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felbft dem Tubal Kain zugeschrieben. Nach der Ansicht des ges lehrten Conde ift Corduba nur eine Verfälschung von Karta Luba (bedeutende Stadi); Strabo sagt, es sey 585 vor Christi Geburt von M. Marcellus gegründet worden, doch ist man allgemein der Meinung, daß es damals nur wiederaufgebaut und vergrößert worden, denn Cordova soll schon vor den Römerzeiten eine der wichtigsten Städte der Turdetaner oder Lurduler, der Urbewohner Andalusiens, gewesen seyn. Zur Zeit der Römer‹Herrschaft war Cordova unter dem Namen Colonia patricia eine Stadt ersten Ranges, die Hauptstadt des jenseitigen Spaniens und berühmt durch ihre Schulen und Gelehrten, wozu die beiden Seneca's und Lucanus gehörten. Martial sagt:

Duosque Senecas, unicumque Lucanum Facunda loquitur Corduba.

Nach der Invasion der Araber stieg Cordova zu noch größe rer Wichtigkeit; es wurde die Residenz der Kalifen und der Siß der Arabischen Wissenschaften und Künste; es war das Bagdad des Abendlandes, die aufgeklärteste und gebilderste Stadt dieses Theils von Europa. Der erste der Abendländischen Kalifen, Abs derrahman, der um die Mitte des achten Jahrhunderts in Cordova herrschte, hatte schon viel für den Ruhm und das Gedeihen der Stadt gethan; unter seinen Nachfolgern aber, vorzüglich im zehnten Jahrhundert, erreichte sie den höchsten Gipfel ihres Glans zes; die nüßlichen Künste, besonders der Ackerbau, wurden hier mit einer bis dahin ungekannten Vollkommenheit betrieben; auf den zahlreichen Kollegien wurden alle Zweige des menschlichen Wissens gelehrt, und die Bibliothek Al Halem's, des Sohnes Abderrahman's III., soll allein 600,000 Handschriften enthalten haben. Cordova war der Sammelplay aller Gelehrten und Phi losophen, die durch tiefe Gelehrsamkeit und Geist eben so berühmt waren wie die Ritter durch ihre Tapferkeit und Galanterie. Auch der Handel der Stadt stand in der schönsten Blüthe, die Leders, Seidens, Golds und Silbergaze Fabriken waren lange durch ganz Europa berühmt. Die Stadt soll nach den Berichten eines Maus rischen Schriftstellers ohne die Vorstädte 14 Meilen im Umkreis gehabt, es sollen sich darin mehr als 200,000 Häuser, 1600 Mos scheen, 900 öffentliche Bäder befunden und die Bevölkerung sich auf eine Million Seelen belaufen haben. Vom Anfang des eilfs ten Jahrhunderts an gerieth Cordova wieder in Verfall, denn es hörte auf, Hauptstadt zu seyn, weil das Königreich in mehrere kleine Staaten zerfiel. Ferdinand der Heilige eroberte es 1236, vertrieb die Mauren daraus und verwandelte es in eine Eindde; nach und nach hob sich Cordova zwar wieder etwas, doch erreichte es nur einen schwachen Schimmer seines ehemaligen Glanzes; seine Paläste find Ruinenhaufen, sein Handel und seine Industrie ohne Leben, und seine Bevölkerung beträgt ungefähr 20,000 Seelen.

Man entdeckt leicht in Cordova die Spuren aller der verschie denen Völker, welche einst darin herrschten. An einigen Stellen ist die Stadtmauer von Römischer, größtentheils aber von Maus rischer Bauart, hin und wieder mit Spanischen Gips-Zierrathen überladen; die Brücke wurde im achten Jahrhundert von den Araber nauf einem Römischen Grund erbaut; das gewölbte Thor am Ende der Brücke rührt von den Römern her; die Pfosten dieses Thores bestehen aus Säulenfragmenten, wovon einige, aus weißem Marmor, von Römischer, andere aber, von röthlichem Stein, allem Anschein nach von Maurischer Arbeit sind. Die Inschriften, die man überall liest, sind Beweise für den frommen Sinn der früheren Einwohner von Cordova; überall findet man Statuen der Jungfrau und des Erzengels Raphael, des Schuß patrons der Stadt; gleich am Römischen Thore steht der Lestere auf einer hohen Saule, welche an ihrem Fußgestell die Inschrift tragt: Ich schwöre Dir bei dem gekreuzigten Jesus Christus, daß ich der Engel Raphael bin, den Gott zum Beschüßer der Stadt auserlesen hat."

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Cordova ist das Grab der Mauren, eine Spanische Stadt, in der man nicht einmal die Annehmlichkeiten des Prado genies ben kann! Es fehlt derselben zwar nicht an diesem unerläßlichen Schmuck jeder Andalusischen Stadt, aber er wird mit Ausnahme der Sonns und Festtage sehr wenig besucht, und man kann sich nach der auf einer Höhe gelegenen Alameda begeben, wann man will, man wird weder durch den Lärm der Menge, noch durch das Gedränge, noch durch das Geplauder der Damen in seinem einsamen Spaziergange gestört. Für diese Einsamkeit entschd. digt aber das herrliche Gemälde, das sich unseren Blicken darbie tet; man übersicht eine weite Fläche, die sich eine Weile weit bis an die Sierra erstreckt, deren Bergrücken mit Orangen, Ges büschen, Einsiedeleien und Klöstern bedeckt ist; weht der Wind von den Bergen her, so führt er die herrlichsten Düfte mit. Folgt man einer niedrigen Mauer, die sich von der Alameda nach Often hin fortzieht, so kömmt man bald in ein dichtes Granatens Gebüs, deffen feurig rothe Blüthen herrlich gegen das grüne Laubwerk abstechen; rechts liegen Waizenfelder, auf welchen die Schnitter måhen und Pferde nach der alten morgenländischen Weise das Korn austreten; Priester in schwarzen Kutten und uns geheuren Hüten beaufsichtigen die Arbeiten und nehmen den Zehnten für das Kloster in Empfang; von Strecke zu Strecke ers blickt man einige Trimmer der alten Gränzen der Stadt zur Zeit ihrer Blüthe, und wenn man immer tiefer zwischen den dunkeln Schatten der alten Alameda hinuntersteigt, die zwischen dem Fluffe und der alten, an dieser Stelle aus gelben Steinen erbauten und von großen viereckigen Thürmen vertheidigten Rings mauer liegt, so steht man endlich wieder neben dem Brückenkopfe

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Ein Russisches Urtheil über Sultan Mahmud. *)

.... Um wo möglich den Sultan Mahmud zu sehen, bega ben wir uns nach dem Palast Keats Chané. Nur wenig Hoffnung hatten wir für die Erfüllung unseres Wunsches, indem während der Anwesenheit des Sultans der Zugang zum genannten Palast in der Regel versagt wird. Als wir uns näherten, bemerkten wir eine Gruppe Menschen, die mein Begleiter und Dolmetscher, Herr Bogdanoff, für hohe Würdenträger erkannte. Wir ließen uns dadurch nicht zurückhalten. Am Thore standen Schildwachen und in deren Nähe einige Offiziere und ein Oberst. Als Leßterer uns bemerkte, trat er zu mir heran und fragte, was ich wolle? Ich bat Herrn Bogdanoff, ihm zu sagen, daß wir in Ramiss Eschiflik in der Hoffnung gewesen wären, den Sultan zu sehen, aber, nachdem wir erfahren, daß er dahin nicht kommen würde, unsere Richtung nach Keat Chané genommen hatten, um zu vers suchen, ob wir hier nicht glücklicher seyn würden. Er fragte, wer ich sen? Ich antwortete, ich sen ein reisender_Russischer General und wünschte sehr, das Glück zu haben, den Monarchen zu sehen. Der Oberst erwiederte, daß der Sultan in diesem Schloffe Niemanden empfange;,,als Beweis", fügte er hinzu, ,,sehen Sie hier Pascha's und andere unserer Beamten, die sogar nicht in das Thor gelassen werden. Indessen werde ich Sie bei dem dienstthuenden General melden." In der That erschien dies fer auch bald und richtete an mich die nämlichen Fragen, die ich gleichmäßig beantwortete. Auf seine Frage, bei welcher Truppen Gattung ich diente, erwiederte ich:,,Bei der Kavallerie." ,,Obgleich der Sultan hier Niemand empfängt, so werde ich Sie dennoch dem General Adjutanten Achmed Pascha_melden."

