Billeder på siden
PDF
ePub
[blocks in formation]

Beiblatt der Aug. Pr. Staats-
Zeitung in Berlin in der
Expedition (Friedrichs-Straße
Nr. 72); in der Provinz so
wie im Auslande bei den
Wohllsbl. Pest - Aemtern,

Literatur des Auslandes.

Polen.

Berlin, Mittwoch den 23. Januar

Eine Donnerstags- Mahlzeit beim Könige Stanislaw

Auguft. °)

Die Donnerstags Mahlzeiten, welche eine Zeitlang an dem Hofe des Königs Stanislaw August stattfanden, waren den Frans zösischen Salons damaliger Zeit nachgeahmt. Es wurden zu den selben nur Polnische Gelehrte, Künstler oder deren Micene und Protektoren, ausnahmsweise auch fremde Kavaliere und Gelehrte, die Empfehlungen an den König mitbrachten, zugezogen. Narus und die szewicz, Krasizki, Trembezki waren die gewöhnlichen Gäste. Die Auswahl derselben bestimmte der König immer selbst Einladung galt für eine Anerkennung literarischer Verdienste. Der ungebildete Theil des Adels sah daher mit nicht geringem Widers, willen auf diesen Vorzug einiger weniger Auserwählten. Künste und Wissenschaften waren der Hauptgegenstand der Ges sprache, der Politik hingegen wurde nur leichthin gedacht. Der Konig schien sich hier so recht in seinem Elemente zu befinden und bemühte sich, einen ungehemmten lebhaften Gedankenauss tausch zu befördern. Freilich unterließen die protegirten Gelehrten nicht, ihrem Mecen Weihrauch zu streuen.

Folgender Brief eines Polnischen Prälaten giebt eine ans schauliche Darstellung eines solchen Donnerstags Mahles. Auch hier fehlt die Andeutung jenes Vorwurfs nicht, daß der schwache Monarch durch Nebensachen seines Volkes Bildung zu befördern suchte, während er die edelsten Bestrebungen seines Landes paras Lyfirte und die Hauptaufgabe seiner Stellung, des Volkes Führer und Vertheidiger zu seyn, ganz aus den Augen verlor.

--

-

,,Kaum war ich von meiner Italianischen Reise nach Wars schau zurück, noch desselben Tages, erfuhr der König meine Ans kunft und fandre seinen bekannten Hofbedienten Turful, der zus gleich zu einer Art Hofnarr sich gebrauchen ließ, zu mir, um mich, da es gerade Mittwoch war, zu der morgenden Donnerstagss Mahlzeit einladen zu lassen. Turkul erschien bei mir in muths williger Laune wie immer. Was hört man hier in Warschau?“ hört? Hier giebr's wenig zu hören, außer fragte ich ihn. wenn die Glocken geläutet werden. Aber zu sehen giebt's viel. Nein, ich nicht, doch ,,Wie? Du auch ?'' "I Wir malen!" Heilige und Heiden, der König mit dem Herrn Smuglewicz. auch unsere Warschauer Stuger, 's wird Alles abgemali! Ich habe mich dagegen während Dero Abwesenheit zum Poeten hers ausgemustert, und es bekommt mir recht gut. Se. Majestät liebt die Poeten, und bald werden wir eine ganze Ladung stromabs warts nach Danzig abschicken können. Nur ein Umstand ist mir dabei im Wege. Wein seliger Piarist pflegte zu lehren: Aurora musis amica, ich aber schwärme immer bis fpdt in die Nacht hinein und schlafe dann länger, als Se. Majestät selbst. Indessen, wenn, ceteris paribus, der Bischof von Ermeland (Krasizki) zum Fürsten der Poeten sich erhoben hat, so werde ich's doch mit der Zeit wenigstens zum Edelmann unter diesen bringen. Nun denn, kommen Sie morgen zu dem Gastmahle der Weisen. Es wird geben:

Köstlich gerathen,
Braten,

Mit Knoblauch gefottenen Schlei,

Aus Reis und Butter 'nen Brei,
Von einem viel, von anderm nichts,
Bon Allem ein buntes Gemisch,
Reis, Mais und Stockfisch.

Jest glauben Sie mir doch, daß mit der Zeit auch einmal ein
Donnerstags, Dichter aus mir werden wird, denn diese poetische
Wanie pflegt mich besonders nur bei wohlbefeßter Tafel zu bes
fallen."

Am anderen Tage_fuhr_ich_zur bestimmten Stunde nach Lazienki. Dort war für diesen Tag das Wahl angefeßt. Wie weit war hier Alles in den drei Jahren, die ich fern von Wars schau zugebracht hatte, vorgeschritten! Lazienki bietet ein schönes Bild, das mich, da der Frühling eben seine Reize entfaltet hatte, usm so mehr überraschte.

*) Nach dem Przyjacieł ludu.

1839.

Beim Eintritte empfing mich der Marschall des Königs und führte mich in den Garten, wo ich bereits die Eingeladenen vors fand, die zwischen den Spalieren auf und abgingen. Meine Ankunft unterbrach das Gespräch. Albertrandi begrüßte mich mit Herzlichkeit, der Bischof Naruszewicz mit der gewohnten Würde. Ich übergab an Albertrandi die Briefe, welche man mir in Rom für den König mitgegeben hatte, und der Bischof begann, mich nach seinen Bekannten in Rom auszufragen.

Plöglich rief Turkul:,,Himmel, was sehe ich! Wahrhaftig, Dreizehn Personen! Der König seht sich mit Ihnen nicht zu Tische, meine Herren! Ich muß fort, und treibe ich keinen Mas ler mehr auf, so bringe ich einen Lakirer aus Dangiel's Wagens Fabrik.“ Durch Karpinski's Eintritt, von dessen Einladung Lurful nichts wußte, war des Lehteren Verlegenheit gehoben, und er fehrte zurück. Alsbald zeigte sich auch der König in den, Spalieren.

"

Wir gingen ihm entgegen. Er erkannte mich auf den ersten Blick und rief mir zu: Willkommen! Willkommen aus Rom! – „Den Segen Was hört man dort? Was bringen Sie uns?" der Kirche und des Papstes, für Ew. Majestet und die ganze ,,Amen!" rief Turkul im. Republik", war meine Antwort. Tone eines bei der Messe dienenden Knaben. Der König sah sich · finsteren Blickes um und war plößlich in seinen Gedanken gestört. Dies bemerkte der Marschall; er trat vor und sagte:,,Majestät! ,,So bitte ich!" Tremon (der Koch) wariei Ihres Befehls.“ fagte der König und ging voran.

