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lichen Byng verlangte, sagte Anson, der damals erster Lord_der Admiralitat war, fein Wort, sondern reichte lurzweg feine Ents laffung ein. Er war der Mann der That; alles Reden war ihm verhaßt.,,Er hatte“, so sagte man von ihm,,,die Welt umfer gelt, ohne je in der Welt gewesen zu seyn." Auch als er Pair von England war, konnte man ihn nicht bewegen, im Parlamente au sprechen. Diefer Seemann, der nichts fürchtete, war so schüch tern wie ein Madchen und traute fich nichts au. Niemand hatte ihn beschüßt, nur sich selbst verdankte er seine Erhöhung. Nach dreißig Jahren anhaltenden und angestrengtesten Dienstes, ohne weder Torn noch Whig zu seyn, ohne die Unterstüßung einer Fa milie oder einer Partei, wurde Anson Oberhaupt der Englischen Marine, Pair des Königreiches und einer der geachtetsten Wänner feines Vaterlandes. So beweist die Geschichte Anson's zum mins besten, daß die aristokratische Verfassung Englands der Ueberle genheit des Talentes und des Muthes nicht einen unüberwindlichen Widerstand entgegenseßt. (Edinburgh Review.)

Frankreich.

Erinnerungen an den Herzog von Bassano.

Von Charlotte von Sor.

Beim Ausbruch des Krieges zwischen Frankreich und Engs land war Maret Geschäftsträger, in London. Der Krieg nöthigte ihn, nach Frankreich zurückzukehren. Er blieb jedoch nicht lange in Paris, sondern wurde bald darauf zum bevollmächtigten Minister und außerordentlichen Gesandten am Neapolitanischen Hofe ernannt. Es war damals gerade die Zeit, wo Ludwig XVI. die Sünden der Monarchie mit seinem Haupte gebüßt hatte. Nichtsdestoweniger befanden sich an der Spiße der Geschäfte noch Manner, welche diese Grduelthat verabscheuten und welche den Untergang der unglücklichen Ueberbleibsel der Königlichen Familie für eine ewige Schmach der Revolution erachteten. Sie be schlossen, die einzigen Mächte, die mit Frankreich noch in gutem Vernehmen ftanden, nämlich Neapel, Venedig, Florens, insges heim au einem Schritt zum Besten der Königlichen Familie zu veranlassen. Diese Staaten sollten die Auslieferung der Königin und ihrer Kinder zur Bedingung der Fortdauer ihres Bündnisses machen. Ihre Verwendung wäre schwerlich fruchtlos geblieben, und die Männer, welche diesen Plan entworfen hatten, würden auch Gründe geltend gemacht haben, welche jede Weigerung hatten als unthunlich erscheinen lassen. Uebrigens hatte ihnen Dumouries feine Unterstügung zugesagt.

Nachdem der Plan entworfen und die Instructionen aufge: fest worden waren, wurde Maret mit der Ausführung beaufs tragt. Herr von Sémonville, der zum Gesandten bei der Pforte ernannt worden war, befand sich zu Marseille, und da ihm der Weg zur See durch die Englischen, Holländischen und Spanischen Geschwader abgeschnitten war, so sollte er seine Reise über Obers Italien antreten und in Gemeinschaft mit Maret fein Glück bei den betreffenden Italicnischen Staaten versuchen, um sich dann nach Konstantinopel zu begeben. Maret traf mit seinem Gefahr: ten in Genua zusammen, übergab ihm seine neuen Instructionen, und sie machten sich nun zusammen auf den Weg. In Graus bundten, wo die Regierung unter Desterreichischem Einfluß stand, stießen fie auf die ersten Schwierigkeiten. Nichtsdestoweniger überstiegen fie die Alpen, aber bald kamen ihnen Warnungen zu. Sie verweilten sodann einige Zeit zu Rio Soprano beim Grafen Herkules von Salis,Tagstein, einem ergebenen Anhänger Frank reichs. Einer der Attachés der Gesandtschaft, der General Monts géroult, wurde an den Befehlshaber der Graubündtner Linien ab gesendet, und er lam mit dem Befehl an die Waadtländischen Behörden zurück, den Durchzug der Gesandten zu gestatten.

Der Graf von Salis Tagstein und der Graf von Salis, Sendrio riethen ihnen freilich, sich nicht darauf zu verlassen, aber die Wichtigkeit ihrer Mission erlaubte ihnen nicht, sich lange zu bedenken; fie mußten ihr Ziel um jeden Preis erreichen und begaben sich nach Chiavanne, von wo sie an demselben Tage mit einer Ehrenwache weiter reisten. Während sich dies in der Schweiz zutrug, wurden in Paris Intriguen gefponnen. Einige revolutionnaire Machthaber, die nicht in das Geheimniß gezogen worden waren, faßten Argwohn und schickten den Gesandten Agenten unter Führung eines gewissen Viabeau nach. Unterdes war auch dem Erzherzog Ferdinand der Befehl zugegangen, den Durchzug des Herrn von Sémonville, deffen Einfluß man in Konstantinopel fürchtete, zu bindern; aber er wußte nicht, welchen Weg derselbe einschlagen würde. Eine anonyme Mittheilung Vsabeau's feßte ihn davon in Kenntniß, und er traf nun sogleich feine Anstalten. Der Doktor Pozzi, Kanzler des Senats, wurde nach dem linken Ufer des Sees von Chiavanne abgeschickt, wo schon verkleidete Truppen versammelt worden waren.

Als die Waadtländische Ehrenwache zu Novate, einem Dorf am Ufer des Sees, anlangte, machte sie halt, und unter dem Vorwande, den Podesta di Frahone su benachrichtigen, daß er feine Eskorte bereit halten möge, sendete der Anführer derselben einen Fante des Gerichts voraus, der aber keine andere Bestim mung hatte, als den Desterreichern das verabredete Zeichen au geben. Zwar ging hier den Reisenden eine Warnung zu, aber fie half zu nichts, denn sie waren schon von allen Seiten um› ringt. Die Franzosen wurden überfallen, gebunden, in eine

Barke geworfen und nach der anderen Seite des Sees übers gefeßt. Hier liegt die kleine Stadt Gravadona, deren ganze Ber völkerung die Gefangenen am Ufer erwartete und sie aushöhnte.

Der Doktor Pozzi hatte den Befehl, seine Beute unmittel bar ins Schloß von Mailand abzuliefern. Indeß bewog ihn der Eindruck, den die Gefangenen auf die Bevölkerung gemacht hatten, zu einem Aufschube, und er glaubte, zuvor an den Erzs herzog berichten zu müssen. So verweilten sie noch sehn Tage zu Gravadona, jeder mit einer schweren Kette gefesselt, die spdier mit einer hochtrabenden Inschrift von der Cisalpinischen Republik dem Minister des Besiegers von Italien übersandt wurde. Als endlich die Antwort aus Mailand einging, wurden die Gefanges nen in leichteren Ketten zu Schiffe nach Lecco und dann auf dem Kanale nach Tossano di Milano gebracht; hier standen Wagen und eine Schußwache in Bereitschaft, um sie nach Mantua zu geleiten. Dort langten sie am 24. Juli um 6 Uhr Morgens an. Sie wurden im früheren Herzoglichen Palaste, der in ein Staats, gefängniß umgewandelt worden war, untergebracht.

