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ist, die Unglücksfälle einer stürmischen Zeit vergeffen zu machen, tiefe Wunden zu heilen und den fünftigen Monarchen erhabene Vorbilder der Weisheit, der erstaunlichsten Mäßigung und der ausgezeichnetsten Klugheit zu geben.... Daher schlage ich Ew. Majestät die Publication eines periodischen Werkes vor, welches die Bestimmung haben soll, die Fasten Ihrer Regierung zu führen und in der freimüthigen Sprache der Wahrheit öffentlich bekannt zu machen u. f. m."

Das Journal liefert uns als Berichte über die Verwaltung der Provinzen Auszüge aus den bei Eröffnung der Provinzials Räthe gehaltenen Reden der Intendanten, welche für das Auss land von geringem Werthe sind, weil sie nur unbedeutende und beschränkte Provinzial Intereffen oberflächlich berühren, und zwar in dem Sinne, daß dadurch die weise und wohlthätige Fürsorge der Verwaltung in das gehörige Licht trete. Ferner enthält es Schilderungen der öffentlichen Bauten, des Straßen, Brücken, Hafenbaues u. dgl., statistische Nachrichten über Hospitaler und andere öffentliche Anstalten, Nachrichten über Verbesserung der Gefängnisse, statistische Darstellungen und ausführlichere Beleuch tungen der Handels Verhältnisse und einzelner Zweige der In dustrie, und endlich Anzeigen und Beurtheilungen von neuen Büchern. Unerachtet das Journal die Bestimmung hat, Annalen des gesammten Reiches zu liefern, wie auch sein Titel besagt, fo ist doch über Sicilien beinahe gar nichts darin zu finden. 13.

Mannigfaltiges.

-Persische Reisebeschreibung von Europa. Mons tesquieu's Lettres Persannes, diefer Scherz eines geistvollen Mannes, der einigen reifenden Perfern seine eigene Kritik Europäischer Zus stande in den Mund legte, obwohl unzählige Mal mit gutem oder schlechtem Erfolge nachgeahmt, sind doch jest erst zur Wahrheit geworden. Vor einigen Wochen nämlich ist in London eine von einem Orientalen, Esaad Kayat, veranstaltete Englische Uebers. seßung der Tagebücher erschienen, welche die drei Persischen Prinzen geführt, die vor zwei Jahren Europa besuchten und namentlich in London längere Zeit sich aufgehalten, um die Vers mittelung der Britschen Regierung in ihren persönlichen Vers hältnissen zu dem jest regierenden Schach zu erlangen.) Früber bereits hatte Herr Baillie Fraser, der Englische Begleiter der drei Prinzen, eine Schilderung ihrer Erlebnisse in England hers ausgegeben; diese konnte natürlich von feinem solchen Intereffe fenn, wie ihr eigenes Urtheil, die erste Reisebeschreibung, die ein Orientale neuerer Zeit, und obendrein von so hoher Stellung, über das moderne, industrielle and intelligente Europa herauss giebt. Daß das Buch echt und nicht etwa das Werk eines spekus lativen Englanders sen, geht sowohl aus der Persönlichkeit des in London vielfach bekannten Uebersegers Effaad, eines Syrischen Christen, hervor, welcher sich als Dolmetsch im Gefolge der drei Prinzen befand und wegen seiner Kenntnisse vieler Achtung ges nos, als aus dem Inhalte des Buches selbst, dessen ganze Dars stellungsweise, sowohl in seiner Naiverdt, wie in feinen Uebers treibungen, den orientalischen Autor verráth. Das Werk zerfalle in folgende drei Abtheilungen: 1) Bericht über den Tod Feth Ali Schachs und die Thronbesteigung Muhammed Schachs; 2) Tages buch von der Reise nach England und von dem Aufenthalte das selbst; 3) Tagebuch der Rückreise, und zwar zu Lande über Wien, Konstantinopel und Bagdad. Von den drei Prinzen Rifa Kuli Mirsa, Najaf Kuli Mirsa und Timur Mirsa, sämmtlich Söhnen von Firman Firman, einem Dheim des jest regierenden Schachs, hat sich namentlich Najaf Kuli Mirja schon in England durch seinen Geist, so wie als Dichter in seiner Muttersprache, ausges zeichnet, und von ihm ist auch der größte Theil der gegenwärti gen Tagebücher geschrieben, doch hat er auch die Urtheile und Bemerkungen seiner Brüder sehr häufig in den Text mit aufges nommen. Bemerkenswerth ist besonders die Begeisterung, mit der die Prinzen von den Englischen Frauen sprechen, deren Schönheit sie nicht genug zu preisen wissen. Ja, Timur Mirsa hatte sich sogar, wie auch zur Zeit, als sie sich noch in London bes fanden, dort schon bekannt war, in eine vornehme schöne Eng idnderin ernstlich verliebt und wäre beinahe vor Liebesgram ges storben, als sich seine Geliebte mit einem Lord, deffen Braut sie bereits war, vermählte. Nur das Zureden seiner Brüder und der Gedanke, daß die Europäischen Frauen, ihres Leichtfinns halber, nicht werth seven, von einem Perser geliebt zu werden, konnte ihn von seinem Gram wiederherstellen.

-Washington's Korrespondens. In ähnlicher Weise, wie Friedrich von Raumer in Deutschland, wird Guizot in Franks reich eine Herausgabe der Lebensbeschreibung Washington's von Jared Sparks veranstalten. Die Briefe Washington's, wie e in Nord Amerika als historischer Begleiter zu diesem Werke ges diesen ist dem Deutschen Werke eine große Auswahl einverleibt; druckt erschienen, bestehen bekanntlich aus zehn Banden; von das Französische wird seinerseits ebenfalls eine Auswahl bringen, und zwar vermuthlich eine zum Theil ganz andere, wie sich dies eben von den subjektiven Ansichten der beiden herausgeber und von dem verschiedenen Intereffe, welches Deutschland und Frank reich an einem folchen Werke nehmen, erwarten lait.

Journal of a Residence in England and of journey etc., of Their Royal Highnesses Reeza Koolee Meerza etc. 2 Bde. London, 1839.

Nummern. Pränumerations, Preis 224 Sgr. ( Thlr.) vierteljährlich, 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie.

No 113.

M a g a zin

für die .

Beiblatt der Allg. Pr. Staats, Zeitung in Berlin in der Expedition (Friedrichs-Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslande bei den Wohlöbl. Post- Aemtern.

Literatur des Auslandes.

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Berlin, Freitag den 20. September

Inseln.

Die Sandwichs - Inseln.