Achmed Pascha kam selbst zu mir heraus. Ich sagte ihm, daß der Hauptzweck meiner Reise nach ́ Konstantinopel gewesen wäre, den großen Monarchen, den Reformator seines Volkes zu sehen, der in die Fußstapfen Peter's des Großen getreten sen. Sehr artig erwiederte Achmed mir, er wolle dem Sultan meinen Wunsch unterlegen und mir seinen Willen kund machen. Kaum waren fünf Minuten vergangen, als mein Oberst herbeieilte und mir sagte, der Sultan habe befohlen, mich allein hinein, die Uebrigen aber vor dem Thore zu lassen. Ich verstehe die morgenländischen Sprachen nicht und würde ohne meinen Ges fährten, Herrn Bogdanoff, taub und stumm feyn.",,So möge er mit Ihnen gehen", sagte der Oberst und führte uns

durch das Thor.

Wir traten in einen kleinen Hof: rechts war eine aus drei Stufen bestehende Stiege, die in die Hof Moschee führte; uns gerade gegenüber befand sich die sweistöckige Wohnung der Söhne des Sultans. Der jüngste von ihnen, ein schönes Kind,sah, auf den Armen eines feisten Arabischen Eunuchen, aus einem Fenster, unter welchem eine Reihe Fußvoll mit einem Mufilcorps stand. In meiner Nähe bemerkte ich, in zwei Reihen aufgestellt, alte Leute in zimmeifarbenen Röcken mit Medaillen auf der Brust; später erfuhr ich, daß es Kammerherren waren. Zwis schen ihnen und dem Militair war ein Gang frei zu den inneren Gemächern im anderen Hofe. Man wies mir meinen Plaß bei den alten Leuten an, und hinter mir einen für Herrn Bogdas noff. Plößlich ertönte die Musik, die Soldaten schulterten das Gewehr, und in dem inneren Thor zeigten sich zwei Beamte, große filberne und vergoldete Rauchgefäße in Form von Vasen, aus denen Aloe duftete, vor sich her tragend. Ihnen folgte der Sultan, rechts unterstüßt von Halil-Pascha und links vom Šeriass ker Chosrew. Die Soldaten präsentirten das Gewehr, und in gemessenen Schritten ging der Sultan mir sehr nahe vorbei, in die Moschee. Als Seine Hoheit mir gegenüber war, bückte ich mich tief; er würdigte mich eines wohlwollenden Blickes.

So war mein Wunsch, den Sultan zu sehen, erfüllt. In der Vorausseßung, daß für mich nichts weiter zu thun wäre, wollte ich fort, und um so mehr, weil die Sonne mich unbarm herzig bestrahlte, mitten in einem kleinen Hofe, auf Sand ste hend und ohne den mindesten Schuß; aber mein Gefährte bemerkte mir sehr verständiger Weise, daß, weil der mir erlaubte Zutritt zum Sultan als eine besondere Gnade angesehen werden müsse, und um so mehr, da außer mir Niemand die Erlaubniß erhalten habe, den Hof zu betreten, er mir den Rath gebe, die Rückkehr des Sultans aus der Moschee abzuwarten, um mich das zweite Mal vor Sr. Hoheit zu verneigen und dadurch meinen Dank für die mir bewiesene Auszeichnung an den Tag zu legen. Ich befolgte diesen Rath und habe es nicht bereut, weil bald darauf aus der Moschee der nämliche Oberst zurückkehrte und mir sagte, daß der Sultan, besorgt, daß es mir beschwerlich fallen könnte, ihn auf dem Hofe und der Sonne ausgefeßt zu erwarten, zweien Pascha's befohlen hatte, mich bis zu seiner Rückkehr aus der Moschee in den Palast einzuladen. In der That erschienen. auch zwei junge General Majore, einer vom Fußvoll und der andere von der Reiterei, und führten mich in die Zimmer, unter welchen, wie ich bereits früher erwähnte, die jungen Söhne Mahmud's wohnten.

*) Aus dem Reisebericht des Russischen Generals N. S. Wiewolofhky fiber Süd-Rußland, die Krimm, Odessa, Konstantinopel, Klein-Asien u. f. w. in den Jahren 1836 und 1837.

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Rachdem wir in ein Gemach getreten waren, mit Polsters figen langs den Wäuden, forderte man mich zum Sigen auf, und die beiden Pascha's seßten sich neben mich: Diener reichten uns Allen Pfeifen und bald darauf Kaffee. Die Unterhaltung begann von Seiten der Pascha's mit höflichen Redensarten. Sie sagten mir, daß ich der erste im Palast Keat Chané zugelassene Auslan der fen; Se. Hoheit pflege hier von seinen Arbeiten auszuruhen und laffe nur selten einen seiner Großen vor sich. Ich antwor tete, daß ich die Gnade des Sultans zu fühlen und nach ihrem ganzen Werth zu schäßen wüßte. Dann berührten sie das damals allgemeine Gespräch über den Engländer Churchill, erzählten diese Geschichte und fragten, ob ich davon gehört hatte? - Ja, ants wortete ich furs: Der Engländer hat Unrecht. Diefe Worte schienen einen angenehmen Eindruck auf meine Nachbaren zu machen. Nicht wahr, Mosko: Pascha? Aber unser Sultan ift so gut, daß er sehr darüber in Zorn gerieth! Ein nicht mehr junger Mann, der in Handelsgeschäften in ein fremdes Land tommt, hat sich nicht auf dem Lande umherzutreiben, um Wachteln zu schießen; und nun gar erschießt er anstatt eines Vogels ein Kind. Ist es zum Verwundern, wenn die Aeltern des Kindes ihn dafür durchprügeln? Schade nur, daß sie ihn nicht darauf zum Englischen Gesandten brachten." Die Unterhaltung ward lebhaf ter, und als wir den Gegenstand völlig erschöpft hatten, begab fich einer der Pascha's in die Moschee, wahrscheinlich um meine Reden au hinterbringen. Einige Minuten später erschien abers mals der bekannte Oberst und zeigte mir an, daß der Sultan bald aus der Moschee fommen würde, und daß er, um mich besser au sehen, den Kammerherren habe befehlen lassen, sich zu ents fernen, damit ich allein ihren Plag einnehme. Ich ging so gleich zu Herrn Bogdanoff, und wir nahmen den uns angewie fenen Play ein.

