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vierteljährlich, 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchic.

No 94.

für die

Expedition (Friedrichs-Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslande bei den Wohlöbl. Post - Nemiern,

Literatur des Auslandes.

Túrke i.

Berlin, Mittwoch den 7. August

Die Familie Sultan Mahmud's.

(Aus d'Aubignosc's Turquie moderne.)

Der Sultan Mahmud hat vier lebende Kinder, zwei Söhne und zwei Töchter, hinterlassen; im Laufe des Jahres 1838 verlor er einen Sohn und eine Tochter. Die Krankheit, welche den jungen Prinzen dahinraffte, blieb unbekannt, weil man sich aus einem abgeschmackten Vorurtheil der Oeffnung der Leiche widers feste, auf welche die Aerzte mit um so größerem Rechte antrugen, weil ein alterer Prinz nahe daran war, demselben Uebel zu unters liegen; der Lestere verdankt aber, wie bekannt, seine Herstellung der Empirie, und man weiß, wie reich die Armenierin, welche dies Wunder ausübte, belohnt worden ist. Ein anderes nicht weniger zu beklagendes Vorurtheil war einige Monate darauf Schuld am Tode der zweiten Tochter des Sultans, der Gemah, lin Saïd Pascha's, die durch einen zu rechter Zeit angewendeten Aderlaß gerettet werden konnte. Aber sie war aus Kaiserlichem Blute, aus jenem Blute, das so oft auf den Stufen des Thrones gefloffen, das aber zur Rettung der kostbaren Tage eines Famis liengliedes nicht vergoffen werden durfte. Diese beiden Thats sachen zeigen, wie groß die Macht des Widerstandes war, der fich dem Reformator sowohl in materieller wie in moralischer Hinsicht entgegenstellte.

Die Thronfolge war durch das Daseyn zweier Prinzen ges sichert; glücklicher Weise hat Sultan Mahmud, der in den beiden angeführten Fällen sich schwach zeigte, die Kraft gehabt, einer von seinen Vorgängern nur zu oft befolgten Gewohnheit zu wis derstehen, welche den Tod der jüngeren Prinzen anbefiehlt, um die Nebenbuhlerschaft der Erben zu verhüten. Der älteste der Söhne Mahmud's, nunmehriger Sultan, ist 17, der zweite 14 Jahr alt. Während des Ramasans erblickte man sie zu Pferde in den Straßen, wo der Sultan seine gewöhnlichen Spazierritte hielt, und in der schönen Jahreszeit folgten fie oft ihrem Vater auf seine Luftschlösser; diese beiden Fälle ausgenommen, sah man ste jedoch sonst nirgends. Ihre Erziehung wurde im Innern der Gemacher und ganz abgesondert betrieben; zuweilen wählte man ihnen einige Mitschüler aus den jungen Sklaven, die zu ihrem Dienst gehörten. Der Unterricht wurde ihnen von muselmanni schen Lehrern ertheilt, doch kann man sich denken, was sie von Männern lernen konnten, denen selbst jede nüßliche Wissenschaft fremd ist. Das tiefste Geheimniß umgab die ersten Lebensjahre dieser so hochgeborenen Kinder, die einst mit unbeschränkter Macht vollkommenheit über zahlreiche Völkerschaften herrschen sollten. Es bot sich uns eine in ihrer Art einzige Gelegenheit dar, etwas Näheres über die Unterrichts Gegenstände zu erfahren. Wir waren zur näheren Bekanntschaft eines Mannes zugelassen wors den, der, erst vor kurzem einer fast souverainen Stellung ents riffen, sich nun aufs eifrigste mit der Erziehung seiner drei Söhne von 17, 14 und 9 Jahren beschäftigte. Wir fanden diese gestürzs ten Prinzen stets von Muselmannischen Lehrern umgeben, die sie in den religiösen Gebrauchen, im Lesen, Schreiben, in den Ans fangsgründen der Mathematik und im Persischen unterrichteten. Mehrmals machten wir den Vater, der mit unermüdlichem Eifer allen Lehrstunden beiwohnte, darauf aufmerksam, wie das Studium einer Europäischen Sprache, des Französischen vielleicht, seinen Söhnen die Erwerbung von Kenntnissen sehr erleichtern würde, die sie durch den Unterricht, auf welchen man sie beschränkte, nie erlangen könnten; es leuchtete ihm ein;,,aber“, fügte er hinzu, ,,lann ich denn wohl etwas Besseres thun, als mich ganz nach meinem erhabenen Gebieter, dem Sultan, zu richten? Der Ers ziehungsgrundsaß, den ich bei meinen Kindern befolge, ist ganz der, welchen er für die feinigen festgesezt hat. Man unterrichtet mich pünktlich von Allem, was er in dieser Hinsicht anordnet, und ich ahme ihm nach. Wenn man mit den jungen Prinzen Die Europäischen Sprachen und andere Wissenschaften vornehmen wird, so follen meine Söhne ebenfalls dhnliche. Lehrmeister erhals ten. Ich wiederhole es, ich kann nichts Besseres thun, als einem folchen Führer zu folgen. Es liegt etwas Rührendes in dieser Treue und Achtung, in dieser Nachahmung eines hohen Vorbil

des.

Wenn dies oft der Fall ist, und wir haben Grund, anzus nehmen, daß es allgemein unter den vornehmen Klassen so sen, so kann man daraus bei einem Volke, wo die Subordination

1839.

fich so weit erstreckt, ein Streben nach großem Fortschritt abs nehmen.

Sultan Mahmud wollte sich durch die Wahl von Schwiegers föhnen brauchbare Stüßen und Gehülfen verschaffen, und gewiß ift es ebenfalls ein merkwürdiger Fortschritt, daß er ganz gegen die alten Gebräuche und Vorurtheile feiner Krone den Vermahls ten das Zusammenleben gestattete. Sonst wählten die Sultane sich zwar auch Schwiegerföhne aus ihren Unterthanen, aber nur aus politischen Absichten; die väterliche Zuneigung kam dabei gar nicht in Betracht. Wenn die hohe Pforte erfuhr, daß irgend ein Pascha in einer entfernten Proving große Schdße aufhdufe, die vielleicht spdter zu Aufruhr Projekten förderlich seyn konnten, welche ohnes hin die weite Entfernung vom Siß der Regierung begünstigte, fo wurde alsbald ein Beamter des Serails an ihn abgesandt, der ihm verkünden mußte, daß ihm eine ausgezeichnete Ehre, die Hand einer Tochter des Sultans, zugedacht sen; dabei überreichte er ihm zugleich die Fermans, einen Ehrenpelz und andere Zeichen der ihm zu Theil gewordenen hohen Gunft. Auf der Stelle mußte nun der neue Schwiegersohn seine rechtmäßigen Frauen verstoßen; die Weiber seines Harems durfte er behalten, doch nur unter dem Titel von Sklavinnen oder Dienerinnen seiner Kaiserlichen Ges mahlin, die es jedoch nur dem Namen nach war, weil die Gatten nicht mit einander lebten. Dann mußte er der Prinzessin reiche Geschenke und eine Morgengabe in Goldmünzen zusenden, auch für ihren Unterhalt durch ein ihrem Range angemessenes Jahr gehalt Sorge tragen. War der Pascha so freigiebig, wie man es bei dem Reichihum erwartete, in deffen Besiß man ihn glaubte, so betrachtete ihn der Sultan als gewonnen; er stieg dann immer höher in der Gunst, und seine Frau befestigte ihn nicht allein durch ihren Einfluß in seiner Statthalterschaft, sondern verschaffte ihm auch wohl eine noch bedeutendere Stellung. Zeigte er fich aber knickerig, so war sein Untergang beschlossen, und Schwies gervater und Gemahlin trachteten nur danach, ihn im Stillen bei Seite zu schaffen; war dieser Zweck erreicht, so fielen alle feine Reichthümer dem Fiskus anheim.

