten Belehrung des Sidonius beigetragen. Auch der Klerus mußte wünschen, daß dieser angesehene Mann in feine Reihen trete. Genug, um 471 wurde Sidonius Apollinaris zum Bischof von Clermont erhoben oder vielmehr von Arvernatum, an deffen Stelle Clermont getreten ist.

Als Bischof versagte sich Sidonius streng jede Beschäftigung mit weltlicher Poefie. Die schon angefangene Geschichte von dem Einfall Attila's in Gallien, den er selbst erlebt, gab er auf. Diese Geschichte hatte uns gewiß manchen interessanten Zug, manches belehrende Detail mitgetheilt; doch glauben wir nicht, daß der Panegyriter die Fähigkeit besessen hatte, einen Attila zu schildern. Er bemühte sich, aufrichtig und vollständig seinem neuen Beruf gemäß zu leben, und nach einigen Kampfen gelang es ihm. Seine neuen Freunde, die Gallischen Bischöfe, nehmen jest in, seiner Korrespondenz die Stelle der Rhetoren ein, an die feine ersten Briefe gerichtet waren; er, der bisher ganz den Sorgen des weltlichen Lebens hingegeben war, ist so demüthig, fich tief unter seine frommen Kollegen zu stellen; mit sehr gegründeter Bescheidenheit weigert er sich, die heilige Schrift zu interpretiren, zu deren Verständniß ihn seine theologische Erziehung nicht sehr vorbereitet hatte. Bei aller Aufrichtigkeit dieser neuen Gefinnuns gen indef verläßt ihn doch der leichte Sinn, die Heiterfeit des ehemaligen Weltmanns und Literaten nich gang, oder wenigs ftens nur allmålig. In seinen Briefen an verschiedene Personen der Gallischen Kirche findet man immer noch den wißigen Rhes tor mehr als den ernsten Bischof. Er erzählt einem von ihnen ausführlich die Geschichte eines Abenteurers, der sich in eine reiche Familie einzudrängen gewußt, deren Erbin er geheirathet: ein wahrer Komödienstoff: das Ganze ist voll von Humor und Bons mots, ..,auf der Reise ist nichts schwer als ein leichter Beutel (nihil viatico gravi levius)."

Er ist auch so naiv, einzugestehen, daß er nie unnüßen Grils fen nachbangen wolle. Man fagt, Du bist sehr luftig" schreibt er an Philagrius;,,was mich betrifft, ich halte alle Thränen, Die das Gebet nicht entlockt, für verloren.... Wenn es gilt, einen Tag su faften, bin ich immer der Zweite; geht es aber sum Effen, so fcháme ich mich nicht, der Erste zu feyn."

Auch in einem Briefe, deffen Inhalt im Ganzen frommer Art ist, kann er sich weltlicher Scherze nicht enthalten. Indem er von den Ceremonien spricht, die der Bets Woche vorangingen, fagt er:,,Man betete damals aufs Gerathewohl, um Regen oder schönes Wetter zu erflehen, was, um nicht mehr zu sagen, dem Töpfer und Gartner nicht behagen konnte." Aus zwanzig Stellen erkennt man, wie wenig Sidonius Theologe war, wie wenig er sich um die Streitfragen der Zeit fümmerte, besonders um die des Pelagianismus, an dem alle ernste Geister fo leb: haften Antheil nahmen. Mamertus Claudianus widmete ihm feine Widerlegung der Schrift des Fauftus über die Materialität der Seele. Sidonius beantwortete die Widmung mit einer Epistel voller bombastischer Lobsprüche, die am besten darthut, daß er nicht weiß, wovon in dem ihm dedizirten Buche bie Rede ist. Er findet darin:,,eine einzige, eigenthümliche Doktrin, die sur Begründung verschiedener Wahrheiten dient, die es versteht, über jede Kunst mit dem Künster, der fe ausübt, zu philofophiren, die

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