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vierteljährlich, 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie.

No 84.

für die

Expedition (Friedrichs-Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslande bei den Wohlöbl. Post - Aemtern.

Literatur des Auslandes.

Aegypten.

Berlin, Montag den 15. Juli

Ferlini's Nachgrabungen in Nubien.

Dr. Ferlini aus Bologna kehrte nach 20jährigem Aufenthalt in Griechenland und Aegypten nach Italien zurück und brachte eine reiche Sammlung von Alterthümern mit, welche in Rom durch ihren archäologischen Werth, durch die Kostbarkeit des Mas terials und die Eigenthümlichkeit der Arbeit das Interesse der Kenner und die Bewunderung des größeren Publikums, dem der Besser sein Kabinet bereitwillig öffnete, in Anspruch nahmen: Goldener Halsschmuck, bestehend aus an einander gereihten und mannigfach durch Schalen verbundenen Knöpfchen, Tropfen, Figürchen von Menschen und Thieren, Glasperlen und emaillirten Augen in schönen Farben, Lotosblumen und Amulette von Jas: pis, Armbänder mit glanzender Emaillirung und zierlichen Gros testen in Gold, filberne und goldene Ringe, Skarabden, Kameen, Basen aus einer bronzeartigen Composition mit schön gearbeiteten Henkeln und Zierrathen, metallene Geräthschaften, kleine Pfeile und Nadeln, Thierköpfe und Joole, aus edeln Steinen geschnitten, Bildchen aus gebrannter Erde, hölzerne Büchsen und Amulette. Wie Herr Ferlini zu diesen Schagen gelangt ist, berichtet er selbst in einer gedruckten Broschüre, aus welcher wir das Interessanteste hier unseren Lesern mittheilen wollen. *)

Nach dem Tode Ali Pafcha's von Janina, in dessen Diensten Ferlini zwei Jahre gewesen, ging er nach Morea, wo der Aufs stand schon ausgebrochen war. Er begab sich deshalb nach Athen, um weiter nach Thessalien vorzudringen, fand aber Athen selbst in vollkommener Ruhe, ließ sich als Arzt nieder_und_heirathete eine Athenienserin. Nun trat er in Griechische Dienste. Athen ward von den Türken befest, und er folgte nach und nach vers schiedenen Chefs. Im Jahre 1825 machte er eine Reise nach Smyrna, fam aber vor der Schlacht bei Navarin nach Griechens Land zurück. Nachdem er auf Salamis seine Lebensgefährtin verloren, beschloß er 1828, in sein Vaterland heimzukehren. Doch in demselben Jahre noch trieb es ihn zum anderenmate nach Griechenland. Er wurde vom Präsidenten Capo d'Istrias dem General Church empfohlen, der im östlichen Griechenland kommandirte. Nach der Schlacht von Zaverda, während d Land noch nirgends in Ruhe war, fam er wieder nach Poros und bemühte sich vergeblich, den seit 1829 rückständigen Sold zu erhalten. Da gedachte er, sein Glück in Aegypten zu versuchen, schiffte sich nach Alexandrien ein und ging von dort nach Kahira. Man gab ihm im nahgelegenen Hospital von Thura eine Ans stellung. Das Weitere möge er mit seinen eigenen Worten er; adhlen:

das

Ich wurde 1833 zum 5ten Bataillon kommandirt. Dasselbe lag in Cartum, einem am dußersten Ende der Halbinsel Sennaar von den Türfen nach Eroberung des Landes erbauten Ort, am Zusammenfluß des weißen und blauen Fluffes, aus denen der Nil entsteht. Dort residirte Crusut Pascha, der Gouverneur aller auf dem Landstrich Bellers Sutan dem Vicekönig unterworfenen Kolonieen. Ich suchte die Gunst des Gouverneurs zu gewinnen. Nach Verlauf einiger Monate fand ich Gelegenheit, ihn um die Erlaubniß zu einigen Nachgrabungen unter den Monumenten des Alterthums zu bitten. Der Pascha war erstaunt über mein Vors haben und stellte mir die Gefahren vor, denen ich mich ausseßte. Ich mußte die Arbeiter bezahlen, fagte er mir, und könnte in Turzem die Früchte meiner vierjährigen Ersparungen verlieren; ich follte mich mit dem begnügen, was ich hatte, und mich durch Gewinnsucht nicht einem gewissen Tode preisgeben; denn wenn ich Kostbarkeiten finde, so würden meine schwarzen Arbeiter, tückisch und harthersis, wie He wären, mich ermorden, und um mich zu beschußen, reiche in den Wildnissen von Sabdarad seine Autoris tát nicht hin. Ich ließ mich indeffen nicht abschrecken, und er willigte endlich in mein Verlangen. Sobald ich erfuhr, daß mein Stellvertreter im Dienste von Rahira abgereift sen, gewann ich für mein Unternehmen n einen Freund, den Albanesen Anton Stefani, welcher im Lande 15 Jahre lang Handel getrieben hatte und überall herumgelommen war. Ich versprach ihm die Hälfte des Gewinnes und gab ihm vorläufig 400 Thaler, um zu Musse

Cenno sugli scavi operati nella Nubia. Bologna, 1837. Dasselbe Fransöfisch, vermehrt. Rom, 1838.

1839.

Lamiah Kameele, Getraide, Schlauche, Seile und Handwerkzeug zu kaufen. Musselamiah ist ein großes Dorf, drei Tagereisen von Cartum landeinwärts, und es ist daselbst fede Woche Markt. 3 laufte auch einen beträchtlichen Vorrath von Fleisch, welches ich, nach der Landessitte in Streifen zerlegt, an der Sonne dör ren ließ. Sodann nahm ich 30 rustige junge Bursche um Bes föftigung und 2 Spanische Thaler Monatslohn in Dienst. Nach 14 Lagen fam Stefani mit 27 Kameelen, dem Korn und den Geräthschaften zurück. Am 10. August (1834) traf mein Nachfolger, Herr Gallina, ein, und gleich Lages darauf ließ ich die Dienerschaft mit den Kameelen und einigen Sklaven auf dem Landwege abgehen, während ich mit Stefani mich einschiffte. Wir erreichten das Dorf Vod Benaga nach drei Tagen. Mein Gefährte ging nach Shendih, wo der Gouverneur refidirte, um ihm die Erlaubniß des Pascha vorzulegen. Der Gouverneur ers ließ an alle Dorf-Vorsteher den Befehl, mich ungehindert graben au lassen, wo es mir beliebte, und bestimmte selbst den Tagelohn der Arbeitsleute, weil ein ähnlicher Fall noch in dieser Gegend nicht vorgekommen war. Unsere Familien, die wir von Cartum mitgebracht hatten, ließen wir in Vod-Benaga, verfahen uns mit Arbeitern, Lebensmitteln und Waffen und drangen in die Wüste Gala Volets Mamut vor, 8 Stunden vom Nil, woselbst ein sehr schöner mit Hieroglyphen bedeckter Tempel steht. Der erste Tag ging damit hin, Verhaue von starkem Dorn zum Schuße vor den dort zahlreichen Löwen anzulegen. Am folgenden Tage bes gannen wir, den Sand, welcher einen Theil des Tempels vers deckte, mittelst großer Körbe, die ich in Vod Benaga aus Rinds, haut hatte machen lassen, hinweg zu raumen. Unsere Bemühun: gen an der Ostseite des Tempels waren vergeblich; wir fanden keine Thur. Auch der Versuch, von oben in das Gebdude einzus dringen, miflang. Wir nahmen nun an der Westseite dieselben Arbeiten vor. umsonst. Inzwischen waren uns fünf Kameele gefallen; die übrigen, erschöpft von dem weiten Marsche langs des Nil Ufers, konnten sich kaum fortschleppen; Lebensmittel und Wasser wurden ungesund; die Leute litten an der Kolik, und ein kleiner Neger, der Sohn einer Sklavin, welche uns die elenden Mahlzeiten zurichtete, war schon gestorben. Wir mußten daher von unseren Versuchen abstehen und gingen nach Volets Assan, um dem Fluffe näher uns eine minder gefährliche Gegend su wählen. Es gab dort wirklich einen anderen Tempel, etwas Pleiner als der vorige, und wir errichteten unser Verhau. Nachts hörten wir die hungrigen Löwen um unser Lager heulen. Wir arbeiteten drei Tage lang. Lebensmittel und Wasser verdarben gänzlich. Wir konnten uns nicht länger halten und verloren nur Mühe und Geld. Es war der 3. September, als wir nach Vods Benaga zu den Unsrigen zurückkehrten. Gleich nach unserer Ans funft tiefen viele Leute aus den umliegenden kleinen Dörfern sus fammen und verlangten Arbeit. Wir bewilligten einem Jeden