Die Gatten schrieben einander oft; das war die einzige Vers traulichkeit, welche ihnen durch ihre Ehe gestattet wurde. Sie sparten dabei keine Schmeicheleien und dichteten einer dem ans deren die größten körperlichen Vorzüge an; denn sie hatten sich ja niemals erblickt, nicht einmal im Bilde, weil das Gefeß des Propheten streng jede menschliche Abbildung untersagt; zuweilen ging die Tauschung so weit, daß sie sich einbildeten, einander wirklich zärtlich zu lieben. Der Zufall jedoch konnte sie vereis nigen; zuweilen gelang es den Intriguen der Frau, ihrem Gatten eine der vornehmsten Ehrenstellen des Reiches zu verschaffen, wie zum Beispiel die des Großwefirs oder des Kapudan-Pascha, welche den Aufenthalt in der Residenz erfordern; in diesem Fall war dann ein Zusammenleben gestattet. Wie arg mochte aber dann oft ihre Enttäuschung senn, wenn fie bei der ersten Zusammenkunft sich nicht so schön, so reizend und so vollkommen fanden, als ihre orientalische Phantasie es ihnen vorgegaukelt hatte!

Unter der Regierung Selim's III. kam ein solcher Fall vor. Der Pascha von Erzerum war von dem Sultan zum Gemahl einer seiner Töchter erwählt worden. Gerade in dem Augens blick, als ihm diese Ehre zu Theil wurde, verlor er ein Auge durch die Ungeschicklichkeit seines Günstlings beim Dschirid.Spiel, das er leidenschaftlich liebte. Die Folgen dieses unglücklichen Zufalls wurden noch durch die Ungeschicklichkeit des Ärztes vers schlimmert; der linke Nasenknorpel mußte abgenommen und durch eine filberne Platte erseßt werden. Kurz nach seiner Heilung traf er in Konstantinopel ein, um die Stelle eines Großwefirs zu übernehmen, au der ihn der Einfluß der Sultanin erhoben hatte. Er war furchtbar hɗßlich, und Niemand. wunderte sich über den Abscheu, den die Prinzessin beim Anblick des Mannes bezeigte, den sie sich als einen Adonis vorgestellt hatte; sogleich verließ sie den Palast, wo die Zusammenkunft stattgefunden, und der gute Selim willigte in die Scheidung. Nichtsdestoweniger bewahrte der neue Westr doch die Gunst seines Herrn, und er hat ein gutes Andenken hinterlassen. Zwar wurde ihm nun der Besiz einer schönen Prinzessin nicht zu Theil, aber er entging auch den schrecklichen Prüfungen, welche ihm im Laufe dieser Verbindung bevorgeftanden hatten.

Ein grausames Gefeß verurtheilte alle Kinder, die von einer Prinzessin aus Kaiserlichem Blute und einem Unterthan abstamms

ten, gleich bei ihrer Geburt zum Tode. Diese Unglücklichen, welchen Geschlechts fie auch immer waren, traten nur ins Leben ein, um aus den Händen der Hebamme sogleich in die des mit ihrem Tode beauftragten Stummen überzugehen. Durch diese unmenschliche Vorsicht wollte man allen ehrgeizigen Bestrebungen vorbeugen, welche dergleichen von Kindern gefegnete Verbins dungen mit dem Osmanischen Blut hatten erzeugen können. Dem Sultan Mahmud gebührt die Ehre der Aufhebung dieses abscheulichen Verfahrens. Sein erster Schwiegersohn Halil Pascha - besaß von seiner Gattin einen Sohn, der sechs Monate lebte und dann eines natürlichen Todes starb. Halil, der früher ein Geors gischer Sklave war, verdankt die außerordentliche Gunst, vom Sultan zum Gemahl seiner ditesten Tochter gewählt zu seyn, nur der Liebe, welche der alte Seriasker Chosrew-Pascha, dessen Günstling er war, für ihn hegte, da dieser selbst sich der Günst des Sultans in hohem Grade erfreute. Die Ursache zu der gleis chen Auszeichnung, welche Saïd; Pascha zu Theil wurde, der im Jahre 1837 die zweite Tochter des Sultans ehelichte, haben wir nicht auffinden können. Es lebt auch noch eine Schwester Sultan Mahmud's, die nahe an sechzig Jahr alt ist; sie hat es verstanden, die weniger strenge Beobachtung der Etikette zu benußen und sich unter dem Schuße der Reformen mehr Freiheiten zu verschaffen, als fie ehemals genoß. Sie bewohnt einen herrlichen Palast am Bosporus, liebt sehr die Bewegung und besorgt sich gern selbst alle ihre Geschäfte und Einkäufe, daher man ihrem Harem sehr oft in den Straßen von Konstantinopel begegnet. Böse Zungen sagen von ihr, sie verstände es, sich die Langeweile des ehelofen Standes zu verscheuchen; das Publikum lacht darüber und vers seiht ihr solche Zerstreuungen, weil sie übrigens eine gute Dame ist.

England.

Philarète Chasles über den Roman der Bulwerschen Ehe *).

Hier haben wir einen häuslichen Zwist in sechs Bänden, mit dem sich ganz England, wenigstens das .lefende, beschäfs tigt hat.

Herr Bulwer, der durch die Gnade der Königin Viktoria zum Baronet erhoben worden, nicht Henry Bulwer, der ein mittelmäßiges Buch über die Französischen Zustände geschrieben hat, sondern Herr Lytton Bulwer, der Verfasser von Pelham, Eugen Aram, Clifford und den Pilgern am Rhein, der berühmte Romanschreiber des gegenwärtigen Englands, der Vertheidiger der Schriftstellerrechte im Parlament, hat vor einem Jahre drei Bände, betitelt Maltravers, erscheinen lassen, die einiges Aufs sehen machten. Der Novellift geißelte feine Feinde, schmeichelte feinen Freunden, sprach von seinen Maitressen, liebkoste seinen eigenen Ruhm und machte sich ein anständiges Piedestal, vor welchem seine Feinde besiegt niederfielen. Der kräftige, leichte Stil, eine Menge glücklicher, feiner Bemerkungen, ein treffender, rascher Blick und die Beredsamkeit des Egoismus in Verbindung mit dem Talent des Schriftstellers, verschafften dem Werk Er folg; man riß sich darum, es erschienen eine Menge Kommens tare darüber; man wollte wissen, wer Lumley Ferrers, der constis tutionnelle Macchiavellist, sey, und Castruccio Cesarini, das vers kannte Genie. Man seßte Namen unter die Portraits; besonders aber fiel es auf, daß Bulwer gar nicht von seiner Frau sprach und das Hauptintereffe feines Romans in die Person einer jungen Maitresse, einer naiven Bduerin, Alice Lee, gelegt hat. Die Englische Gesellschaft, die so prúde und neugierig zugleich ist, hatte keine Ruhe, bis sie seine Alice Lee entdeckte. Es scheint, daß Bulwer, der Dandy, von dem so viel gesprochen worden, sich selbst ein junges Mädchen aus dem Volk erzogen, das, mie seine Feinde behaupteten, von ihm verlassen worden, oder, wie seine Freunde fagten, ihn zuerst verlassen hatte. Die Eroberuns gen und Sünden des Baronets beschränkten sich nicht darauf; man nannte noch andere Weltdamen: es war etwas Aehnliches, wie die berüchtigte Lifte Don Juan's. Herzoginnen figurirten neben Bürgerinnen; es war eine ganze Schaar von Opfern.