-

- "

Da trat die ganze herrliche Front des Schlosses von Lazienki hinter den Bäumen hervor und der König fragte mich, indem : er mit Wohlgefallen hinblickte:,,Erinnert Sie das nicht an. Etwas, das Sie in der Fremde gesehen haben?,,Sehr anges nehm ist mir diese Erinnerung“, erwiederte ich, und ich freue mich, daß ein so herrliches Werk jest auch uns angehört, und daß Polen Em. Majestät für dasselbe dankbar verpflichtet ist." ,,Sie glauben nicht", sagte der Kontg,,, wie schwer dergleichen hier zu Stande zu bringen ist. Die Fremden sind nicht zufriedens zustellen, und unsere Künstler sind noch sehr zurück. Doch Sie kennen sie ja! Wie ist ihre Führung in Rom? Genügt ihnen das, was ich ihnen gebe? Wer von ihnen applizirt sich am meisten ?" Bei der gnädigen Fürsorge Ew. Majestat fehlt es ihnen an nichts", sagte ich.,,Vor Allen zeichnet sich der junge Przeslawski durch Kenntnisse und Talente aus, er ist aber leider schwächlich, und wer weiß, ob er Ausdauer haben wird. Auf den leßten Ausstellungen in Rom lobre man seine Gemälde allgemein. Ende dieses Jahres, glaube ich, wird er zurückkehren." ,,Nun, dann freuen Sie sich, Smuglewicz, da bekommen Sie einen neuen Schüler und vielleicht einen Rival", sagte der Kös nig.,,Gott geb' es", erwiederte der Maler. Die Kunst ist Jüngling versprochen. Er hat mir einen dußerst kostbaren Ges ein weites Feld. Auch ich habe mir immer viel von diesem genstand zugeschicht, den ich nach der Mahlzeit das Glück haben werde, E. Majestát vorzulegen.",,Bravo!" rief der König, ,,Auch ich habe heute etwas Neues für Sie."

Unter diesen Gesprächen traten wir in den Speisesaal_ein, dessen Doppelihüren geöffnet blieben. Der Tisch war in Form eines Hufeisens aufgestellt. In der Mitte standen die Tafel ents lang auf fleinen Postamenten neun kostbare Musen aus Alas baster, welche der König neuerdings aus Italien erworben und. heute zum ersten Male vor seinen Gästen hatte aufstellen lassen. Zwischen den Masen standen Marmor Vasen, mit Blumen gefüllt. Die Couverts waren fämmilich auf der einen Seite der Tafel angebracht.

Was sagen Sie hierzu, Herr Bischof?" fragte der König, mit Lächeln nach der Tafel hinweisend, den Geschichtschreiber Naruszewis. Ich wünsche Polen Glück zu einem Könige, der in seinem Reiche mit den Mufen zu Tisch size", war die Antwort. ,,Und ich gratulire dem Volke, das endlich in Ihrer Person einen Geschichtschreiber erhalten hat", sagte der König, Auch wird die Nemesis der Polnischen Geschichte des heutigen Lages nicht vergessen, wenn Gott Leben und Gesundheit schenkt So sehen und vergónnt, auch die Thaten unseres gnädigen Regenten zu zeichnen", antwortete Naruszewicz mit Salbung. Sie sich zu den Musen, die Ihnen bisher immer hold gewesen find", sagte der König, indem er dem Bischof die Hand drückte und diejem zur Rechten, mir zur Linken einen Plaz neben sich anwies.

[ocr errors]
[merged small][ocr errors]

,,Das ist ersonnen", redete der König dagegen,,,das giebt Ihnen der Neid ein." ,,Bin ich doch ein Maler, gnädigster Herr." -,,Sie haben sonst wohl Jhre Gründe, aber heute has ben Sie Unrecht. Nicht war, Herr Karpinski?" fragte der König. Praesente clerico...." antwortete dieser etwas unpassend, erröthete aber, als ihn Albertrandi anstieß. —,,So bin ich aus dem Felde geschlagen", sagte der König,,,Tremon soll mich trösten."

"

[ocr errors]

Das Mahl begann, und lange Zeit wurde nichts gesprochen. Das schien den König zu beunruhigen, er sah sich um und bes merkte am Fenster seinen Turkul, der an diesem Tage den Pagens dienst hatte.,,Wo blickst Du denn da hinaus? Freund Onufry?" rief ihm der König zu. Was fehlt Dir?" — „Ich bin vers liebt, gnädigster Herr!" antwortete dieser. ,,Wie? Verliebt? In wen?" -,,Ha, wie die Dichter, in die Vergangenheit.“ Das mußt Du uns als Dichter in Versen fagen!" ,,um Vergebung, gnädigster Herr, ich bin einer von den Dichtern, die keine Verse machen." -,,Keine Ausflüchte! Kannst's uns sprechen oder fingen“, rief der König, und Turkul begann ohne langes Besinnen:

[ocr errors]

„Ach! ich wünsch' mir jene Zeiten,
Da der Mensch in unsern weiten
Wäldern arm und einsam lebte;
Nackt, wie dieser Mufen Neune,
Und doch Frohsinn ihn umschwebte,
Als schwämm' er in füßem Weine."

,,Bravo!" riefen Alle zugleich.,,Bravo!"

Alles lachte. Ich gefehe Ew. Majestdi", fing Naruszewicz an,,,daß ich mich anfangs in Verlegenheit wegen meines Vers sprechens befunden habe, denn der ehrenwerthe Geistliche hier dußerte Bedenklichkeiten, als er vorhin des Pokals ansichtig wurde. Doch, sehe ich, hat er seine Furcht bald überwunden.“

0 vitrum gloriosum!" rief Smuglewicz,,,wie schade, daß der Bischof von Ermeland nicht hier ist.“*)

,,Memento mori!” seufzte Turkul. *°)

"

,,Sagt uns doch, ehrwürdiger Vater!" fragte der König, ,,weshalb habt Ihr Euch vorhin vor dem Pokal gefürchtet?“ Gnädigster Herr!" erwiederte, sich räuspernd, der Mönch. ,,Nicht allein von Gottes Wort, sed et cibo nährt sich der Mensch. Mag das Ew. Majestät nicht molestiren; doch erstens bin ich zus mal noch hungrig gewesen, und zweitens traute ich mir nicht und machte erst hinter dem Pförtchen Bekanntschaft mit diesem Gefäß, bevor ich mich auf den Hochaltar hinauswagte."

,,Wie?" fragte der König, das war also der zweite?" ,,Erst der zweite, gnädigster Herr!“ sagte der Mönch. ,,Gott fen Dank, daß Ungarn nicht weit ist", rief Turkul, und unter Gelächter und allgemeiner Heiterkeit stand der König auf, wir Alle mit ihm.

Wir traten in die anstoßenden Gemächer, die aufs geschmacks vollste eingerichtet waren. Auf dem Tische lag eine lange blecherne Büchse, dergleichen man zur Aufbewahrung von Privilegien zu gebrauchen pflegt. -,,Was ist das?" fragte der König. —,,Eine neue Acquisition", erwiederte Smuglewicz, durch welche die kost bare Sammlung Ew. Majestät bereichert wird. Ein Originals Karton von Raphael; Przeslawski hat ihn mir aus Rom zus gefandi!"

„Ein Karton?" Hastig öffnete der König die Büchse und rollte den Karton auf.,,Bei Gott!" rief er,,,Arabesken aus dem Vatikan. Welche Zeichnung! Welche Konturen! Wie soll ich mich Ihnen und Przeslawski dankbar beweisen? Welche Kons turen! Wann werden wir etwas Aehnliches leisten?"