Thaler. Ihre Saumthiere trugen uns Waffer herbei, und unsere Kameele ließen wir in der Nähe des Nils weiden, damit

fie wieder zuenaga steben einige Säulen, Ueberreste eines

Bei Vod.2

Tempels, von sehr roher Arbeit. Ich entdeckte die alte Grdbers stätte und ließ dort nachsuchen. Wir stießen unter der Erde auf einen langen Stollen, den Gangen in den Römischen Katalomben dhulich. Es wurde aber Nichts gefunden als wohl verschloffene Burmen, thönerne Gefdße, wie die Schwarzen ihrer fich noch heutiges Tages zum Wassertragen bedienen. Meine earbeiter ger riethen bei diesem Funde in große Bewegung, denn vermuthes ten Gold in den Krügen. Um fie zu enttäuschen, zerschlug ich den einen. Er enthielt eine kothige Erde. Auch meine eigene Hoffnung, daß etwa ein Amulett oder eine Skarabde darunter stecken möchte, war eitel. Nicht besser ging es mir mit den übrigen Vasen, welche ich entzweiwarf. Am Ende des Ganges fand ich beim Schein meiner Lampe in einer Vertiefung mehrere Skelette, von denen das mittelste unter einem Steine lag und neben sich ein Schwert auf der einen und Lanze, Bogen und Pfeite auf der anderen Seite hatte. Die stark orydirten Waffen gerbrachen bei der Berührung, und ich brachte nur einige Pfeile, die wie mit Platina überzogen waren, glücklich davon.

Nach einigen Tagen vergeblicher Arbeit beschloß ich, in der Ortschaft selbst, wo ich verschiedene Sdulen Trummer bemerkt hatte, Nachsuchungen anzustellen. Bald entdeckte ich einen sehr schönen viereckigen Pfeiler von rothem Granit, 18 Fuß hoch und

3 Fuß breit, den ein Band von Hieroglyphen, ungefähr im dritten Theile seiner Höhe, umgab. Da der Stein zu groß war, um ihn auf unseren Kameelen fortzuschaffen, so versuchte ich, ihn zu zerschlagen, um wenigstens die Hieroglyphen mitzuneh men, mußte aber wegen der Härte des Granits davon abstehen. Ein Stück, welches ich nach vieler Anstrengung losbrach, wollte ich unter Waffer zerschneiden lassen, aber die Sdge machte nur eine schwache Rinne. Ich übergab den Pfeiler daher dem Vor, steher von Vod, Benaga zur Verwahrung. Ich habe später dem Französischen Konsul in Kahira, Herrn Mimaut, ein Geschenk damit gemacht.

Bei fortgefeßten Nachgrabungen entdeckten wir ein Pflaster von rothen Ziegeln, auf welchem in der Mitte eine Sdule stand, vermuthlich Reste eines Aegyptischen Hauses, denn der knappe Zuschnitt war ganz so, wie man ihn noch an den heutigen Woh, nungen bemerkt. Gefunden wurde daselbst eine Maske aus soges nanntem Gagat und weiterhin abermals ein Pfeiler aus rothem Granit, größer und besser gearbeitet, als der vorige, zuleßt ein verwüsteter Tempel mit sehr zertrümmerten Ornamenten. Dies war die ganze mit großen Kosten erlaufte Frucht unserer Ans strengungen während eines an Entbehrungen und Mähsalen so reichen Monats.

