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Bett gekommen war, sant sie auf ihre Knice, umfaßte Napoleon, ohne ein Wort zu sprechen, mit ihren Armen und weinte auf eine erschütternde Weise. Napoleon redete sie mit rührender Bartlichkeit an, überhdufte fie mit Lieblosungen und weinte gleich thr. Die Diener waren dußerst ergriffen. Meine Josephine, fen vernünftig", sagte er matt;,,Du weißt, daß ich immer Dein Freund seyn werde; ich bin mehr zu beklagen als Du, aber laß mich, ich kann nicht Muth haben für Zwei." Josephis nens Antwort erstickte unter ihren Thrdnen. Die stumme Scene, welche jest stattfand, die in einander fließenden Thrdnen Beider sagten mehr als die beredtesten Worte. Als Josephine sich ein wenig gesammelt hatte, erwachte der Kaiser wie aus einem Traume und bemerkte nun erst, daß Leute in seinem Zimmer ges blieben wären. Er ließ die Kaiserin sanft aus seinen Armen, und indem er diese über einander kreuzte, sagte er, zu den Dienern gewandt, in kurzem, gebietendem, obgleich von Rührung noch weichem Cone:,,Was machen Sie hier, meine Herren? Kann ich nicht einen Augenblick allein feyn? Treten Sie augens blicklich ab." Kaum athmend, zog sich Alles zurück.

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Thir; Schiffeflaggen aller Nationen lösen sich von den mattges färbten Draperieen ab, die von der Decke in reichen Falten hers niederfallen, und auf zwei Fußgestellen stehen die antiken Büsten Apollo's und Diana's. Dann erblickt man die Studien, welche der Künstler in den verschiedenen Welttheilen gemacht hat, die er fast alle selbst durchreifte, und tausend feltene Merkwürdigkeiten, die er aus allen Gegenden mitgebracht: den schmalen, spigen Nachen eines Eslimo, der wie ein Fisch geformi ist, orientalische Basen, Federbusche, die auf den Küsten Afrika's gelauft worden, Glassierrathen, welche die schwarzen Schultern einer Regerin schmückten. Jene Waffen dort gehörten einem der Walter Scous schen Helden; um sie zu besigen, legte sich der damals arme und unbekannte Künstler acht Tage lang die härtesten Entbehrungen auf! Dieser Kangiar (Dolch) ist das Gastgescent eines Eik, wohners von Alexandrien; diese Palmbdume kamen aus Kalas brien, und jener tausendfarbige Streifen schlang sich um die schlanke, braune Hüfte einer jungen Indierin. Um Alles zu bes schreiben, ja um nur Alles zu nennen, würde selbst die Bereds famkeit des geschicktesten Tarators kaum hinreichen; es sen daher gestattet, diese Beschreibung abzubrechen, denn es wäre sonst noch von Truhen aus dem funfzehnten Jahrhundert, von Arabischen Waffen, von Pfeilen und Köchern aus Kongo, von Türkischen Speeren, von Ritterschwerten und tausend anderen Schäßen aus fernen Zeiten und Bonen zu sprechen, die von dem jungen, uns ermüdlichen und berühmten Herrn des Hauses, Auguft Biard, gesammelt wurden, von August Biard, dem poetischen Maler ,,Sklavenmarktes", der,, Wachsfiguren" and hundert anderer dramatischer oder scherzhafter, erhabener oder lächerlicher Werke, die alle den echten Stempel des glücklichsten und würdigsten Tas lentes und wahrer Kunst an sich tragen.

Eine Viertelstunde später kam Josephine vom Kaiser heraus, niedergeschlagener als je. Napoleon hatte nicht geschellt noch gerufen, aber der Dienst habende Adjutant wagte, ungeachtet des Rathes, den man ihm gegeben, es nicht zu thun, in das Schlafs gemach zu treten. "Sire", fagte er, ich komme, für diese Nacht von Em. Majestät die Ordre su empfangen." Der Kaiser antwortete nicht, aber der Adjutant glaubte zu bemerken, daß das Kopflissen sich hob, als wenn es mit Ungeduld gerüttelt, der Wüste", des,,Kampfes mit den weißen Bdren“, des würde. Der Offizier trat ndher und wiederholte seine Frage; aber Napoleon hatte sich so in sein Bett vergraben, daß nicht einmal das Geficht zu sehen war. Er zog sich fachte zurück und legte sich auf das Feldbett im Dienstsaal, nachdem er wie gewöhns lich die Runde im Schloffe gemacht hatte. Diese Nacht war es Im Palaste still wie im Grabe.

Den folgenden Morgen verließ Josephine, laut der getroffes men Verabredung, die Tuilerieen, um sich nach ihrem künf tigen Aufenthalt in Malmaison zu begeben. Die im Dienst 33. MM. stehenden Personen, welche von ihren Geschäften im Innern der Gemächer nicht zurückgehalten wurden, hatten sich im Pavillon versammelt, um noch einmal diejenige zu sehen, welche während zehn Jahren ihre freundliche Herrin gewesen war, Um eilf Uhr erschien Josephine, auf Madame Darberg, ihre Ehrens dame, gelehnt, aber verschleiert und in einen Kaschmir dicht vers hüllt. Nun begann ein allgemeines Wehklagen; sie aber durch; schritt schnell den Raum, der sie von ihrem Wagen trennte, ohne nur einen Blick auf den Palast zu werfen, den sienicht mehr bes wohnen sollte. Kaum waren die Fenster des Wagens herunterges laffen, so zogen die Pferde mit Bligesschnellligkeit davon.

Während der ersten Wochen war die Straße von Paris nach Malmaison mit einer Menge Personen jedes Ranges bedeckt, die es als eine heilige Pflicht betrachteten, sich derjenigen noch eins mal vorzustellen, die, wenn sie auch keine Krone mehr trug, den Titel einer Kaiserin nicht abgelegt hatte. Was den Kaiser bes trifft, der feinen Wohnsiß zu Trianon genommen hatte, so that er fein Möglichstes, sich an das Alleinleben zu gewöhnen; aber täglich ließ er sich nach Josephinens Befinden erkundigen, und hatte er es nur wagen dürfen, so würde er sich zu ihr in eigener Person begeben haben. St. Hilaire.

Biard's Atelier.