Aus der Moschee kommend, blieb Mahmud auf den Stufen Behen, warf einen Blick auf uns, als wolle er sich von der Voll: siehung feines Befehles überzeugen, und ging in derselben Weise, wie früher, auf mich zu. Als er sehr nahe gekommen war, hielt er an und sagte Etwas zu Halils Pascha. Dieser wendete fich zu mir mit der üblichen Begrüßung, die Hand auf die Brust legend. Obgleich es sich für mich nicht siemte, in Gegenwart des Monarchen einen Anderen zu begrüßen, so dachte ich, daß Halil's Gruß vielleicht eine Folge deffen seyn könne, was der Sultan ihm gefagt (mas jedoch wegen der Musik und Trommeln Bogdanoff nicht gehört hatte), und entschloß mich, des Pascha's Gruß zu erwiedern. Hierauf feßte der Sultan seinen Gang in die inneren Gemacher fort, und wir fehrten zu unserem Boot surück.

Es scheint mir hier übrigens der Ort zu seyn, die Person des Sultans und die Tracht zu beschreiben, in welcher ich ihn sah.

Mahmud ist von mittlerem Wuchs, breitschulterig und siems lich wohl gebaut; sein Antlig ist bräunlich, aber ausdrucksvoll; feine Augen sind durchdringend, aber im Blick liegt etwas Strenges und sogar Drohendes; die Brauen sind schwarz, fast radförmig; er hat eine wohlproportionirte Adlernase; der Mund ift klein. Begrüßungen erwiedert er, wenn er sein Wohlwollen ausdrücken will, mit freundlichem Blick, auch wohl mit einem Lächeln, den Kopf aber neigt er nie. Sein hoher, mit einer großen seidenen Quaste geschmückter, bis tief auf die Brauen gedrückter Feß giebt seinem Antlig etwas Finsteres. Den Bart tragt er ziemlich kurz beschnitten; er ist völlig schwarz; leicht möglich, daß der Sultan ihn färbt. Wie man sagt, hat er eine feste Constitution und braucht keine Medizin, so daß Chakims Pascha, der Leibarst, für ihn keine Nothwendigkeit, sondern ein Lurus oder ein Bedürfniß der Entente ist. Ich hörte unter Anderem, daß der Sultan - noch schöner zu Pferde, jest auf Europäischem Sattel reite und dreift und sicher, auf higigem Arabischen Rok, die Front entlang galoppire; ich habe es jedoch nicht gesehen. Mahmud kleidet sich mit vielem Ges schmack, und ihm steht die neue Türkische Tracht gut. Nur Halils Pascha, und zwar nach seinem Aufenthalte in St. Petersburg, fann fich mit ihm in Eleganz messen. Als ich den Sultan fah, trug er einen blautuchenen Kaftan and sorgfältig ausgendhie Französische Stiefel (bottes à l'ecuyère) mit goldenen Sporen. Die Sporen läßt er immer aus Frankreich kommen. Ueber dem Kaftan hing ein kurzer mit einem brillantenen Schloß auf der Brust befestigter Mantel; an den Händen trug er Handschuhe. Die ganze Tracht zufammen machte einen wohlgefälligen Ein druck auf das Auge; nur fragt sich's, ob sich dieser neue, eng am Leibe liegende Anzug auf die Dauer erhalten wird? Das Volk im Allgemeinen liebt ihn nicht; die Ulema's und alten Leute verabscheuen ihn, lassen ihn sich aber gefallen, weil sie den Sultan fürchten.

Mannigfaltiges.

Neue Würdigung Glud's in Frankreich. Es hat fich in der neuesten Zeit selbst in Deutschland manche Stimme gegen die hohe Verehrung Gluck's erhoben und feine Opern, sowohl in Hinsicht ihrer Musil als ihrer Süjets, als veraltet

darstellen wollen. In Paris find diese Meisterwerke schon seit längerer Zeit zurückgelegt worden, doch so wie jene Stimmen bei uns nicht durchaudringen vermochten, so scheint auch unter den Franzosen bereits wieder eine Reaction gegen diese hintanseßung einzutreten. Dort hat die Wiedererweckung des Geschmacks an Racine's Tragödien durch Dlle. Rachel nicht wenig dazu beiges tragen, daß man auch zu neuer Anerkennung des unvergänglichen Werthes der dramatischen Compositionen jenes Meisters gelangt ist, der seine Kunstregeln, eben jo wie Racine, nach den Grundidsen der antifen Schönheit sich bildete, -Grundfäße, die auch der Romantiker nie ohne Schaden studiren wird. Es ist schon die Rede davon, daß Gluck's,,Iphigenia in Tauris auf der großen Opernbühne von Paris, der Académie royale de musique, neu in Scene gehen soll, und in der Gazette musicale läßt sich Ad. Guéroult mit wahrer Begeisterung zu Gunsten dies ses Vorhabens vernehmen. Sein Urtheil über die Bedeutung der Werke Gluck's ist treffend. Rossini schreibt nicht mehr sagt derselbe unter Anderem, seine Nachahmer sind abgenust, Meyerbeer's Genie ist jest die einzige Stüße unserer großen Oper; marum also hier nicht einmal den Versuch mit einer dhns lichen Revolution machen, wie er im Schauspiel durch Dile. Rachel bewirkt worden. Man sagt, das Publikum liebe nur noch Tanzmusik und was ihr gleichi; aber hat man nicht auch taus sendmal wiederholt, daß Racine nur noch zur Lektüre tauge, daß aber auf der Bühne sein Reich zu Ende sen? Da ergreift ein junges Mädchen vom Baudevilletheater mit energischer hand das alte wurmtihige Scepter der klassischen Tragödie, bållt sich in ihren durchlöcherten Mantel und trägt ihn mit solchem Adel, weiß sich mit solcher Gluch den Geist jener verlassenen Kunst ans zueignen, daß ganz Paris in Bewegung geráth und feine alte Bewunderung für Racine und Corneille vollkommen wiederfinder. und hat das Publikum nicht eben so, als das Konservatorium uns einige Scenen aus Gluck's Iphigenia in Tauris" und Ars mide" hören ließ, des leeren Klingklangs müde, diese großen Inspirationen mit Enthusiasmus aufgenommen? Man ermuntere jedes neue, jugendliche Talent, aber man vergesse nicht, daß man, um es richtig zu beurtheilen, um die echten Kunsts Ideen zu bewahren, zuweilen auch dem Alten, durch lange Bewundes rung Geheiligten seine Aufmerksamkeit wieder zuwenden muß. Wer möchte wohl sich rühmen, daß er Raphael und Correggio nicht fenne, wer möchte behaupten, daß die Fortschritte der heutis gen Malerei uns des Studiums jener göttlichen Meister übers höben? Allerdings hat jede Kunst gewisse Partieen, die der Mode unterworfen find, auf denen die Zeiten ihr Gepräge zurücklassen; aber in den Werken der Genien der Menschheir nimmt dieser wirklich nicht mehr auf der Höhe der Zeit? Mozart ist vielleicht sterbliche Theil nur einen sehr geringen Play ein. Stände Gluck mannigfaltiger und universeller; Rossini, in seinen schönsten Augenblicken, giebt Mozart an Glanz und Lebendigkeit wenig nach; Beethoven kömmt diesem ohne Zweifel gleich an Kraft und funste voller Vorbereitung jener unwiderstehlich hinreißenden, erschüt ternden Effelte; aber fein Komponist besist in dem Maße, wie Gluck, die Kunst, für Götter und Helden eine musikalische Sprache zu finden, feiner ist mit so einfacher und majestätischer, mit fo wahrhaft antiker Größe begabt. Er ist einfach, ohne gewöhnlic zu werden, malerisch und fühn ohne Bizarrerie; feine königliche Natur verläßt ihn nie, sein Adel verräth sich auch in den gering sten Kleinigkeiten. Man höre den Chor, der Eurydice's Tod beweint, man höre Iphigenie, die den Untergang Griechenlands und Agamemnon's bellagt, und man frage ich, ob Sophokles, wäre er Komponist gewesen, andere Töne dafür hätte finden kön nen? Solchen Schmerz vermag man heutzutage nicht mehr auss zudrücken. Wie kleinlich ist dagegen das Toben unseres mos dernen Schmerzes, wie zeigt sich die Schwäche unserer Nas tur im Vergleich mit der edlen Resignation jenes antifen Schmerzes. Dort fühlt man bei jedem Worte die Gegenwart der Götter; der Mensch ist veredelt durch ein ihn umgebendes Etwas, das größer ist, als er selbst. Was ist es denn, so fragt man, um jenen Tod des Agamemnon, der seit dreitausend Jahren die größten Genien der Menschheit begeistert hat? Nichts weiter als ein betrogener Mann, von seinem Weibe umgebracht. Wir fehen dergleichen täglich vor unseren Affisen, und diese burgers lichen Katastrophen erregen nichts als ein wenig Neugier und viel Ekel. Woher nun der Unterschied? Weil unsere heutigen Vers brechen, von Habgier oder Ausschweifung erzeugt, ganz irdisc, ja thierisch find; weil die Götter ihnen fremd bleiben, weil feine gewaltige Leidenschaft, fein großes Gefühl ihnen zu Grunde liegt. Jene erhabene Poesie des alten Griechenlands, die Poesie eines Homer, Sophokles und Euripides, fie ward auch von Gluck em: pfunden, und er hat sie seiner Musik eingehaucht. Die energischbe Ruhe, welche über allen Gefühlen schwebt, die Majestát, die tiefe, in Einem Wort fich malende Empfindung, der sich selbst achtende und die Bedingungen der Schönheit nie verlegende Schmers, der Schmerz der Niobe, ein Schmerz ohne wilden, Schrei und ohne Verzerrung, das ist es, was Glud so meisterhaft auszus drücken versteht, und worin ihm fein anderer Tondichter gleichs tömmt. Orpheus, Armide, Alceste und die beiden Jphigenien sind zwar nicht der Inbegriff der ganzen Tonkunst; wohl aber fann man ohne Uebertreibung behaupten, daß es in feiner anderen Art dieser Kunst etwas Erhabeneres giebt."