Die parlamentarische Partei, an deren Spiße Bulwer stand, seßte indeß ihre Angriffe gegen die Regierung fort. Als Repräsens tant der Preffe und der Literatur, nahm er eine in feinem Lande ganz neue Stellung ein, eine Stellung, die sehr falsch, aber sehr geschickt, scheinbar kühn, doch in der Wirklichkeit leicht ist. Er erkannte die gegenwärtige Entwickelung seines Vaterlandes, er sah, daß es sich die Aristokratie des Talents gern gefallen lasse, und indem er den Radikalismus zur Mauer, das Talent zur Waffe brauchte, schuf er sich seine Stellung. Wer hätte es nun gewagt, seine Sitten anzugreifen und Klage über ihn zu führen, selbst in diesem Vaterlande der Prüderie und der strengen Sitte? Er disponirt über mehrere Journale, steht an der Spiße einiger literarischer Zeitschriften, hat Einfluß fast auf die ganze Preffe und schließt sich einer Partei des Unterhauses an, welche durch ihre Popularitat bedeutend ist. Wer wird das Hallali gegen dies fen König des Waldes anstimmen? Wer wird ihn verfolgen? Kein Anderer, als die häusliche Person, welche die kühnste und zugleich die unbequemste ist, seine eigene Frau. Madame Bulwer,

*) Val. Nr. 50 und 64 unter Mannigfaltiges". Wir theilen dieses Irtheil des bekannten Französischen Kritikers, der mit der Englischen Literas tur sehr vertraut ist, unseren Lesern darum mit, weil es mit vieler Sachtenntnis geschrieben ist und uns einen tiefen Einblick thun läßt in die Ents Aehung des Romans, in fein Verhältniß zu Bulwer selbst und überhaupt in eine Menge geistiger und literarischer Verhältnisse in England.

jest Lady Bulwer, konnte es nicht ertragen, daß ihr Mann so bes rühmt und unbestraft, daß Don Juan vermählt bliebe, Lovelace ohne Rächer,mit dem Volkslorbeer bekränzt, ein untreuer Gate, ein bewunderter Moralist, ein stolzes Parteihaupt, ein Philosoph ohne Gegner. Sein schwerstes Vergehen in den Augen der Madame Bulwer war, daß er sie selbst sehr vernachlässigt hatte. Sie trennte sich von ihm und suchte Rache. Ob sie sich durch eine heimliche, weibliche That rächte, erzählt die Geschichte nicht, obgleich dies Madame Bulwer selbst in ihrem Werk anzudeuten scheint. Deffentlich aber nahm sie Rache in diesem Roman, von dem man seit zwei Monaten in allen drawing-rooms Englands spricht und der den Titel führt: Cheveley oder der Mann von Ehre, ein Roman voller Skandal und eine Protestation gegen Maltravers.

Der Roman des Mannes wird durch den der Frau total umgestürzt; fie nimmt die Personen, die ihr Mann auftreten läßt, von der verkehrten Seite; fie zeigt sie weiß, wenn er sie schwarz gemacht hat, blau, wenn sie bei ihm grün find, flein, wenn er fie groß darstellt, jenen optischen Spiegeln ähnlich, welche die Gefichter verkleinern oder verlängern. Diese doppelte Portraitis rung, wo das, was rechts häßlich ist, links schön wird, wo Alles, was auf der einen Seite gut ist, auf der anderen schlecht ers scheint, macht Einem viel Spaß; besonders aber freut sich Alts England daran, das nach diesen Skandalositäten so lustern ist, das sich an diesen häuslichen Sünden wie eine neugierige Ges vatterin ergöht, die nichts zu thun hat. Man vergleicht Chevelen mit Maltravers, und umgekehrt. Man finder Schwächen bei Mann und Frau; man lacht im Stillen und_tadelt öffentlich. Jene eigenthümliche Welt Englands, die in Pråderie und Ges wohnheiten so erstarrt ist, fühlt sich glücklich, wenn eine uner wartete Bewegung ihre matten Wellen etwas aufregt. Auf Seiten des Mannes ist viel Talent, auf Seiten der Frau viel Streben nach Malice. Wenn der Mann feine Liebeseroberungen eingesteht, indem er sie zu platonischen macht, so enthüllt die Frau ohne Scheu die Vorgänge ihrer Seele und ihre lebhafte Reigung für Lord Chevelen. Er gesteht, daß Maltravers lange mit einer ländlichen Agnes Sorel gelebt hat, die er in Musik unterrichten ließ; sie beschreibt ohne Rückhalt einen einsamen Abend in Venedig, während dessen Lord Clifford (der Maltravers der Lady Buliver) auf dem Ball war; da kommt eine Ohnmacht vor, ein Arm, der durch die Rohheit des Mannes verrenkt wird, ein gelöstes Mieder, ein Sopha, eine Nacht auf dem Adriatischen Meer, Lord Chevelen in der Nche; kurz, wir haben hier eine Scene, welche die unzweideutigste im ganzen Roman ist und sich mit den Vorschriften des Ehegefeßes am wenigsten verträgt.