An der Ecke des Plaßes Vendome, des würdigen Rahmens eines der größten Monumente des Kaiserreichs, der Saule Napos leon's, steht ein Haus, mit Nr. 8 bezeichnet. Es ist eines jener geräumigen Hotels aus der Zeit Ludwig's XIV., von deren Großs artigkeit man überrascht wird, sobald man nur den Fuß hineins feßt. Auf einem weiten Hofe können die Wagen bequem ums lenten; ein eisernes Geländer dient der breiten aus Quadersteinen erbauten Treppe zur Einfassung, auf welcher vier Personen mit Bequemlichkeit neben einander gehen können, und die Zimmer, die eben so hoch wie die der Königlichen Schlösser sind, gleichen feinesweges jenen Nußschalen von Stein und Gips, in denen die Mehrzahl der Pariser verkömmt. Ueberall ist Licht und Luft im Ueberfluß in diesem Hotel.

Wohlan denn, ftüßt Euch auf die eiserne Brustwehr der Treppe und steigt hinauf, immer höher bis in das oberste Stocks werk des Hauses! Fürchtet die Ermüdung nicht zu sehr, denn ein geräumiger Treppenabias, so groß wie ein Zimmer der Chauffee d'Antin, bietet Euch bei jedem Stockwerk einen luftigen Raheplay dar.... Jest sind wir auf einer Galerie angelangt, wir siehen die Klingel; eine Aufwarterin aus der Provence dffnet die Thür und begrüßt uns mit jener lebhaften, heiteren und bescheidenen füdlichen Gutmüthigkeit, die man bei den ents arteten Pariser Dienstboten gar nicht mehr antrifft. Dann führt fie uns in ein unermeßlich großes Atelier ein.

Betrachtet diefe reichen dunkelgelben Vorhänge von Brokat und Damast, die auf einen Teppich von Flandrischem Leder mit vergoldeten Zierrathen herabfallen. Ueber einem Divan, mit weichen Kissen von demselben Stoffe bedeckt, schwebt ein Königs licher Baldachin; eine Uhr, die mit mächtigem, reinem und wohltönendem Schlage die Stunden verkündet, hängt über der

Biard's Atelier ist ein Sammelplaß der zahlreichen Freunde, die ihn adrtlich lieben und seine feine, anziehende, südliche Unters haltung aufsuchen, die er mit der Erzählung von tausend felts famen und anziehenden Abenteuern würst, welche ihm auf seinen Reisen begegneten; denn troß seiner Jugend hat er schon zwans zig Jahre lang die Welt durchstreift. Im zehnten oder zwölften Jahre das alterliche Haus verlassend, sah er die Nordsee und das Morgenland, Spanien und Italien, Griechenland und Schotts land, Holland und Afrika, als Schiffsjunge, Schriftsteller, Seer Offisier, als armer, unbekannter und später als reicher, berühms ter Künstler; immer jung, heiter, unternehmend, abenteuerlich, glücklich, geliebt und gleich beim ersten Anblick alle Herzen ges winnend, mehr noch durch die Offenheit seines loyalen Charakters als durch seine schöne und regelmäßige Gesichtsbildung. Bei ihm trifft man Sees Offiziere, seine Waffengefährten, Künstler, Schriftsteller, seine Ruhmesgenossen und seine Nebenbuhler, Aerzte, Schauspieler und Gelehrte. Auch wendet sich die Unters haltung mannigfach hin und her, von einem mathematischen Problem auf ein Schifffahrts, Abenteuer, von einem merkwürs digen Krankheitsfall auf eine Coulissen Anekdote, von einem Gemälde zu einem Fortschritt der Chemie, von einem lächerlich albernen Wortspiele zu einer gelehrten Streitigkeit.

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Henry Berthoud.

Mannigfaltiges.

Abgerissene Gedanken der Gräfin Blessington. Die allgemeinen Betrachtungen, welche die geistreiche Freundin Lord Byron's in ihre früheren literarischen Produkte verwebt hatte, fanden folchen Beifall in England und wurden von den Kritikern so rühmend hervorgehoben, daß diese Britische Schrifts ftellerin sich bewogen fühlte, dem Publikum zur Abwechselung einmal lauter folche Aphorismen aufzutifchen. Es fragt sich aber sehr, ob diese ohne Verbindung neben einander hingestreuten Mosaiksteinchen noch denselben Reis ausüben werden, wie früher, wo sie diefelben zur Ausfüllung eines Gemäldes gebrauchte. Ders gleichen abgerissene Aussprüche können nur dann ein besonderes Interesse haben, wenn ihnen der Stempel eines bedeutenden Genius aufgedrückt ist. Die Form muß hier das Meiste thun, da der Inhalt doch meist nur eine Wiederholung alter Wahrheis ten seyn kann. Zur Probe mögen nachstehend einige von diesen ,,Desultory thoughts and reflections" der Lady Blessington folgen: Liebe und Enthusiasmus sind stets lächerlich, wenn ihr Ges genstand ihnen nicht entspricht Vertrauen zu Anderen is häufig mehr eine Folge von Unbesonnenheit als von Uebermaß der Freundschaft, und es wird öfter durch unenthaltsamkeit der Zunge als aus verrätherischer Absicht getäuscht. — Die Gesells schaft entbehrt am leichtesten, wer sie am meisten zieren könnte; nur der Geistesarme bedarf ihrer, denn obgleich er, wie der Bettler, nichts mit zu Markte bringt, so ist er doch zu dürftig, um zu Hause zu bleiben. Aberglaube ist nur die Furcht des Glaubens; Religion ist Zuversicht. Die Schwachen des Genius werden oft mit feinen Vorzügen verwechselt. — Den Styl eines Autors mehr preifen, als seine Gedanken, ist, als wollte man an einer Frau mehr ihre Kleidung als ihre Person rüh men; der Styl muß paffen wie die Kleidung, aber nicht die Aufmerksamkeit von dem abziehen, was er schmücken soll. Nichts ist undhnlicher als natürliche und erlernte Höflichkeit; fene besteht in bereitwilliger Selbstverleugnung, diese in geswuns gener Beachtung Anderer.

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Nummern. PränumerationsPreis 22 gr. ( Thlr.) vierteljährlich, 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie.

No 93.

Magazin

für die

Beiblatt der Allg. Pr. Staars Zeitung in Berlin in der Expedition (Friedrichs-Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslande bei den Wobüöbl. Post- Aemtern,

Literatur des Auslandes.

England.

Berlin, Montag den 5. Auguft

Neueste Gaben der Englischen Literatur.