Maret's Instructionen entgingen wunderbarer Weise den Nachs forschungen der Desterreicher; er hatte sie in einer Púderschächtet verborgen. Nicht so glücklich war Sémonville; seine Instructionen gelangten an Herrn von Thugut in Wien. Der Zweck ihrer beis derseitigen Missionen war vereitelt.

Ueber die Zeit seiner Gefangenschaft laffen wir den Herzog von Bassano selbst sprechen. Sémonville und ich", erzählte er, ,,waren in demselben Gefängnisse und mit so starken Ketten bes lastet, daß es eines wahren Kraftaufwandes bedurfte, wenn wir effen oder geben wollten. Unsere Attachés, der General Monges roult, Lamare, der Capitain Tasistro und noch drei Andere, theils ten unsere Haft, aber sie faßen getrennt von uns. Nachdem ich sehn Monate an diesem höllischen Orte sugebracht, hatte ich fast den Gebrauch meiner Vernunft eingebüßt, und die schwere Luft, verbunden mit der schlechten Behandlung, die wir zu dulden hatten, zog mir ein Nervenfieber zu. Glücklicherweise konnte ich mich nicht immer meiner tråben Laune überlassen. Obgleich Sér monville frank war, so gab ihm doch sein fröhlicher, lauftischer und sorgloser Charakter die Kraft, über unser Elend und unsere Peiniger au spotten. Als Gegengift gegen die ungesunde Luft betrachtete er den Gesang, und demzufolge fang er fast das ganze Repertoir aller damals üblichen Lieder ab. Wehe mir, wenn eines mit Refrains darunter war! Er ließ mir keine Ruhe, bis ich einstimmte. Zuweilen gerieth ich in Zorn gegen den luftigen Gesandten, aber er gab nichts darauf.“

,,Ohne meinen Gesellschafter würde ich gewiß bald mich in Sehnsucht und Erschöpfung verzehrt haben. Mein Gesundheitszus stand war unleidlich, und das Klima wirkte so ungünstig auf mich, daß mein Leben in der größten Gefahr schwebte. Meine Haare und meine Zähne fielen aus, und ich hatte nicht mehr die Kraft, aufzus stehen oder zu gehen. Ohne die unverhoffte Hülfe, welche mir der Ruf meines Vaters zehn Jahre nach seinem Tode zuführte, würde ich Frankreich nie wiedergesehen haben. Da nämlich die Akademie von Mantua unsere Gefangenschaft nicht enden sah, so erbarmte fie fich eines Junglings, dessen Name ihr theuer geblieben war. Sie schickte eine Deputation an mich, welche mir Croft bringen und mir ihre Hülfe antragen sollte. Indeß hatte sie noch einen anderen Zweck; sie wollte sich von meinem Gesundheitszustande, von dem sie der Arzt der Regiernng in Kenntniß gefeßt hatte, überführen. In Folge des an fie erstatteten Berichts wendete fich die Akademie an die Regierung, und als dieser Schritt ers folglos blieb, schickte sie zwei Kommissarien nach Wien, um dort vorzustellen, daß ich unfehlbar sterben würde, wenn ich noch ein Jahr in Mantua bleiben müßte.“ (Schluß folgt.)

Mannigfaltiges.

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Was ist ein Gentleman? Es kommt noch oft genug vor, daß ein Engländer, der_sich_selbst_oder dem Andere das Prädikat Gentleman beigelegt, im Deutschen zum Edelmann ges stempelt wird. Erst vor kurzem meldete uns ein Deutsches Blatt, - dasselbe, welches den Franzosen, der mit den Indischen Tans serinnen umherreift, als Eigenthümer einer Bajaderengesells schaft bezeichnete und die drei Musikanten dieser Gesellschaft auch mit zu den Bajaderen zählte, die Ankunft eines solchen Edels mannes aus England. Das Wort Gentleman läßt sich übers haupt durch feinen Deutschen Ausdruck ganz wiedergeben, wie fo viele Bezeichnungen von Dingen und Eigenschaften, die nur bei einer besonderen Nation vorkommen. Wollte man durchaus in unserer Sprache ein Wort dafür finden, so würde, obwohl dem formellen Gebrauch als Titel nicht entsprechend und ohne den Sinn ganz zu erschöpfen, in manchen Fällen vielleicht Ehrens mann ausreichen, wie aus folgender Erklärung zu entnehmen ist, die ein Englisches Blatt selbst darüber giebt: Wenn wir Jemand einen Gentleman nennen, so wollen wir damit keinen gehäffigen Unterschied zwischen Hoch und Niedrig, zwischen Rang und Dienst barkeit, zwischen Reichthum und Armuth machen. Nein, die Unters scheidung ist durchaus eine geistige. Wer offen, treu und redlich, wer von menschenfreundlichem, leutseligem Benehmen, wer eben so ehrenhaft in feiner eigenen Handlungsweise wie in seinem Urs theil über Andere ist und keines Gefeßes bedarf außer seinem ges gebenen Wort, um ein Versprechen zu erfüllen, der ist ein Gents Teman, und wenn er auch hinter der Pflugschaar ginge.

vierteljährlich, 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie.

No 88.

für die

Expedition (Friedrichs-Straße Nr. 72); in der Provinz fo wie im Auslande bei den Wohllöbl. Post - Aemtern.

Literatur des Auslandes.

A fie n.

Berlin, Mittwoch den 24. Juli

Die Halbinsel Korea und ihre Bewohner.

Es existirt wohl kaum ein Land, von dem man weniger Notiz nimmt, als Korea, obschon es reich an Produkten ist, viele fehr gute Hafen hat und den betriebsamsten Staaten Aftens China und Japan - sehr nahe liegt. Keine einzige Dichonke fährt nach Korea's Küsten, es sey denn, daß sie durch Sturm dahin verschlagen würde. Die gegenüberliegende Küste der Chinesischen Provinz Schan-tung ist nur ungefähr 36 Stunden Seeweges von der nächsten zu Korea gehörenden Insel ents fernt; dort findet man weder Bauholz noch Brennholz, hier aber Beides in Ueberfluß; und doch fällt es dem sonst so spekulativen Chinesen nicht ein, diese nothwendigen Artikel vor seiner Thår zu holen!