Wenn wir nicht irren, ist Lady Bulwer keine Engländerin von Geburt, sondern eine Belgierin. Darum ist es ihr auch so schwer geworden, sich an das Joch der Englischen Etikette zu ges wöhnen. Der armen Königin Charlotte ging's nicht besser, als fie aus ihrem sentimentalen, für die Schwächen zarter Herzen so nachsichtigen Deutschland nach Carlton House kam. Lady Bulwer sieht nicht bloß über ihren Abtrünnigen her, sondern über die ganze Welt; fie giebt Karrikaturen vom alten wie vom neuen Adel, von Bulwer's Bruder (den sie unter dem Diplomaten Henry meint), von den Wahlen und den Wählern, von der Pros ving, von den Löwen und Löwinnen*), von den Obersten, den Gelehrten und den politischen Männern. Man hätte da eine sehr pikante Satire, wenn die Ausführung dem Willen entspräche und fie das Viertel von dem Talent hätte, das ihre Malice brauchen könnte. Aber die Zerrissenheit und die bittere Stimmung verdirbt fast das ganze Buch. Dieses shamlos aufgedeckte häusliche Leben, diese groben Schilderungen der Wirklichkeit sind weder schön, noch intereffiren fie. Es fehlt überall die hand des Künst lers; feine von den handelnden Personen flößt uns Achtung ein, und der fortwährenden Anklagen, die das Buch füllen, wird felbft die Neugier müde. Was intereffirt es uns, daß Lord Clifford (oder Herr Bulwer) ein finsterer Ehemann war, oder daß sein Bruder eine untergeordnete Rolle in der Familie gespielt, und daß die Gouvernante der Miß Bulwer dem Vater ihres Mündels sehr gefallen habe? Vom Erzähler, wie vom Maler, verlangen wir, daß er uns gefalle und uns feffele. Lady Bulwer hat sich schrecklich zu rächen geglaubt; ich fürchte, daß die Waffe in ihren Handen zerbrochen ist, und daß sie sich selbst bei diesem Ehezank am meisten verlegt hat. Man wußte, daß ihr Mann schon viel geliebt; man hielt den keinesweges für ein vollkommen reines Wesen, der an allen Kämpfen und Tauschungen in der Politik so lebhaft Theil genommen, der in dem Strudel der Presse und der polemischen Literatur so tapfer mitgearbeitet. Das Buch dieser unzufriedenen Dame deckt uns nichts Verborgenes auf, zerstört teine Maske. Was erfahren wir durch fie? Daß fie die Englische Gesellschaft verachtet, daß es in derselben eine Menge närrischer Pratenfionen, verdorbene Standesmitwen, schwachlöpfige Dandies und leichtgläubige Bürger giebt. Doch was haben wir davon, wenn wir das wiffen? Das Geschlecht der Narren ist unsterblich, unerschöpflich fruchtbar; jedes Land hat die feinigen: wenn man der Welt weiter nichts geben kann, verlohnt es nicht, die Feder in die Hand zu nehmen. Die Ausländer freilich ergdßen sich sehr an den satirischen Schilderungen der Verfasserin, aber die Englans der können nur Malice ohne Anmuth und Gemeinpläße ohne Geschmack darin fehen. D'Israëli der Jüngere, Grattan der Jüngere, Theodor Hook, Galt, Bulwer selbst, haben diese Schwäs

*) Lions heißen in England bekanntlich die Verfonen, die gerade in der Mode sind und bewundert und begafft werden, wie Afrikanische Löwen.

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Des Vicomte von Larochefoucauld Pilgerfahrt nach Görz.

Eine kleine Stadt von 10,000 Seelen, die, von dürren Hügeln umgeben, fast am Ende der Welt zu liegen scheint, eine fast durchgängig häßliche und schmußige Bevölkerung, abs fcheuliche Häuser, schlecht gepflasterte Straßen, die wie Schlans gen sich um sich selbst winden, keine Verbindungswege, ein schwieriger Zugang, gar keine Halfsmittel, kurz eine Ameisens grube mitten in den Bergen, das ist Görz! Vergebens fucht man bei der Ankunft ein Schloß oder doch wenigstens eine ans ständige Wohnung; auf einem Hügel liegt ein trauriges Hdus chen, das höchstens eine Bürgerfamilie zu beherbergen scheint, und doch ist es die Behausung, in welcher die Dynastie der Bourbonen weilt.

Unter Desterreichischer Herrschaft stehend, gehört Görz zu dem Illyrischen Küstenstriche. Diese Provinz besteht aus zwei Kreisen oder Distrikten, deren Hauptort Triest ist, wo der Statts halter seinen Siz hat. Desterreich wird in Gdrz durch einen Kreis Hauptmann, einen verdienstvollen Beamten, vertreten. Ich muß der Wahrheit die Ehre geben und eingestehen, daß die Lander, welche ich durchreiste, weit davon entfernt waren, mit ihren Regierungen unzufrieden zu seyn. Eine der Ursachen, welchen ich die Ruhe zuschreibe, deren sich die Einwohnerschaften erfreuen, besteht darin, daß jeder, selbst der geringste Bewohner der Illyrischen Provinzen, sich nach Wien, dem Siß der Oesters reichischen Regierung, begeben kann, sobald er irgend einen Grund zur Bejchwerde zu haben glaubt, und daß er dort mit Sicherheit auf einen schnellen und gerechten Spruch hoffen darf. Diese Ueberzeugung, welche fest in allen Gemüthern haftet, muß der Regierung, die überdies eben so weise als väterlich ist, eine unendliche Kraft verleihen.

In Gors giebt es keine Opposition, keinen einflußreichen Adel; man beschäftigt sich hier wenig mit politischen Angelegen; heiten, und die Sachen gehen von selbst so gut, daß das Eins schreiten der Behörden eben so unmerklich wie unnöthig ist. In Gdrs erlitt der General Junot die ersten Anfälle jener Geistess gerrättung, die später seinen Tod herbeiführte. Auch wohnte der General Bertrand in dieser Stadt, welche jeßt der Zufluchtsort einer ganzen Generation von Königen geworden ist. Was für Erinnerungen haften an dieser bescheidenen Stadt! Und wie follte man ihre Einwohner nicht lieb gewinnen, die sich bes mahen, durch ihre Ehrfurchtsbezeugungen die zu erseßen, welche so viele Franzosen gern ihrer angestammten Königsfamilie dars brachten? Wie sollte man nicht gerührt werden von dem Ems pfange, der hier allen Reisenden zu Theil wird, welche ihre hohen Gäste zu besuchen kommen! Könnten die Beweise der aufrichtigsten Verehrung unsere Fürsten für die Schmerzen und die Entbehrungen der Verbannung entschadigen, so wären sie glücklich; denn unmöglich kann man sich gegen dieselben achtungss voller als die guten Görzer benehmen. Es leben in dieser Stadt viele herabgekommene Adelige, und man wurde die Sympathieen begreifen, die von dieser Seite herrührten; aber auch die niedes ren Volksklaffen hegen gleiche Gefühle, und so groß find die Rücksichten für unsere Fürsten, daß man ihnen bereitwillig auf dem Bürgersteige Plaß macht, wenn man fie auf einem Spaziers gange oder auf dem Wege zur Kirche antrifft.

In der Nähe von Gdrz, zu Castagnavizza, auf dem Gipfel etnes Hugels, von dem man eine weite Fläche übersicht, steht das Kloster der Kapuziner von der Verkündigung Marid. Es wurde 1650 auf Kosten des Grafen Mathias von Thurn für die Karmeliter erbaut, die auch dort bis 1784 verweilten, wo der Kaiser Joseph II. diese Klostergemeinde aufhob. Damals wurde das Kloster feilgeboten, aber durch die Vermittelung der frommen Einwohner von Górz und die Verwendung eines Nachkommen des Grafen Thurn unterblieb der Verkauf. Zwölf Jahre nach her wurde die hübsche Kapelle wieder eröffnet und der Dienst darin von Philipp de Poli versehen, der von der Reglerung die Erlaubniß erhalten hatte, mehreren durch die Revolution aus ihrem Vaterlande vertriebenen Französischen Geistlichen hier eine Zuflucht zu gewähren.

Als der Marschall von Ragusa 1811 Statthalter der Illyris schen Provinzen war, richtete er in Castagnavizza eine Franzis Paner Gemeinde ein, deren ehemals in Görs gelegene Abtei von Jofeph II. aufgehoben worden war; und seit 1822 ist Castagnar Dizza das Seminar von 12 anderen Gemeinden, welche die foges nannte Franziskaner, Provinz zum heiligen Kreuz bilden. Dort

wohnt auch der Provinzial derselben, ein Mann von großen Vers diensten, der außer seinen Pflichten als Superior noch das Ami eines Professors der Theologie bekleidet. Das Kloster von Cas stagnavissa, welches bis jeßt der Welt fast ganz unbekannt war, ist nun von geschichtlicher Bedeutung, denn am 11. November 1836 wurden dort die sterblichen Ueberreste des Königs von Franks reich, Karl's X., beigefeßt.