Wir verließen Vod Benaga und kamen nach Begaraviah, wo die großen Pyramiden sind. Niemand hatte vor mir diese Gegend durchforscht, als Herr Belzoni, und mein Sinn stand lange danach, unter den stummen Zeugen uralter Größe nach Denkmälern des dort untergegangenen Lebens zu suchen.

Wir schlugen unsere Zelte bei dem Dorfe Begaraviah auf und mietheten einige Negerhütten dazu. Ein Theil unserer Leute mußte aus Ochsenbauten große Körbe anfertigen zum Fortschaffen des Sandes; die Uebrigen wurden zum Hüten der Kameele ges braucht. Die Pyramiden konnten wir etwa eine Stunde weit vom Dorfe sehr deutlich liegen sehen. Unterweges in der beis nahe ganz verfandeten Stadt Meroe bemerkten wir nur einige umgestürzte und beschädigte Sphinre von schwarzem Granit. In der Nähe lagen die Pyramiden oft gruppenweise bei einander, meist alle sehr verfallen. Ein einziger Hügel trug ihrer 21 auf feiner oberen Fläche, von denen nur eine unversehrt war. Acht fleine, aber sehr gut erhaltene Pyramiden lagen auf dem östlichen Abhange, und mehrere andere, von denen nichts als der mit Hieroglyphen bedeckte Portikus gerettet war, am Fuße des Hügels. Ich wollte dort die Arbeiten beginnen; Stefani aber rieth, zuerst an der Straße der Sphinre einen Versuch zu machen.

Vier Tage nach unserer Ankunft sogen wir unser ganzes Lager zusammen und verlangten Arbeiter von dem Scheil des Dorfes. Anfangs boten sich wenige Leute an, denn sie mißtraus ten uns; da aber ruchbar wurde, daß wir den Lohn pünktlich auszahlten, überliefen sie uns so sehr, daß wir Viele abweisen mußten. Der Ort, an welchem wir zuerst nachsuchten, schien eine von Menschenhand zerstörte Wohnung zu seyn. Da sich nur ein paar werthlose Alterthümer aus Masse und Serpentin fanden, so überließ ich Stefani dort die Fortseßung der Nachs grabungen und begab mich mit 100 Leuten zu den großen Pyras. miden. Mein Freund entdeckte nach einigen Tagen eine zweite, größere Behausung, in derselben aber nichts als ein kleines Terrakott Figürchen. Ich hatte inzwischen die Trümmer einer der kleinen Pyramiden am Fuße des hugels hinwegrdumen laffen; man stieß am Boden auf schwarze Steinplatten, welche Fünftlich hingelegt schienen. Bei tieferem Eindringen mit der Pike kam eine Stufe zum Vorschein, die erste von einer ins Innere des Monumentes führenden Treppe. Es waren noch nicht alle Stufen bloß gelegt, als die Nacht einbrach. Am folgenden Tage ließ ich Stefani mit seinen Leuten und den Arabern, welche fich zu uns gefellt hatten, herbeikommen. Wir hatten nun 350 Ars beiter beisammen. Wir würden in geringerer Anzahl mit der Eröffnung der Pyramide nicht zu Stande gekommen seyn. Die Araber der Gegend, welche es als etwas unerhörtes ansahen, daß wir jeden Tag regelmäßig auszahlten, beeiferten sich, ihre Zelten, die fie Bir nennen, ganz in unsere Nähe zu verlegen.

Die Treppe, welche neun Stufen hatte, führte in einen fleinen Raum, deffen Boden mit den Knochen von Kameelen und Pferden, auch fleineren Thieren, wie mir schien Hunden, bedeckt war. Liefer hinein fand ich einen Kameels Packsattel und einen Pferdefattel und zuleßt einige metallene Scheiben, auf welchen Vögel und Götterbilder gravirt waren. Ein großer Stein im Grunde der Grotte verschloß den Eingang zu einer anderen Kams iner. Ich ließ den Stein wegnehmen und die Räumung der Kammer, welche ganz voll von naffer Erde war, beginnen. Die in dem feuchten Raume eingeschlossene Hiße war so erstickend, daß die an die hohe Temperatur des dortigen Klimas gewöhnten Araber nicht länger als etwa 5 Minuten darin ausdauern konns ten. Ich ließ die Leute abwechseln, bis alle Erde hinweggeschafft war. Die Grotte enthielt nichts als große Haufen von mensch lichen Gebeinen, kein Waffenstück und lein Geräth irgend einer Art. (Schluß folgt.)