Der ganze Verkehr Korea's beschränkt sich auf einen Jahrs markt, der im Herbst und Frühling an den Gränzen der Mands schurei gehalten wird; und doch ist das Land beinahe so groß, als Britanien. Kein Ausländer hat in Korea jemals frei herums wandern können. Selbst Chinesische Botschafter werden dngstlich bewacht und wie Gefangene behandelt; und als die Jesuiten auf Befehl des Kaisers von China die Mandschurei geometrisch vers maßen, erhielten sie strenge Ordre, die Gränzen der Koreanischen Halbinsel nicht zu überschreiten.

Der Koreaner ist eine groteske Figur. Er trägt einen unges heuren Hut, mit spiser Kappe darüber, und ein Paar sackweite Aermel; wogegen seine Schuhe ganz knapp an den Füßen sigen. Die Männer find kräftig und wohlgestaltet, die Frauen aber sehr häßlich. Junge Personen tragen sehr lange Zöpfe und scheeren das Vorderhaupt. Der Ausdruck des Gesichtes ist bei Personen jedes Alters ernst und gravitätisch, oft auch můrrisch und uns freundlich. Man bemerkt Stunden lang keine Bewegung ihrer Muskeln; ihr Gang hat etwas lächerlich Grandioses. Wer ein recht treues Bild von einem Koreaner haben will, der denke sich einen Mann mit einer langen Tabackspfeife, die er selten falt werden läßt, am Boden kauernd und immer nach Einer Rich tung hingloßend. In mancher Hinsicht gleicht dieses Volk den Türken, doch ist es im Ganzen betriebsamer und weniger krieges risch. Als Branntwein-Trinker hat der Koreaner vielleicht kaum feines Gleichen; er jagt den Alkohol durch die Gurgel, als wär' es reines Waffer. Wenn er von einem Fremden besucht wird, so präsentirt er ihm keinen Thee oder Kaffee, sondern einige rohe Zwiebeln, gedörrte Fische und den stärksten Branntwein, von dem er wohl zwei Flaschen trinken kann, ohne berauscht zu werden.

Die Koreaner find in ihrer Unterhaltung sehr vorsichtig, und überhaupt hat ihr ganzes Benehmen etwas Scheues und Furchts fames. Ihre Sprache ist volltönend, ihre Literatur die Chinesische oder der Chinesischen nachgebildet. Obschon sie nur selten ein ganz unabhängiges Volk waren und seit Jahrhunderten dem Kaiser von China dreimal jährlich Tribut entrichten müssen, so qualifiziren sie doch alle Ausländer, selbst die Chinesen nicht abs gerechnet, mit einem Namen, der unserem Barbar entspricht. (Asiatic Journal.)

Frankreich.

Erinnerungen an den Herzog von Bassano.
(Schluß.)

Am 20. Mai 1794", so fuhr der Herzog in dem Bericht über feine Gefangenschaft fort,,,langte der Befehl an, Sémonville und mich aus dem Gefängniß von Mantua, in welchem fünf unserer Attaché's den Tod gefunden hatten, zu entlassen. Am folgenden Lage kündigte man uns an, daß wir uns au einer weiten Reise vorzubereiten hätten. Bei dieser unerwarteten Nachricht fielen Sémonville und ich uns einander in die Arme.,,,,Wo gehen wir hin?"" fragten wir:,,,,Das darf nicht gesagt werden"", lautete die Antwort. Sémonville, welcher die glückliche Gabe hatte, Alles im besten Lichte zu sehen, wußte sich vor Freuden nicht zu lassen. Schon glaubte er wieder in den Zirkeln der

1839.

Hauptstadt zu seyn und durch Eradhlung seiner Leiden manchem schönen Auge Thränen zu entlocken. Mir erschienen unsere Auss Aichten trüber. Sémonville packte unsere Sachen. Ich kann mich noch jest des Lachens nicht erwehren, wenn ich ihn in aufs gestreiften Hemdsármeln vor mir sehe, hin und her laufend, Alles durch einander werfend. Auf meine Lamentationen antwortete er: Mein Theurer, Du bist auch schwer zu befriedigen. Jo habe nicht nach Prinzipien gelernt, einen Koffer zu packen. Du haft freilich gut reden.""

,,Endlich verflossen die beiden endlosen Stunden, die noch bis zur Zeit unserer Abreise fehlten, und die Thür des Gefängs niffes öffnete sich. Wir stürzten hinaus, aber die Wächter wiefen uns zurück. Erst mußten unsere Ketten, welche für die Reise zu schwer waren, gewechselt werden. Meine Kette war zu kurz, und fie mußte mit Gewalt zusammengepreßt werden, um meine rechte Hand mit den beiden Ringen zu umschließen. Ich hatte einen unerträglichen Schmerz zu dulden, aber ich fühlte ihn nicht mehr, 'als der Wagen den legten Raum der Festungswerke hinter sich gelassen hatte und auf einem der Dämme des Sees von Mantua Bahinrollte. Man muß zehn Monate in einem Gefängnisse zuger bracht haben, um sich eine Vorstellung von unseren Empfindungen zu machen. Aber wohin wurden wir gebracht?"

"

,Wir fuhren die ganze Nacht und verließen oft die Heers ftraße, um das Venetianische Gebiet zu vermeiden. Ich kannte sehr wohl die Geographie des Landes, durch welches wir reisten, und ich war fest entschloffen, nach Hütfe zu rufen, wenn wir vor dem Posten eines befreundeten Landes vorüberkamen, obgleich ein Offizier im Wagen und zwei Soldaten auf dem Kutscherfig faßen. Während der ganzen Nacht trug ich mich mit dieser Hoffs nung, aber am Tage mußte ich sie aufgeben. Als der Offizier, der uns geleitete, mich aus dem Wagen hob und dabei bemerkte, daß ich mit Blut bedeckt war, welches von meinem wunden Handgelenk niederträufelte, machte sich sein Unwille_in_starken Ausdrücken Luft. Er rief den Oesterreichischen Kommissarius, den Sohn des Doktors Pozzi herbei und ersuchte ihn, mir die Fesseln abzunehmen. Als dieser es ablehnte, unter dem Vorwande, daß er nicht den Schlüssel des Schlosses habe, ließ er sich ein Instrus ment bringen, mit welchem er es selbst zersprengte. Dieses Zeugs nis feines Mitgefühls erfüllte mich mit Dankbarkeit. In dem Augenblicke, wo er sich zu mir neigte, um mich von meinen Fesseln zu befreien, sagte ich rasch und leise zu ihm: Wohin bringt man uns, um der Barmherzigkeit willen?"" Er bedachte fich einen Augenblick, aber sein Blick begegnete dem meinigen, und er antwortete:,,,,Nach Kufstein.""