Unter den Werken, welche im vorigen Monat in England erschienen sind, ist zuerst das Tagebuch eines Ausfluges nach Kleinafien im Jahre 1838 zu nennen; der Verfasser, Ch. Fellows, hat denjenigen Theil von Asien durchreist, der jegt den Namen Anatoli führt und das alte Lydien, Mysien, Bithynien, Phrygien, Pisidien, Pamphilien, Lysien und Carien in fich bes greift, um dort die Spuren der Griechischen Herrschaft vor dem drinen Jahrhundert und vor der Römischen Invasion aufzufinden. Außer dem Verdienst einer wissenschaftlichen Forschung ist von diesem Werke zu erwähnen, daß der Ausflug des Herrn Ch. Fels lows in den Ansichten des Reisenden eine große Veränderung hervorbrachte. Er war in dem Lande, das er bereisen wollte, als ein echter Alterthumsforscher, mit günstigen Vorurtheilen für alle Ueberbleibsel der Griechischen Bevölkerung angelangt; doch während der Reise und als er im Stande war, die jest dort herrschenden Volksfitten gehörig zu schäßen, verschwand diese flaffische Vorliebe, und er empfand immer größere Achtung vor dem Privat. Charakter der Muselmanner. Uebrigens ist Klein afien ein Land, welches jeder ökonomische Alterthümler fegnen muß. Die alten Statuen, die Münzen, die Medaillen, die Griechischen und Römischen Basreliefs werden hier von unwissenden Land Leuten zu Preisen, die mehr als billig find, verkauft. Für fünf Shillinge kauft man eine schöne Statue von Parischem Marmor; Herr Fellows selbst erstand für acht Shillinge zwei Bronze Vasen, und sein Diener kaufte für 3 Farthings (6 Pfennige) das Stück dreißig bis vierzig Münzen, unter denen mehrere von Silber waren. Die Englische Regierung hat jest ein Schiff abgesandt, um die von Herrn Fellows gesammelten Antiken nach London bringen zu lassen.

Ferner liegt uns unter dem Titel: Ein Sommer in An dalusien, der Bericht eines jener Reisenden vor, welche Eng land jährlich aussendet, um die alte und die neue Welt zu durch forschen. Der Autor hat anonym bleiben wollen, man weiß nicht, warum; es erscheinen täglich Bücher mit Namensunters schrift, die dem seinigen weit an Gehalt nachstehen. Mit Geist und Wig theilt er uns die Meinungen mit, welche in Spanien über die Ereignisse unserer Zeit in Umlauf sind. Diese Nation ist, wie es scheint, fest überzeugt, daß alle Völker Europa's einzig der Spanischen Lapferkeit ihre Befreiung vom Napoleonischen Joche verdanken. Nach der Meinung dieser chrlichen Leute hat Spanien allein Frankreich erobert und England vom unvermeide tichen Verderben errettet: in der That sehr schmeichelhaft für den Herzog von Wellington. Der Andalusier, erzahlt unser Reisender, hat sich die strengste Mäßigkeit zur unumstößlichen Pflicht ge macht; er zieht das Quellwasser bei weitem dem föstlichsten Wein vor, den seine Provinz hervorbringt, und hat fogar das anti bacchische, an Pindar's piorov ev dog erinnernde Sprůchwort vom Wasser: mucho vale y poco cuesta (Es ist viel werth und Postet wenig). Die Andalusische Gastfreiheit bewährt sich nicht allein durch den herzlichen Empfang, der jedem Fremden zu Theil wird, sondern auch durch die That. So oft unser Lands mann eine Neveria (ein Ort, wo Eis verkauft wird) besuchte, fand er jedesmal seine Rechnung, wenn er fie bezahlen wollte, fchon durch irgend eine geheimnisvolle Hand berichtigt. Oft wollte er gleich beim Eintritt die Zeche seiner Begleiter im Vors aus bezahlen, aber stets war schon irgend Jemand schneller als er gewesen. Man findet in seinem Buche die Gerüchte über die Schönheit der Damen von Eeres, Cadir, Cordova, Sevilla, Granada, Malaga und Gibraltar vollkommen bestätigt, und unser Verfasser schreibt die gefühlvollen, weichen Herzen dieser reizenden Frauen besonders den Einflüssen des Katholizismus zu.

Oft

Der zweite Band der Erpedition nach Süd-Amerika vom Capitain Fißron theilt, außer anderen interessanten Dingen, auch die Geschichte des Versuches mit, der in den Jahren 1830 bis 1833 mit vier Einwohnern des Feuerlandes gemacht wurde, die man nach London brachte, dort ausbildete, während der drei Jahre ihres Aufenthalts daselbst an alle Gebräuche der civilisirten Böller gewöhnte und dann zu ihren wilden Landsleuten zurücks führte. Es scheint fast, als hätten diese guten Leute unter dem Einfluß all' der neuen Eindrücke und Sitten gar nicht mehr an

1839.