Gerade unter dem Altar der heiligen Jungfrau vom Berge Karmel beigefeßt, schläft dieser König, der stets eine besondere Verehrung für die Beschüßerin Frankreichs hegte, unter ihrer Obhut den Schlaf der Gerechten. Auf dem Stein, welcher feinen Sarg deckt, ist mit goldenen Buchstaben folgende Inschrift einges graben: Hier wurde am 11. November 1836 beigefeßt der fehr erhabene, mächtige und erlauchte Fürst, seines Namens Karl der Zehnte, durch Gottes Gnade König von Frankreich und von Navarra, gestorben zu Görz am 6. November 1836, im Alter von 79 Jahren und 28 Tagen."

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Da ich erfahren hatte, daß man alle Morgen eine Weffe für Theit nehmen konnte, und machte neun Tage hindurch diese mir Karl X. las, so traf ich meine Einrichtung so, daß ich daran so theuer und heilig gewordene Wanderung. Nach der Messe, welche in Gegenwart einiger Personen in einer kleinen, aber freundlichen Kirche gelesen wurde, begab ich mich in die Sakristei und verlangte in das Gewölbe hinabzusteigen, welches das Kö nigliche Grab in sich faßte. Ein Kapuziner führte mich zum Prior, dem ich meinen Namen nannte, und der darauf die Ges fälligkeit hatte, mich selbst dahin zu begleiten. Wir gingen durch den Garten, und von dem guten Prior geführt, der eine Laterne trug, stieg ich gebückt in die enge, düstere Gruft hinunter, die legte Zufluchtsstätte, welche die Erde demjenigen bewilligte, der einst ein so herrliches Königreich besaß. Als ich mich rechts wens dete, erblickte ich den schwarzen Stein, auf welchem die oben angeführte Inschrift eingegraben ist; bei diesem Anblick schwoll mir das Herz, meine Kniee zitterten, und ich kann versichern, daß mir all' der Glanz, mit dem ich Karl X. bei seiner Krönung in Rheims umgeben sah, nicht eine größere Verehrung einflößte, als ich jest bei Erblickung seiner Ruhestätte empfand.

Vielleicht ist es für Manchen von Interesse, sich eine Vors stellung von dem Hause machen zu können, welches der Fürsten, familie als Zufluchtsstätte dient, die einst in großmüthiger Unvors. sichtigkeit so viel für die Künste, für die Nothleidenden und für Frankreich gethan hat, daß sie am Tage des Unglücks arm und entblößt dastand, es aber vorzog, dem Wohlleben mit der Krone zu entsagen, als Verbindlichkeiten gegen das Ausland oder gegen diejenigen einzugehen, von denen sie nur mit Erröthen etwas hätte annehmen können.

Am dußersten Ende der kleinen Stadt Görz befindet sich uns terhalb der Festung ein trauriger, schlecht gepflasterter Plaß, von elenden Bogengången und schlechten Häusern mit erbärmlichen Thüren umgeben, mitten unter denen fich links ein Thorweg, mit zwei Schildwachen zur Seite, erhebt; das ist die Königliche Woh, nung, der man den hochtönenden Namen,,Hotel Straffoldo" ges geben hat. Eine einzige Etage von funfzehn Fenster Front ents hält die Gemacher der Königlichen Familie, so wie die der Dies ner, welche derselben in ihrem Unglück treu blieben. Obgleich ein Portier da ist, tritt man doch, ohne gefragt zu werden, zu wem man wolle, in einen abschüffig gelegenen Vorhof ein, über den man in eine Halle gelangt, in welcher sich die Treppe befins det. Im ersten Stockwerk links gewahrt man eine kleine Thur, welche zur Vicomtesse d'Agoust und zu Mademoiselle führt. Der Treppe gegenüber gelangt man durch eine Flügelthür in einen gerdumigen Saal, der zu gleicher Zeit das Vors und Speisezims mer der Königlichen Familie ist. Rechts von diesem Saale liegen die Gemacher des Herzogs von Bordeaux, die aus einem Studiens faale und einem Schlafzimmer bestehen, welches an das des Grafen von Montbel anstößt. In der Verlängerung dieser Front des Gebäudes liegen die Zimmer von Mademoiselle, welche wie die ihres Bruders eingetheilt sind und mit dem Schlafgemach der Frau von Nicolai zufammenhängen.

Nichts ist einfacher, als das Gerdth dieser verschiedenen Zimmer. Im Schlafgemach von Mademoiselle sieht man nur eine eiserne aus Paris hergefandte Bettstelle, awei große Ger mälde, eines den Herzog von Bordeaur, das andere die Herzogin von Berry vorstellend, einen kleinen Arbeitstisch und einige Seffel. Möbel, mit den einfachsten Stoffen überzogen, ein Bücherschrank, einige Statuetten, unter welchen sich ein Ecce homo auszeichnet, einige Gemdide und einige buntfarbige Böhmische Gläser auf einem Spiegeltischchen machen den ganzen Schmuck ihres Salons aus; doch so groß find der natürliche Reiz und die Anmuth, welche Mademoiselle allen ihren Umgebungen mitzutheilen weiß, daß dem Orte, wo sie weilt, auch nicht das Geringste zu fehlen scheint.

Noch einfacher ist die Wohnung des Herzogs von Bordeaux eingerichtet. In dem Gemache, welches ihm zum Salon und zum Studiensaal dient, sieht man als einzigen Schmuck nur zwei schöne Vasen, die ihm aus Paris von dankbaren Handwerkern zugeschickt wurden. Ein Rahmen, in welchem sich unter Glas die schönen Haare feiner Mutter befinden, das Reiter, Portrait feines Vaters, ein großer MahagonisTisch, an welchem der Pring. arbeitet, ein Bücherschrank, eine Staffelei und einige Seffel bils den das ganze Gerdth dieses Saales, der auf einen breiten Bals ton hinausgeht. Das Schlafzimmer des Prinzen ist mit einigen theils von ihm, theils von seiner Schwester gemalten Bildern geschmückt; nirgends erblickt man Vergoldungen, Marmorziers

rathen, noch jene Bequemlichkeiten, welche Seele und Körper schwächen. In den körperlichen Uebungen, in denen er Meister ist, stärkt der Herzog von Bordeaux feine Krafte; die Waffen find die Kleinodien, die er allen anderen vorzieht, und auf seinem Pferde ruht er von den geistigen Anstrengungen aus. Selbst in den Augen der Personen, für welche die Schönheit nur in der vollkommenen Regelmäßigkeit der Gesichtszüge und in der genauen Uebereinstimmung aller Gliedmaßen des Körpers besteht, müßte der Herzog von Bordeaur für schön gelten, denn unmöglich können feinere Züge mit einem edleren Ausdruck, mit einer aus gezeichneteren Haltung des Kopfes und einer angenehmeren und fräftigeren Gestalt verbunden seyn. Nicht weniger als ihr Brus der ist auch Mademoiselle von der Natur begünstigt. Ihr Blick ift geistreich, ihr Lächeln fein und ihre ganze Gestalt höchst ans muthig; sie ist sehr unterrichtet und von sanftem, liebenswürdis gem Charakter. An ihrem Bruder hängt sie mit der innigsten Bartlichkeit und beweist ihren Königlichen Verwandten die größte Ehrfurcht und Zuneigung.