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,,Gegen Ende des Tages feßten wir unseren Weg fort. Sér monville, welcher sich in den Kopf gefeßt hatte, daß man uns nach Frankreich zurückführe, fing an zu verzweifeln, jedoch nach feiner Weise. Mein Theurer", sagte er zu mir,,,,,wenn Kufstein auch nicht den Tuilerieen gleichfommt, so fann es doch auch nicht schlechter seyn, als der Balast der Herzoge von Mans tua. Wir können beim Tausche nur gewinnen. Ich werde die Tyrolerlieder fingen lernen; das wird einige Abwechselung in unser Repertoire bringen."" Er ahnte nicht, was uns erwartete."

„Wir reisten nur des Nachts. Wäre es nach uns gegangen, so waren wir immer gereist, denn das Ziel war ja eine Festung. Kufstein, welches den Eingang Tyrols vertheidigt, ist auf einem hohen freistehenden Felsgipfel erbaut und hängt mit der Stadt durch eine hölzerne Brücke zusammen. Der Wohnsiß der Staats gefangenen ist ein hoher Thurm, und zwar deffen oberstes Stocks werk. Mitten hindurch läuft ein ungeheurer Pfeiler, welcher das Dach trägt. Der denselben umgebende Raum ist in trapezförmige Gefängnise abgetheilt, welcher von 1 bis 13 gehen. Ich geleitete Sémonville in das, welches Nummer 11 hatte. Dort fand eine herzzerreißende Scene statt. Wir sollten getrennt werden. Als mich die Wächter fortführen wollten, stürzten wir einander in die Arme, und man muste uns mit Gewalt aus einander reißen. Dieser Augenblick war schrecklich."

Ich wurde nach Numero 13 geführt. Als wir vor Numero 12 vorübergingen, sah ich die Thür offen stehen und Niemand darin. Also beabsichtigte man, jede Berbindung zwischen uns zu hindern. Vor meinem Gefängnisse befand sich ein kleiner Flur, welcher durch eine eiserne Thur geschlossen war. Den Eingang zu meinem Gefängnisse, welches sieben Fuß lang, sechs Fuß breit war, bildete ebenfalls eine eiserne Thür. Obgleich die Decke

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niedrig war, konnte ich dennoch aufrecht stehen. Das Ameuble ment war natürlich höchst einfach; es bestand aus einem fichte: nen Tisch, einem hölzernen Schemel und einer Matraße. Das neben befand sich ein Marmorblock, an welchem die Ketten des Gefangenen befestigt waren. Da meine Hand noch immer wund war, wurden mir die Ketten nicht angelegt, sondern an dem Mar morblock aufgehängt. Neben der Thur stand ein Ofen von Ziegeln, die eben so wie die Wand mit weißer Kalkfarbe bestrichen waren. Das Licht drang zu mir durch eine zwei Fuß hohe und achtzehn Zoll breite Luke, welche meine Freude und meine Qual war. Auf dem Schemel stehend, blieb ich ganze Stunden lang vor der felben in stille Beschaulichkeit versunken. Ich sah den Himmel, die grünen Baume, ein kleines halbkreisförmiges Thal, durch welches der Inn hinströmte."

"

Die Behandlung der Gefangenen auf Kufstein war nicht bes fonders milde. Wenn der Gefangene das Gefängniß betrat, verlor er seinen Namen; selbst dem Kommandanten blieb er verborgen. Diesem schrieb man bloß aus Wien, daß dieser oder jener Offizier mit dem Transport zweier Gefangenen beauftragt sen, welche er in Numero 11 und 13 unterzubringen habe und welche er in seiner Korrespondenz ebenfalls nur mit diesen Nummern zu bezeichnen brauche. Daß uns jede Verbindung nach Außen hin untersagt war, versteht sich wohl von selbst. Schon in Mantua hatte man uns unser Geld, unsere Uhren und einen großen Theil unserer Effekten abgenommen, und wir hatten weder Papier noch Dinte oder Bücher. Der Kommandant war übrigens ein vortrefflicher Mensch, der zu der Strenge seiner Instructionen nicht noch neue Plackereien hinzufügte. Zweimal täglich wurde mir durch das Schiebefenster meine magere Mahlzeit gereicht, die Thür selbst aber nur Sonnabends für den Stabs, Chirurgus, der in Beglei tung zweier Kustodes und zweier Offiziere kam, geöffnet."

Die Unthätigkeit und der Mangel jeder Beschäftigung mach ten mich fast wahnsinnig. Der Arzt sagte mir, daß, wenn ich Geld hatte, ich mir Bücher aus Innspruck kommen lassen könnte. I sog einen goldenen Ring von meinem Finger und bat ihn, denselben zu verkaufen, damit ich mir Papier, Feder und Dinte dafür verschaffen könne. Er sagte mir, daß dies ohne besondere Befehle aus Wien nicht erlaubt sey. Ich hatte indeß seit dem ersten Tage meiner Gefangenschaft über ein Mittel, mit Sémons ville su korrespondiren, nachgedacht. Ich war endlich auf einen Einfall gekommen. Nachdem die Thür von Außen verriegelt worden war, stieg ich zu meiner Luke empor, und den Mund gegen das Gitter gelehnt, fing ich an, eine Arie aus der Oper Armida zu singen. Sémonville erkannte meine Stimme nicht. Dieser verunglückte Versuch entmuthigte mich indeß nicht, und ich versuchte zwanzig andere, die keinen besseren Erfolg hatten. Nach Verlauf einiger Zeit bemerkte ich, daß sich alle Abende von der Seite her, wo Sémonville faß, ein Geräusch vernehmen ließ. Ich vermuthete, daß er seine Kette vom Tisch nach dem Bette schleppe, und hoffte, daß er auch ein Gerdusch bei mir vernehmen würde. Ich dachte nun darüber nach, wie ich mich mit ihm in Verbindung seßen könne. Endlich erfand ich gewisse Zeichen für das Ohr, indem ich mit dem Stiel meines Besens gegen die Wand schlug. Nach acht Tagen hatte ich die unaussprechliche Freude, eine Antwort zu erhalten. Obgleich unsere Mittheilun gen nur sehr langsam und unvollkommen von Statten gingen, so fonnten wir uns doch das Nothigste eröffnen."

,,Von diesem Augenblicke an war ich gerettet. Ich hatte meinen heiteren Unglücksgefährten wiedergefunden, ich konnte mit ihm meine Gedanken austauschen. Diese Zerstreuung, so wie die reine Luft der Tyroler Berge, wirkten günstig auf meine Gesunds heit ein. Eines Abends wurden unsere Plaudereien durch ein dhnliches Geräusch, welches vom entgegengeseßten Ende des Thurmes herkam, unterbrochen. Wir horchten auf und hörren deutlich die Worte:,,,,Laffet einen Unglücksgefährten an Euren Unterhaltungen Theil nehmen."" Wir antworteten zugleich: Es ist ein Franzose."" —,,,,Nein““, war die Antwort,,,,,ich bin kein Franzose, aber ich dulde wie Jhr."" Unsere Unterhals tung wurde fortgeseßt, und wir erfuhren, daß unser Leidensgenoffe der Baron Spaun war. Er war ein ausgezeichneter Mas thematiker und diktirte mir in der Folge sehr verwickelte aftronos mische Formeln, welche er mich bat, Herrn de la Place mitzutheis len, wenn ich nach Paris zurückgekehrt seyn würde."