die niedrige Bildungsstufe gedacht, auf welcher sie ihre Landss Leute, ihre Freunde und Verwandte wieder antreffen mußten. Der erste Wilde, dem sie begegneten, erschien ihnen wie ein thierisches, widriges Geschöpf, und der Eine rief aus:,,D! welch ein Affe!" ganz vergessend, daß er vor drei Jahren eben so ungeschlacht, fomusig und beschränkt wie jener Affe war. Ein Zweiter, Jemmy, erfuhr, daß sein Vater wahrend seiner Abwesenheit ges storben sen. Einige Minuten lang war sein Gesicht ernst, doch bemerkte man fein anderes Zeichen von Schmerz. Nachdem er statt der Leichenfeierlichkeiten einige Zweige verbrannt hatte, war er ganz so heiter wie vorher. Was haute ein Schüler von Ors ford oder Cambridge wohl Besseres thun können? Das erste Wiedersehen der drei Aukömmlinge und ihrer Verwandten war verlegen und traurig. Drei Jahre der Abwesenheit hatten zwis schen ihnen eine Scheidewand gezogen, deren Macht sie bald zu erfennen anfingen. Jemmy fonnte fich gar nicht mehr in seiner Muttersprache ausdrücken; Vorf und Fuegia sprachen sie noch hinreichend, um sich darin verständlich zu machen, doch fast nur in abgebrochenen Sdßen und mit vielen Englischen Wörtern uns termischt. Nach mehrstündigen Erlidrungen sing man an, sich allmálig wieder zu verstehen, und nun breiteten die Ankömmlinge ihre überseeischen Schäße aus, ihre Kleider, Waffen und Ackers gerathe. Gleich drängte ein Jeder an sie, man bewillkommte fie freundlich und ehrfurchtsvoll, und während sie die Beweise dieser plöglichen Zärtlichkeit nach Kräften zu erwiedern strebten, nahmen diese schnell wiedergefundenen Freunde und Verwandte Alles nach sich, was ihre gierigen hande nur erreichen konnten. Jemmy's Bruder hielt ihm eine pathetische Rede über den Tod seines Vaters, während sein Gefährte, der mit dem Redner eins verstanden war, sehr gewandt die Taschen des aufmerkenden Reis fenden ausleerte. So naiv sind die Sitten dieser Wilden! Ein Englander, der sich auf Feuerland unter dem Schuß der drei Zögs linge der Civilisation niederzulassen gedachte, war nicht wenig ers schreckt über die Aufnahme, welche dieselben fanden, und er that sehr wohl daran, auf seinen Plan zu verzichten, wie man aus dem Folgenden ersehen wird. Nach mehrmonatlichem Umherkreuzen fam das Schiff, welches Jemmy, Vork und Fuegia in ihr Va tertand zurückgebracht hatte, wieder nach denselben Meereskästen zurück und fand nur Jemmy noch vor. Der Unglückliche hatte feiner ganzen Londoner Bildung wieder entfagen müssen. Seine Haare wuchsen, befreit von Kamm und Scheere, wild durch eins ander; er war mager wie ein Gerippe, schmußig wie seine Lands leute, und seine vom Rauch gerötheten Augen vermehrten noch seine natürliche Häßlichkeit. Er hatte jedoch noch einige gute Ges fühle und einige Erinnerung an die in England empfangenen Lehren behalten. Sobald er den Capitain Figron bemerkte, faßte er maschinenmäßig nach dem Hut, den er nicht mehr trug, und brachte ihm eine Diternhaut zum Geschenk, die er, wie er sagte, eigens für ihn zubereitet hatte. Ueber Vork und Fuegia beklagte er sich bitterlich, denn, statt mit ihm gemeinschaftliche Sache zu machen, hatten sie ihn im Gegentheil noch alles deffen beraubt, was die Wilden ihm übrig gelassen. Indessen tröstete ihn die Liebe in all' seinen Leiden, denn auf dem Kanot, welches ihn an Bord geführt hatte, war seine junge Frau, welche ein verzweis feltes Geschrei ausstieß, als sie ihn im Zwischendeck des Schiffes verschwinden sah, und sich nicht eher beruhigte, als bis sie ihren Gatten lächelnd an dem Schießloche einer Kanone stehen fah. Er schien sehr in sie verliebt und übrigens ziemlich zufrieden mit seinem Schicksal. Welchen Einfluß lönnen nach allem diesem wohl die unvollkommenen Eindrücke, welche jene drei Reisenden aus England mitbrachten, auf die Feuerländer ausgeübt haben? Man schmeichelt sich, daß ihr Andenken und die von ihnen auss gehenden Traditionen vielleicht einst die Tage eines unglücklichen Schiffbrüchigen retten möchten; indeß, es ist ihm im Voraus ein recht kurzer Aufenthalt in diesem unwirthbaren Lande zu wünschen.

Diese Reihe von Reiseberichten beschließt ein Werk über Buenos-Ayres und die Provinzen am Rio de la Plata, über den jeßigen Zustand derselben, ihren Handel und ihre Schuls den, von Sir Woodbine Parish, dessen langer Aufenthalt in diesen Ländern und die hohe amtliche Stellung, die er dort einnahm, ihn wohl in den Stand feßen konnten, diefen wichtigen Gegens stand gründlich zu behandeln. Nicht in wenigen Zeilen läßt sich ein so gewissenhaft gearbeitetes Buch analysiren; es sen deshalb auch nur Einiges über das so gepriesene Klima von Buenos

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Aenres hier angeführt. Zu gewissen Zeiten erhebt sich ein leiser Wind, Nordwind genannt, der auf Alle und Jeden einen sehr unangenehmen Einfluß ausübt. Die Frauen besonders werden von schrecklichem Kopfweh befallen; man sieht sie dann nie anders ausgehen, als die Stirn mit gehackten Bohnen belegt, die auf die Haut die Wirkung eines Zugpflasters hervorbringen; um das Unbehagen vollständig zu machen, verderben bei diesem Winde auch Lebensmittel aller Art: das Fleisch fault, die Milch gerinnt, das Brod wird sauer. Jedermann hat irgend ein solches Mißge schick mitzutheilen und hört als einzigen Trost die abgemessenen Worte: Señor, es el Viento Norte. Dieser Nordwind nun ist dort entseßlich heiß und rührt sich fast nicht; auch flüchten sich die Einwohner, so viel ihnen möglich ist, in den Fluß, weil sie dort wenigstens eines vorübergehenden Wohlseyns sich erfreuen. Plöglich und wenn kaum das Quecksilber des Barometers im Stande war, ihn zu verkündigen, erhebt sich der Pampero, ein Wind, der in den Schnee: Regionen der Anden entsteht, wie ein Pfeil über die weiten Pampas dahinrauscht und mit der Stärke eines Sturmwindes über Buenos Ayres hereinbricht. Er über fällt hier die Tausende von Badenden, die mit dem Kopf wie Frösche aus dem Wasser hervorragen, und die Scene, die er ver anlaßt, kann man sich leichter vorstellen als beschreiben; es ist eine vollkommene Tragi Komödie. Alle die, welche in Erman gelung eines Dieners ihre Kleidungsstücke, wie einst die Hebräer ihre Harfen, an den Weiden des Ufers aufgehängt, werden vlogs lich vom Pampero rein ausgeplündert, der in Masse Strümpfe, Hemden, Röcke, Beinkleider, kurz Alles mit sich fortnimmt. Doch das ist noch nicht genug; oft führt der Pampero einen_feinen schwarzen Staub mit sich, der die Luft so verdunkelt, daß mehr als Ein Badender das Ufer nicht erreichen kann, sondern in dens selben Fluthen den Tod findet, wo er Gesundheit suchte. So wie der Nordwind vorüber ist, athmet Alles wieder frei; man beglückwünscht sich, man lebt wieder auf, und was noch mehr werth ist, man freut sich, in einem von jeder atmosphärischen Epidemie verschonten Lande zu leben!