Zweiter Artikel. *)

Die Zahl der Sandwichs-Inseln belduft sich auf eilf, worunter fünf große, Hawaii oder Owaihi, Mauwi, Morakoi, Owahu und Lauai, drei fleine, Tawu Rawe, Ranai und Niihau, und drei Felseneilande oder Klippen; fie liegen zwischen dem 19ten und 23ften Grad nördlicher Breite und zwischen dem 157ften und 159sten Grad östlicher Länge. Schon der bloße Anblick dieser Inseln deutet darauf hin, daß sie sich noch nicht seit langer Zeit auf der Erd-Oberfläche befinden; überall entdeckt man noch Spuren der vulkanischen Ausbrüche, durch welche sie hervorgebracht wur, den, und mehrere Vorgebirge, auf denen man jest Dörfer fieht, find erst seit Menschengedenken aus dem Ocean hervorgeftiegen. Schritt vor Schritt kann man hier dem Gange der Schöpfung folgen; je höher man steigt, je deutlicher unterscheidet man die Abstufungen, welche die Lava durchmachen mußte, um sich zu serfeßen und fruchtbares Erdreich zu werden. Dicht am Meeress Ufer ist sie fast überall noch so, wie der Vulkan fie ausgefpieen hat; doch haben in einigen Uferthälern von Dwahu natürliche und feinstliche Einwirkungen die Oberfläche der Lava zerfest, so daß eEnige Pflanzen mit kurzen Wurzeln darauf gedeihen; kraftige Bdume kann dieser Boden noch nicht ernähren, denn sobald die Wurzeln auf die Lava stoßen, welkt die Pflanze und stirbt ab; bei unserem Ausflug nach dem Pari haue ich schon bemerkt, daß alle Baume, die eine Höhe von zehn oder zwölf Fuß erreicht, abgestorben seyen, während das Gestrauch unter denselben so dicht verwachsen war, daß man nicht durchzudringen vermochte.

Die Jnsel Oahu wird mit Recht der Garten der Sandwiches Inseln genannt, weil sie durch die zahlreichen Gewässer, welche fie durchstromen, außerordentliche Fruchtbarkeit erhdit; das Zuckers rohr erreicht hier eine erstaunliche Höhe; an den Küsten gedeihen Kaffee und Baumwolle in ganz vorzüglicher Qualität; der Indigo wächst hier fast wild, die hohen Berge liefern das köstliche Sans delholz, auch gedeihen hier alle mehlige Gewichse, wie Kartoffeln und Taro, ganz vorzüglich. Die Hiße auf den Sandwichs Infeln wechselt zwischen 15 und 29 Grad Reaumur; das Klima ist sehr gesund und frei von allen ansteckenden Krankheiten; im Februar, Mars, August und September fallen häufige Regengüsse auf der Küste, und in den Bergen regnet es dann fast immer, denn ihre Gipfel find beständig von Wolfen umlagert. Die Eingebornen wissen das Wasser der Bergströme sehr geschickt zu benußen; schon die ersten Endecker der Inseln bewunderten ihre sinnreiche Bes wafferungsweise. Der Laro, welcher das Hauptnahrungsmittel der Einwohner ausmacht, muß zu gewissen Zeiten mit den Wur zeln unter Waffer stehen; jeder Besser einer Taro Anpflanzung theilt sein Feld in mehrere Flächen ein, die der Abschüssigkeit des Bodens wegen immer eine tiefer als die andere liegen und durch zwei Fuf hohe mit Rasen bepflanzte Erdwälle von einander ges trennt werden. Durch Gräben wird das Waffer in das obere Viertel geleitet, bleibt hier die nöthige Zeit, fließt dann in das folgende und so weiter; jede Abtheilung dient der Familie für eine bestimmte Zeit zur Nahrung, und die Viertel find immer fo berechnet, daß, wenn eines ausgebeutet worden, das folgende wieder zum Verbrauch gereift ist. Die Aerndte fällt im Ganzen immer reichlich aus und mißrath nie, weil die Sandwichs-Inseln eine solche Lage auf dem Erdball haben, daß nie längere Zeit ans haltende Trockenheit auf denselben stattfinden kann; auch sind die Feldfrüchte vor den Zerstörungen der Ratten und anderer schad lichen Thiere gesichert, weil die Civilisation fie mit diesen Ges schenken bis jetzt verschont hat; die Muskito's, die Vielfüße und die Skorpionen find indeß schon eingeschleppt worden; vor 1822 Pannte man keines dieser Thiere auf den Sandwichs, Inseln. Auf diesem noch so neuen Boden haben sich bis jest die Racen der Hausthiere nicht sehr vervielfältigen können; Cool fand hier nur eine geringe Zahl von vierfüßigen Thieren, sehr wenige Jus fetten und nur einige Vögel vor, und noch heutzutage giebt es ungefähr erst 10 bis 12 verschiedene Arten derselben. Lange Zeit hindurch war also die Bevölkerung genöthigt, nur von Frachten und Fischen und von dem Fleische des Hundes zu leben, des eins

'). Nr. 96 des Magazins.

1839:

sigen vierfüßigen Thieres, welches man hier antraf, und das auss schließlich für die Häuptlinge aufbewahrt wurde, die es nur bei. großen Festlichkeiten versehrten.

Man ist über die Art, wie sich die Sandwichs: Inseln und die anderen Inseln des Stillen Meeres bevölkert haben, sehr vers fchiedener Meinung. Wir scheint die Annahme der Europäischen Bewohner der Sandwichs Inseln, die zwar keine gelehrte, aber doch aufmerksame Beobachter find, am einleuchtendsten; fle glaus ben nämlich, daß die Bevölkerung aller Inseln dieses Oceans von hierher verfchlagenen Malayen abstamme, weil zwischen dem Typus der Gesichtsbildung beider Nationen die größte Aehnlichs feit herrscht und in der Sprache der Eingeborneu gegen 200 Mas lanische Wörter vorkommen, wie mir der Konful der Vereinigten Staaten zu Honolulu versicherte. Die Bewohner der SandwichsInseln haben eine tupferfarbene Haut; die Männer sind fast allgemein groß und wohlgebildet, ihre Haare schwarz, lang und nur selten gefrduselt; die Frauen find viel kleiner und bei weitem nicht so schön wie die Männer, doch ziemlich anmuthig. Gewöhnlich tragen die Männer keinen Bart, und man sieht unter. ihnen auch blondhaarige, was entweder von einer künstlichen. Färbung mit Kall, die sie häufig anwenden, oder von der Ver: mischung der Raçen herrührt. Wie bei allen wilden Völkern, sah ich auch hier nur wenig Verkrüppelte und bewunderte oft die schönen kleinen Füße und die herrlichen Zähne der Einges bornen; bei vielen jedoch bemerkte ich, daß ihnen einige Vorders sähne fehlten, welche sie, dem alten Gebrauche gemäß, beim Lode der Aeltern, des Häuptlings, oder eines Freundes und Verwandten ausgeriffen hatten. Von Charakter sind sie sanft, schüchtern, heiter, schlau und beobachtend und scheinen sehr gern zu lachen. Hebrigens muß mit ihnen eine sehr günstige Verans derung vorgegangen seyn, denn Cook schildert fie als sehr ger schickte Diebe und spricht viel von der großen und doch meist vergeblichen Vorsicht, die er anwenden müßte, um stehlbare Ges genstände zu sichern; wir hingegen hatten uns über keinen Dieb Stahl zu beklagen, und man brachte uns sogar verlorene Gegens stände wieder zurück. (Fortsetzung folgt.)