vierteljährlich, 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie.

No 107.

für die

Expedition (Friedrichs-Straße Nr. 72); in der Provinz so wote im Auslande bei den Wobusbl. Posk - Aemtern,

Literatur des Auslandes.

Berlin, Freitag den 6. September

Kaukasten.

Neueste Reisen nach Georgien und dem Kaukasus.

Die im Laufe dieses Jahres erschienenen Reiseberichte der Engländer Wilbraham und Spencer liefern uns interessante Beis trage zur Kenntniß eines Theiles von Vorder- Asien, der erst in der neuesten Zeit, wegen seiner Eroberung durch die Russen und wegen der langen Kampfe dieser Nation mit den Gebirgshorden des Kaukasus, die Aufmerksamkeit des größeren Publikums ers regt hat. *)

Capitain Wilbraham war Britischer Offizier im Dienste des Schachs von Persien. Als das Persische Heer im Juli 1837 gegen Herat marschirte, blieben die Britischen Offiziere bekannts lich zurück, und Herr Wilbraham benußte diese Periode der Uns thätigkeit, um einen Ausflug in die Länder zwischen dem Kass pischen und Schwarzen Meere au machen.

Als der Verfasser, bei Dschelfa über den Arrad seßend, das Russische Gebiet betrat, erblickte er bald den majestätischen Arrarat, deffen Ersteigung fehr schwierig und außerdem, wegen der Nachbarschaft rduberischer Kurdenstamme, mit Lebensgefahr perbunden ist. Die Landstraßen sind in sehr schlechtem Zustande, und selbst Lebensmittel kann man nur mit genauer Noch bes kommen. Die Russischen Truppen in diesem Theile Armeniens werden zum Straßen, und Brückenbau angehalten; jedes Regi: ment hat eine große Anzahl Zimmerleute, Maurer, Grobfchmiede und anderer Handwerker. Züm Aufgraben der Erde zwingt man die Eingeborenen.

Tiflis, die Hauptstadt Georgiens, hat eine sehr malerische Lage. Der niedere Stadttheil ist noch ganz orientalisch; er ents halt lange Reihen Basars, in denen man überall Georgier und Armenier in ihrer Nationaltracht erblickt. Das Russische Quar tier ist weitläufig, regelmäßig und in grandiosem Style angelegt. Die Reihen der Häuser erheben sich längs dem Uferrande des reißenden Stromes Kur und werden hin und wieder durch Gartens Terrassen und große freie Pläße unterbrochen. Auf einem Felsen des überhangenden Berges stehen die Trümmer eines alten Türs Pischen Kastells. Ein Gesuch unseres Reisenden, von hier aus die Provinzen Mingrelien und Imiretien besuchen zu dürfen, wurde ihm, aus dem angeblichen Grunde, daß die Pest dort ausgebrochen fen, von der Behörde abgeschlagen.

Die Georgischen Frauen sind trage, phlegmatisch und im höchsten Grade unwissend. Ihre gerühmten Reize schwinden ges wöhnlich sehr früh; nur das dunkie Auge behält seinen Glanz. Die Gräfin Simonitsch, Gemahlin des Russischen Gesandten in Teheran, ist eine Georgierin — eine sehr imposante Frau, die, obgleich Mutter einer zahlreichen Familie, noch Spuren hoher Schönheit zeigt.

Capitain Wilbraham reiste durch den Tereks Paß in die Kaur kasische Gebirgs Region. Das Thal war so tief und eng, daß er und seine Begleiter mehrere Stunden lang in wahrer Finsterniß wanderten. An beiden Seiten des Weges erhoben sich die Berge wie riesenhafte Granit Mauern, und tausend vorspringende, halb losgerissene Felsenstücke hingen drduend über den Häuptern der Wanderer, Am Passe Dariel, der Pforte des Kaukasus, sind die Felsen einander so nahe gerückt, daß der schäumende Terek ihre Basis bespült. Der Paß ist hier in den Felsen gehauen, der den wüthenden Strom überhängt. hat man den Dariel zurücks gelegt, so öffnen sich die Berge allmålig und enthüllen die weite, mit üppigem Futterkraut bewachsene Ebene der Kabarda.

Zu Karras, in den Steppen der Linien Kosaken, befindet sich eine vormals Schottische, jeßt aber Deutsche Missionair Kolonie. ,,Die Deutschen Geistlichen", sagt der Verf.,,,find sehr gut geeignet, fich Vertrauen und Achtung der niederen Stände au erwerben. Sie selbst sind gewöhnlich aus keinem höheren Kreise des Lebens, und nur ihre höhere Bildung unterscheidet sie von ihren Beichtlindern. Dazu empfehlen sie sich fast ohne Ausnahme durch einfache Würde des Benehmens und vollkommene Unftraf lichkeit des Wandels." Zuweilen werden Deutsche Kolonisten

Travels in the Trans-Caucasian Provinces of Russia ctc. (Reise in Die Russischen Provinsen jenseits des Kaukasus und längs der Südküste ber Seen Wan und Urumia.) Von Richard Wilbraham. 1839. -Travels in Circassia ete. (Reise nach Tscherkessien, nach der Krimmschen Tatarei und um das Schwarze Meer.) Von Edmund Spencer. 2 Bande. 1839.