Der zweite Theil des Tagebuchs über die Zeit Georg's IV. (Diary illustrative of the times of Georges IV.) ist so eben bei Colburn erschienen. Hier hat die Buchhändler: Speculation wieder einmal ein recht erbärmliches Machwerk ins Leben gerus fen. Die beiden Bände gleichen völlig einem Trddler Laden; man finder hier fragmentarische Proben aller Arten von Profa, die aus Irland, Schottland, Rom und Neapel datirt sind, und das Auge vermag faum zu unterscheiden, ob sich in diesem Ragout wirklich etwas findet, was geschichtlichen oder literarischen Werth hat. Von Irrthümern und groben Anachronismen wimmelt dies Potpourri. Man liest hier zum Beispiel, daß im Jahre 1816 Miß Landon,,,damals achtzehn Jahre alt", Lady Karoline Lamb besucht habe; unter der Rubrik 1817 ist von dem Tode Lord By: ron's und von den Noten des Capitain Medwin die Rede, und zu derselben Zeit soll auch ein Handel eingegangen worden seyn, in Folge dessen Walter Scott 6000 Pfd. Sterling får jeden seiner beiden Romane Waverley" und " Guy Mannering” erhalten hätte. John Galt ist der verantwortliche Herausgeber all dieser Albernheiten; doch weiß Jedermann, daß unter diesem Namen Lady C. Burn verborgen ist, welche die Aufgabe, die sie sich ge ftellt, die unglückliche Königin Karoline, ihre Wohkhaterin, zu verleumden, nicht unvollendet lassen wollte.

Die Gräfin Blessington hat die Welt mit abgeriffenen Gedanken und Betrachtungen beschenkt, unter denen sich einige recht habsche, aber auch viele Trivialiteten befinden. Was die Romane anbelangt, so beschränken wir uns bloß auf eine Aufzählung derselben. Es liegen uns vor: Die schöne Ro famunde oder die Tage König Heinrich's II., von Miller, welches den Erfolg nicht Lügen strafte, der diesem Schriftsteller zu Theil wurde, als er,,Royston Gower" herausgab. Schöne poetische Eigenthümlichkeiten, ein echtes Schilderungstalent und eine geschickte dramatische Anordnung zeichnen diesen Jünger des Dichters von Abbotsford aus. Geraldine, eine Gewissens Ges fchichte, ist durchweg langweilig und für alte frömmelnde Jung: frauen geschrieben. Das Haus Glenmore oder der Grische Landmann, von einem Irländischen Rechtsgelehrten, ein ganz vortrefflicher Gegenstand, den der Autor nur aus Mangel an Kraft und Kühnheit verfehlte; fein Buch ist dem Englischen Volke gewidmet. Der Zauberer von Windshaw, ein schwacher historischer Roman, ganz ohne Intereffe. Nan Darrel oder die Zigeuner, Mutter, ebenfalls ein unbedeutender und unins tereffanter Roman ohne historischen Hintergrund.

سملة

Endlich And noch die poetischen Werke der Mistres Hemans, zum erstenmal vollständig gesammelt, zu erwähnen, - einer Schriftstellerin, welche würdig ist, in die Zahl der Engs lischen Klaffiter aufgenommen zu werden. Eine ndhere Analyse, zu der jedoch in diefer flüchtigen Uebersicht nicht der Ort ist, vers dienen das Tagebuch des Capitain Marryat über Ames rifa und die brei neuen Bände von Hallam's Europdiscer Literaturgeschichte des Bren, 16ten und 17ren Jahrhunderts. (Revue Britannique.)

Ruslan b.

Petersburger Straßen - Ausruf.

(Schluß.)

Ein anderes beliebtes Backwerk find die Moskauschen,, Kas

backen wird, obgleich auch doch nicht ganz frei von dem etwas fäuerlichen Geschmacke, der sonderbarer Weise allem Russischen Brodie eigen zu seyn pflegt. Sie haben eine dußerst praktische Form, namlich die kleiner Körbchen, d. h. mit daran gebackener Handhabe, so daß man ihrer eine Menge zu gleicher Zeit über die Finger ziehen kann. Am besten werden die Kalatschi in Mos: fau gebacken, doch findet man sie jest auch im ganzen übrigen Reiche. Es läßt sich überhaupt im Allgemeinen von den Russi: schen Brodten bemerken, daß sie durchweg eine sehr praktische, gut auf den Transport berechnete Form haben. So auch die fleinen,,Baranti" (Schäfchen), ringförmige Kringel, die immer auf Schnüre gereiht werden, und von denen man sich immer eine ganze Garnitur kauft, und die dann die Weiber, indem sie sie sich wie eine Perlenschnur um den Hals hangen, leicht trans portiren. Uebrigens follen auch manche Ruffische Brodformen aus der Kirche stammen und mit ihren Figuren an das Kreuz und andere heilige Gegenstände erinnern.

Wiederum ein anderes nicht unerwünschtes Geschrei sind einem Russen die Wjäsemski pranniki.,,Wjäsemski pranniki! fsami lutschiji!",,Honigkuchen von Wiasma, die allerbesten!" schreit ein hübscher dicker Bursche aus Wiasma und schiebt einen Schlitten vorüber, der mit allerlei füßen Waaren vollgepackt ist, wie das Pferd von Troja mit Kriegern. Honigłuchen von Wiasma, gezuckerte, gewürzte, gefüllte und nicht gefüllte. Die gewöhn lichen Russischen Honigkuchen sind ein geschmackloses, sches und Lederartiges Backwerk. Wiasma aber kann sich mit seiner Waare dreift den Städten Thorn, Braunschweig und Nürnberg an die Seite stellen. Denn sie weiß in ihren Honigluchen das Milde und das Starke, das Süße und das Gewürzige so geschmackvoll zu verbinden und dabei noch so manche liebliche und zuweilen dußerst unerwartete Surprise im Inneren des doppelwandigen Kuchen zu verbergen, daß jeder Schmecker seinen Wohlgefallen daran finden muß, zumal da gewöhnlich noch allerlei fromme Sprüche den Kuchen, die gepreßt werden, aufgedruckt find. Nebris gens geht auch viele schlechte Waare für Rechnung der Stadt Wiasma durchs ganze Reich, an die kein Wiasmascher Backkunfts ler die Hand anlegte. Die Russen sind große Freunde von Süßig keit und vom Naschen. Daher diese Honigluchen-Schlitten, die auch sonst noch Bonbons und eine Menge anderes Naschwerk enthalten, immer guten Absaß haben.