Wenn man aus den Wohnzimmern des Herzogs von Bor: deaux in den Speisesaal zurückkehrt, so bemerkt man, der Eins gangsthür gegenüber, noch eine Flügelthur, die zu den Zimmern Der Herzogin von Angouleme führt, welche ebenfalls nur aus einem Salon und einem Schlafgemach bestehen. Am anderen Ende des Speisesaals befindet sich eine Thur, die bestandig offen steht und in ein kleines Zimmer führt, in welchem stets ein Diener sich aufhalt, der beauftragt ist, die Personen zum Herzog von Angouleme einzuführen, die zur Audienz vorgelassen werden. In demselben Salon, in welchem der Herzog Vormittags Audienz ertheilt, versammelt sich Abends die Königliche Familie, und dort werden alle Personen empfangen, welchen die Ehre des Zu trius in ihren engeren Kreis zu Theil wird. Weiterhin ist das Rabinet des Herzogs von Angouleme.

Man kann sich unmöglich etwas Einfacheres, Beschränkteres porstellen, als das Innere dieser Wohnung. Bedenkt man, daß die hohen Gäste ehemals von dem Lurus und der Größe von zwanzig Königlichen Schlössern umgeben waren, die durch Erbschaft ihnen als Eigenthum zugehörten, bevor die Revolution sie ihnen zum Nießbrauch zurückgab, so möchie man sie beklagen, wenn man nicht wüßte, daß fie in den Familienfreuden, in der unveränder lichen Anhänglichkeit ihrer Freunde und vorzüglich in der Religion den Trost gefunden haben, der so großes Mißgeschick zu mildern im Stande ist.

Früh um sieben Uhr stehen der Herzog und die Herzogin von Angouleme auf und begeben sich sogleich, fast immer zu Fuß und ohne Gefolge, sur Messe nach der Kathedrale. Um 10 Uhr vers einigt das Frühstück alle Mitglieder der Königlichen Familie; um 11 Uhr fehrt jeder in seine Gemdcher an sein Tagesgeschäft zurück, welches für Marie Therese in Nadelarbeiten für unsere Lotterieen besteht, denn die edle Frau findet noch immer Mittel zur Unterstüßung der Französischen Armen; in Audienzen, welche fie Fremden oder ihren Freunden ertheilt, und im Lesen andach tiger Gebete, die sie an Gott für das Wohl ihrer Familie und ihres Vaterlandes richtet. Während dieser Zeit empfängt der Herzog von Angouleme auch seinerseits die Personen, die er zu sprechen wünscht; alle seine Thaten, wie alle feine irdischen Gedanken, haben nur die Zukunft seines Neffen und das Wohl Frankreichs zum Gegenstand. Ein Spaziergang, zu dem Marie Therese und der Herzog Niemand zulassen, beschließt gewöhnlich den Vormittag.

Punkt sechs Uhr vereinigt ein gutes, aber mdßiges Mahl, bei dem man vergebens die ausgesuchten Leckerbissen und das prachtige Tafelgeschirr der Großen suchen würde, zum zweitens mal die Königliche Familie und die dazu Eingeladenen; eine Gunst, die um so scheßbarer ist, weil sie sich nie auf mehr als drei oder vier Personen mit einemmal erstreckt. Gegen 7 Uhr begiebt man sich in den Salon, um halb 8 werden einige Bes wohner von Gört, die Franzosen und Fremden, welche ein Recht auf diese Auszeichnung haben, zur Cour bei den Verbannten zugelassen; um 9 erheben sich der Herzog und die Herzogin von Angouleme, ihre jungen Verwandten ziehen sich zurück, und Marie Therese folgt denselben, nachdem sie Jedem der Anwesenden ein freundliches Wort gesagt hat.

Der Hofstaat der Herzogin besteht aus Frau von Nicolai, deren Geist und Sorgfalt Mademoiselle zu einer vollkommenen Prinzessin ausbildeten, und aus der Vicomtesse d'Agoust, welche auch im Eril die ganze Wärme eines treu ergebenen Herzens zu bewahren wußte. In der Nähe des Herzogs fand ich den Grafen Montbel und Herrn von Bouillé, der mehrere Jahre sich mit der Erziehung des Herzogs von Bordeaux beschäftigte. Durch die lange und schmerzhafte Krankheit des Herzogs von Blacas ist eine Lücke unter den Königlichen Freunden eingetreten; der Hers zog von Angouleme sucht sie dadurch auszufüllen, daß er einen Tag um den anderen diesen alten Freund besucht, dessen bes währte Ergebenheit wohl dies ehrende Zeichen von Anhänglich feit verdient.

Der Abbé Trebuquet, Schüler und Freund des Bischofs von Hermopolis, ift der Beichtiger des jungen Prinzen und der Prins seffin; man hatte keine bessere Wahl treffen können, denn mit der gründlichsten Gelehrsamkeit verbindet er die mildeste und aufges fidrteste Frömmigkeit. Er lebt an diesem kleinen Hofe ganz unbes merkt, vermeidet jedes Gespräch, das sich nicht auf seinen Priesters

stand bezieht, und gedenkt Frankreichs nur in seinen Unterhaltungen mit Gott. Der alte Kardinal von Latil, der in der Stadt lebt, steht bei der Königsfamilie in dem Ansehen, welches seinem Chas rakter und dem Purpur, mit dem er bekleidet ist, gebührt; doch ist er der Politik des Herzogs von Angouleme ganzlich fremd, und sein Einfluß überschreitet nicht den Kreis seiner Priester pflichten. Der Beichtiger des Herzogs von Angouleme ist ein Geistlicher, den man niemals sieht. Herr d'O'Hegerin, ehemas liger Stallmeister Karl's X., versieht troß seines hohen Alters noch dieselbe Stelle bei dem Herzoge von Bordeaur, mit einem Eifer, der aus dem Herzen kömmt; auch macht er die Honneurs bei der Königlichen Tafel. Herr und Frau von St. Aubin und ihre Familie sind dem Herzog von Angouleme und seinem Neffen eben so ergeben, wie dem verstorbenen Könige; der Doktor Bougon, deffen einfichtsvoller Sorgfalt der Prins wenigstens einen Theil feiner vortrefflichen Gesundheit verdankt, wohnt mit seiner Frau und Tochter ebenfalls in Göra.

Der Herzog und die Herzogin von Angouleme behandeln ihre Dienerschaft mit ausgezeichneter Güte, und obgleich sie zu großen Einschränkungen sich genöthigt sehen, wollten sie doch nie darein willigen, die Anzahl dieser Diener zu verringern, um nicht undankbar gegen deren Treue zu seyn.

Fügt man zu den genannten Personen noch die beiden Söhne des Herzogs von Blacas, den jungen Herrn von Foresta, die den Herzog von Bordeaux oft auf seinen Spaziergangen begleiten, und Mademoiselle Athenais Coronini, eine junge Dame, die, wegen ihrer vortrefflichen Erziehung, ihres Berstandes und ihrer Anhänglichkeit an Mademoiselle, dieser Prinzessin beigegeben wurde, so kennt man die vorzüglichsten Tischgenoffen des Schloffes, und man wird zugeben, daß ihre kleine Anzahl, welche um Vieles bedeutender seyn würde, wenn die Verbannten allen ihren Anbáns gern eine Zuflucht hätten gewähren können, durch die Ueberzeus gung ausgeglichen wird, daß diese Hofleute des Unglücks nur den Personen, nicht dem Glück ihre Dienste widmeten.