[ocr errors]
[ocr errors]

"Herr Marschall!" fagte der König,,,man muß um Arz nei für Turkul besorgt seyn, daß er- uns nicht vor Liebe stirbt, denn dadurch würden unsere geselligen Mahle nicht wenig vers lieren. Schade ist's, daß sich nicht Jemand damit befaßt, aufzus schreiben, was dieser Turkul sagt, zuweilen lohnte es sich.“ Alle umstanden bewundernd den Karton, und Turkul sagte: „Es ist wirklich sehr schade", rief Turkul,,,denn wie leicht,,Solche Maler sind schwer zu haben. Etwas Anderes können wäre es mir dann, ein berühmter Wann zu werden. So aber wir leichter aus Rom uns verschaffen." ,,Was denn?" fragte muß ich noch immer mit jenem Römer ausrufen:,,Dreißig Naruszewicz. -,,Das Miserere ***)", war die Antwort. Der Jahre alt und noch nichts für die Unsterblichkeit gethan!" Ich König that, als hörte er das Wort nicht; der Bischof jedoch warf seh nur nicht ein", seßte er, zu Karpinski gewandt, hinzu,,,06 Turful einen finsteren Blick zu. diejenigen beffer dabei fahren, die ihre Verse aufschreiben." Konig hat nämlich bei seiner sonstigen Freigebigkeit bis jeßt sich Karpinski's in dessen Bedrängnissen nicht angenommen. Kars vinski wurde verlegen, Albertrandi verstand den Vorwurf, der für den König in diesen Worten lag und sagte:,,Das wahre Verdienst findet immer, früher oder später, seinen Lohn.“

Der

Ich hatte indeffen mit Bewunderung einen großen Pokal betrachtet, der vor dem Bischof Naruszewicz stand. Erst nach her erhielt ich Aufschluß über denselben. Auf der lezten Dons nerstags Mahlzeit war nämlich von den Alt Polnischen Trinkges lagen die Rede gewesen, und Naruszewicz so wie Albertrandi hatten, vom Bischof Gamrat beginnend, alle die Personen der Reihe nach vorgeführt, die sich einst in Polen als tüchtige Effer und Trinker großen Ruf erworben hatten. Naruszewicz hatte behauptet, daß es auch heute an solchen Alt-Polnischen Trinkern nicht fehlte, und daß er selbst einen Mann herbeizuschaffen wüßte, der den großen Pokal, welcher aus den Zeiten des Königs Jos hann Sobieski in der Schaßkammer aufbewahrt wurde, auf des Königs Wohl zu leeren verstande. Dieser Pokal ragte nun heute über dem Haupte des Bischofs hervor. Ich bemerkte auch bald an der Thür einen Bernhardinermönch, dem der Bischof zus winkte, indem er zugleich auf den die Tafel zierenden Pokal hins wies.,,Nein!" raunte der Mönch dem Bischof zu und vers schwand sogleich wieder. Naruszewicz schien verdrießlich, und der Pokal wurde durch die Dienerschaft, ohne daß es der König bemerkte, von der Tafel entfernt.

Nach einer Weile wurden die Gläser gefällt, die nur ad hilaritatem eingerichtet waren. Der König leerte sein kleines Glas: ,,Auf das Wohl des Volles!" Dann erhob er es noch einmal und sagte: Wie auch die Nachwelt über Stanislaw urtheilen mag, das Verdienst bleibt ihm, daß er die Sächsische Völlerei aus Polen verbannt hat." Nach dem Könige stand der Bischof auf und tranf auf des Königs Wohl. Da schritt jener Berns hardiner dem Tische zu, hinter ihm trug ein Diener auf einem silbernen Präsentirteller den Pokal Sobieski's.

Das Gespräch wandte sich von Raphael auf Rom und dann auf die Polnische Geschichte. Da stellte Turkul einige in rothen Sammet gebundene Bücher auf den Tisch.,,Hier, Herr Bifchof", sagte der König: Beilagen zu Ihrer Polnischen Geschichte."Er dffnete die Bücher, und nun bemerkten wir erst, daß es eine Sammlung von Medaillen war, die in fammetnen Deckeln der Reihe nach lagen und auf welchen von der einen Seite Bildnisse Polnischer Könige, von der anderen kurze Lateinische Notizen über eines Jeden Thaten ausgeprägt waren. †)

"

,,Ew. Majestät“, fagte Raruszewicz,,,läßt Dero Vorfahren in Gold pragen; die Nachkommen werden Ihre Thaten mit gol denen Buchstaben aufzeichnen lassen."

Der König antwortete auf diese Schmeichelei nicht, sondern stand in Gedanken da, während die Medaillen von Hand zu Hand gingen.

Endlich traten zwei Königliche Bediente ins Zimmer; der eine brachte auf einem Theebrette einen versiegelten Brief, der andere auf einem Tellerchen drei Pflaumen, die er dem Könige präsentirte. Dies galt als ein Zeichen, daß es Zeit sey, den König zu verlassen. Der Königliche Gärtner weiß das ganze Jahr hindurch frische Pflaumen zu erhalten, und täglich werden dem Könige nach dem Diner einige nebst einem Briefe mit der Aufschrift Au Roi gebracht, in welchem sich nur ein weißes Blättchen befindet und der unerbrochen liegen bleibt.

Der König wandte sich mit den Worten:,,Hic dies mihi vere festus!" an uns, entlicß uns und trat aus dem Zimmer. Unsere Wagen fuhren vor, und wir kehrten in die Haupstadt zurück."

Bibliographie.

Seweryn Goszczyński. Pisma. 3 Thle. 12. Lemberg. 4 Thlr.
Mały Komeniusz. (Der kleine Comenius in drei Sprachen.) 12. Lemberg.
Nowe Wypisy Polskie. 2ter Theil. (Enthalt eine Polnische Literaturge-
fchichte nebst Proben aus den Schriftstellern.) Liffa. -14 Thlr.
Pierwiosnek. (Taschenbuch für 1839, herausgegeben von Pauline K.)
Warschau.

Nachdem nun der Mönch eine für uns Alle sehr ergößliche aus Latein und Polnisch zusammengefeßte Lobrede auf den König gebatten hatte,,,der als ein lumen der Republik geschenkt sen, fo wie terram Deus hominibus dedit, den Vögeln die Luft, den Fischen und allen Weerbewohnern das Wasser", wurde von mehs reren Dienern zugleich der Pokal bis zum Rande gefüllt, and mit großer Spannung faben wir Alle zu, wie sich der Mönch in feiner schwierigen Lage benehmen würde. Er erfaßte dreist den Pokal, fchrie mit lauter Stimme: Auf das Woht Sr. Majestättete, des Königs!" feßte an, und in einem Zuge war der Pokal bis auf den Grund geleert.

Consumatum est!" rief Tutkul und klopfte dem Mönch auf die Schulter.O, Du frömmer Knecht! Gott wolle Dich stärken.

Früh schon in der Hore,

Dann in Refektore,
Abends in der Belle,

An des Lagers Schwelle,

Führ zu jeder Stünde

Franfr e ich.

Die Rückkehr von Barennes.
(Schluß.)