Frankreich.

Galliens letzter heidnischer Schriftsteller, Rutilius
Numatianus.
(Schluß.)

Bei der Geistess und Gemüthsverfassung, in der sich Rutilius

wundern. Rom war für die Heiden das leßte Heiligthum des Paganismus; hier widerstand er besser, als irgendwo, den Ges seben der Kaifer, die erst lange nach dem Zeitpunkt ihres Ers scheinens daselbst befolgt wurden.

Theodofius hatte im Jahre 391 bei Todesstrafe _die_heids nischen Opfer verboten; andere Edikte befahlen die Schließung der Tempel. Die leßte Maßregel besonders wurde nicht gleich in Rom zur Ausführung gebracht, denn Rom, das zwar keine öffentliche Opfer mehr feierte, weil sie verboten waren, bewahrte doch alle seine Tempel und seine Denkmdler; alle diese Trophäen des Heidenthums standen im Jahre 420 noch, und das Pleine Gedicht des Rutilius würde schon von Wichtigkeit seyn, wenn es auch weiter kein Verdienst als die Bestätigung dieser Thatsache befäße. Kom galt den Heiden als die heilige, die göttliche Stadt, und aus derselben Ursache war Rom für die Christen die verabs scheute Stadt, das Babylon, das Sodom, denn mit diesen fluch beladenen Dertern vergleicht es der heilige Augustin, und wenn er noch einige Thränen für die Eroberung Roms durch Alarich hatte, so dußern andere strengere Kirchenvdter, wie der heilige Hies ronymus, Freude über dieses Mißgeschic. Rutilius vergöttert Rom in den meisten seiner Verse, die auch zugleich die merkwürdigs sten, die ausdrucksvollsten und schönsten sind. Die Heiden jubeln darüber, daß ihre Tempel noch so glänzend sind, noch so von Gold stroßen; es giebt in Bezug hierauf ein Gedicht von Claus dian, welches einige Jahre vor Alarich's Einzug in Rom vers faßt wurde; nun sollte man meinen, daß sich in einer zweimal durch die Barbaren geplünderten Stadt Alles sehr verändert haben müsse, aber die Dichtung des Rutilius bestätigt noch dens felben Glänz, den die Verse des Claudian preifen. Es mag immerhin etwas Uebertreibung in diesen Schilderungen herrschen, so viel bleibt indeß gewiß, daß Rom zu Rutilius Zeit noch in großer Herrlichkeit prangen mußte, denn in seinem Entzücken ruft er aus:,,Dank dem Golde, das die Tempel bedeckt, übers trifft Roms Himmel jeden anderen an Glanz; Rom schafft sich selbst seinen eigenen Tag, einen reineren Tag."

Dies durch seine Denkmäler noch so prächtige Rom, dies Rom, das Rutilius bewunderte, von welchem Symmachus, ebens falls ein eifriger Anhänger des Heidenthums, zu derfelben Zeit fagte, was nach ihm so viele Andere wiederholten, daß es schwer sen, sich daraus zu entfernen, sobald man einmal dahin gekommen, dies Rom mußte doch dem neuen Rom weichen, das der heilige Prosper schon damals besang, dem Rom, welches die Welt durch die Religion sich zu eigen machte, wie einst das alte durch die Gewalt der Waffen, und welches gleichfalls von sich sagen sollte: Nur ich bin die ewige Stadt. Rutilius seinerseits glaubte an die Ewigkeit des heidnischen Roms, und er liebte es, weil er es noch so herrlich, so glänzend sah; mit Thränen schied er davon, wie von einer angebeteten Verson, und rief ihm ein zärtliches Lebewohl zu: „Unzählige Küsse drückte ich auf die Thore, die ich verlassen mußte, und wider Willen überschritt mein Fuß die heilige Schwelle."