Mannigfaltiges.

Heilkraft der Musik. Man weiß, auf wie poetische Weise Shakespeare, dem keine Fiber der menschlichen Natur vers borgen blieb, in feinen Dramen oft die Musik als lindernden Balsam für kranke Gemüther benußt, wie er bei Lear's Wahnsinn diese Kunst dem Heilmittel der zärtlichsten Kindesliebe mächtig zu Hülfe kommen läßt, und wie er ihr andererseits die größte Wirkung auch auf den verwildertsten Thier: Menschen zuschreibt. Ein Fall, der sich kürzlich in dem Hospital von Bicetre zu Paris zugetragen hat, mag denen, die an der Wahrheit dieses Dichtergedankens etwa zweifelten, als neuer Beweis von der Tiefe des Shakespearschen Genius dienen. Seit langer Zeit beherbergte jenes Pariser Hospital einen Blödsinnigen, Namens Ricard, der in thierischer Dumpfheit sein Leben hinbrachte. Eine niedergedrückte Stirn, apoplektische Gesichtsfarbe, ausdrucks lose, träge und ungeschickte Bewegungen, dies Alles zeugte von seinem gänzlichen Stumpfsinn. Weder durch Worte, noch durch Zeichen konnte man den geringsten Aufschluß über seine Familie und über sein früheres Leben von diesem Kaliban erlangen, als man ihn auf der Straße fand und nach Bicetre bringen ließ. Er konnte weder sprechen, noch denken, noch irgend etwas vers richten. Selbst der Hunger vermochte ihm keinen stammelnden Laut, kein Ausstrecken der Hand nach Nahrungsmitteln abzuges winnen. Auf einem Lehnstuhl sizend, oder in einem Winkel hockend, pflegte er sich taktartig hin und her zu schaukeln und diese Bewegung mit einem leisen Brummen zu begleiten. Der Zufall, daß ein Mus filer der Oper, der durch unregelmäßigen Lebenswandel um seinen gefunden Verstand gekommen war, ebenfalls nach Bicetre gebracht wurde, wo er allmålig wieder zur Besinnung gelangte, erweckte in dem Doktor Ferus den Gedanken, ob nicht durch Musik auf jenen Blödsinnigen einzuwirken seyn möchte. Um also zugleich den Musiker nüßlich zu beschäftigen, forderte er denselben auf, Ricard in seiner Kunst zu unterrichten. Der Erfolg überträf die Erwartungen des Arztes. Kaum hatte der Musiker angefangen, die Arie: Vive Henri quatre auf dem Waldhorn zu blasen, so horchte Ricard auf und zeigte zum erstenmal in seinem Leben eine Spur von Erregung seiner Sinne. Bald griff er nach dem Instrument und gab noch durch andere Bewegungen seine Aufs merksamkeit zu erkennen. Von dem Arzt ermuntert, feßte der Musiker seine Bemühungen mit großer Ausdauer fort; nach einigen Monaten hatte er es dahin gebracht, daß Ricard schon den ersten Sag jener Volksmelodie ganz richtig, wenn auch mit roher, trållernder Stimme, nachfang, und endlich lernte dieser das ganze Lied. Alles staunte über die Fortschritte, die der Blöds sinnige zugleich in seinen übrigen geistigen Functionen machte, und wenn er auch immer noch ein bedauernswerthes Geschöpf ist, so hat er doch jest einigermaßen ein `menschliches Ansehen bekommen. Wenn er hunger fühlt, verlangt er nun zu effen, wenn ihn durftet, zu trinken; er bleibt nicht mehr auf demselben Fleck liegen oder sizen, ohne daß man ihn wegträgt, sondern bes giebt sich selbst auf sein Lager; er kennt seine Warter, er erwies dert einen an ihn gerichteten Gruß, und er richtet sogar kleine Aufträge im Innern des Hospitales aus. Solche Macht hat allein die Musik über ihn ausgeübt, nachdem vorher jede Mühe, die man sich mit ihm gegeben hatte, fruchtlos gewesen war.

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vierteljährlich, 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Eti höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie.

No 95.

für die

Expedition (Friedrichs-Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslande bei den Wohlöbl Post - Aemtern.

Literatur des Auslandes.

Italien.

Berlin, Freitag den 9. Auguft

Dante's Leben, von Cesare Balbo. *)

Die Göttliche Komödie hat, gleich der Iliade, in jedem Zeitalter ihre Scholiasten und Ausleger gefunden, von denen Einige ihren ästhetischen Werth, Andere ihre geschichtlichen Data und wieder Andere die verborgenere Tendens des Dichters au beleuchten suchten. Die neuesten unter den besten Auslegern waren: Arrivabene, der Dante in seinen Beziehungen zu dem Zeitalter, in welchem er lebte, betrachtete, und Ugo Foscolo, der mit der ganzen Macht seines eigenen Geistes den gewaltigsten Dichter Italiens erklärte. Jeßt ist ein neues Werk über Dante und seine Zeit erschienen, dessen Verfasser schon literarischen Ruf genug besißt, um ein günstiges Vorurtheil für seine Leistung au erwecken und den Verdacht zu entfernen, daß unsere Literatur mit einem bloßen obsturen Kommentare oder einer langweiligen und trockenen Biographie bereichert werden dürfte. Herr Cesare Balbo befigt neben seiner vielseitigen Bildung und feinem über schauenden konzentrischen Blicke eine glühende Liebe zu dem Dichter und feinem Vaterlande, einen gelduterten Sinn für das Schöne und die Gabe musterhafter stilistischer Einkleidung. Wer diese beiden Bände aufmerksam durchließt, der wird den Dichter und sein Jahrhundert verstehen. Wir begnügen uns hier mit einer Darlegung der Gedanken, welche die Lektüre des Werkes in uns geweckt hat.

Der Blüthens Monat des Jahres 1275 versammelte im Hause Folco Portinari's eine Gesellschaft zu fröhlicher Begehung des Frühlings Festes. Unter den Damen von Florenz, welche das Fest verschönerten, befand sich eine Donna degli Alighieri, die ihren neunjährigen Sohn mitgebracht hatte, einen schönen geiftvollen Knaben, dem sie aus Zärtlichkeit den Namen Dante gegeben. Auch ein junges Mädchen, eben so alt wie Dante, in einfachem flammenrothem Kleide, war zugegen. Sobald der Knabe dieses Kind erblickte, fühlte er sich im Innersten bewegt und bewies schon in diesem zarten Alter, wie mächtig die Liebe ift. Von jenem Augenblick an erwachten in dem jungen Dante ungeahnte Neigungen; unaussprechliche Sehnsucht ergriff ihn; Beatrice's Bild kam nicht mehr aus seinen Gedanken, ja, er traumte, file im Schoße des Liebesgottes zu sehen, der ihr fein (Dante's) Herz als Nahrung anbot. Bald versuchte er, diese kindliche Vision in die Sprache der Troubadours zu kleiden und die herrlichen Eigenschaften des kleinen Engels zu feiern. Seine Phantasie wagte den Flug des Pindar, ohne Pindar's Flügel zu borgen, schon als Knabe war Dante ein Schöpfer.