Frankreich.

Der 27., 28. und 29. Juli 1830 in Paris.

(Schluß.)

Die Herren von Sémonville und von Argout übernahmen die Verpflichtung, die eben gefaßten Beschlüsse augenblicklich den Häuptern der liberalen Partei mitzutheilen. Vor ihrer Abreise begaben sich Beide mit Herrn von Vitrolles zum Könige, um seine lesten Instructionen zu empfangen. Die Haltung dieses Fürsten hatte all' ihren Ernst verloren; sie drückte eine edle und majestds tische Entsagung aus. Aus allem diesem", sagte der Monarch, ,,lann für Frankreich nichts Nähliches hervorgehen." Indem er Herrn von Sémonville guddig entließ, entschlüpften ihm die leisen prophetischen Worte: Gehen Sie, Sémonville, aber Sie wer den su spát kommen."

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Bor feiner Abreise nach Paris hatte der Groß- Referendar mit dem Fürsten Polignac eine kurze, aber lebhafte Unterhaltung, welche mehr als einmal einige Hofleute, die über die feindliche Mission des Groß Referendar erbittert waren, zu beunruhigenden und selbst drohenden Stellungen aufzuregen schien. Der Fürst warf ihm vor, alles Unglück herbeigeführt zu haben, indem er. fich hartnäckig geweigert habe, die Pairs Kammer für die Ane nahme des Systems der Ordonnanzen zu gewinnen, als des eins sigen, das der Aristokratie eine breite Basis gebe und die Zukunft. der Representativ Inftitutionen sichern könnte. Die unparteische Geschichte muß sagen, daß der Fürst Polignac in diesen kritischen Umständen eine lobenswerthe Biederkeit bewiesen hat. Nur auf seine persönlichen, dringenden Bitten war es Herrn von Sémons ville gelungen, eine baldige Audienz beim Könige zu erhalten. Mit dem Versprechen, von ihren Erfolgen den König unverzugs lich zu benachrichtigen, hatten sich die beiden Pairs in Begleis

tung des Herrn Vitrolles entfernt.

Der Herzog von Ragusa hatte endlich die verschiedenen Corps der Garnison vereinigt und führte sie aus Paris heraus. Auf den beiden Straßen, welche seine Truppen einschlägen, waren

die Einwohner der umliegenden Dörfer in Masse aufgestanden und machten ihm den Durchgang streitig. Einige mörderische Gefechte wurden geliefert; man mußte mehrere Male mit Kanos nenschüßen die Aufläufe auseinandertreiben.

An der Barriere Etoile empfing der Marschall einen Brief vom Dauphin, welcher ihm mittheilte, daß der König ihm das allgemeine Kommando der Truppen der ersten Abtheilung über, tragen. An diefen Brief schloß sich ein Tagesbefehl des Prinzen, welcher den Truppen unverzügliche Räumung der Hauptstadt vorschrieb, um sich nach St. Cloud zu begeben. Der Herzog von Ragusa seste fich nach dieser Residenz augenblicklich in Marsch. Bei dem Dorfe Boulogne begegnete er dem Dauphin selbst, der, nachdem er an den Truppen rasch vorüber geritten war, ohne ihnen ein Wort zu sagen, hastig nach St. Cloud zurückkehrte. Wenige Augenblicke nachher kam der Marschall dort an. ,,Sire", fagte er zum Könige,,,das ist eine verfehtre Campagne. Mit Bedauern muß ich Ew. Majestät anzeigen, daß ich Ihre Autorität in Paris nicht habe behaupten können. Den Schweizern hatte ich die Vertheidigung des Louvre aufgetragen, aber von panischem Schrecken ergriffen, haben sie diesen wichtigen Posten verlassen und mich selbst in die allgemeine Flucht hineingezogen; ich habe nur Ein Bataillon wieder sammeln können; eine Kugel, gegen mich gerichtet, hat zu meiner Seite das Pferd eines meiner Offiziere getroffen; id bedaure, daß sie mir nicht den Kopf genommen hat; der Tod wårde mir weniger schrecklich seyn, als das traurige Schauspiel, dessen ich eben Zeuge gewesen bin." Gütig antwor tete der König. Bei dem Mangel an Lebensmitteín vertheilte man an das Gefolge des Marschalls Biscuits, Eingemachtes und andere Erfrischungen. Diese Aufnahme war der Strenge des militairischen Regime wenig angemessen und weckte in einigen Offizieren eine üble Laune. ,,Glauben Sie", fragte der Oberst Komierowski die dienst huenden Leute,,,daß wir vom Balle zurückkommen?" Mademoiselle schickte eine für sie eigentlich zubereitete Orangeade und ließ in rührender Anmuth sagen:,,daß sie dem vielen Dank wissen würde, welcher aus ihrer rothen Tasse tränke." Der Hers zog von Berdeaur ließ den von Anstrengung und Hunger ers schöpften Soldaten das für ihn zubereitete Diner reichen. Die Königlichen Kinder ließen sich dabei in ihren jugendlichen Unterhaltungen nicht stören. In heitere Fictionen verwans delten sie die traurige Wirklichkeit, die alle Gemüther beschäf tigte, und spielten wie Kinder mit den Ereignissen von Paris: als Grenadier der Garde repräscntirte der Herzog von Bordeaur die Königlichen Truppen, und feine Schwester, mit einem Colback auf dem Kopfe, machte einen insurgirten Pariser.

Die Militairschule von St. Cyr, welche aus ungefähr_350 Böglingen bestand, kam an diesem Tage mit acht Artillerießtücken an. Der König und die Herzogin von Berry kamen ihnen hers ablassend entgegen. Diese jungen Militairs wurden vertheilt, ein Theil an die Brücke von Sèvres mit vier Kanonen, ein anderer in die Allee und in die Orangerie des Schloffee. In dem Park von St. Cloud konzentrirte fich die Armee, mit einer vorgeschobes nen Kolonne, welche die Brücken von Sèvres und St. Cloud dockte.