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,,Bald fing indeß dieser Theilnehmer an, uns lastig zu wers den; wir durften nicht mehr laut denken. Ein Französischer Sols dat, welcher im Dienste der Kustodes stand und welcher mir den Wunsch bezeigt hatte, mir gefällig zu seyn, überbrachte Sémonville das neue Losungswort, und von nun an wechselten wir alle acht Tage unsere Chiffre. Aber kaum waren drei Tage vergangen, so hatte sie der Baron Spaun schon immer entdeckt. Er machte es sich zur Ehrensäche, unsere List zu vereiteln, und klopfte uns, wenn er unsere Chiffre entdeckt hatte, boshafter Weise zu:,,,,Aens dern Sie Ihre Combination; meine Redlichkeit zwingt mich, Ihnen zu sagen, daß ich Ihre Mittheilungen verstehe.""

Bald trat indeß eine große Veränderung unter den Bewoh; nern des Gefängnisses ein. In Ungarn war die Verschwörung von Marteinwedig ausgebrochen. Viele Verschworene starben auf dem Schaffot; eine noch größere Zahl wanderte in die Gefangs nisse. Die Regierung fing indeß an, über die Anwesenheit einer so großen Anzahl von Staatsgefangenen in dem Lande selbst, das diese aufgeregt hatten, besorgt zu werden. Die Ungarischen Ges fangenen wurden also in die Gefängnisse der Erbftaaten und die der Erbstaaten nach Ungarn abgeführt. In Folge dieser Veráns

indeß wenig dadurch, denn nicht nur derjenige, der seine Stelle in Numero 7 einnahm, sondern fast alle Ungarische Gefangenen hatten bald unser Geheimniß entdeckt. So wahr ist es, daß die Noth erfinderisch macht.“

,,Da unsere vertraulichen Unterhaltungen für immer gestört waren, so sann ich auf ein anderes Mittel, mir die Langeweile zu vertreiben. Von meiner Krankheit her, hatte ich eine kleine Flasche zurückbehalten, in welcher sich etwas Weinessig befand. Ich warf gerostete Eisentheile hinein, welche ich von der Thür abgeschabt hatte, und mit Hülfe der Ofenhiße erhielt ich eine ziemlich konzentrirte Eisenauflösung. Der Thee war unser gez wöhnliches Getränk, und aus diesem hoffte ich durch Aufkochen die nöthige Sadure zu ziehen. Es gelang mir. In den ersten Tagen meiner Gefangenschaft hatte ich einen Flintenstein gefun den, den ich sorgfältig aufbewahrte, denn für einen Gefangenen kann jeder Gegenstand wichtig werden. Dieser Stein diente mir nun als Federmesser, mit dem ich eine Feder, die ich in meinem schlechten Kopfliffen gefunden, zurechtschnitt. Auch für das nö thige Papier wurde Rath geschafft. Während meiner Krankheit in Mantua hatte mir der Arzt Pulver verordnet, deren Umschlag ich sorgfältig aufbewahrte. Das genügte indeß noch nicht. Die Frau des Kommandanten hatte sich der Französischen Gefangenen erbarmt. Sie schickte uns öfter Früchte und Blumen in dem Korbe, der unsere Nahrung barg. Am Neujahrstage fand ich unter dem Brodte einen Kalender, der mit weißen Blättern durchschoffen, ein anderes Mal eine Deutsche Grammatik, die in weißes Papier eingeschlagen war. Durch alle diese Gaben wurde mein Papierschay bedeutend vermehrt."

,,Nun glaube man nur gar nicht, daß ich mich mit ernsten Gegenständen beschäftigen wollte; nein, mein Ehrgeiz war hins länglich gedämpft. Ich hatte allen Ehrgeiz abgedankt und machte jezt Gedichte, Tragödien, mehrere Komödien in fünf Akten und in Versen, die nicht ganz übel waren. Diese in meinem Ges fängnisse entstandenen Schöpfungen verschafften mir später die Ehre, Mitglied der Akademie zu werden." Man mußte die freudige Miene des Dichters sehen, wenn er auf seine literarischen Erfolge zu sprechen kam. -,,Der Kaiser", fuhr der Herzog von Bassano fort,,,erkundigte sich oft nach dieser Episode meines Lebens; die Geschichte unserer Gefangenschaft interessirte ihn. Eines Abends kam in seinem Kabinet die Rede auf die lites rarischen Arbeiten, die ich zu Kufstein verfaßt hatte. Der Kaiser lachte laut auf und sagte: Wahrhaftig, mein armer Maret, ich hatte nicht geglaubt, daß Sie ein solcher Reimschmidt wdren.""Sire", erwiederte ich,,,,,ich wette darauf, daß Sie Schlachtpläne entworfen hatten.' Er zuckte die

Achseln und sagte:,,,,Im Grunde haben wir Alle unser Steckens pferd. Sie werden wenigstens gestehen, daß ich meine Mußes stunden nüßlicher angewendet habe, als Sie.""

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Nun ich", fuhr der Herzog in seiner Erzählung fort,,,mit Schreibmaterialien versehen war, fühlte ich mich erleichtert. Sémonville, dem ich meine Freude mittheilte, erwiederte:,,I beneide Dich; ich langweile mich zum Sterben, aber ich bin zu dumm, um Deine Erfindung zu benußen."" In der That hatte meine Lage Vieles vor der feinigen voraus. Uebrigens nahte auch schon die Stunde unserer Freiheit. Der Befehl, uns in Freiheit zu sehen, langte am 17. Mai 1796 aus Wien an. Unser Aufenthalt auf der Festung Kufstein hatte 22 Monate und 11 Tage gedauert. Der brave Kommandant begab sich sogleich nach unserem Thurme, um uns die freudige Nachricht zu bringen. Zuerst kam er zu mir; ich lag schon im Bette. Kaum nahm ich mir die Zeit, mich anzufleiden, und geleitete ihn dann nach Numero 11. Sémonville schlief fest. Als er aus dem Schlafe auffuhr und neben sich zwei Männer bemerkte, glaubte er, daß man ihn zum Tode führen wolle. Ich redete ihn an, aber er erkannte meine Stimme nicht und fah uns verwirrt an. Die Sprache ist unfähig, die Scene zu schildern, welche erfolgte, als er mich erkannte und erfuhr, daß wir frei seyen. Er war wahns sinnig vor Freude."