Die Verkäufer der geräucherten Weißfische in Dresden haben sich einen Großvaterstuhl neben ihren Fischkasten geseht, auf dem fie wie die Statuen igen, und nur wenn sie angesprochen wer den, den Mund aufthun, um zu sagen, das kostet so viel und das so viel. Die Kohl und Eier, Weiber in Berlin und die FischWeiber in Hamburg sprechen nicht anders, als um sich einander zu befeifen und zeigen nur Phantasie in der Erfindung gemeiner Schimpfworte. Nicht viel besser sind die,,Sizer" im Desterrei chischen. Ich weiß nicht, welch' glatte Prosa sich in unserem Deutschen Marktgesindel offenbart. Mit dem Russischen ist es ganz anders. Alle diese handelnden Bartkerle sind das liftigste, dabei aber auch das lustigste und heiterste Völkchen von der Welt. Das Publikum hat nie etwas von ihnen zu fürchten, und selbst wenn man ihnen Unrecht thut, rächen sie sich höchstens mit einem lächelnd hervorgebrachten Wige, der gewöhnlich so_treffend ist, daß der Streit damit ein Ende hat. Gegen ihre Konkurrenten im Gewerbe find sie in der Regel so höflich, daß einem WestEuropäer, der nie solchen Aufwand von Komplimenten zwischen so geringen Leuten erlebt hat, ihre Unterredungen dußerst übers raschend sind. Selbst wenn sie Gewerbs Neid gegen einander er bittert, scheint doch ihr Schelten so wenig gründlich und so wenig ernstlich gemeint, daß es Einem nur wie eine Theaterscene vor tommt. Das Klagen und Lamentiren ist überhaupt den Ruffen nicht so eigen, wie uns stets in die trübe Zukunft blickenden Deutschen. Heiteren und vergnügten Angesichte wandern die meisten dieser armen Leutchen unter schwerer Laft ihre oft recht dornigen Wege. Zuweilen ist es ihnen nicht genug, beständig zu schwagen. Oft fingen fie das Lob ihrer Waaren ab. bin der junge Wurstmacher,. dabei ein hübscher Bursche. Atte Mädchen gucken nach mir, den Gott gemacht, und alle Knaben nach meinen Würsten, die ein Deutscher machte." So fang ein alter graubartiger Kalabaßnit zu meiner Zeit mit lauter Stimme alle Tage durch die Straßen Charkoffs, der Hauptstadt der Ukraine.

I

Manche schleppen einen gangen weitläuftigen Frühstücksappas rat umber, Wurst, Braten, Kaviar, gelochte Eier, Pfeffer, Salz, Teller, Meffer und Gabeln und Alles, was das nach Frühstück techzende herz eines Raffischen Kaufmanns aus dem Gostinnois Door (Bazar) an falter Küche verlangen tann. Auf dem ersten besten Straßenpfahl wird das vollständigte Dejeuner angerichtet.

Apfelfinen, Eitronen, Aepfel, sogar die dicken Melonen und Arbusen (Waffermelonen) find then nicht zu schwer, um sie hoch aufgefchichtet auf einem Brette auf dem Kopfe mit großer Ge schicklichkeit im größten Volksgedränge zur Schau zu tragen.

Die Weiber mischen sich sehr selten in den Russischen Kleins handel, wie sie denn, ausschließlich nur mit den häuslichen Ans gelegenheiten beschäftigt, überhaupt bei allen nicht zum Haushalt gehörenden Verrichtungen selten øder fast nie mit den Männer in den Geschaften konkurriren. Bei uns giebt es Fischweiber, Kohl und Eier Händlerianen. Eme Menge Arakel werden auf unseren Messen und Märkten fast ausschließlich nur von Frasem ver handelt, oder von ihnen gemeinsam mit ihren Männern. Kuched, Gemise, Kamme, Spielwaaren, Obst u. f. w. find nicht das Einzige. Ja man sieht sogar bei uns Frauen mit dem Verkaufe

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von nöthen ist, wie z. B. beim rohen Fleische, wo ohnedies der undelikaten Behandlungsweise wegen das schöne Geschlecht aus geschlossen seyn sollte. In Rußland ist dies anders. Hier find nicht nur beim Eisen, Holz, Tauwerk und anderen schwer zu handhabenden Arutelu Manuer angestellt, sondern auch Männer nur ausschließlich bei Blumen, Gemüsen, Spielzeug und andes ren kleinen und zarten Waaren thatig; der Ruffe steht in zu wes nig innigem Verhältniß mit seiner Frau, um fie in die Geheim nisse des Geschäfts einzuweihen und sie bei Berechnung und Verwaltung der Kaffe zuzulaffen. Sie dient ihm nur im Hause und hat keine Stimme im Rathe.,,Moloko, swäsheje moleko!" (,, Milch, frische Milch!) Das ist der einzige Ruf, den man von feinen Frauenstimmen in Petersburg vernimmt. Und noch dazu find dies häufig Finnlanderinnen und keine Ruffinnen. Ein fei venes Tuch um die gescheitelten Haare gebunden, recht lange uns echte Gehange in den Ohren, einen ponceaurothen Sarafan (Rock) und oben darüber eine grasgrüne mit weißem Hafenfell gefütterte Duschagreika (buchstäblich,,Seelenwärmer", weil dies Kleidungs: stick vorzüglich die Brust, den Siz der Seele, warm haut), grüne mit rothen Kanten befeßte Schuhe, die haare hinten in einer einzigen langen Flechte herabhängend, an deren Spise eine gelbe Schleife eingeflochten. So siehen diese Milchhändlerinnen vor den Thüren der Paláste umher, mit ihrem,,Moloko! swäshego moloko!" die langschläfrigen Diener weckend. Ihre achteckigen ginnernen Milchkannen und ihre runden irdenen Schmantkrüge balanciren sie an einem sehr einfachen, aber, wenn man es näher besteht, sehr geschickt erdachten und gearbeiteten Holze. Sechs Monate des Jahres verkaufen sie gewöhnlich bloß Rahms Eis, wie fich denn in Rußland eine Menge von Waaren im Winter, semester nur im gefrorenen Zustande verhandeln, gefrornes Del, das geschnitten oder wie Butter gestochen wird, gefrornes,,igruschki dätskija!" (Rinderspielzeug) ausschreien, besonders feits Fleisch, das man wie Holz mit Beil und Säge zertheilt, gefrorne Aepfel, die dann auch noch Sommers im aufgethauten Zustande verkauft werden, wo sie wie Bratapfel aussehen und an Zuckers gehalt und Saft sehr gewonnen haben u. f. w.