Obwohl der König die Ordonnanzen zurückgenommen hatte, so verloren die Minister doch nicht alle Hoffnung, durch Gewalt der Waffen die Volksbewegung zu unterdrücken. In einer Kons ferenz, welche dem Conseil gefolgt war, hatte Einer von ihnen der Herzogin von Berry einen Operationsplan mitgetheilt, der, falls die Mission des Herzogs von Mortemart mißlange, die res volutionaire Bewegung noch aufhalten könnte. Dieser Plan wollte alle Höhen der Hauptstadt mit Artillerie beseßen, der Seine und der Marne sich bemächtigen und die Telegraphen um Paris zerstören und hierauf nach Tours oder nach Blois die gefeßs gebenden Kammern, das diplomatische Corps und die hohen Bes Hörden des Staats berufen, um sich über die Mittel einer offens baren Bekämpfung der Insurrection zu berathen. Der Dauphin billigte diesen Plan und theilte ihn unverzüglich dem Könige mit. Bevor wir den Herren von Sémonville und Argout nach Paris folgen, wollen wir uns zu den Berathungen der liberalen Partei wenden, die noch gestern eine Beute der Ent:muthigung zu werden fürchtete und heute ihre Hoffnung zu schwindelnder Hohe trieb.

Ein obffurer General, mit Namen Dubourg, war der erste Offizier höheren Ranges, welcher öffentlichen Antheil an der Insurrection nahm. Er hatte sich verkleidet und redete krafts voll das Volk an, welches auf dem Börsenplaße, versammelt war, versprach ihm, es nicht eher als im Tode zu verlassen, und Beg einen großen Haufen Insurgenten mit sich nach dem Stadt: haufe, unter dem steten Rufe: Es lebe die Charte! Es lebe die Freiheit! Seit Mitternacht war dieser Posten, wie man Ich erinnern wird, durch die Truppen gerdumt. Fast gleichzeitig nahm ihn der Oberst Zimmer in Besiß und leitete zuerst die Boltsbewegung durch die Bertheilung von Detachements auf verschiedenen Punkten. Diese ersten Anordnungen fanden in dem Eifer und in der Folgsamkeit der Zöglinge der volytechnischen Schule eine lebhafte Unterstüßung. Während so im Stadthause fich ein Centrum militairischer Öperationen bildete, dachte ein anderer Chef der Infurrection, Baude, daran, der Idee einer provisorischen Civil Regierung. Eingang zu verschaffen. Den Beamten der Präfektur schrieb er die Forthegung ihrer Arbeiten por und seinem Gedanken suchte er Wahrscheinlichkeit zu geben, indem er im Namen jener vorgeblichen Regierung Beschlüsse und Proclamationen verfaßte, die er selbst kontrafignirte. Wenn Leichtgläubige Patrioten von Zeit zu Zeit kamen, um sich mit ihren Mitgliedern zu besprechen, so sagten Sage abgerichtete

Posten gravitätisch:,,Man darf hier nicht gehen; die proviso, rische Regierung ist in Konferenz."

Zu derselben Zeit begab sich der General Lafayette zu Laffitte und theilte seinen Kollegen, die dieses Mal in großer Zahl versam melt waren, den Wunsch der Pariser mit, daß er den Befehl der Nationalgarde übernehme. Durch die Fortschritte der Volksbes wegung ermuthigt, gaben die Deputirten einstimmig ihren Beis fall. Der General Gérard übernahm die Leitung der altiven Operationen, hielt auf den Boulevards eine Anrede an die Liniens Regimenter, die, troß ihres Abfalls, noch einiges Gefühl der Treue zeigten, und begab sich nach dem Louvre, wo sein Haupts quartier war. Nachher relognoszirte er die Militairposten um Paris. An die Truppen der Königlichen Garde und der Linie ward ein Manifest gerichtet, das sie ins provisorische Lager zu Vaugirard einlud.. Den in Paris kasernirten Regimentern bes fahl der General Gérard, die weiße Kokarde einstweilen noch beizubehalten.

Gegen zwei Uhr feßte sich der General Lafayette mit großem Gefolge nach dem Stadthause in Bewegung. Auf seinem ganzen Wege erfcholl ihm der übertriebenste Beifall. In der Straße aux Fers fiel auf ihn und seine Begleitung ein Regen von dreis farbigen Bändern. Der General nahm selbst eines als Kolarde; sein Beispiel wurde von Allen nachgeahmt. Bei dem Anblicke dies fer Embleme schien der Wahnwiz des Volkes seinen höchsten Gipfel zu erreichen. Erst um drei Uhr langte Lafayette und feine Begleitung im Stadthause an; eine unermeßliche Menschens menge in den Straßen hatte ihn so lange aufgehalten. Als Freudezeichen hörte man zahlreiche Schiffe. Einige Personen wollten dem General den Weg durch die Site dieses ungeheuren Gebäudes zeigen: Lassen Sie", sagte der Held von 1789, ich kenne den Weg besser, als Sie." An die Stelle der schwarzen Fahne, welche der General Dubourg aufgesteckt hatte, ließ er die dreifarbige Fahne pflanzen. Aus dem großen Saale verschwanden die Lilien Tapetèn und die Büsten der zwei leßten Könige.

Durch Wahl hatten die bei Laffitte versammelten Deputirten cine Munisipal's Kommission ernannt, welche aus den Herren E. Périer, Laffitte, von Schonen, Audry von Puiraveau und dem Grafen Lobau bestand, um für die Bedürfnisse des Moments zu forgen. Mit sehr ausgedehnten Vollmachten versehen, konnte diese Kommission die Bürger sich zugesellen, welche sie für brauchs bar hielt. Sie benußte augenblicklich dieses Recht zu Gunsten des Herrn Mauguin, und mit Ausnahme Laffitte's begaben sich Alle nach dem Stadthause und riefen: Es lebe die Freiheit! Nieder mit den Bourbons! Sie bezeichneten Herrn Baude und Mérilhou als Secretaire und konstituirten sich inmitten einer uns ermeßlichen Unordnung. Der Grève Plaß war noch mit Leich namen bedeckt; hier floß noch das Blut. Die erste Sorge der Kommission war, für einige höhere Aemter der Regierung und der Hauptstadt zu sorgen. Mit dem Departement der Finanzen wurde der Baron Louis betraut; die Präfektur der Seine übers gab man dem Herrn Delaborde und die Leitung der Posten dem Herrn Chardel. Alle Couriere gingen in der Nacht, und sie, wie die öffentlichen Wagen, trugen in die Departements die Sinubile der der siegreichen Revolution. Der provisorische Präfekt der Polizei, Bavour, fand in der Kaffe dieser Verwaltung eine Million. Tausend Thaler wurden an die Zöglinge der polytechnischen Schule vertheilt. Der Sohn des Generals Lafayette vertheilte dies selbe Summe unter die Arbeiter, welche bei den Barrikaden beschäf; tigt waren. Zu den Munisipal Functionen rief man nach der Prophezeiung Odilon Barrots die Bürger, welche bei den lehten Wahlen das Amt eines Wahlzeugen versehen hatten,

In jedem Arrondissement wurden Kommissionen ernannt, um die National Garde zu bilden und zur Unterstüßung der Verwuns deten Unterschriften einzufammeln. Mehrere Bürger, und unter ihnen Laffitte, brachten bei dieser Gelegenheit bedeutende Opfer.