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Da

Einige Stunden später nahmen wir ein Frühstück beim Kommandanten ein, dessen noch junge Frau den liebenswürdigs sten Antheil an unserem Glücke bezeigte. Der Kommandant fagte uns noch, daß ein Offizier, der nächstens eintreffen werde, den Auftrag habe, uns nach Frankreich zurückzugeleiten. aber"", sagte er dann,,,,,meine Instructionen in Bezug auf Sie weiter nichts enthalten, so werden Sie feine Ankunft in meinem Hause abwarten."" Wir blieben hier acht Tage; allein, obgleich wir mit der zuvorkommendsten Freundlichkeit behandelt wurden, erschien uns die Zeit dennoch sehr lang. Der Gesandte aus Wien, welcher uns nach unserem Vaterlande zurückführen follte, langte endlich an. Es waren jest fast drei Jahre vers flossen, seitdem ich meiner Familie, meinen Freunden, meinem Vaterlande entrissen worden war. Aber wie viele Begebenheiten waren seitdem auf einander gefolgt! Als ich sah, welche Wens dung das Schicksal meines Vaterlandes unter ungeschickten Häns den genommen hatte, verflogen meine schönen Traume."

Die Aufnahme, welche den aus der Gefangenschaft Zurücks lehrenden zu Theil wurde, entsprach nicht ganz ihren Erwartun gen. Das Direktorium dekretirte zwar unter dem 9. Floréal des Jahres IV, daß die Bürger Maret und Sémonville den Frans zösischen Namen durch ihre Ausdauer und ihren Muth geehrt hatten; aber das war auch Alles. Maret war zu stolz, um sich zu beklagen; er zog sich auf das Land zurück und beschäftigte sich dort mit der Literatur und den Wissenschaften, bis Barthélemy in

England.

Gegenwärtiger Zustand der Russischen, Nordamerikanischen Französischen und Britischen Seemacht.

(Fortseßung.)

Nun wollen wir einen Blick auf einen Europäischen Staat werfen, der, ohne gerade vorzugsweise eine Seemacht zu seyn, doch so ausgedehnte Küsten und eine so wichtige geographische Lage hat, daß er uns auf dem Ocean wie auf dem Mittelláns dischen Meere gleich gefährlich werden könnte. Dazu kömmt noch, daß dieser Staat Muth und Kenntnisse besißt und zahlreiche Vers luste zu rachen hat; wir meinen Frankreich.

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Die wirkliche Stimmung dieses Landes in Bezug auf Eng land ist von unseren früheren Staatsmännern sehr gut aufges faßt worden; wir wollen weder der Meinung Lord Chatham's, noch der feines berühmten Sohnes Pitt gedenken; es reicht hin, die Worte anzuführen, welche Charles For beim Frieden von 1783 fprach: Nicht die Antipathie Frankreichs gegen England, noch die Erinnerung an seine Verluste bei Crecy und Azincourt, machen die beiden Nationen zu Widersachern; Frankreich betrachtet uns nur deswegen mit feindlichem Auge, weil es uns für das einzige Hinderniß seiner ehrgeizigen Pläne hält. Das geht aus den bestans digen Anstrengungen hervor, die es aufwendet, um unsere Macht zu verringern."

Sehr wahrscheinlich haben seit Azincourt und Crecy die Schlachten am Nil, bei Trafalgar und Waterloo die ans gestammte Feindschaft gegen England im Herzen unserer Nach; barn nicht eben getilgt. Sie zeigte sich deutlich genug in einer Rede des General Foy, in welcher er als Grund, warum Europa, Amerika und Ostindien gegen England einen Krieg auf Tod und Leben zu beginnen hätten, den insularischen Charakter dieses Landes anführte, der demselben ein gewisses Etwas vers leihe, welches jeder socialen Sympathie widerstrebe. Wir halten aber diese feindlichen Gesinnungen nicht etwa für ein Uebel. Es wäre etwas ungewöhnliches, wenn zwei große Völker, die im Gewerbfleiß und Handel, wie in allen Künsten des Krieges und des Friedens Nebenbuhler sind, ganz ohne politische Feindschaft dastanden. Diejenigen unserer Liberalen, welche sich einbilden, daß der Bund beider Nationen festgeknüpft sen, nicht bloß zwis schen den Regierungen, sondern auch zwischen den Völkern beider Länder, kennen England und vorzüglich Frankreich sehr wenig. Welche Höflichkeit, ja selbst Freundschaft auch zwischen Indivi duen bestehen mag, die großen National Empfindungen sind unvers Andert geblieben. Unter all feinen Dynasticen zeigt sich Frank reich unveränderlich als daffelbe; bald unterstüßt es unsere auf rührerischen Kolonieen oder verwandelt einen Gesundheits-Kordon in eine feindliche Armee, bald behält es Algier troß aller gege benen Versprechungen in Besiß oder bemächtigt sich Ankona's ins mitten eines tiefen Friedens; ohne Rücksicht auf Verträge, folgt es stets dem ihm durch seinen Vortheil vorgezeichneten Weg. Vorzüglich hartnäckig in dem Neid, mit dem es auf unseren Eins Auß zur See blickt, ist ihm jener Grundsaß Richelieu's:,,Frank reich bedarf einer Marine", immer gegenwärtig. Das ist sein delenda Carthago. Es vergist nicht, daß selbst Napoleon bestáns dig nach Schiffen und Koloniéen seufzte. Deshalb vermehrt Frankreich nicht allein fortwährend die Anzahl seiner Segel, sons dern es schickt diefelben auch nach entfernten Stationen, unter dem Vorwande, seinen Handel zu beschüßen, wenn dieser auch niemals gestört wurde; sein eigentlicher Zweck ist aber, so viel und so gut als möglich eingeable Linienschiffe in See zu haben und die besten Mannschaften so wie die meisten Fahrzeuge zu befizen. Es ist also nicht zu verwundern, wenn Frankreich jest ein beffer organisirtes Seewesen hat, als selbst zu Suffren's, Graffe's und d'Estaing's Zeit.

Viele unserer politischen Freunde beunruhigen sich über diesen Zustand der Französischen Marine nicht besonders, weil nach ihrer Meinung der Frieden fo fest geschlossen ist, daß Großbritas nien und Frankreich ihre Interessen gar nicht von einander sondern Fönnten. So friedlich nun aber auch unsere guten Nachbarn und Verbündete seyn mögen, läßt es sich doch nicht leugnen, daß sie ihre ganze Flotte gehoben haben, und daß sie in Zukunft nur noch Linienschiffe nach dem angenommenen Plan zulassen werden, nach welchem selbst die Vierundsiebziger zu unbedeutend find, um eine Schlachtreihe zu bilden. Für diesen Augenblick besteht ihre Marine, mit Inbegriff aller bemannten, abgetakelten und im Bau begriffenen Fahrzeuge, aus 10 Dreideckern von den größten Verhaltnissen, deren jeder 120 Kanonen hat; aus 13 Linienschiffen von 100 Kanonen und aus 28, die zwischen 80 bis 90 Kanonen vom schwersten Kaliber tragen; dazu kommen noch 60 sehr ans fehnliche Fregatten von 32 Kanonen.