Crebra relinquendis infigimus oscula portis,

Inviti superaut limina sacra pedes.

Nach diesem Abschiedsgruße befingt Rutilius in einer Hymne den Ruhm der Königin des Weltalls; seine Begeisterung eilt jenem Worte Philipp's II. voraus:,,Die Sonne geht in meinen Staaten nicht unter." Dann preist er Rom, weil es Einheit in die Welt, Einheit in die Völker gebracht. Mehrere andere Heiden haben denselben Gedanken ausgesprochen, der nicht ohne Wahrs heit und geschichtliche Tiefe ist. Die Christen, nahmen diesen Gedanken auf und stellten ihn als ein Werk der Vorsehung dar, indem sie zeigten, wie die Hand Gottes alle Völker unter Rom's Joch beugte, um aus dem ganzen Menschengeschlechte nur ein einziges großes Volk zu bilden und um durch die Einheit der Römischen Welt die Allgemeinheit der christlichen Kirche vorzubereiten.

Nach dem heiligen Hieronymus sprach Prudentius diesen Gedanken in einer Hymne und in seinen gegen Symmachus ges richteten Versen aus, und Orofius hatte schon gesagt: Wohin ich auch meine Schritte wende, ich bin ein Römer unter Römern, ein Christ unter Christen, ein Mensch unter Menschen." Dieser große Gedanke, der von Heiden und Christen, freilich in ganz verschiedenem Sinne, gepriesen wurde, ist die nothwendige Grunds lage der historischen Einheit, welche die Philosophie der Geschichte später in der Bestimmung des Menschengeschlechtes-nachzuweisen strebte. Der Erste unter den Neueren, der schon lange vor Vico diese Einheit verkündete, war Dante. Dante, der diesen Gedans fen wohl aus den Kirchenvatern, durch die er sich bildete, ges schöpft haben kann, hat das Verdienst, ihn mit feltener Energie ausgesprochen zu haben. In einigen Stellen seines Gedichtes deutet er sehr beredt darauf hin, unter anderen in dem herrlichen Abschnitte,,das Paradies", wo er die Geschichte und die Reise des Kaiserlichen Adlers eradhit; und in der Abhandlung über die Monarchie bespricht er diesen Punkt mit einer gewissen dramas tischen Feierlichkeit, die einen lebhaften Eindruck auf die Phans tafie macht. Hier gesteht er ein, zuerst sey er empört gewesen, als er gesehen, wie alle Völker nach einander als Opfer des Rds mischen Ehrgeizes untergingen, und er habe den Welts Bedrückern geflucht; als er aber die Sache näher beleuchtet, habe er den Grund ihrer Siege eingesehen, er habe begriffen, daß die Welt ihnen von Gott aus weisen Absichten gegeben sen; und da habe er mit dem Pfalmiften ausgerufen:,,Warum toben die Heiden, und die Leute reden so vergeblich? Quare fremuerunt gentes

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Cumque offers vietis populis consortia juris,

Urbem fecisti quod prius orbis erat.

Rutilius' leidenschaftliche Anhänglichkeit an Rom verleitete ihn zu seltsamen Uebertreibungen und Anachronismen. Er redet es also an:,, Göttin! jeder Winkel der Römischen Welt feiert Dich; Dein friedliches Joch ruht auf freien Häuptern." Nun gab es aber im Sten Jahrhundert sehr viele Winkel der Welt, wo man Rom sehr wenig ehrte; das friedliche, auf freien Häuptern ruhende Joch ist ein seltsamer Ausdruck für eine Zeit des Krieges und der Dienstbarkeit. Nirgends herrschte Friede und Freiheit, und das Joch sollte bald zertrümmert werden.