Ganz früh Morgens, während man Alles zur Abreise einrich ließ die Königin_mich_rufen; sie schien sehr erregt und fragte mich, ob ich vielleicht wisse, was für Anordnungen Herr von.

Krafiskt, der in seinem beißenden Gedichte „Monomachia” die Miß: bräuche des Klosterlebens geschildert hat. **) Ermeland war nämlich bereits an Preußen abgetreten. Der Leser wird in Turkul's Reden manche Hindeutung auf Polens damaligen Zustand entdecken.

***) Wird bekanntlich am Charfreitage in Nom gefungen.

+ Diese konbare Sammlung ist nach des Königs Tode an den berühmten Volnischen Literaten Thaddaus Ezazki übergegangen, der fie der von ihm ge gründeten höheren Lehranstalt zu Krzemienies schenkte. 1830 befand sie sich

[ocr errors]

"

hielt; mein Schwager Delarue wurde zu Boden geworfen und fein Pferd verwundet.

Bis zu unserer Ankunft in den Tuilerieen fand weiter keine Unordnung stait. Bei der Rotunde der Barriere von Pantin hielten wir einen Augenblick still; hier befand sich herr von Las fayette mit seinem Generalstabe; ich glaubte meine Sendung nun beendigt und beeilte mich, ihm den Oberbefehl zu übergeben.

löst; nach den Worten des Dekretes steht die Rückkehr der Königs lichen Familie bis zu ihrer Ankunft in den Tuilerieen unter Zhrer persönlichen Verantwortlichkeit."

Lafayette räcksichtlich auf den Einzug des Königs in Paris ges troffen hatte, und welchen Weg man nach den Tuilerieen eins schlagen werde. Ich antwortete, daß, nach den mir zugekomme nen Nachrichten, der Wagen des Königs an den äußeren Boules vards entlang durch die Barrière de L'Etoile und die Elysäischen Felder in den Garten hineinfahren solle. Aber weshalb diesen Umweg machen?" fragte sie kurz;,,wenn in Paris Alles ruhig ist, warum kann der König nicht auf geradem Wege nach sets,,Sie irren sich", antwortete er,,,Ihre Aufgabe ist noch nicht ges nem Palast gelangen?" —,,Ich sehe keine andere Beweggründe dafür ein, Madame", entgegnete ich,,,als die Gewißheit, auf diese Weise durch eine schnellere Ankunft auf einem fast häusers freien Wege das Vorhaben der Uebelwollenden zu vereiteln." Ich verstehe Sie", erwiederte die Königin. Diesen ersten Eins drack benugend, sehte ich Ihrer Majestät im Beiseyn der Mas dame Elisabeth das Unpassende und Unnüße aus einander, daß auf dem Bock des Königlichen Wagens drei Couriere fißen folls ten, die Aller Blicke auf sich zögen. Was auch daraus ents stehen möge", entgegnete lebhaft Madame Elisabeth, sie sollen nicht von uns getrennt werden; es ist unsere Pflicht, ihr Schicksal zu theilen, da sie getreu das unfere theilen wollten." Dann schlug ich vor, sie ihre Kleider wechseln zu lassen und die fremden Far ben mit der Uniform der National Garde zu vertauschen. Schon während der Reije hatten sich Natinonal-Gardisten, von dem edlen Pflichteifer getrieben, auf diese Weise um so ndher über die Sichers heit der Königlichen Familie zu machen, auf den Wagen gestellt oder auf den Tritt zu den Füßen der Leibgardisten geseht. Ich hatte von der guten Wirkung dieses Verfahrens mich überzeugt; es schien daher ganz natürlich, dies beizubehalten, und ich war des guten Erfols ges dieser unschuldigen Kriegslist im Voraus gewiß. Mein Vors flag wurde verworfen.,,Nein", sagte die Königin,,,der Kó, nig mus in Paris mit feiner Familie und seinen Leuten einziehen, wie er es verlassen hat.“ Es blieb mir weiter nichts übrig, um die Zufdile, welche ich befürchtete, abzuwenden, als den Wagen zu überladen, indem ich noch drei National: Gardisten, die mir besonders empfohlen wurden, auf denselben steigen ließ; fie nah men an der Seite der Leibgardisten Plaß und schwuren, diesels ben nicht zu verlassen.

Den 25. Juni gegen sieben Uhr Morgens machten wir uns auf den Weg; man führte mir ein gutes Pferd aus dem Königs lichen Marstall vor, welches Herr von Briges, einer der Stalls meister des Königs, einige Tage zuvor nach Meaur zum Relais hatte führen lassen. Ich nahm meinen Posten an der Wagens thur, wo der König saß, wieder ein. Dieser Tag war der ans strengendste; es war eine drückende Hige, kaum könnte man vor Staub Luft schöpfen; wir mußten beständig im Schritt fahren, weil die unermeßliche Menschenmenge, die den Weg bedeckte, und der Eifer jener Taufende von National-Gardisten, welche den König durchaus bis Paris geleiten wollten, vor uns einen undurch, dringlichen Wall bildeten. Da ich voraussah, daß diese Hindernisse immer mehr zunehmen wärden, hatte ich deswegen an Herrn von Lafayette gefchrieben; der General fandte mir Curmer, einen feiner Adjutanten, um mich zu benachrichtigen, daß er mir eine Abtheilung der Pariser National-Garde unter dem Befehle meis nes Bruders, des Major Dumas de St. Marcel, und hundert Mann der berittenen Garde, angeführt von Herrn Cottin, ents gegenschicke.

Die Reiterei Abtheilung langte vor der Infanterie an und stieß zwischen Livry und Bondy zu mir. Fast in demselben Au genblicke stürzte ein Aufrührer-Haufe aus dem Walde an der lins fen Seite des Weges hervor, drängte sich zwischen die Nationals Gardisten, welche den Wagen umringten, umsingelte ihn schnell, und heftige Schmähungen ausstoßend, drohte er, denselben zu zers trümmern. Vergebens stieß man diese Leute zurück; sie krochen unter den Pferden und zwischen den Rädern durch. Barnave stürzte sich aus dem Wagen und rief mir zu:,,Denken Sie daran, Oberst, daß Sie mit Ihrem Kopfe für die Sicherheit der Königlichen Familie haften!" Durch seine Entschlossenheit und meine Anstrengungen wurden die Elenden zurückgeschreckt; es gelang mir, den Wagen zu befreien. Die schlecht ange: führte und auseinandergesprengte Reiterei war mir dabei fast von keiner Hülfe; aber Delarue und Curmer, welchen ich die Bewachung der beiden Wagenthüren anvertraut hatte, hielten dort mit dem größten Muthe Stand. Zwischen Bondy und Paris hatte ich einen neuen Angriff auszuhalten; eine Menge Weiber, wahre Megaren, stürzten sich unter die Eskorte and stießen ein gräßliches Geschrei aus. Da gewahrte ich die Infanterie Abtheis lung, welche mir entgegenkam; an der Spise derselben befand fich die Grenadier Compagnie des Hauptmanns Lefebvre, der fpåter Marschall und Herzog von Danzig wurde. Meinen Brus der St. Marcel, der sich dabei befinden sollte, hatte Lafayette bei dem Posten der Tuilerieen an der Gartenseite zurückbehalten. Die Menschenmasse war so angewachsen, die Unordnung nahm fo zu, daß es mir nicht mehr möglich war, mich dem Wagen Ihrer Majestdien zu nähern; auch vernehmbar konnte ich mich nicht mehr machen, so war meine Stimme erschöpft. Es war mir ganz unmöglich, meine beiden Adjutanten von dem Befehl Bu benachrichtigen, welchen ich dein Hauptmann Lefebvre ertheilte; dieser sollte im Sturmschritt auf den Wagen los marschiren, ihn gänzlich befreien und ihn so eng als möglich umringen, bis Ihre Majestáten an Ort und Stelle angelangt waren. Die Gefahr, welcher die Königliche Familie, tros meiner Anstrengungen, auss gefeßt war, rechtfertigte diese Vorsicht. Mein Befehl wurde fo fraftig ausgeführt, daß mein Adjutant Curmer, der die Wagens thur hartnäckig beschüßte, im Schenkel einen Bajonnetstich ers