1839.

von den Tscherkessen fortgeschleppt. Im Jahre 1836 befand sich ein Deutscher mit seiner Frau und vier Kindern in geringer Entfernung von seinem Wohnhause auf seinem kleinen Acker am Terek, als plößlich ein Haufe Tscherkessen die harmlosen Leute aberfiel, den Mann niederschoß und die Kinder mit ins Gebirge schleppte. Ein anderer Deutscher, der Herrn Wilbraham nach den Mineralquellen von Kislavodski geleitete, war vor mehreren Jahren mit einigen Kameraden in die Hände der Tscherkessen gefallen. Er hatte sich indessen nicht über harte Behandlung zu beklagen. Sie blieben einige Monate am Fuße des Berges Elburs bei ihren Räubern, deren Vieh sie häten mußten, und wurden dann heimlich losgekauft. *)

Von Georgiewsk begab sich unser Reisender nach Jekaterinos grad, und dann wieder über die Kabarda und durch den Kaukasus zurück nach Tiflis. Obschon diese Stadt von sehr vielen Euros påern bewohnt ist, so hat sie doch keine öffentliche Bibliothek und nicht einmal einen Bücherladen. Dagegen findet man hier ein Gymnasium får Knaben von jeder Nation, in welchem haupts sächlich orientalische Sprachen gelehrt werden. Herr Wilbraham besuchte eine Soiree des Statthalters, Baron Rosen, in welcher die meisten Damen das Georgische Kostüm trugen, eine Kleidung, die fast darauf berechnet scheint, Gesicht und Wuchs zu entstellen." Fast keine dieser Damen verstand eine Europäische Sprache.

Noch während der Anwesenheit des Capitains traf Kaiser Nikolaus in Tiflis ein. Auf einem Balle, der Seiner Majestat zu Ehren gegeben wurde, hatte der Verf. die beste Gelegenheit, das schöne Geschlecht dieser Hauptstadt genauer kennen zu lernen. In dieser Beziehung sagt er: „Ich muß gestehen, daß ich mich in Bezug auf die fo allgemein gefeierte Schönheit der Geor gierinnen bitter getduscht fühlte; und doch weiß ich nicht, mit welchem Rechte ich meine Erwartungen so hoch spannte. Das Lob der Georgierinnen ist fast ausschließlich von Dichtern des Oftens gesungen worden; der Mangel an Geist, ohne welchen die vollkommensten Gesichtszüge dem gelduterten Geschmack eines Europders nicht zusagen können, ist dem sinnlichen Auge des Asiaten Nebensache. Auch die Kleidung der Georgierinnen ist ohne Geschmack. Eine goldene Tiare, ganz tief in die ohnehin etwas niedrige Stirn gedrückt, und eine Robe, die den Busen zu frei läßt, Füße und Knöchel bedeckt und den hübschesten Wuchs verhüllt, find die wesentlichsten Stücke ihres Anzugs. Alle Mads chen und Frauen schminken sich, und ihre gebeizten Augenbrauen geben dem Gesichte etwas Gemeines, an Frechheit Gränzendes. Ist eine Georgierin wirklich schön, so kann man ihre Schönheit nur materiell nennen. Aus einer gewissen Entfernung betrach tet, erschien mir manches Gesicht sehr reizend; aber bei ges nauerem Ansehen fand ich immer einen unangenehmen Zug, gewöhnlich um den Mund."

Auf seiner Rückkehr von Tiflis nach Persien besuchte der Verfasser die Ruinen von Ani, der alten Hauptstadt Armeniens. Die einzigen noch stehenden Gebäude sind die christlichen Kirchen, eine Türkische Moschee, mehrere Bäder und der Palast der Arme nischen Könige. Zu Erserum kam Herr Wilbraham wieder in die Sphäre der Civilisation, und er erhielt ein Zimmer als Quartier, nicht, wie bis dahin auf seiner Reise, einen Stall; denn die unterirdischen Wohnungen der Armenier sind eben so wohl von Vieh als von Menschen bewohnt. Erserum hat durch den Verlust seiner Armenischen Bevölkerung gelitten, obschon die Regierung des Landes sehr mild ist. Der Handel stockt; die Basars sind klein und dürftig. Von hier machte der Reisende einen Ausflug an den berühmten See Wan, durch das Land der Kurden. Hier überzeugte er sich bald, wie sehr die Beschrei bung, welche Xenophon von der Lebensweise des Volkes in jener Gegend giebt, noch heutzutage auf die Kurden past. Jest, wie damals, find ihre Wohnungen unter der Erde, und die Familie jedes Romaden theilt sich mit seiner Heerde in den beschränkten Raum. Bitlis, am Ufer des Sees Wan, ist eine sehr merks würdige Stadt; die Hduser derselben sind aus behauenen Steinen erbaut, und ihre vergitterten Fenster geben ihnen das Ansehen von Gefängnissen oder Tollhdufern. Der Anblick des schönen breiten Wasserspiegels wirkt auf ein Auge, das so lange nur

*) Die Russische Regierung gestattet nur Auswechselung der Gefangenen, feine Befreiung durch Lösegeld, welche die Habgier der Tscherkessen in zu hohem Grade reizen würde.

dürre Wüsten gesehen, sehr erquickend. Der Geschmack des Wassers ist übrigens außerordentlich bitter.

Von Wan begab sich der Verfasser durch eine mit vielen Armenischen Dörfern prangende Gegend nach dem See und der Stadt Uramia. Bei Dilman sah er die Ruinen einer Armenischen Stadt und mehrere in den Felsen gehauene Bildwerke, die einer sehr frühen Zeit anzugehören scheinen. In Uramia befindet sich eine Amerikanische Missions Gesellschaft, deren Zweck die Bes kehrung der Neftorianer ist. Die Erlebnisse des Herrn Wilbra ham auf seiner weiteren Rückreise nach Teheran sind von ges ringer Bedeutung.

Das Werk des Herrn Spencer enthält, in epiftolarischer Form, die Früchte seiner Wanderungen durch Tscherkessten, Mingrelien und andere Asiatische Länder am Schwarzen Meer. Wir beginnen unseren Bericht über diese Reise mit dem 22sten Briefe, in welchem der Reisende von dem General-Statthalter Süds Rußlands eingeladen wird, ihn auf einer Küstenfahrt um das Schwarze Meer zu begleiten. Die Landschaft an den Küsten der Krimm hat etwas Erhabenes und Romantisches; Weinpflanzuns gen, in Terrassen abgetheilt, schmücken die Anhöhen und mischen ihr helleres Grün mit dem Dunkel der Fichtenwälder am Berge, während aus lieblichen Thälern Tatarische Hütten: Dörfer und allerliebste kleine Moscheen hervorblicken.

Zu Kertsch (einst die Residenz des Mithridat) war der Verf. beim Aufgraben eines antifen Tumulus zugegen. Nach unság, licher Arbeit fand man in einer Tiefe von 30 Fuß sei unges heure Steinplatten und unter denselben einen viereckigen Trog aus behauenem Stein, in welchem eine hölzerne Kiste stand. In der Kiste befand sich eine Urne aus vergoldeter Bronze von sehr zierlicher Arbeit, und die Urne war mit Asche gefüllt. Es giebt unzählige große Grabhügel in der Krimin, deren Inhalt die Museen von Kertsch und St. Petersburg bereichert hat.