Durch eine Verordnung vom Februar 1837 war die Anzahl der Fahrzeuge auf dem Friedensfuß im Budget mit 40 Liniens fcbiffen, 50 Fregatten und 220 kleineren Kriegsschiffen festgestellt worden. Wenn man die Schiffer, die Lotsen, die Schiffeiungen und andere privilegirte Klassen abrechnet, so find in den Matris feln 53,000 Matrosen verzeichnet, von welchen 24,000 jeßt theils in den Hafen, theils auf den Flotten in Dienst sind. Davon Fönnen immer an 35,000 brauchbare Subjekte, zwischen 20 und 40 Jahr alt, ausgewählt werden, dann bleiben noch 15,000 eins geschriebene Novizen übrig, die nöthigenfalls auf kleinen Schiffen verwendet werden könnten. Wenn es wahr ist, was man von den Einschreibungs Bureaus sagt, so könnte man diese Novizen bekommen, ohne zu der Konftribirung feine Zuflucht zu nehmen,

welche die Leute zur Bildung von Linien Mannschaften hers geben muß.

Für die Genauigkeit dieser Dokumente können wir einstehen, weil wir sie aus offiziellen Quellen, durch die Freundschaft eines Französischen See, Offiziers, erhalten haben. Man zählt jeßt in der Französischen Marine 12 bemannte Linienschiffe, 12 abgetafelte und 27 auf den Werften befindliche. Fregatten giebt es 17 bes mannte, 19 abgetakelte und 24 im Bau begriffene. Außerdem find noch 180 kleine Fahrzeuge vorhanden, die aus Korvetten, Briggs, Wachtschiffen und bewaffneten Dampfböten bestehen. Nach folgender Uebersicht wird man von der Bedeutung der Lis nienschiffe sich eine Vorstellung zu machen im Stande seyn. Kanonen. Abgetakelte Schiffe außer

Bemannte Schiffe im
Dienst.

Der Montebello.

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Dienst.

Kanonen.

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120

Bucentaurus

86

Majestueur

120

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Jupiter

86

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120

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Marengo

80

Commerce

100

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Scipio..

80

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Algier

80

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Genereur

80

86

Die Couronne

80

86

Neptun
Diademe.

; Sti. Petri...

1 Stadt Marseille . 80

Es wäre wohl Zeit, und die ministerielle Partei follte füglich ebenfalls unserer Meinung seyn, daß die Englische Nation auf eine solche Steigerung der Französischen Seemacht in Friedens zeiten aufmerksam würde, die noch dazu beständig im Zunehmen ist. Den Beweis davon findet man in dem vortrefflichen Be richte des Baron Tupinier an den Marines Minister Vice-Admis ral von Rosamel. Da erhalten wir durch klare und unparteiische Listen eine genaue Belehrung über den Bedarf der Flotten und Arsenale von Frankreich, über die Beschaffenheit der Schiffe, die Mittel zu ihrer Vervollkommnung, die Zahl und Stärke ihrer Kanonen, den relativen Werth und die Bedeutsamkeit der vers schiedenen Seehäfen des Königreichs, ihre Wasser: Bauten, über die Kauffahrteischiffe, die Vorräthe jeder Station, die Kontrolle und die Verwaltung der Munitionen, die allgemeinen Gegens stände der Marine Administration und endlich über die Forts schritte jeder Art, die das Französische Seewesen seit 1814 gemacht, und worüber Nelson's Schatten erbeben würde. Man hat sich auch nicht bloß mit den materiellen Dingen abgegeben, sondern große Summen für die Gesundheitspflege, für das Wohlseyn und die Behaglichkeit der Offiziere und Matrosen aufgewendet, um auf solche Weise jedes Schiff seiner Mannschaft lieb und werth, seis nen Feinden aber bewunderungswürdig oder furchtbar zu machen.

Gleich zu Anfang seines Berichtes sagt herr Tupinier: ,,Der Zeitpunkt, wo man es in Frage stellte, ob Frankreich eine Marine haben sollte oder nicht, liegt weit hinter uns." Da nun jede Seite seines Werkes beweist, daß seine Regierung gleicher Meinung wie der Minister ist, so geben wir denen, welche unsere Besorgnisse übertrieben finden, zu überlegen, daß in drei Jahren, von 1831 bis 33, Frankreich 204 Millionen auf seine Marine verwendet hat. Der weise Herr Dupin sagt uns, daß bei der Aufwendung dieser ungeheuren Summe der Plan zu Grunde ges legen hatte, während des Friedens nicht nur eine mächtige Flotte für den Fall des Krieges einzurichten, sondern auch statt jener Schiffs-Mannschaften, die nur aus einem Menschen Gewirr ohne Einheit und Mannszucht, ohne Corps: Geist und ohne Tradition noch Festigkeit beständen, ein regelmäßiges und zuverlässiges Bes mannungs System in Ausführung zu bringen. Man vergleiche diese Verfahrungsweise mit den bekannten Mißbrauchen des Res volutions Bureaus, seiner schlechten Verwaltung, seinen chimas rischen Plänen und Sinekuren, die in den Arsenalen dem Ab, schaum des Landes überlassen wurden. Wir sprechen von jener Zeit, wo der Minister Redon Befehl zur Ausrüstung von Schiffen gab, die einige Monate vorher erobert und nach England ges führt worden waren. Und so unwissend war damals die Vers waltung der Französischen Marine, daß sie den Namen einer Jniel für den eines Schiffes hielt und zur Ausrüstung und Absendung dieses eingebildeten Schiffes Befehl ertheilte. Welcher Unterschied zwischen jener Zeit und jest! Welche unendliche Verbefferung in den Planen und der Geschäftsführung aller See:Angelegenheiten dieses Landes!

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Man kann also nicht verkennen, wie gefährlich dieser Aufs schwung der Marine Frankreichs, bei den Erinnerungen an frus here Schmach, bei der natürlichen Tapferkeit und geographischen Lage dieses Landes, für uns werden kann. Es ist noch immer jener Adler, dem nur die Verträge von 1814 und 15 die Klauea beschnitten haben, deren Wiederwachsen wir verhüten müssen. Clücklicherweise befindet sich unter all diesen Elementen des Ers folges, auf welche die Franzosen stolz sind und die uns Beforg fe einflößen, doch noch so manches Unvollkommene, das uns rieder sicher machen kann, wie zum Beispiel die sehr fehlerhafte Gees Rekrutirung. Wenn die Französischen Flotten im Fall des Krieges genügend ausgerüstet werden sollten, so bedürfte man noch doppelt so viel tüchtiger Seeleute, als man herbeizuschaffen im Stande ist; die Bemannung müßte plößlich verdreifacht werden.