Der General wies mir den Weg über die neuen Boulevards durch die Elysäischen Felder an. Stillschweigend stand die National Garde zu beiden Seiten aufgepflanzt; Lefebvre's Gres nadier Compagnie geleitete noch immer den Wagen. Ueber den Plaz Ludwig's XV. und durch den Garten der Tuilerieen ges langten wir zum Portal des mittelsten Pavillons, wo die Königs liche Familie ausstieg; eine ziemlich beträchtliche Anzahl von Mitgliedern der Nationals Versammlung befand sich am Fuß der Treppe. Einer von ihnen, der Baron von Menou, nahm den. Dauphin in seine Arme. Ich war vom Pferde gestiegen und blieb bei dem Wagen stehen, um selbst den drei Leibgardisten vom Bocke zu helfen und ihren Eintritt in das Schloß zu bes schizen. Geschrei von schlimmer Vorbedeutung hörte man gegen fie ausstoßen. Es fand ein kurzer, aber heftiger Kampf_zwischen den National Gardisten und einer Hand voll Schurken statt, die sich in ihre Reihen gedrängt hatten. Die Wäthenden packten einen der Leibgardisten und mißhandelten ihn; die, welche zu seis ner Hülfe herbei eilten, wurden ebenfalls angegriffen; mir wurde, wie ihnen, Hut, Degengehen? und Scheide abgerissen und meine Kleider zerfeßt. In diesem Aufzuge ging ich zum Könige. Maź dame Elisabeth kam selbst in den Saal der Garden, um dem mishandelten Leibgardisten beizustehen und ihn verbinden zu lassen. Man führte mich in das Kabinet des Königs, wo ich schon die drei Kommissarien vorfand. Ich entschuldigte mich, in solcher unordentlichen Verfassung vor Seiner Majestät zu ers scheinen, und bat dringend, den Gefühlen der Hochachtung und Treue, mit welchen ich meine Pflicht und den ehrenvollen Auftrag, über die Sicherheit der Königlichen Familie zu wachen, ers fällt hätte, Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Der König, die Königin und Madame Elisabeth beehrten mich mit Beweisen ihrer Gute und äußerten sich sehr zufrieden mit meinem Betragen. Selbst die schwärzesten Verleumdungen, welche ihre falschen Freunde über mich verbreiteten, haben die dankbare Erinnerung an jenen Augenblick nicht aus meiner Seele getilgt. In verschiedenen Schmähschriften, Denkwürdigkeiten und lugnerischen Dokumenten steht geschrieben, daß ich die drei Leibgardisten hätte feffeln lassen; aus dem einfachen vorstehenden Berichte fann man ersehen, ob ich es an Vorsicht, Sorgfalt und Rücksicht habe fehlen lassen, um die Absichten Ihrer Majestäten und der Madame Elisabeth_gegen diese edelmüthigen Diener zu erfüllen.

Während wir uns im Kabinet des Königs befanden, wurde der General Lafayette, dessen Leben die Abreise des Königs nicht wenig gefährdet hatte, gemeldet und vorgelassen; er wollte die Ber fehle des Königs über die Ausführung des Dekretes einholen, welches auf den von Thouret im Namen des Verfassungs-Ausschuffes ers statteten Bericht in Betreff der Bewachung und Sicherheit des Kös nigs und der Königlichen Personen, für die der General zu hafs ten hatte, von der National Versammlung erlassen worden war. Lafayette entledigte sich seines Auftrages mit vieler Würde und ertrug mit seiner gewöhnlichen Ruhe den kalten und verächtlichen Empfang der Königin. Ich begleitete die drei Kommissarien in die National Versammlung, in der damals Herr von Beauhars nais práïdirte, und nachdem ich die Rechenschaft, welche sie über ihre Sendang ablegten, mit angehört hatte, zog ich mich zurück.

Durch die Ermüdung, die Angst und die Qual, welche ich während dreier ruhes und schlaflosen Tage und Nächte erduldet hatte, waren meine Kräfte ganz aufgerieben. Wir selbst wieders gegeben, verfiel ich in einen beunruhigenden Zustand von Abspannung und Aufgeregtheit; man brachte mich aufs Land, wo die zarten Sorgen meiner Schwiegermutter und meiner Frau und die Liebkofungen meiner beiden liebenswürdigen Töchter den Folgen einer bösartigen Entzündung vorbeugten und meiner Seele die Ruhe wiedergaben. Welche Katastrophe, welcher Anblick, Frankreichs Königliche Familie so vor den Augen des Volks alles Glanzes der Größe und der Macht beraubt zu sehen! Im moralischen wie im physischen Leben der Gesellschaft treten zus weilen Ereignisse ein, welche die ganze Ordnung umkehren, das Gleichgewicht stören und deren Folgen keine Weisheit und keine Vernunft abwehren kann, eben so wenig wie die Hand des Menschen im Stande ist, die Spuren der Erderschütterungen zu tilgen und die zersprengten Massen wieder an ihren alten Plag zu stellen.

Bibliographie.

De la phréuologie, du magnétisme et de lá folie. Von Azais. 2 Bände.
15 Fr.
Le code de l'officier, contenant les lois et ordonnances constitutives des
marmées de terre et de mer etc. -Von Durat vafalle. 15 Fr.
Lettres inédites de Marie Stuart, accompagnées de diverses dépêches et
instructions. 1558 - 1587. Herausgegeben vom Fürsten A. Labanoff.
71 Sr.

•Les sept sièges de Lille. Die Geschichte diefer Belagerungen nebf
Plänen, Karten :c. aus der Zeit von 1067, 1708 und 1792. Von Frun
Lavainne und Elie Brun. 8 Fr.

Italien.

Margherita Pusterla, Roman von Cesare Cantù.

Cefare Cantù, dessen Neigung anfänglich nur der Poesie zus gewandt schien, widmete sich im reiferen Alter mit ganzer Seele den historischen Studien. Seine Geschichte der Landschaft Como, des Kantons Tessin und des Veltelin (Valtelino), so wie feine pragmatischen Beobachtungen über den Zustand der Lombardei im 6ten Jahrhundert, waren nur leichte Vorspiele zu einem Riesenwerke, der Historischen Encyklopädie, an welcher er jcht vorzugsweise thatig ist. Als eine Frucht seiner Erholungsstunden darf man den Roman,,Margherita Pusterla" betrachten, durch welchen Herr Cantù beweist, daß seine streng wissenschaftlichen Bestrebungen ihn dem Gebiete der Phantasie noch nicht entfrems det haben.