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Anapa war der erste Theil Tscherkessiens, deffen unser Verf. anfichtig wurde. Am frühen Morgen weckten ihn die Matrosen mit dem Geschrei:,,Tscherkeß! Tscherkeß!! Er eilte aufs Vers deck und erblickte die Vorkente des Kaukasus in ihren mannigs fachen Formen. Die Sonne stieg hinter einem fernen Pik hers vor und vergoldete nach und nach alle Zinnen des majestätischen Gebirges. Die Anhöhen rings um Anapa waren von Tscher lessischen Kriegern beseßt. Mit Hilfe eines scharfen Fernrohrs sah Herr Spencer die dichten Wälder an der Küste und die Abs hange der Hügel von Bewaffneten wimmeln, die der Mann schaft des Schiffes eine herzliche Begrüßung zudenken mochten, im Fall sie sich über die Mauern der Festang hinaus gewagt hatte.

Von Anapa fuhr man weiter nach Sudichuk; Kaleh (d. h. Bratwursts Festung), einem anderen Fort, das die Russen einnah, men, nachdem es zu Trümmern geschossen war. Die Lage dieses Ortes ist dem Handel sehr günstig; auch ist er zu militairischen Operationen sehr geeignet, wenn die umliegenden Höhen beseßt und befestigt ind. Obschon die Tscherkeffen keine andere Waffen, als Büchsen, Sabel und Bogen, und keine andere Brustwehr hatten, als die eigene Brust, so widerstanden sie hier doch mit wahrem Löwenmuth einem Corps von 15,000 Mann, das einen regelmäßigen Artillerie: Train mit sich führte und von einem erfahrenen Offizier befehligt war. Der Russische Ober-General Weliamineff versicherte unserem Autor, er halte die Eroberung des ganzen Osmanischen Reiches für eine leichtere Aufgabe, als die unterwerfung der friegerischen Stämme des Kaukasus. Ein vors nehmer junger Ticherkesse war in Sudschuk Kaleh zu den Russen übergegangen.,,Sein Haupt und seine Physiognomie, beides rein Griechisch geformt, waren von ungemeiner Schönheit. Der reich genährte Bart, der dunkle Schnurrbart, und die turbanartige Müße vom feinsten schwarzen Astrachan vollendeten sein männ liches Ansehen; seine herrliche Athleten Gestalt hätte einem Phidias als Modell dienen können." Man hatte übrigens diesen jungen Tscherkesen im Verdachte, daß er ein Spion fen und nur darum die Rolle eines Ueberläufers spiele.

Die Nachrichten über die Tscherkessen, welche Herr Spencer hier einsammelte, waren sehr widersprechend. Die Offiziere des Ruffischen Lagers charakterisirten sie als geborene Räuber von unbezahmbarer Wildheit und wahrhaft Punischer Treulosigkeit; wogegen Herr Laitbout de Marigny, der Holländische Konsul in Odessa, welcher Tscherkessien im Jahre 1823 besuchte, diesem Volle alle Tugenden beimißt, die ein halbwilder Menschenschlag nur besigen kann. Die Wahrheit dürfte wohl, wie gewöhnlich, in der Mitte liegen.

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Das Tscherkessische Küstenland ist freundlich anzuschauen und jeder Fleck mit großem Fleiße angebaut. Herr Spencer behaups tet, man habe die Bevölkerung Tscherkesstens viel zu niedrig ans geschlagen. Wenn wir", so sagt er,,,bedenken, welch bedeutens des Areal dieses Volk bewohnt, und wie viele Hande erforderlich find, um nur einen jener ungeheuren Berge zu kultiviren, die oft bis an 5000 Fuß hoch und eine Bemerkung, die ich sonst nirgends gemacht bis zum Gipfel angebaut sind, so werden wir die Tscherkessische Nation nicht bloß für sehr zahlreich, son dern auch für unermüdlich betriebsam halten müssen."

Zu Pigunda angelangt, befand sich der Reisende am Saume des oberen Abafiens. Der Stamm, welcher diese Gegend bewohnt, stand in gutem Vernehmen mit Rußland. Die Tscherkessen mischten sich unter die Rufüschen Soldaten, mit denen sie wegen ihrer symmetrischen Formen und regelmäßigen Züge in schneidens dem Kontraste standen. Bei Zslauria beginnt die Provinz Mins

Anblick darbietet. Die Bewohner haben eine dhnliche Kleidung wie die Tscherkessen, find aber in physischer Hinsicht mehr verwahrs loft. Man behauptet, daß sie den Unternehmungen der Tichers keffen heimlichen Vorschub leisten.

Von Jskauria kehrte die Reise: Gesellschaft wieder nach der Krimm zurück. Herr Spencer reiste durch die Halbinsel nach Odessa, und dann durch Bessarabien und die Moldau nach Ga lacz, von wo er zu Schiffe nach Trapezunt abging. Hier traf er Vorkehrungen zu einer Wanderung ins innere Tscherkessien, eine schwierige Unternehmung, da die ganze Küste blokirt war. Es gelang ihm endlich, unter dem Charakter eines Genuesischen Arztes in einer Türkischen Brigantine nach der Tscherkessischen Küste hinüberfahren zu können. Das Schiff hatte Sals und Kriegs Bedürfnisse also Contrebande - für die Tscherkessen an Bord.

Als man bei Pischad, ungefähr dreißig Engl. Meilen von Sudschuk Kaleh, Anker warf, erschienen auf ein gegebenes Signal Laufende von bewaffneten Männern am Strande und an den Abhängen des Berges. Der Verfasser verstand die Tscherkessische Sprache nicht und wollte sich daher wenigstens durch Annahme ihres Kostüms den Sitten dieses Volkes anbequemen. Er begab sich nach dem Hause des Häuptlings dieser Gegend, Mahmud Indar Oglu, umgeben von wild aussehenden Kriegern, die ihm jedoch zuvorkommende Artigkeit bewiesen. Die Landschaft ist schön und das Land fruchtbar; die kleinen Hütten an den Abhắn; gen der Berge und an den Ufern der Bäche kamen an Zierlich Feit den Sennenhütten der Tyroler und Schweizer Alpen sehr nahe. Je weiter der Verf. ins Innere vordrang, desto üppiger fand er den Graswuchs, desto fleißiger die Bestellung des Bodens; und diese Exkursion bestärkte ihn noch mehr in der Ueberzeugung, daß die Tscherkeffen eine zahlreiche und mit den meisten Bequems lichkeiten des Lebens versorgte Nation sind.

Sitten und Lebensweise der Tscherkessen sind aus den Reises berichten der Herren Tausch und Taitbout de Marigny schon hin länglich bekannt, weshalb wir uns hier mit der Andeutung be gnügen, daß Herr Spencer im Wesentlichen mit den erwchnten Reisenden übereinstimmt. Auch ihm erscheinen die Tscherkeffen in einem besseren Lichte, als dem, in welchem wir gewohnt sind, sie zu erblicken. Er fand sie gutherzig, gefällig, großmüthig und gastfrei. Einen Hang zu Raub und Plünderung gesteht er ihnen zwar zu, allein er motivirt ihn mit der Macht uralter Gewohns heit, welche die Sitte heiligt, daß jeder Ausländer, der es vers fáumt, sich unter den Schuß eines Häuptlings zu begeben, dem ersten Tscherkessen, der ihn zum Sklaven machen will, als Eigens thum angehört.

England.

Die Vergnügungen der Engländer jetzt und ehedem.

(Fortseßung.)