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ergreift und den erschreckten Schiffern zuraft:,,Send nicht bange, Brüder, habt Ihr schon je gehört, daß ein Kaifer in einer Pfűge ertrinft?" Kaiser Peter, wie er sich die Kaiserkrone aufjeßt. Alexander, wie er in Lithauen den am Wege liegenden erfrors nen Bauern ins Leben zurückzurufen sucht. Nikolaus, wie er in feinen einfachen Mantel gehüllt, auf gewöhnlichem Russischen Troika (Wagen mit drei Pferden) durch sein Reich fährt, oder wie er, seinen Sohn Konstantin auf dem Schoße, seine hohe Gemahs lin in einem kleinen Boote spazieren fährt. Der Thronfolger, wie er neben seinem Vater her zur Truppen Revue reitet. giebt einen bestimmten geschlossenen Cyklus von solchen Scenen, Die ein für alle Mal wie geprägte Mänzen kursiren, mit dem Volksleben innig verwebt sind und immer wieder ganz auf dies selbe Weise erscheinen.

Die ditherischen Bilder sind nur Nachahmungen dessen, was man vom Auslande bekommt. Alle schöne Landschaften, mythos logische Darstellungen, ethnographische Skizzen, die Paris, Bers lin und Wien nach Moskau schicken, werden hier sogleich ins Russische überfest, d. h. recht schnell und flüchtig und zu billigen Preisen nachgemacht, mit Russischen Unterschriften versehen und von den Bilder Rasnofchtschifs in alle Welt verschleppt. So die allegorischen Jahreszeiten, die Venusse und Apollo's unserer Künstler, die Araber und Numidier, welche die Franzosen malen, die Indier und Neger, welche die Engländer zu Markie bringen, die Portraits der hübschen Königin von England, deren Bild bis nach Irkutsk geht, des Französischen Königs Ludwig Philipp, deffen Bart bis über den Kaukasus bekannt ist, wo er dem berühmten Barte Schach Ali's begegnet. Napoleon's Portrait ist eines der gewöhnlichsten darunter, wie bei uns, und alle die merkwürdigen Begebnisse, die mit dieser gewaltigen Erscheinung in Verbindung stehen, werden auf diesen Bildern vielfältig dargestellt und dem Russischen Volke bekannt gemacht.

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Endlich ist der Sommer mit seinen 28 Grad Réaumur zus rückgekehrt! Mailand ist kaum noch bewohnbar. Man muß aufs Land, nach dem Lago di Como, nach den Gesundbrunnen fliehen, wofern man nicht lieber in kähler Mitternacht Stunde längs dem Corso der Porta Orientale lustwandelt. Das Lehtere ist vielleicht bequemer, weniger poetisch, aber desto dkonomischer.

Das Wasser gehört unstreitig zu den Geißeln der Menschheit, und doch wird es immer beliebter und populairer im weitesten Sinne. Unser Geschlecht hat der Sündfluth, der Wassersucht und allen übrigen Erzeffen dieses Elementes großmüthig verziehen.

Ohne jedoch bis zur Sündfluth, zu den losbrechenden Bruns nen der Tiefe zurückzugehen, so giebt es Brunnen, welchen die Aristokratie unserer Tage besonders hold, ist und die wir Bürgers liche verabscheuen sollten; denn sie entziehen uns eine Menge eleganter Herren, die alljährlich nach diesen Brunnen wallfahrten, um durch Tanzen, Reiten und Liebes Abenteuer von ihren Magens krampfen, ihren Nerven und Leber Leiden sich zu befreien.

Man besucht die Heilquellen in der That nur selten um feines Heiles willen, fast immer zur Kurzweil, d. h. um der langen Weile auszuweichen. Dieser Zweck wird nicht offen eingestanden, aber es giebt tausend und aber tausend Vorwände, um ihn zu bemanteln.

In Frankreich, in Deutschland und in Italien hat man Wasser und Brunnen für jedes Leiden des Körpers und der Seele; selbst hoffnungslose oder hoffnungsarme Verliebte finden oft ihre Genes fung im See und Minerals Waffer! Die Franzosen laden uns nach Dieppe, nach Mont d'Or und den Pyrenden - die Deuts schen nach Baden, Spaa und den Ufern des Rheins, wo heuts jutage Noblesse und Mode Schriftsteller ihre General Versamm: lungen halten. Die wahrhaft franken Leute und die weniger Bemittelten wagen sich nicht über Italien hinaus; sie nehmen mit Bormio, Battaglia, Abano, Trescorre fürlieb; und wenn es hoch kommt, so besuchen sie Ischia, Genua oder Lucca.

Noch unlängst war Spaa ein armseliges Dorf, das laum funfzig ruffige Barracken zählte und dessen Bewohner nichts hatten, als Mißmuth und Schwefelwasser. Die Geschichte von Spaa ist die jedes anderen Bade: Ortes, und die Geschichte der Bades Orte, die noch nicht existiren, wird auf ein Haar die nẩm; liche seyn.

An einem schönen Tage kommt es einem jener Herren Modes Aerzte, die irgend eine glückliche Kur in Ruf gebracht, in den Sinn, einen Millionair nach irgend einer Quelle zu senden, das mit er kein Mensch weiß, von welchem Uebel Genesung erlange; und da nun auch die Medizin Novitäten und Systeme liebt, so verordnet der Herr Arzt eine Gebirgs: Quelle, an der die Ziegenhirten seit Jahrhunderten behaglich ihren Durst löschen. Er rühmt von dieser Quelle, daß sie mit Wunderkräften begabt fen, und schilt auf solche Fakultäten, die ihr nicht gebührende Achtung beweisen. Der reiche Mann, der schon in gutem Wohls seyn abgereist war, kehrt frisch, munter und wohlgemuth zurück; denn er hat die Monotonie des Stadtlebens ein paar Monate nicht gefühlt, und vielleicht ist ihm auch die Lymphe der Nereiden besser bekommen, als der Saft des Lydus.