Im ersten Kapitel machen wir mit den vornehmsten Helden des Romans Bekanntschaft. Mailändische Ritter kehren von einem Turniere, das bei Mantua stattgefunden, siegreich in ihre Heimat zurück. Einige Worte, die Fürst Luchino und Einer von seinem Hofgesinde, Namens Ramengo, in Betreff der schönen und tugends haften Margherita mit einander wechseln, enthüllen uns gleich den Grund, auf welchem das Gemälde ins Leben treten foll. Margherita's Gatte wird ungehalten darüber, daß der Fürst das Gespräch so oft auf seine Frau lenkt; als ihm aber Luchino cine politische Sendung an Mastino della Scala, den Gebieter von Verona, anvertraut, trägt doch der Ehrgeiz über die Eifersucht den Sieg davon. Einige haben diesen Uebergang zu schroff ge funden; aber Francesco Pusteria beurkundet sich im ganzen Vers Laufe der Erzählung als einen Mann von so überwiegenden Ehrgeize, daß man nicht sagen kann, diese Leidenschaft sch hier unnatürlich gemalt.

In Francesco's Abwesenheit bietet Luchino alle Künfte der Verführung auf, um die keusche Margherita in fein Neß zu Locken. Ein gewisser Alpinolo, der im Hause Pusteria erzogen worden und seine ganze, jedes Opfers fähige Anhänglichkeit nur dieser Familie gewidmet, begiebt sich nach Verona und sest seinen Herrn von dem ruchlosen Vorhaben des Fürsten in Kenntniß. Francesco verläßt sogleich Verona, um die feinem Hause dro hende Beschimpfung nicht bloß abwenden, sondern, wo möglich, auch rächen zu können.

Unterdeß findet die bedrängte Margherita Trost und Erstars fung in ihrem kleinen blondlockigen Venturino, dem sie heilsame mütterliche Lehren giebt.,,Eine Mutter, die ihr Kind beten lehrt, ist das erhabenste und liebreizendste Bild, das man sich denken Fann. Zu folch einem Augenblicke ist das Weib allem Zrdischen entrückt und gleicht den Engeln, die uns als schüßende Begleiter durchs Leben führen. Dem Kinde aber prägt sich mit der Vors stellung von seiner Mutter auch das Gebet ei, das sie ihm beis gebracht, die Anrufung des Vaters, der im Himmel ist. Wenn die Lockungen der Welt den noch zarten Jüngling vom Rechten und Guten ablenken wollen, findet er Muth, ihnen zu widers stehen, indem er den Vater anruft, der im Himmel ist. Er kommt unter die Menschen er findet die Tugend verkannt, großmüthiges Vertrauen getäuscht, Betrug unter der Larve der Ehrlichkeit, glühende Feinde und laue Freunde er schaudert und könnte der Menschheit fluchen; allein er erinnert sich des Vaters, der im Himmel ist. Wenn die Welt ihn jemals ums garnt, wenn das Gemeine, das Unedle jemals bei ihm sich regen will, so lebt noch im Grunde seines Herzens cine ernst mahnende Stimme, die Stimme der Mutter, welche ihn das Gebet zum ewigen Vater gelehrt. So wandelt er durchs Leben, und noch im leßten Kampfe, wenn Alles ihn verläßt und nur seine Werke ihn begleiten, richtet er seine Gedanken auf die Tage der Jugend er denkt an seine Mutter und stirbt mit freudigem Vertrauen auf den Vater, der im Himmel ift."

Von einem unnennbar lieblichen Bilde, von dem Gefühl einer trostreichen Wahrheit, die unsere Seele stärkt und erhebt, werden wir in eine wildbewegte Scene verjeßt, wo man furchts bare Plane gegen den Gebieter von Mailand schmiedet, die recht charakteristisch darthun, daß, wenn ein gemeinschaftliches Ziel erreicht werden soll, die meisten Betheiligten nur dem Antriebe ihres Egoismus folgen und nur an Befriedigung ihres befondes ren Interesses denken.

Eine glühende jugendliche Seele, die noch keine bittere Tauschungen erlebt hat, glaubt so leicht, in dem Herzen Anderer vollen Anklang zu finden! Alpinolo, der den Pußerla's recht viele Gönner gewinnen möchte, verdirbt ihre Sache damit, daß er einem Ramengo sein Vertrauen schenkt. Dieser gehört zu denjenigen Menschen, die ohne Haß und Mikgunft nicht leben können; er verabscheut die Pusterla's, weil sie ihm Gutes er wiefen haben, und heuchelt ihnen sllavische Ergebenheit, weil er hoffe, daß sie ihm künftig noch sehr nützlich werden können. Vor Allem möchte dieser heimtückische Mensch an Francesco Rache nehmen, von dem er ohne zureichenden Grund argwöhnt, daß er seine Frau verführt habe, deren rührende Geschichte, bei läufig bemerkt, eine sehr anziehende Episode bilder. Er bemüht fich vergebens, die edle and gemüthvolle Margherita zum Falle zu bringen; und als ihm dies nicht gelingen will, offenbart er

dem Fürsten Luchino aus Rache die Verschwörung, die man gegen. ihn angezettelt hat.

Sogleich werden Verhaftbefehte erlassen; Francesco Pusterla gelingt es, mit seinem kleinen Sohne der Rache Luchino's zu entfliehen, und die arme Margherita wird in cin Gefängniß ges worfen, wo jedes Geräusch eine eisig kalte Hand ist, die ihr das Herz zusammenpreßt jeder Zug an der Glocke ein Messerstich."

--

,,Nur die Hoffnung, die im Busen des Unglücklichen ein Naturtrieb, fein berechnendes Gefühl ist, gab Margareten dann und wann einen vorübergehenden Trost. In den ersten Lagen glaubte sie, das Verfahren Luchino's sen eine bloße Demonstras tion, ein grausamer Scherz, um sie zu schrecken und ihren Eigens finn zu bändigen. Morgen so spricht sie zu sich selbst morgen wird man kommen und mich frei lassen; womit habe ich's denn verschuldet, daß ich hier einsam schmachten soll? Aber nur zu bald kommen ihr Luchino's andere Ruchlosigkeiten ins Ges dächtniß. Dann tröstet sie sich wieder mit den Betrachtungen: Ist Luchino nicht bei allen Bürgern verhaßt? Hat er diesem Volke nicht alle seine Freiheiten geraubt? Sieht es nicht knirs schend, wie Er_allein die Früchte seines Schweißes und Blutes genießt? Mein Francesco dagegen, ist er nicht von Jedem geliebt und geehrt? Wie vielen Armen hat unsere Familie aus der Noth geholfen! wie vielen Bedrückten die Hand gereicht! Mit welcher Entrüftung wird man in der ganzen Stadt vernehmen, was Luchino uns angethan? Gewiß hat diese neue Frevelthat das Maß der Geduld voll gemacht: man greift zu den Waffen man kämpft seine nichtswürdigen Anhanger verstecken sich aus gerechter Scham, aus Furcht vor der schrecklichen Rache des Volkes: nur feile Söldner vertheidigen ihn mit gemietheten Lasszen die gerechte Sache bleibt Siegerin: Luchino muß fliehen; die Stadt ist wieder frei - man entriegelt die Gefängnisse unter dem Beifallsjauchzen des Volkes Francesco stürzt in meine Arme! seliges Wiedersehen nach so vielen Gefahren, nach so herben Prüfungen - o beneidenswerthes Glück, die Befreiung, des Vaterlandes veranlaßt zu haben!"