Wer kann die Beschreibung der Spiele und Belustigungen von London, wie sie noch im Anfang des lesten Jahrhunderts waren, lesen, ohne sich über den Gegensaß zu wundern, den London in seinem gegenwärtigen Zustand darbietet, wo es, wie ein Französischer Reisender bemerkt, ,, nicht mehr eine Stadt, sondern eine mit Häusern bedeckte Proving ift." In der ganzen Welt giebt es vielleicht keine große Stadt, die der Masse der Bürger so wenig freien Raum für gesunde Erholung bietet. Jeder leere und grüne Fleck ist in eine Straße verwandelt worden, ein Feld nach dem anderen hat der Baumeister sich angemaßt; Plaße, die zum Ballspiel, zum Kegelschieben, Bogenschießen und anderem Zeitvertreib gedient hatten, wurden in Alleen und Quas drate zerschnitten; das Verlorene anderweitig zu erseßen, wird bei dem steigenden Werth des Bodens und der Ausdehnung der Stadt unmöglich, und die niederen Klassen, die sich nach dem Anblick eines Feldes oder nach dem Genuß frischer Luft sehnen, müssen auf diese Dinge fast verzichten, wenn sie nicht mit dem Verlust von Zeit und Geld eine Reise zu dem Zweck unternehmen. Selbst in unsere Parks, die man nicht mit Unrecht die Lungen der Hauptstadt genannt hat, ist der Alles verschlingende Baus meister hingedrungen, während diejenigen Pidge, die noch frei find, nicht mehr zu Spiel und Schers dem Volk offen stehen. Ist es daher ein Wunder, daß die Leute ihre müßige Zeit auf den Kegelbahnen der Bierhduser und Schnapsidden verbringen, oder daß ihre Unittlichkeit gestiegen ist mit der Vergrößerung der Stadt und der daraus hervorgegangenen Unterdrückung der gefunden, harmlosen Erholungen, die sie früher hatten? Es wäre gut, diefelben wieder ins Leben zu rufen, statt sie ferner zu unterdrücken; noch besser wäre es für die förperliche wie für die moralische Gesundheit des Volks, wenn das Gesez bestimmte, daß überall, wo neue Bauten angelegt werden, ein offener Raum bliebe, auf dem das Volk sich erholen könnte."

,,Bei einer allgemeinen Musterung der jest herrschenden Vers gnügungen wird man finden, daß man zwar viele, wenigstens in der Hauptstadt, fallen gelassen hat, deren Beibehaltung wüns schenswerth gewesen wäre, aber daß auch viele aufgegeben wurs den, deren Verlust wir nicht beklagen können, während die, welche uns geblieben find, an dem Fortschritt der Civilisation Theil nehmend, theils geistiger ihrem Wesen nach geworden sind, theils elegantere, menschlichere Formen angenommen haben. Bdr und Stierhesen, Hahnenkampf und Hahnenwerfen und ähnliche barbarische Belustigungen find schon lange im Mikkredit und

von Rang und Erziehung solchen rohen Scenen beiwohnen, scheint uns so ungereimt, daß wir laum begreifen können, wie dies je möglich war, selbst in Zeiten, die, mit der unsrigen vers glichen, barbarisch zu nennen find."

,,Steevens, der Kommentator von Shakespeare, bemerkt, daß man früher in einigen Grafschaften Englands eine Kage mit einer Quantitat Rus in ein Faß einschloß, das an einer Schnur aufgehängt ward, und daß derjenige, der so geschickt war, indem er darunter hin lief, den Boden einzustoßen, ohne daß er von feinem Inhalt, der Kage, berührt ward, für den König dieses unmenschlichen Festes angesehen wurde, welches damit endete, daß man die Kaße zu Tode jagte. Die Verfolgung, der diese Thiere in besonderem Grade ausgefeßt waren, soll in dem Glaus ben ihren Grund gehabt haben, daß sie mit den Heren intim bes freundet senen ein Verdacht, der hinreichend war, fle dem unwissenden Haufen verhaßt zu machen."

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,,Uebrigens wird es in unseren rigoristischen Tagen nicht leicht Glauben finden, daß die Zeit, die gewöhnlich diesen und anderen barbarischen Spielen, so wie der Aufführung von Stücken, dem Kartenspiel, der Musik, dem Tanz und anderen Ergösungen gewidmet wurde, der Nachmittag des Sonntags war."

Nachdem wir uns von dem Verfasser jenes größeren Werks über die Britischen Spiele und Vergnügungen eine allgemeine historische Uebersicht dieser Seite des Englischen Lebens haben geben lassen, wenden wir uns jeßt, wie wir anfangs beabsichtig ten, zu dem vorigen Jahrhundert und der jüngsten Vergangen heit insbesondere, um sie mit unserer Gegenwart zu vergleichen. Die Veränderungen und Fortschritte, die sich hier ergeben, sind um so interessanter und merkwürdiger, als ja England während dieser ganzen Zeit nicht, wie im 17ten Jahrhundert, durch eine iener großen inneren Revolutionen erschüttert wurde, die solche Veränderungen gleich beim ersten Anblick natürlich erscheinen lassen.

Eine Beluftigung, die im vorigen Jahrhundert besonders be liebt war und die jest ganz aus der Mode gekommen ist, find die Maskeraden, über die sich ein geschmackvoller Zeitgenosse folgendermaßen dußert:,,Maskeraden", sagt er,,,haben vor einigen Jahren viel Spektakel in diesem Königreich gemacht, zur unaussprechlichen Freude der meisten eleganten Herren und Damen und zu gleich großem Verdruß für viele wohlmeinende Unterthanen Ihrer Majestät. Sie haben uns in zwei wüthende Parteien getheilt, die sich so feindlich gegenüberstehen, wie Whigs und Tories, und deren Peine der anderen das Geringste nachgiebt. Die eine Partei ist durchaus für diese Zerstreuung und will fie durch Nichts beschränken lassen, nicht einmal durch die Rücksicht auf das Sittliche; die andere dagegen will eins für allemal nichts von diesen Vergnügungen wissen und verurtheilt Jeden, der daran Theil nimmt, mögen seine Absichten noch so rein feyn."

,,Die Aegyptischen Priester bezeichneten jedes Ding durch eine Hieroglyphe; ihre Gottheiten erschienen vor den Augen der Menge als Hunde, Affen, Gurken und Zwiebeln, so daß die Vorstellungen von der Allmacht ihr Schreckliches für die Menge verloren. Die Persischen Magier verbargen ihre Religions Ceremonien vor dem Volk, und bei den Griechen waren die Mysterien so heilig, daß, wenn ein Eingeweihter es wagte, etwas davon auszuplaudern, er des Todes sterben mußte. So war es auch bei den Römern die Maske war ihren Priestern unentbehrlich, und bei der nächtlichen Anbetung der Venus, des Adonis, Bacchus und anderer niedrigerer Gottheiten mußte Alles maskirt seyn."

So weit diese ernßkomische Vertheidigung der Maskeraden, und nachdem wir noch zur Geschichte derselben angeführt, daß in der Zeit, von der die Rede ist, die Damen gewöhnlich ins Theater und an andere öffentliche Drie maskirt gingen, wollen wir sehen, was später aus ihnen geworden.

Die Maskeraden erhielten sich in der Mode vom Anfang des vorigen Jahrhunderts ab bis zu den Tagen der Mistres Cornelys und von der Zeit der Mistres Cornelys bis zum Pantheon; dann wurden e in Privathäusern gegeben und bildeten eines der an ziehendsten Elemente des geselligen Lebens. Das Pantheon ist nicht mehr da, und eine Maskerade ist etwas, woran kein Mensch mehr denkt, die Klaffen und Kreise ausgenommen, welche nichts mit der Gesellschaft zu thun haben, bei der sie noch innerhalb der leßten 25 Jahre in Schwung waren.