Es war acht und ein halb Uhr, als die Herren Sémonville, Argout und Vitrolles auf der Treppe des Stadthauses ankamen. Tres des Eifers, mit welchem sie überall auf ihrem Wege den Fall des Ministeriums und die Zurücknahme der Ordonnanzen proklamirt, hatten sie ihre Reise doch nicht ohne Gefahr vollbracht. Einige Flintenschüsse hatten den Ruf:,,Es lebe die Charte! Es lebe die Republik!" begleitet. Alle Drei wurden ohne Schwierigkeit in den Saal geführt, in welchem die Munizipals Kommission faß. Dieser Konferens wohnte Benjamin Constant bei, der, troß seiner heftigen Opposition, sich vorsichtig von den legten Debatten fern gehalten hatte. Anfangs erregte die Gegens wart des Herrn von Vitrolles ein großes Staunen und Mißtrauen unter den Mitgliedern der Kommission. Herr von Sémonville bemerkte dies und unterdrückte es durch einige geistreiche Bes merkungen über die versöhnenden Absichten, die ihnen Allen ges meinschaftlich wären. Ueber den Gegenstand ihres Wunsches ber fragt, antwortete er: ,,Wir bringen den Frieden; der König willige ein, die Ordonnanzen zu widerrufen und sein Ministerium zu verandern; der Grand, welcher die Kollision zwischen dem Throne und dem Volke hervorgerufen hatte, besteht nicht mehr, die Kollifion muß also felbst aufhören." Diese einfache, aber gefchickte Aurede wurde stillschweigend angehört, ohne Widerspruck, aber auch ohne Sympathie. Mit einer gewissen Heftigkeit bes flagte fich herr von Schonen allein über die feindselige und uns menschliche Verwendung der Truppen während dieser zwei Tage; Casimir Périer machte ohne böswillige Absicht einige Vorwürfe über den Mangel an geschriebenen Vollmachten der drei Parias mentaire. Der General Lafayette, welchen die Kommission hatte holen lassen, erinnerte Simonville daran, daß sie Beide beim

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Benlichen Revolution ebenfalls auf dem Stadt,

Mission vollbracht hatten. Ist es nicht graufam, General, fügte der versöhnende Pair hinzu,,,nach so vielen Jahren wiederum unsere Anstrengungen vereinigen au miffen, um die Stürme des Bürgerkrieges zu beschwören?" Ohne eine Einwendung hörte Lafayette die der Stommission eben gemachte Mittheilung an und fragte Herrn von Sémonville, als dieser von den Kommiffarien Abschied nahm, ob die Erwerbung der dreifarbigen Fahne nicht wenigstens die Frucht des Volkssieges von Paris seyn würde? Herr von Sémonville antwortete, daß von diesem Gegenstand zu St. Cloud teine Rede gewesen sey. Der Groß Referendar begab sich nach dem Schlosse Lurembourg, Herr von

mehrere Deputirten Laffitte, unter dessen Vorsig sich

sammelt hatten.

einige Haupter der liberalen Partei vers

Herr von Argout theilte dieser Versammlung die Entschlüffe mit, welche des Morgens zu St. Cloud gefaßt waren. Die Mas jorift fchien allgemein geneigt, die Bedingungen des Thrones anzunehmen. Man fürchtete, daß Paris, nach wenigen Tagen durch eine zahlreiche Armee angegriffen, ich dann härteren Bes dingungen unterwerfen müßte. Die Gemüther, fügte man hinzu, fchienen für die immer Veränderung der Dynastie verige und gefahrvolle Krijs einer diese Gründe von Thiers und Mignet bekämpft, welche antwort teten, daß Kart X. in das mit dem Blute der Unterthanen bes deckte Paris nicht zurückkehren könnte, daß seine Dynastie abges nuge wäre, und daß man sie durch eine andere, neue und liberale crfeßen müsse. vielmehr erft die Auffammlung faßte feinen Eurschluß, wollte des Herrn von Mortemart um Ein Uhr

Morgens abwarten.

vorbereitet. Lebhaft wurden

Troß der großen Vorsicht, welche Laffitte in dieser Konferenz bewiesen hatte, waren seine Sympathieen zu Gunsten des Her zogs von Orleans nicht mehr ungewis. An demselben Morgen hatte er einen Vertrauten an diesen gesandt, um ihn zur augens blicklichen Reise nach Paris zu bestimmen. Der folgende Lag, schrieb er, könnte die Republik oder den Herzog von Reichstadt proflamiren; nie möchte sich eine schönere Gelegenheit darbieten, es bleibe nur die Wahl zwischen der Flucht und der Krone übrig. Nach der Entfernung der Deputirten hielt Laffitte mit drei ergebenen Anhängern des Hauses Orleans Rath, den Herren Thiers, Mignet und Larregny. Man beschäftigte sich mit den Mitteln, durch die der Herzog von Orleans am leichtesten sur Macht gelangen könnte. Man beschloß, ohne Aufschub su handeln. Der Erfolg der Sendung des Herrn von Mortemart fchien unmöglich. Man versicherte sich des Stillschweigens einis ger Journale, der Unterstüßung einiger anderen, und in der Nacht ließ man eine durch Herrn Thiers verfaßte Schrift an fcblagen, welche den Herzog von Oricans darstellte,,,als einen der Revolution ergebenen Fürsten, der die Charte annahme, wie fie das Voll immer verstanden båtte, und der seine Krone nur der Französischen Nation verdanken würde."

Diese Infinuationen wurden noch durch einen Betrug vers stärkt. An demselben Abend warde ein anderes Bulletin anges schlagen, das verkündete, daß der Er König Kart X. den Hers 80g von Orleans, weil er der Sache des Volks sich angenommen, außer dem Gesche erklärt habe, und daß der Herzog von Chartres an der Spiße seines Regimentes Paris zu Hülfe kame. Rasch verbreiteten sich neue günstige Gerichte, die mit Absicht oder durc die Unruhe der Gemüther hervorgerufen waren. Für gewiß hielt. man auf den folgenden Tag einen Angriff der Königlichen Armec, die sich im Gehölz von Boulogne reorganisirt hatte.