(Schluß folgt.)

Mannigfaltiges.

Adriano Balbi. Gegen diesen Italiänischen Geos graphen, deffen vielverbreitetes Handbuch der Geographie auch in Deutschland manchen wohlbegründeten Tadel gefunden, befins det sich im neuesten Hefte der Revue des deux Mondes ein ges harnischter Artikel von Louis Reybaud. Nachdem der,,Erdkunde": unseres Ritter, von welcher der Anfang einer Französischen Bes arbeitung durch die Herren Buret und Defor bei Paulin in Paris erschienen ist, die verdiente Würdigung widerfahren, wers den die ungeheuren Prätensionen, mit denen Herr Balbi in der Einleitung seines großen Werkes hervortritt, in sehr bescheidene Schranken zurückgewiesen. Herr Renbaud behauptet und sucht zu beweisen, daß das Gute an dem Balbischen Werke nichts weiter als Compilation sey, während alles Eigene, Neuhinzuges kommene der stichhaltigen Kritik ganz entbehre. Namentlich fol len die meisten statistischen Angaben entweder geradezu falsch, wie dies durch mehrere Beispiele aus dem Frankreich betreffens den Theile erläutert wird, oder auf willkürliche Annahme, auf ein Juste-milieu zwischen zwei divergirenden diteren Angaben, bes gründet seyn, wie dies namentlich in Asten, so wie überhaupt in entfernten minder bekannten Weltgegenden, von Hrn. Balbi haufig angewandt wird. Sprachkenntnisse werden dem Verfasser, außer dem Italiänischen, das ihm freilich gerade in der geogra phischen Wissenschaft unserer Zeit vom allergeringsten Nußen seyn kann, ganz und gar abgesprochen, und doch hat Herr Balbi feinen Abrégé de Geographie" nicht bloß Französisch, sondern sogar mit dem augenscheinlichen Bestreben abgefaßt, seinen eiges nen Styl, wie Montesquieu und Büffon, zu schreiben. Kaum daß dem fleißigen Notizen Sammler Vollständigkeit oder systes matische Ordnung zugestanden wird! Wir sind weit entfernt, das Werk des Herrn Balbi für eine geographische Bibel zu hals ten, wie er es selbst irgendwo bezeichnet, aber wir möchten doch andererseits in dem großen buchhändlerischen Erfolg, den das Buch in Frankreich gehabt, ein Motiv mehr erblicken, weshalb die über folche Erfolge der Ausländer immer etwas verdrießs lichen Franzöfifchen Gelehrten den Italianer mit um so strenges rer Kritik verfolgen.

Courszettel des literarischen Markts. Ein kleis nes Französisches Journal giebt über den gegenwärtigen Stand des Ruhmes der bekanntesten Französischen Schriftsteller folgenden Bericht:,,Eben so wie man an der Börse die Waarenpreise und die Actien notirt, haben wir die literarischen Stocks folgens dermaßen im Publikum bezeichnet gefunden: Der Soulié ers halt sich gefragt; der Sand ist im Weichen; der Balzac steht auf Pari; der Karr ist etwas flau; der Brot angeboten; der Charles de Bernard begehrt; für Scribe it per Cassa Geld, auf Zeit jedoch viel Brief; Theophil Gautier ist nicht preishaltend; Aler. Dumas fängt an, nachzulassen, und įm Nodier ist das Geschäft jezt sehr fill."

[blocks in formation]

Beiblatt der Allg. Pr. Staats
Zeitung in Berlin in der
Expedition (Friedrichs-Straße
Nr. 72); in der Provinz so
wie im Auslande bei den
Wohllöbl. Post- Aemtern,

Literatur des Auslandes.

Berlin, Freitag den 25. Januar

[blocks in formation]

Die Spanischen Theater.

Nach der Schilderung eines Franzosen.

Es giebt kein Land in Europa, deffen Bewohner für Ein drucke so empfänglich, nach Aufregung so begierig und so schaus luftig waren, wie die Spanier. Das Schauspiel ist für den Spanier ein Bedürfniß; es gehört zu den Bedingungen seines Lebens wie die Oila podrida und die Zigarette; für die Regierung ist es ein Mittet, das Volk im Zaum zu halten, eine Bürgschaft und Gewähr für ihre Dauer. Bei dem jeßigen Zustande von Spanien ist es Sache einer weisen Politik, in den großen Städten für Schauspiele zu sorgen. Der einzige Augenblick des Tages, wo der Spanier nicht konspirirt oder von Politik träumt, ist die Zeit des Schauspiels. Von sechs Uhr Abends bis eilf schließt er Waffenstillstand mit den Parteien, mit den Regierungsfragen und mit den Verfaffungsstreitigkeiten.

Selten kömmt es vor, daß in Spanien eine Emeute am Abend angezettelt wird oder ausbricht. Der Tag ist in diesem Lande weder der Arbeit, noch den Geschäften, noch dem Handel geweiht, sondern wird mit politischen Gesprächen, mit Beurthei lung aller Handlungen der Regierung und mit Anstiftung von Verschwörungen hingebracht. Bersammlungen, welche aus den aufgeklärten Leuten des Ortes bestehen, werden täglich auf dem Hauptplage oder Spaziergange jeder Stadt abgehalten. Ist das Wetter kalt oder regnicht, so laffen sich die politischen Kannens gießer dadurch keinesweges auseinandertreiben; fie begeben sich bann in eine Schenke, und dort wird über die wichtigsten Fragen debattirt, dort macht man unter Tabacksqualm republikanische, Karlistische und Juste Milieu Politik. Man schmiedet Komplotte und trinkt Eis: Orangeade.