Die Maskeraden sind jest durch die sogenannten Kostüm Balle verdrängt; doch scheinen dieselben einen schlechten Ersay abzuges. ben, da es den Engländern bei ihrer angeborenen Prüderie so peinlich ist, eine fremde Rolle zu spielen; daher sieht auch Nichts abgeschmackter aus, als ein ehrbarer Gentleman und seine Frau, die, als Schweizer Bauern gekleider und mit geschminkten Gesich tern, eifrig ihre häuslichen Angelegenheiten besprechen, als wären fie in ihrem gewöhnlichen Kostüm, oder ein Griechischer Haupts ling und ein Pascha von drei Roßschweifen, die mit einem lies benswürdigen Chinesischen Whangfong zusammenfißen und bes schäftigt find, die Freuden oder, was wahrscheinlicher ist, die Leis den der leßten Soirée au diskutiren. Da ist uns denn doch die Maske lieber: die Maske verbirgt den Menschen, sie giebt ihm das Bewußtsenn der Sicherheit und swingt ihn nicht, große Ans strengungen zu machen, um sich zu verstellen, indem sie von vorn herein der ganzen Person die erwünschte Haltung giebt, und die furzweilige Sitte der alten Zeit, mastirte Freunde herauszufins den und zu entlarven, war gar nicht so übel.

Was die eigentlichen Bälle betrifft, so waren vor dreißig

Jahren Contretänze Mode, die jeßt verbannt sind, und vor funfe sig Jahren wurden sie sogar bei Hofe getanzt, indem ihnen immer die Menuet vorausging. Jest würde man in einer Dame und einem Gentleman, die eine Menuet tanzen, ein Bild von Adam und Eva vor dem Sündenfall sehen. Der Walzer, der während des Krieges auf unsere Insel drang, scheint nur eine Erneuerung eines Tanges zu feyn, der mit viel Lebendigkeit und Wig von dem alten Herrn im Spectator beschrieben wird, welcher fagi: 3 glaube, dieser Tanz ist nur erfunden worden, um zwischen jungen Frauen und Männern ein gutes Einverständniß zu erhalten; doch ich bin überzeugt, wenn Du hier gewesen wärest, Du würdest reichen Stoff zu Betrachtungen gefunden haben." Uebrigens erzählt uns Lady Blessington in ihrem jüngst erschie nenen Werk, der Müßigganger in Italien", daß die Art, wie die Franzosen den Walzer tanzen, durchaus freizusprechen ist von den Vorwürfen, welche die Sittsamen noch immer diesem Tanz in England machen.

Doch es ist Zeit, daß wir auf die Seite des Englis schen Lebens einen Blick werfen, die für unser Thema noch viel reichere und interessantere Resultate liefert, als die bisher angeführten, wir meinen die Promenaden und öffentlichen Vergnügungen, daß wir sehen, inwiefern die hier eingetretenen Veränderungen und Fortschritte mit der Geschichte und den Forts schritten des Zeitgeistes zusammenhängen.

Vor sechzig Jahren war der Mall in Sankt James ‹ Park die fashionable Abend Promenade. Jegt wird der Mall nur zu einer Durchfahrt von Whitehall nach Pimlico benußt, und Abend Promenaden giebt es gar nicht mehr, weil die Klasse von Perso nen, die in der Gesellschaft den Ton angeben, diniren, wenn ihre Großvater zu Abend aßen, und sich zum Souper ankleiden, wenn ihre Vorfahren vor 200 Jahren sich zum Schlafengehen entklei

deten.

Aber der schöne Garten, der den fumpfigen Anger verdrängt hat, und der Holländische Kanal, den er einschließt, ist an den Sommerabenden voll gedrängt von denen, die dinirt haben und sich eben so gern daselbst ergehen, als die, welche nicht gegessen haben; er bietet dem Publikum eine neue Quelle des Genusses und sieht eine Menge vergnügungsluftiger Leute von den vors städtischen Theegarten und Kegelbahnen ab, die in den legten 25 Jahren bei den Einwohnern Londons so beliebt waren. Die Promenaden der fashionabeln Welt haben einen ganz andes ren Charakter angenommen; ihre unbedeutendsten Vergnügungen müssen von Wissenschaft und Kunst gewürzt, Gärten, die besucht feyn wollen, müssen mit Båren und Löwen gefüllt feyn. Der Charakter und die Neigungen von Ottern und Straußen, die Ges wohnheiten des Nilpferdes, die Sitten und Bewegungen der Affen und Paviane, und die häusliche Geschichte der Giraffe, deren Familie erst jüngst mit einem Zuwachs beschenkt worden, bieten unseren jungen Ladies ein Unterhaltungsthema, das zugleich ein feines Medium für sie ist, durch welches sie den zarten Unsinn ihrer galanten Begleiter anhören können, und damit das Ganze mehr der Wenge imponirt, wird der Sonntag zu diesen Promes naden bestimmt und zugleich das Volk von der Theilnahme an ihrem Vergnügen ausgeschlossen; denn dem Reichen und Vors nehmen sind alle Tage in der Woche gleich, während für den Handwerker und Arbeiter Sonntag der einzige Tag ist, wo er Muße hat, über den Gesichtskreis feiner Werkstätte hinauszusehen oder eine Luft einzuathmen, die reiner ist, als die stickige Atmos sphäre der legteren.

Dann werden von Zeit zu Zeit Besuche in Chiswick gemacht, um zu zeigen, was man in der Wissenschaft der Blumenkultur leisten kann; hier werden Medaillen, Vasen und andere ersehnte Kleinodien den Herren und Damen überreicht, die im Stande sind, den größten Rittersporn, die schönste Nelke, die lieblichke Lilie der Jahreszeit vorzuzeigen. Für diesen Anblick muß man 10 Shillinge an der Thür zahlen zur Erhaltung des Fonds, aus welchem die Direktoren und das Comité mit den feinsten Veges tabilien um den niedrigsten Preis versehen werden. Eine andere Sitte, die neulich aufgekommen ist, ist die, auf den Gottesdɗkern in der Nähe der Stadt, welche die schönsten Punkte einnehmen, zu promeniren. Diese Sitte soll, wie es heißt, auf die Gesundheit, Sittlichkeit und heitere Stimmung der Leute sehr vortheilhaft wirken, und diejenigen, die an dem Genuß, den sie gewahrt, Theil nehmen, meinen, sie sen das, was der Dramatiker nenne ,,durch den Tod lebend."

Alle diese Dinge sind erst während der leßten 25 Jahre Mode geworden. Früher war der Kensington Garten gut genug zur Sonntags, Promenade und offen für alle anständige_Bersos nen, die gern mit denen zusammen waren, mit denen sie sonst nicht in Berührung kamen — jezt geht Niemand nach Kensings ton Garten, außer wenn man eines von den glänzenden Musiks Corps der Garde Kavallerie Regimenter will spielen hören, und dies ist immer an einem fogenannten Wochentage, damit nur ja kein Anderer als die,,wenigen Auserwählten“ den Genuß theilen kam; daher wird auch der Tag und sogar die Stunde, wo das Konzert stattfindet, vor Allem, außer was Mistres Trots lope La Crême nennt, fo forgfältig geheim gehalten, wie in den Tagen der Klopffecters Kunst der Ort, wo der Kampf vor sich gehen sollte.

Ranelagh war vor sechzig Jahren der Glanzpunkt der Mode: Iman spazierte daselbst in der Rotunde, wie ein Pferd in einer Mühle, unter den Düften von Thee und Kaffee, die in Waffers Peffeln gebraut wurden, welche auf Feuern in der Mitte des Saals lochten und getrunken wurden von den vornehmsten Pers

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