Nach der Konferens, welcher Argout beigewohnt hatte, begab er sich mit Vitrolles um ein und ein halb 11hr Morgens nach St. Cloud. In tiefer Rube lag das Schloß, jeigte feine Spur von den Unruhen des Tages. Mit Verwunderung hörten hier Vitrolles und Argout, daß der Herzog von Mortemart diese Kös nigliche Residens noch nicht verlassen hatte. Sogleich ließen sie fich zu ihm fahren und fanden ihn auf einem Kanapce rubend, in der Erwartung, daß der König die den Morgen im Conseil berathenen Ordonnanzen unterzeichnen würde. Unter verschiedenen Vorwänden hatte dieser sich geweigert, und der Dauphin hatte, durch die demüthige Haltung der Krone seit dem friedlichen Schritte des Herrn von Sémonville nicht weniger verlebt, feinen Vater in feinem Widerstande unterstügt. So waren in einer Konjunktur, in der jede Minute, fo su fagen, das Geschick der Monarchie Karls X. entschied, mehrere Stunden fruchtlos verfloffen. Wer kann in der That behaupten, daß die Erscheinung des Herrn von Mortemart am 29sten Abends, um der ohne Vers vflichtung über die Dynastie zusammengetretenen oder unter dem Eindrucke machtiger Hülfsquellen, welche der Königlichen Autorität noch au Gebote standen, berathenden Versammlung die Konzeffions Ordonnanzen vorzulegen, ohne Einfluß auf die Beschlüsse dieser Versammlung gewesen ware?

Die Herren von Mortemari und von Vitrolles wurden vor das Bett des Königs gelaffen; fie baten ihn inständigst, durch eine offizielle und unwiderrufliche Beistimmung das Opfer au vollen den, welches er seit dem Morgen gebracht habe, indem sie ihm vorstellten, daß dieser Entschluß der einzige ware, welcher seinen Ebron vor einem drohenden alle reuen fönnte. Endlich willigte Der König ein, die Zurücknahme der illegalen Maßregeln vom 25. Juli su unterzeichnen, wie auch die Ernennung der Herren Gérard und C. Périer. Aber als Herr von Vitrolles Jenem eine legte Ordonnanz überreichte, welche die National Garde von Paris reorganisirte, lonnte der Monarch sich eines stark ausgesprochenen

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(Schluß.)

Der Magen ist auch die Quelle vieler Wildtharigkeit, wie wir schon gezeigt haben, obgleich der Saß, welcher sagt, daß man mit dieser Tugend bei sich selbst anfangen mune, su cinem anderen Resultat führt. Wer hat nicht von dem Wolläftling ges hört, der einem hungrigen Bettler voller Neid zürnte, weil er Appetit hatte. Dem übersatten Unglücklichen fehlte es an jener Erfahrung, die am empfänglichsten für die Leiden Anderer macht; er hatte nie fene Mahnungen des Magens gefühlt, welche auf den Armen die Wirkung haben, daß er, seinen Mitteln nad), mildherziger und wohlthätiger ist, als der Reiche. Brauchen wir andererseits hinzuzufügen, daß es ohne die Bedürfnisse des Magens an dem rauhen Material der Mildherzigkeit fehlte, und daß die Wohlthätigen dann von einem Ende Londons zum anderen mit ihren Brodten in den Rocktaschen wandern könnten, ohne daß fte einen einzigen Bettler fanden, der es der Mahe werth hielte, fie anzunehmen.

Das Verhältnis des Magens zur Nüchternheit ist freilich be denklicher, da die Trunkenheit ein Laster ist, das mit einer unmos ralischen Tendenz in diesem Organ so genau zusammenhängt. Doch giebt es einige Punkte, die wir zur Vertheidigung des Magens anführen können. Man wird finden, daß nicht sowohl aus Appetit, als aus Lust an Rausch gewöhnlich des Guten zu viel gethan wird: Der Trunkenbold sieht die schnell wirkenden Mittel denen vor, die öfter, aber in schwächerem Maße gebraucht seyn wollen, wie die steigende Blüthe der Branntweinhdufer nur zu deutlich darthut. Manche trinken auch nur, um mit An deren zusammen zu seyn, und, diese würden feinen Tropfen aus rähren, wenn sie ein Jahr lang allein lebten, wahrend der einges fleischte Trunkenbold, der nur trinki, um zu trinken, sich nicht das rum fümmert, was für Zeug er in seine unglückliche Gurgel gießt, wenn es nur recht schwarz und berauschend" ist. Wenn es aber wahr ist, daß der Magen hier insofern Vorwürfe vers dient, als er sich zum Werkzeug des Mißbrauchs hergiebt, so muß man doch auch einräumen, daß er der erste, der die Folgen deffels ben spürt und den Sünder für sein Vergehen büßen läßt.

Was die Keuschheit betrifft, fo läßt sich auch hier viel får und wider den Mageu fagen. Das Sprichwort sine Cerere et Baccho friget Venus fann auf gewisse Wirkungen voller Bauche hindeuten, und die Mönche haben sich bekanntlich eingebildet, daß man sich am besten die Keuschheit bewahre, wenn man den Teufel in seiner Pfründe aushunger. Doch wenn dieser Zusam menhang der Sünden des Magens mit denen des Herzens einige Wahrheit hat, so wäre es nur ungerechtigkeit, nicht erkennen zu wollen, welches Verdienst sich der Magen erwirbt, indem er der ungefeßlichen Liebe die Lust und Kraft zur Sünde nimmt, sobald er selbst leer ist. Gewiß hat noch kein Gerichtshof einen Menschen vor seinen Schranken gefchen, derim Zustand des Hungers die Keuschs heit verlegt hatte, und kein Sophist wird so unverschämt seyn, au behaupten, daß Kupido auf Gehör rechnen kann, so lange der Magen unbefriedigt ist. Sind wir also nicht berechtigt, zu schlies fen, daß der Magen eher ein Feind der Liebe, als ein Befördes rer ihrer Sünden ist? Was diese Ansicht der Sache nicht wenig bestätigt, ist der Sas, daß kein Mensch zweien Herren dienen Faun, und daß, wie Sancho sagt, wenn der Bauch voll ist, die Glieder ruhen wollen." Dazu bemerke man noch, daß in Sachen des blinden Gottes der wohlgenährte, dicke Alderman derjenige ist, der mehr von Anderen unbill erfährt, als sich selbst dergleis chen zu Schulden kommen läßt.