In Saragossa, der patriotischsten und verschwörungsfüchtig ften Stadt, sieht man täglich in der schönen Allee des Corso die Einwohner, gruppenweis vereinigt, lebhaft über Verfassung, Finanzen und Kriegskunst verhandeln. Die Puerta del Sol in Madrid gleicht einem Ameisenhaufen. Man zischelt, murmelt, flucht und zettelt Verschwörungen an. Das,,Neue Kaffeehaus" der Hauptstadt ist der Sammelplaß von Politikern, welche Minis sterien bilden und auflösen, über das Verfahren der Regierung, die Operationen des Oberbefehlshabers, Cabrera's Gegenmärsche, Mendizabal's Finanz-System und die Winkelzüge des Herrn von Fesenfac raisonniren. Mit einem Worte, die Verschwörungssucht ift allgemein vorherrschend. Sobald aber der Abend anbricht, verschwindet wie durch Zauberei diefe ganze aufrührerische Menge von den Spaziergangen und aus den Kaffeehäusern, um sich in die Theater zu begeben. Eines schönen Tages wäre beinahe durch eine Verschwörung der Descamisados aber Madrid und gans Spanien eine furchtbare Katastrophe hereingebrochen, wenn Die Verschwörer nicht die Ausführung ihrer Plane auf den fols genden Tag verschoben hatten, um einer Aufführung der Vers fchwörung zu Venedig von Martines de la Rosa oder des ,,Mafaniello" beizuwohnen; so ließen sie der Polizei Zeit, dem Komplott auf die Spur zu kommen und die Verschwörer bei Tagesanbruch in ihren Betten zu verhaften.

Das beliebteste Schauspiel in Spanien ist, wie man weiß, das Stiergefecht, die Corrida de Toros. Der kleinste Spanische Flecken hat seinen Cirkus für die Stiergefechte, der den Namen Plaza de Toros führt. In den großen Städten finden diese Schauspiele zweimal wöchentlich statt, in den kleinen Dertern hingegen nur monatlich zweimal. In Madrid flieht man heutigen Tages die schönsten Stiergefechte. Bei Lebzeiten König Ferdis nand's waren in der Arena von Aranjuea, einige Meilen von Madrid, die berühmtesten Corrida's, jest aber befinden sich die geschichtesten Toreador's in der Hauptstadt, und die muthigsten Andalusischen Stiere werden für die Gefechte aufbewahrt, welche die Königin Regentin von Spanien mit ihrer Gegenwart beehrt. In Spanien spricht man über die Stierkämpfer wie in anderen, Tandern über die Schauspieler. Das Handwerk dieser Stiers tödter glänzt da in einer Berühmtheit, wie sie in den Augen des Volkes nicht den größten Männern zu Theil wird, welche fich in der Politik oder in den schönen Künsten auszeichnen. Kein Name ist bekannter und gefeierter, als der der beiden ersten

1839.

Kampfer der Hauptstadt, des Torreador Montes und des Pikador
Sevilla. Ihre Namen leben in Aller Mund, ihre lithographirten
Abbildungen hangen in allen Läden, Sälen und Dachlammern.

Gewöhnlich geht das Stiergefecht Nachmittags vor sich; dann ist Festtag in Madrid. Mittags verläßt der Handwerker seine Werkstatt, der Schreiber sein Büreau, der Student seine Bücher und die Grisette ihre Dachlammer. Die ganze Bevöls ferung walit nach dem schönen Alcalas Thore, neben welchem sich der Stierplay befindet. Unerhört ist der Zudrang des Pöbels zu diesem Schauspiel; es giebt keinen noch so elenden Lumpens fammler, keine noch so arme Arbeiterin, die nicht das Eintrittss geld zu erschwingen suchten; der Handwerker verseßt deshalb fein lehtes Werkzeug, die Grisette ihr leßtes Hemd, und Biele tegen fich mit leerem Magen zu Bett, weil sie ihren lehten Heller dafür hingegeben.

Die Grandezza, die Edelleute des Hofes und die Königin selbst beehren fast immer die Stierkämpfe mit ihrer Gegenwart. Es würde etwas an der Feierlichkeit des Schauspiels fehlen, wenn der Herrscher nicht dort wäre, um durch seine Beifalls bezeigungen die geschickten Toreador's anzufeuern. Die Königin Christine liebt aber auch diese Kämpfe über alle Beschreibung und schaut mit wahrem Vergnügen in Gesellschaft ihrer Königs lichen Tochter Isabella den glänzenden Corrida's der Haupts stadt zu.

Madrid besigt vier Schauspielhäuser: das Theater del Prinzipe (Königliches Theater), das Theater de la Cruz, das Theater de la Calle de la Sarten und das Theater del Oriente; Lesteres ist das größte von allen und eben erst beendigt. Das Königliche Theater und das del Oriente fesseln allein die Aufs merksamkeit, die beiden anderen, obschon sie in den belebtesten Vierteln Madrids stehen, sehen mehr wie bürgerliche Wohnhaus fer als wie Theater aus. Die Vornehmen besuchen nur die beiden ersteren Theater, in den anderen versammelt sich, von d den niedrigen Eintrittspreisen angezogen, die gewöhnliche Volkss klaffe. Das Theater del Oriente, das, dem Königlichen Palaste gegenüber, am dußersten Ende von Madrid liegt, ist eine unges heure mit kleinen Fenstern besdete Masse und hat beinahe das Ansehen eines Speichers. Der Baumeister, dem man die Aufs führung des Gebäudes anvertraute, foll, wie man versichert, nach Pariser Vorbildern sich gerichtet haben; der Unglückselige hat aber ganz vergessen, daß bei einem Gebäude dieser Art der Geschmack, wenn nicht die Kunst, verlangt, daß die Façade mit einem von hohen Säulen getragenen Peristyle geschmückt und daß der Haupteingang wenigstens fo hoch und so breit wie ein Thorweg sen. Nichts ist in der That lächerlicher als der Anblick einer so ungeheuren Maffe, deren Façade nur mit einigen Fenstern, einer kleinen Thür, die den Eintretenden zu erbrücken droht, und vier elenden an die Mauer gequetschten Säulen vers ziert ist, die sich ordentlich zu schämen scheinen, daß sie hier wie aus Barmherzigkeit angeklebt worden. Das Theater ist auf dem großen Schloßplate an der Stelle aufgeführt, wo noch die Crummer der von Joseph unternommenen Bauten umherlagen, die zum Zweck hatten, Madrid mit einem Königlichen Palaste auf Pariser Art auszustatten. Dieser von herrlichen Gebäuden umgebene Plas, an dessen einem Ende das imposante viereckige Schloß steht, welches man zur Ehre der an schönen Denkmälern eben nicht reichen Hauptstadt besonders hätte achten sollen, wurde unbarmherzig hingeopfert, indem man mitten auf ihm einen fünfeckigen Bau von übertriebener Ausdehnung aufführte, das durch die schöne Façade des Palastes verdeckte und die Harmonie zerstörte, die hier durch die Vereinigung der prächtigsten Gebdude Madrids hervorgebracht wurde.

Das Theater del Prinsipe empfiehlt sich am meisten durch sein künstlerisches Verdienst; da werden die besten Stücke durch die vorzüglichsten Künstler aufgeführt. Man giebt darin abwechs selnd komische und heroische Opern, Dramen, Vaudevilles und Ballets. In der Oper wird immer Italianisch gesungen; man giebt Norma, Anna Boleyn, die Puritaner, den Barbier von Sevilla, die Montecchi und Capuletti, Don Juan und andere Opern mehr. Die Sänger find ziemlich gut für ein Land, in welchem das Verdienst so wenig geachtet und so schlecht bezahlt wird, und wo man, was auch die Romanschreiber darüber sagen, nichts weniger als musikalisch ist. Man hört in den Straßen von Madrid nichts von jenen durch die Dichter erschaffenen

[graphic]
« ForrigeFortsæt »