Als Ludvig XIV. auf dem festen Lande schon zu großer Macht gekommen war, sah er, daß er derselben durch eine starte Warine noch mehr Festigkeit verleihen müsse. Das Matrosens

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rine Corps eintreten. Jeder weiß, welch' lange Uebung und Ger wohnheit dazu gehört, um auf dem Meere zu einiger Sicherheit zu kommen; trate nun der Fall ein, daß man beim Ausbruch eines unvorhergesehenen Krieges plößlich viele Tausende solcher Konskribirten an Bord der Staatsschiffe aufnehmen müßte, wie wurden wohl diese auf ihren künftigen Stand so unvollkommen vorbereiteten Leute sich in schwierigen Zeiten benehmen? Sie, die für die Beschwerden des Meeres empfindlicher find, als alle ans dere, könnten sie wohl von besonderem Nußen seyn? Es wäre ein trauriger Irrthum, dergleichen zu hoffen. Man wurde unnug ganz unbrauchbare Subjekte beherbergt und ernährt, die Hospi idler angefüllt und die Muthvollen durch die Besorgniß, schlecht unterstüßt zu werden, nur entmuthigt haben; man hätte nur die Schwachheit mit der Kraft, den Invaliden mit dem rustigen, thätigen Manne gepaart und so die Stärke der besten Schiffss mannschaft entnervt. Es giebt Uebersichten, aus denen zu ersehen ist, daß die rekrutirten Seeleute den bedeutendsten Theil der Kranken in allen Hospitals Liften ausmachen. Wenn epidemische oder ansteckende Krankheiten, wie z. B. der Skorbut, auf einem Schiffe ausbrechen, fo find diese immer die ersten Opfer, denn überhaupt in allen Fallen kann ihre Organisation nie so gegen die Beschwerden einer mühevollen Schifffahrt ankämpfen, wie die eines Matrofen aus den registrirten Marine Klassen. Man könnte aber den Einwurf machen, daß jene Leute sanfter und gefügiger fenen, als die aus den Klassen; daß sie sich mit mehr Lust dem Waffenhandwerk hingaben und vorzüglich als Stanoniere fehr gut zu brauchen wären. Das mag zwar Alles in der Form, doch, streng genommen, in der That nicht so wahr fenn. Wenn der refratirte Matrose in die Marine eintritt, so ist er schon in dem Alter, wo sich der Selbsterhaltungstrieb leb haft geltend macht; er fürchtet, sein Leben in einem ihm unbe tannten Gewerbe aufs Spiel zu sehen, und muthet seiner Kraft auch nicht die Hälfte der Dienstleistungen zu, die er bei einigem Vertrauen auf sich und zu seiner Geschicklichkeit recht gut auss führen könnte. Mit sich selbst beschäftigt, taugt er nichts auf seinem Posten, während der echte Matrofe so viel leistet, als er irgend vermag; dazu ist ihm Alles behilflich, feine Beine, Zahne, hande; furz, der ganze Körper ist mit voller Seele bei seinem Werke; find aber die physischen Kräfte durch einen auss schließlichen Zweck, den der Selbsterhaltung, eingenommen, fo kann man bei allen Schiffsmanövern und auf dem Berdecke gewiß auf einen Matrosen weniger rechnen.

Wenn nach Ablauf seiner Dienstzeit der See Konskribirte etwa bei der Handelsschifffahrt eine Anstellung suchte, um fo eine nußliche Anwendung von seinen neuerworbenen Kenntnissen zu machen, so wäre das doch eine Art von Ersag, die zum Vors theil und Gedeihen des Handels ausschlagen könnte; aber ganz sichere Listen beweisen, daß bei diesen Leuten ein Wiedereintreten in den militairischen Seedienst nur selten vorkommt und Ans stellungen bei Privatleuten noch mehr von ihnen verachtet wers den. Von einer nur mit Widerwillen eingegangenen Verpflich tung nach mehreren Jahren befreit, beeilt sich ein solcher Mas trofe, zu seinen früheren Beschäftigungen zurückzukehren, und ents zieht sich ganz und gar allen Anforderungen des Handels, ohne dem Staate eine Aussicht auf eine spätere Wiederbenußung seis ner Dienste zu geben, wie dies bei allen Matrosen aus den res giftrirten Marines Klaffen stets der Fall ist. Aus allen diesen Umständen entsteht ein bedeutender Nachtheil für die Französische Marine; sie ist in ihrer jeßigen Verfassung nicht das, was fie eigentlich seyn sollte; ihr Personal ist unzureichend für die Anzahl ihrer Schiffe und daher ganz unfähig zu einer guten und kräftigen Führung derselben. (Schluß folgt.)

Mannigfaltiges.

- Der Nordamerikanische Locofoco. In der neuesten Zeit ist in den Vereinigten Staaten eine politische Partei, die dort ungefähr dieselbe Stellung einnimmt, wie in England die Radikalen, mit dem Spanischen Wort loco-foco bezeichnet worden, das aus den südlichen Staaten herstammt, jeßt aber in der ganzen Union das Bürgerrecht erlangt hat. Der Locofoco ist, im buchs stäblichen Sinne des Worts, ein toller Hislopf; in der politischen Sprache versteht man etwas Aehnliches darunter, nur daß es hier eine bestimmtere Farbe erhalten hat. Ein Amerikanisches Blatt entwirft von dem Locofoco folgende Schilderung: Er, ift mit nichts Bestehendem zufrieden, er will eine gleiche Vertheilung des Eigenthums, Umsturs der Landes Institutionen und statt deren irgend ein abgeschmacktes, unausführbares Utopien von seiner eigenen Erfindung. Sein Gefchrei ift:,,Gleiche Rechte, gleiche Privilegien und gleiche Geseze!" Darunter versteht er Rechte, Privilegien und Gefeße, durch die er ohne besondere Talente und Mühen eben so reich, machtig und angesehen zu werden denkt," wie seine fleißigeren, weiseren, geschickteren, industrisferen und wohlhabenderen Nachbarn. Der Locofoco verlangt eine neue Verfassung; alle Schulden will er zu bloßen Ehrenschulden ges macht sehen; Niemand soll über ihm stehen; Gold und Silber sollen das einzige Circulationsmittel seyn, und die ganze Form der Gesellschaft und der Regierung foll umgeschmolzen werden. Wenn aber auch alle Wünsche seines Herzens heute erfüllt wurden, morgen wäre er doch wieder eben so unzufrieden wie jemals, denn seinem unruhigen Sinn kann nimmer Genüge geschehen.

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