Daß der Magen auf den Muth viel Einfluß hat, bestreitet Niemand. Nie hat sich die Bullenbeißer Natur des Englischen Volks mehr herausgesicht, als in dem glorreichen Sieg, den es einst davontrug, als es von einer Krankheit heimgesucht ward, bei der die Verdauungs Functionen am empfindlichen leiden, Panurge bemerkt von sich selbst: Je n'ay poinct de couraige sur mer; en cave et ailleurs j'en aye tant et plus, und er hat Recht. Wer noch mit der Seekrankheit zu kämpfen hat, wird auf dem Weer nicht sehr muthig seyn, nur der ist ein hands ster Seemann, der von jenem Uebel nichts mehr zu fürchten hat. Der Lands soldat aber, der in demselben Athem dem Feinde trogen und nach dem Proviantmeister schreien fann, muß einen ungeheuren Magen zum Kampfen haben. Die Franzesen machen es den Englischen Krämern zum Vorwurf, daß fie uidt gern mit leerem Magen kämpfen, und rühmen sich ihrer eigenen Unabhängigleit von dem Proviantmeister im Felde. Dies mag wohl zu Seite: verdienfilich seyn, daraus geht aber noch nicht hervor, daß der, welcher nichts zu essen hat, am besten fechten wird. Uebrigens haben wir auch die Autorität des Herzogs von Wellington für uns, weldre, als ihm ein Proviantmeister meldete, daß an einem militairij hen Punkte mehrere Mundvorráthe gesammelt lägen,

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ihn fragte, ob er sich mit eigenen Augen davon überzeugt, und, als er eine verneinende Antwort bekam, rund heraus erklärte, er würde eher keine Operationen beginnen, als bis er hierüber Gewißheit bekommen. Auf solche Autorität geftüßt, legen wir wenig Werth auf den plaufibeln Einwand, daß die Pramie bei Rekrutenwerbungen eine so wichtige Rolle spielt. Wer kämpft fo gut als ein reicher Englischer Offizier, der für seine Stelle nicht nur nichts bekommt, sondern noch eine große Summe sahlen muß? und wenn ein leerer Magen zuweilen dazu beiträgt, die Kriegsluft der Englischen Bauern anzuregen, so dürfen wir auch nicht vergessen, daß eben die Hoffnung, fic fatt zu effen, der geheime Grund ihrer Bereitwilligkeit zu dienen ist.

Es giebt Leute, die das Herz für den wahren Sih des Muths halten, so wie Viele glauben, daß es die Quelle der Liebe ist; beides ist falsch. Denn es ist eine ausgemachte Thatsache, daß in der Stunde der Gefahr das Herz zuerst zittert und den Menschen fraftlos macht; jedenfalls ist der löwenherzige Muth erst eine sekunddre Wirkung; denn das Herz ist nichts ohne sirs Pulirendes Blut, und das Blut hangt in lester Instanz von der Verdauung ab.

Daß die Welt dem Magen ein gut Theil Patriotismus zu verdanken hat, haben wir oben bewiesen. Es giebt vielleicht feinen Beamten, der nicht behaupten wird, daß eine Gehaltes Erhöhung seinen Tugenden und Talenten sehr förderlich seyn und daß dagegen durch die geringste Verminderung desselben feine dem Vaterland nüßliche Wirksamkeit wesentlich gehemmt würde.

Doch betrachten wir die wichtige Rolle, die der Magen in den öffentlichen Angelegenheiten spielt. Gleich nach Eröffnung des Parlaments beginnt der Sprecher seine Reihe von Diners, welche den Eifer der Mitglieder wach erhalten sollen. So be weisen auch die hdufigen Kabinets: Diners, daß der Magen auf die ministeriellen Kapazitäten großen Einfluß ausübt. In den guten alten Zeiten haben die Diners, die man von dem Gelde gab, welches Aeltern für die Erhaltung ihres natürlichen Spröfs tings ins Arbeitshaus schickten, den Eifer der Kirchspiels Diener bedeutend gefördert, und auch jeßt bilden öffentliche Diners das Lebensprinzip aller Arten von Vereinen von den Verbinduns gen zur Reform der Korngefeße bis zu denen für Verbesserung der Madrigale.

Mögen die Philofophen sagen, was sie wollen (und wir haben die beste Autoritat dafür, daß es nichts Abgeschmacktes giebt, was sie nicht fagen werden), mit solchen Thatsachen gegen fie, wie wir sie angeführt haben, werden wir nicht aufhören, ihnen Allen zum Troß zu behaupten, daß ein fettes Leiden nicht bloß für das Individuum, sondern auch für die Gesellschaft besser ist, als ein mageres. Unter allen Schriftstellern über Mos ral Philosophie ist Epikur der Einzige, der sich zum Gentleman eignet, und feine Philosophie, in ihrem innersten Geist aufgefaßt, ist durchaus eine Philofophie des Magens. Wir glauben aber nicht, wie der große Haufe, daß Epikur den thierischen, übers mdßigen Sinnengenuß zum Prinzip des Vergnügens erhoben hat. Wer dumm genug ist, seinen Magen zu überreizen, der ist ein eben so großer Narr, als Diogenes selbst. Aber das behaupten wir steif und fest, daß Nichts dem Geist eine so milde, wohlwols tende Stimmung, eine so angenehme Munterkeit mittheilt, als ein mäßiger Genuß dessen, was zum Genießen geschaffen ist, und daß Keiner hoffen darf, fich diefe Stimmung auf die Länge zu erhalten, der seinen Magen mit dem größten Respekt behandelt.

Betrachten wir dagegen diejenigen, die ein assetisches Leben führen, die ihren Magen taglich und stündlich mishandeln: übt nicht dieses edle Organ bittere Rache für ihre Tyrannei? Sind nicht ihre Gesichter von der Wirkung der bösen Säfte entstellt? 3ft ihre Haut nicht in Galle getaucht, und werfen nicht ihre durchsichtigen Wangen das stärkste Licht auf die Irrthümer ihres Lebens? Inwendig aber sieht's noch viel schlimmer aus. Körs perliches Unbehagen verstimmt den Geist, erzeugt Groll und Reid gegen den Glücklichen und verwandelt die Liebe zu Gott in Haß gegen seine angeblichen Feinde, d. h. gegen alle Menschenkinder, Die so chrlich und flug sind, die Güter der Vorsehung zu genießen, und offen eingestehen, zu welchem Zweck fie dieselben geschaffen glauben. Von solchen Leuten hat Paul Charron mit Recht gesagt: Ils se veulent mettre hors d'eux échaper à l'homme, et faire les divins, et font les sors." Ein Mensch also, der solche Thors beiten begeht, verfündigt sich gegen die große Lebensregel, erkenne dich selbst; auch ist es nicht wahrscheinlich, daß der, welcher fich rühmt, das Erste, was er früh Morgens thue, sen, kein Frühstück zu sich zu nehmen", so gesund, munter, flug, mit sich felbft zufrieden und feinen Mitmenschen so núßlich seyn wird, als er es rodre, wenn er feinen Tag à la mode d'Ecosse mit einem nahrhaften, reichlichen Mahl einleitete. Darum wollen wir nicht das entgegengeseßte Extrem empfehlen: einen solchen Mißgriff Pann nur ein Narr begehen, und ein Mensch, der für seinen Magen sorgt, ist, nach streng philosophischer Definition, kein Narr.