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Bum jungen Manne heranreifend, bemeisterte sich Dante aller Schage des Wissens, die sein Zeitalter bieten konnte; sein Geist umfaßte die Dinge und ihre Grundursachen, und was er studirte, das verkörperte sich innig mit seiner höheren Natur es wurde in ihm eine Schöpfung. Aber die lachenden Bilder feiner Jugend sollten bald verdüstert werden: jene edle Seele, die er als ein Wunder auf Erden besungen, schied im 25sten Lebensjahr aus ihrer irdischen Hülle, und ihr Verlust wirkte mit so fürchterlicher Gewalt auf den Dichter, daß er lange Zeit in einer Art von Betdubung vor sich hinlebte und allen mensch lichen Umgang floh. Aber fein Geist war mitten im namenlofen Schmerz schöpferisch thatig; Beatrice's Andenken gab allen feinen Gedanken eine neue Richtung: er schrieb in dem,,Neuen Leben“ die Geschichte seiner Neigung und im,,Convitto" die Betrach, tungen nieder, die sie ihm eingeflößt hatte.

Mitten in feinen Studien und Erinnerungen übte sich Dante in den Waffen und kämpfte heldenmüthig bei Compaldino; er machte sich mit den Intereffen des Staates vertraut, übernahm Gefandtschaften, bekleidete obrigkeitliche Aemter und stieg zu höheren Graden in der Signoría. Auf den Rath seiner Freunde, die ihm vorstellten, daß es Pflicht eines guten Bürgers sen, im Vaterlande eine Familie su bilden, verheirathete er sich, seugte viele Söhne und bewies, daß er ein trefflicher Gatte, Vater und Staatsmann seyn konnte, ohne dem treuen Andenken an den Gegenstand feiner Jugendgluth zu entsagen.

Aber Dante lebte in einer Zeit der Parteienkämpfe; mit unermüdlichem Eifer hatten die Italianischen Städte zwei Jahrs

*) Vita di Dante, scritta da Cesare Balbo. 2 Bde. Turin, 1839.

1839.

als

hunderte lang gerungen, um die barbarischen Staats-Einrichtuns gen, welche Gothen, Longobarden und Franken ihnen aufgebürder, los zu werden; sie hatten aus der Finsterniß jener Zeiten ein Licht hervorschimmern sehen, nach bürgerlichen Freiheiten sich ger sehnt und den Besig derselben durch eiserne Ausdauer erworben. Diese noch junge Wohlfahrt störte aber gar bald ein unseliger Geist der Zwietracht und der Factionen ein Geist, der selbst Leute, die an Einem Heerde saßen, entzweite: es gab unaufhör liche Wehllagen, einen endlosen Krieg, raftlose gegenseitige Vers folgungen der Weißen, Schwarzen, Guelfen und Ghibellinen, der Papisten und Kaiserlich Gesinnten. Dante wünschte, wie er in seinem Buche über die Monarchie selbst erklärt, eine endliche Beilegung dieser bejammernswerchen Zwietracht, er wünschte den einstimmigen Willen einer Gesammtheit, damit die Bürger im Frieden ihr Glück fänden; daher wurde er Guelfe. Als aber die Florentinischen Guelfen ihre Vaterstadt einem Philipp von Valois preisgaben als man Dante's Vorschlag, dem Unfuge der Tristi zu steuern, mit Landesverweisung beantwortete er auf seiner Flucht jedes Land zerråttet und von Privat - Haß zerfleischt sah da pflanzte er den Kaiserlichen Adler auf; er fühlte, daß dieser allein mit seiner unwiderstehlichen Macht solche Uebel heilen könnte, und blieb von der Zeit an entschiedener Ghis belline. Jest wurde er als Feind des Vaterlandes ins Elend ges schickt und sein Vermögen in Beschlag genommen. Während feine Familie von Unterstüßungen ihrer Verwandten leben mußte, irrte der Dichter unstat umher, von einer ihm selbst unerklärbaren Sehnsucht getrieben. Bald sah man ihn an fürstlichen Höfen, in den Schlössern der Gewaltigen dieser Erde, doch immer finster und froßig bald unter den Kreuzgången des Klosters Montes corvo, dessen Bewohnern er auf ihre Frage, was sein Begehr sen, zur Antwort gab:,,Ich will den Frieden!" Bald brutete er dumpf vor sich hin bald machte er seinem Unwillen mit. Worten Luft; aber nie ließ er sich zum Gemeinen und Niedrigen herab. Während dieses Herumwanderns ohne Rast und Ruh, wobei gerechte Erbitterung in seinem Innersten kochte, wurden seine Gedanken zu Riesen, und die reine Leidenschaft für Beatrice vermählte sich mit den furchtbaren Leidenschaften, die sein Unglück in ihm heraufbeschwor; er sprach, und seine Stimme glich dem Rollen eines fernen Donners.

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Unter den Leiden und Beschwerden der Verbannung fand auch Dante's Geist keinen Ruhepunkt, bis ein unverhoffter Ums stand ihn wieder ins poetische Geleis brachte. Er war in Lunis giana bei Morello Malaspina eingekehrt und hatte bei diesem edlen Freunde auch gegen die Stürme seines Innern ein Asyl gefunden. Eines Tages zeigte ihm sein Wirth ein Bündel Pas piere und fragte, ob diese Papiere ihm angehörten. Dante staunte; denn er erkannte seine eigene Handschrift: es waren die ersten sieben Gefänge eines Gedichtes, an dem er noch im Vaters lande gearbeitet hatte. Morello erzählte ihm nun, seine Gattin habe dieses Manuskript glücklich gerettet, und Jeder, der es ges lesen, sen davon entzückt geworden. Er ermahnte ihn lebhaft, das begonnene Werk zu vollenden.

Der glückliche Fund des Manuskriptes und das wackere Br reden seines Freundes Malaspina weckten Dante's Dichter Geni18 aus seinem lethargischen Schlafe, und gereift in so vielen Stürs `men, strebte ein neuer Riese empor; im 35sten Jahre legte der Dichter Hand an ein Werk, das ihm ein Gefährte durchs ganze Leben und ein Mittel der Unterhaltung mit Menschen seyn sollte, von denen er getrennt lebte. Allein er wollte seinen entfernt les benden Freunden und Feinden keine erheiternde und angenehm zerstreuende Lektüre in die Hand geben, sondern einen Spiegel des Zeitalters, in dem sie lebten, ihnen vorhalten und die Welt beschamen oder bessern. Damit aber seine Lehren verständlich würden, that er zuerst den kühnen Schritt, von ernsten und erhas benen Gegenständen in der Sprache des Volkes zu reden, einer Sprache, die bis dahin Italiens Dichtern nur als Organ verlie 6, ter Eingebungen gedient hatte. Dieses Streben nach Volksthams lichkeit bestimmte ihn auch, seine Symbolik dem Geschmacke und den Meinungen des Zeitalters anzupassen.

Die Visionen der Propheten und die Verzuckung des Evangelisten auf Pathmos wurden damals sehr fleißig ftoirt. Die Erzählung von Matthaus Paris, einem Manne, der in der Chars woche mit den Todien Unterhaltung pflegte die Abenteuer Guerino's, der über die Gränzen der Erde hinauswanderte

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