Ein Jahr später begeben sich auf die Empfehlung des Mil lionairs (denn solchen Leuten glaubt man immer) zwei elegante Damen an denselben Ort. Die Eine ist nervenschwach, die Andere zu Krampfen disponirt. Freundinnen von ähnlicher Constitution pilgern ihnen bald nach, und das unschuldige Bergwasser, welches bis dahin fast unbekannt gewesen, erlangt eine Celebrität, die ans Fabelhafte gränzt.

Jeßt, geliebter Leser, nimm einmal an, ich erzählte Dir etwas Wahres, und bilde Dir ein, daß im dritten Jahre eine ganze Karamane von der haute société dem Wunderbrunnen zuströmt, und daß dieser Zulauf einen Medikus zu „Unentbehrlichen Raths gebern für Brunnen's Patienten", einen träumerischen Poeten au wafferig rührenden Kanzonen und einen Journalisten zu flau humoristischen Artikeln begeistert: so wirst Du den weiland so friedsamen, ellogischen oder idyllischen Gebirgs, Winkel gewiß nicht wieder erkennen. Prachtige Gasthöfe nehmen die Stelle ein, wo armliche, vom Unwetter geschwärzte Hütten standen, und nach ungefähr zehn Jahren erblickt Du eine gar zierliche kleine Stadt, die mit Ungeduld dem Augenblick entgegenharrt, an welchem der Grundstein zu dem marmornen Denkmal gelegt werden wird, das die Verdienste des Aeskulap, dem sie ihre Gründung und ihren Flor verdankt, auf die Nachwelt fortpflanzen soll.

Denke Dir einen Saal, eine wahre Arche Noah, in welchem viele Franzosen, Engländer, Deutsche und einige wenige Karlistische Spanier sich baden. Jedes Volk hat einen reichen Repräsentanten, den seine Gicht oder sein Nervenleiden nicht verhindert, glänzende Feste zu geben und den Ruhm seiner Nation aufrecht zu halten. Ist der Lanz vorbei, so liest man Geßner's Idyllen, Tasso's Aminta, Lamartine's Meditationen, Walter Scott's Fraulein vom See, und Gott weiß, was sonst noch für Werke des Genies oder der kümmerlichsten Mittelmäßigkeit - Alles muß sich friedlich vertragen. Dann seßen sich die ehrwürdigen Matronen zum Whift, Boston oder Tarot und senden von Zeit zu Zeit einen Stoßfeufzer an ihre entfernten Hausgötter, welcher Seufzer mit dem Stöhnen eines am Faro Tische ruinirten jungen Wästlings harmonisch zusammenklingt.

Habt ihr nun diefen Ort der Gesundheit und des Zeitvertreibs mit eurer Phantasie geschaut und die Periode von zehn Jahren, in welcher eine neue Stadt wie durch Zauber ihr Daseyn erhielt, im Geiste ermessen, so that mir den Gefallen und fügt noch zwölf, funfzehn oder zwanzig andere Jahre hinzu, und ihr werdet mit stummem Erstaunen dieselbe Stadt betrachten, die, weiland fo lachend und gerduschvoll, jezt in den leßten Zügen zu liegen scheint, als hätten Pest oder Cholera darin gewüthet! und woher dieser merkwürdige Wechsel des Geschickes? Der edle Brunnen ist durch beißende Wißworte einer Dame, die ihre Dreißig bereits zurücks gelegt hat, befleckt, durch die Calembourgs einer Zeitschrift verderbt und getrübt worden, und diejenigen, welche hinführo zu seinem Sprudel zurückkehren, um sich an freundlichen Erinnerungen zu weiden, können von Glück sagen, wenn sie Wasser finden, das ihnen den Durst löscht.

Mannigfaltige 8.

Capitain Marryat und die Nord- Amerikaner. Die Schilderung, welche Mistreß Trollope von dem Leben in den Vereinigten Staaten gegeben, hat ihren Nachfolgern die Beobachtung sehr erschwert, und auch dem Capitain Marryat ist, obgleich bei seiner Ankunft daselbst der Zorn der Amerikaner sich schon etwas gelegt hatte, in den Gesellschaften überall mit großer Zurückhaltung begegnet worden, so daß er sich zulest ents schloß, den Einladungen lieber ganz auszuweichen, um beiderseiz tigen Verlegenheiten vorzubeugen. Wo er hinkam, merkte er, daß man sich in der Unterhaltung ängstlichen Zwang auflegte, ja, man fragte ihn sogar öfters, ob er auch dies und jenes nicht in sein Buch über Amerika aufnehmen werde, und als sich eines Tages ein Amerikaner, ohne ihn zu kennen, sehr freimüthig über verschiedene Inftitutionen und Sitten des Landes ausgesprochen hatte, erschrack derselbe nicht wenig, da er hörte, daß sein Reisegesellschafter der Capitain Marryat sen. Indeß versichert der bes rühmte See, Novellist doch in seinem so eben erschienenen,,Tas gebuch über Amerika", daß man der Mistreß Trollope, selbst in Cincinnati, ihre Verschwarzungen schon ziemlich vergeben habe, wie denn die Amerikaner im Grunde ein sehr gutmüthiges Volk senen, und káme jene Dame jest noch einmal nach den Vereinig ten Staaten, so würde man sie sogar wahrscheinlich besser aufs nehmen, als bei ihrem ersten Besuch; man habe sie besonders deshalb früher mit Zurückseßung behandelt, weil man es nach Amerikanischen Begriffen unanständig gefunden, daß sie, als eine verheirathete Frau, allein herumreise, und diese Zurückseßung habe ihre Feder mit einem Uebermaß von Galle getränkt; sie würde übrigens jest auch anders über Cincinnati urtheilen, wenn sie es wies dersahe, da es damals noch in seiner Kindheit gewesen und sich seits dem mit einer Schnelligkeit emporgehoben habe, wie sie nur in der neuen Welt au finden fen; denn, sagt Capitain Marryat in seis nem Tagebuch, in Amerika sind zehn Jahre fast so viel als ein Jahrhundert auf dem alten Kontinent. Wo heute noch dichter Urwald ist, in welchem das Elenthier weidet und der Panther heult, da trifft man in zehn Jahren vermuthlich Städte mit Taus fenden von Einwohnern und mit dem regsten Gewerbfleiß.

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