Ein berühmter Wisling hat behauptet, derjenige, der das Leben genießen wolle, müsse einen guten Wagen und ein böses Hera haben. In diesem, wie in den meisten Parodoren, ist Wah: res und Falsches zusammengeworfen. Allerdings wird der, welcher jene beiden Dinge zusammen beißt, nicht zu fürchten haben, daß feine Verdauung durch ein allzu starkes Mitgefühl für die Leiden Anderer beeinträchtigt wird; dagegen verliert er auch den Vor:

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theil, den das gute Hers gewährt, indem es den Wagen vor uns mäßigkeit schüßt. Uebrigens trägt Nichts so angenehm zur Bes förderung der Berdauung bei, als das befeligende Bewußtseyn, eine gute That gethan zu haben, und die Bonvivants, die dies lesen, mögen fich überzeugt hatten, daß der Mensch mit diesem Bewußtseyn viel mehr effen kann und viel weniger Sodbrennen zu befürchten hat, als wenn er sich in harter, menschenfeindlicher Stimmung zu Tische seßt. Eben so wenig ist ein guter Magen und ein beschränkter Kopf eine glückliche Combination. Geistess aufregung ist gewiß der Verdauung schädlich, aber Piron hat sehr richtig ertiart: les morceaux caquetés se digèrent plus aisément, oder mit anderen Worten: leichte, gefällige und geistreiche Unterhaltung befördert die Verdauung, während gewiß Richts auf diesen Prozeß einen so hemmenden, unangenehmen Einfluß ausübt, als die Monotonie einer Narrentrommel. Nein, wir glauben, daß die Vereinigung einer guten Verdauung mit einem schlechten Herzen oder einem schlechten Kopf eines der seltenften Phänomene ist; denn wenn die Natur so narrisch ist, solche Eles mente zu kombiniren, so wird der schlechte Kopf dem Magen eine falsche Richtung geben, und das böse Herz wird ihm solche Schwierigkeiten bereiten, daß er wenig Muße zur Verdauung übrig behält, wenn es ihm nicht auch die Mittel zur Verdauung nimmt. Wenn es wahr ist, daß der, welcher gut verbaut, gut schläft, und daß der, welcher gut schläft, von einem bösen Ges wissen nichts rocis, so muß man doch auch zugeben, daß böse Gewissen böse Träume produziren, und daß böse Träume nichts weniger als Magenstärkungen sind.

In dem menschlichen Organismus ift Alles Harmonie und Sympathie, und so wie Ein Organ leidet, müffen auch die übrigen früher oder später die Zeche bezahlen. Der Magen aber ist der Central Fokus aller dieser Sympathieen, und so wie die Spinne, die in der Mitte ihres Gewebes fist, die entfermeste Berührung ihres weit ausgespannten Neges fühlt, so nimmt auch der Mas gen, der mit Kopf, Hers, Lungen und Haut kommunizirt, an allen Leiden Theil, welche diese entfernteren Organe treffen.

Seine Leidenschaften zu beherrschen, ist gewiß sehr empfeh lenswerth; mit Ruhe und Scharfe zu denken, mag für die Ins tereffen des Individuums in der Gesellschaft vortheilhaft seyn; aber die Bewegungen des Magens, sumal in unserer Civilisation, gehörig zu reguliren, ift die Spise aller Vollkommenheit, das summum bonum der Philosophie. Sprechen wir es nur aus: derjenige, welcher darauf sieht, daß diefes Organ aller Organe regelmäßig sein tägliches Brod in liberalem Maßstab bekommt, und dabei auch nicht versäumt, es durch Mäßigkeit, Munterfeit und Wohlwollen in guter Laume zu erhalten, ist der weiseste, der zuverlässigste, der tugendhafteste Mensch und Bürger, der,,rex denique regum et

praecipue sauus, nisi com pituita molesta est."

Mannigfaltige 8.

- Deutsche Geschichtswerke in Italien. Der Ges schichte Papst Innocens des Dritten, von Hurter, die bereits von den Herren Alerander von St. Chéron und Haiber ins Französische überseßt ist, ist jest auch die Ehre einer Uebertragung ins Itas lianische zu Theil geworden.) Die Italianischen Kritiker führen auch ihrerseits dieses Werk als einen Beweis an, daß das Römis iche Pontifikat jest in Deutschland und sogar von protestantischen Geschichtsschreibern viel anerkennender beurtheilt werde, als es in Frankreich von katholischen Autoren, namentlich von Sismondi, Michelet, Thierry und Anderen zu geschehen pflege. Aus der Französischen Bearbeitung des Rankeschen Werkes über die Päpste, so wie des Voigtschen über Papst Gregor VII., ist jedoch aur Genüge bekannt, in welcher Art Herr von St. Chéron und seine Kollegen, mit der Ueberseßung Deutscher Werte umzuspringen pflegen. Die Storia di Innocenzo III. ist nach der Französischen Version gearbeitet und von dem Ueberseßer, Herrn Luigi Coccagni, mit neuen Zusäßen versehen; herr Hurter möchte daher wohl Paum noch sein eigenes Wert darin wieder erkennen, obwohl von diesem Schweizer Gelehrten verlautet, daß er mit den Aenderuns gen, die seine Pariser Verballhorner mit ihm vorgenommen, volls Tommen einverstanden gewefen fen.

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Der erste Schottische Komponist. Als solcher wird Herr John Thomson aus Edinburg genannt. Noch hat sich, merks würdig genug, feiner seiner Landsleute, die sonst in allen Fächern schon Ausgezeichnetes geliefert haben, als Tondichter auch nur bemerklich gemacht. Was uns aber an Herrn Thomson beson ders interesfiren muß, ist der Umstand, daß er sich nur Deutsche Stoffe zu seinen Compositionen wählt. Zuerst trat er mit einer Oper Hermann" und Thusnelda) auf, die jedoch nur wenig gefallen hat; gegenwärtig hat er mit größerem Beifall zwei Deutsche Lieder von Schiller und Uhland komponirt.") Von Schiller hat er die ,,Nadowessische Todtenklage" fich gewählt nicht eben ein glücks licher Stoff, den er jedoch sowohl sprachlich als musikalisch mit Glück zu behandeln wußte.Anmuthiger ist das,, Ständchen" von Uhland, das dem Komponisten Gelegenheit gegeben, Gemüth und Gefühl zu zeigen.

*) Storia di Papa Innocenzo III. e de' suoi contemporanei, di Federico Hurter. Milano, 1839.

") Two songs from the German of Schiller and Uhland; set to music by: John Thomson. Edinburgh, 1839.

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