Rom's materieller Glans, die große Zahl seiner Denkmäler, seine Wasserleitungen, seine Springbrunnen, die Pracht der Ges bdude begeistern Rutilius zu dieser hochtönenden Beschreibung: ,,Deine Tempel verblenden das Auge, man wähnt die Woh nungen der Götter zu erblicken; was soll ich von den Strömen sagen, die am luftigen Gewölbe in einer Höhe schweben, bis zu welcher Iris kaum ihren feuchten Bogen spannen würde.... Die Flüsse, deren Du Dich bemächtigt, find in Deine Mauern eingeschlossen, Deine hohen Wasserbecken umfassen ganze Seen. Gewaffer rauschen durch Deine Wohnungen, und aus Deinem Schoße sprudeln murmelnde Quellen hervor... Unter Deinem kostbaren Tafelwerk stehen immergräne Wälder, in denen sahme Vögel ihren Gefang ertönen lassen.“

So sprach Rutilius in einer Zeit, wo Alarich schon erschie nen war und Genserich bald kommen sollte. Dann richtet er einen prophetischen Zuruf an das personifizirte Rom und vers spricht ihm eine ruhmvolle Wiederauferstehung und eine ewige Macht: Richte Dein mit Lorbeern gekröntes Haupt empor; verbirg das Alter Deines heiligen Scheitels unter jugendlichem Haarschmuck; es mögen Deine goldenen Kronen auf den Zinnen Deiner Thürme glänzen; Dein goldenes Schild strahle in ewigem Licht, und die Rache vertilge die Schmach Deines Unglücks!"

"

"

Der Dichter erinnert an Brennus, Pyrrhus, Hannibal, die Alle nach kurzem Triumphe besiegt wurden; er vergleicht Roms Schicksal mit einer Fackel, die, zur Erde geneigt, in desto helles rem Glanze wieder auflodert; er verspricht ihm Unvergänglich, Peit: Sen unbekammert! Verruchte Völkerschaften werden dir als Opfer fallen! Zitternd werden die Gothen ihr treulofes Haupt unter dein Joch beugen!" So groß war die Verblendung dieses hinter seiner Zeit zurückgebliebenen Geistes, dieses Unbeweglichen, dieses Luftspringers der Römischen Größe; er machte sich auch nicht die mindeste Sorge über Roms Ewigkeit am Vorabend des Tages, der Rom den Untergang bringen follte! Er flammerte sich an das Heidenthum, und das Heidenthum stürzte ins Nichts.

Mas wird sich nicht wundern, daß derselbe Mann ungerecht gegen das Christenthum ist, daß er das einzig Ernste leichtsinnig behandelt und mit Verachtung von, dem spricht, was allein unter so viel Trümmern stehen bleiben sollte. Die Stimme, welche die Vergangenheit durch Hymnen feierte, konnte gegen die Zus funft nur Epigramme schleudern. Aber durch Hymnen werden die Todten nicht auferweckt, und durch Epigramme nicht getödtet, was leben soll. Rutilius hat es eben so auf die Juden gemünzt wie auf die Christen. Juden und Christen wurden in dem Haß der heidnischen Welt oft mit einander vermischt. Der Ex-Präfekt von Rom geht ganz politisch zu Werke; er bezeichnet anfangs die Christen nicht geradezu, sondern beginnt mit den Juden; aber mehrere Geißelworte, die er gegen die Lesteren abschießt, passen eben so wohl auf die Ersteren; und bald kann er sich auch nicht mehr halten, sondern greift die Christen unter ihrem wahren Namen an. Seine Epigramme gegen die Juden werden ihm durch einen Mann dieses Volks eingegeben, den er auf seinem Wege antrifft, einen Pächter der Fischerei auf einem dem Kaiser gehörenden See, denn schon damals, wie später im Mittelalter, übten die Juden das Handler Gewerbe aus. Dieser Mann schilt mit Juddischer Heftigkeit auf Rutilius und dessen Freunde, daß fie die Gebüsche am Ufer seines Sees serknickt hatten, und beres det ihnen auch den Trunk Wasser, den sie daraus geschöpft. Ueber dies filsige Benehmen entrüstet, läßt Rutilius seinen Born an ihm und seinem Stamme aus, den er die Wurzel der Thorheit, radix stultitiae, nennt, eine Schmähung, die in dem Sinne des Autors wohl über die Juden hinweg auch die Christen treffen foll. Rutilius fpottet über den Sabbath der Juden, als einen der Erdgheit gewidmeten Tag, an dem fie das Ausruhen ihres von der Schöpfung der Welt ermüdeten Gottes feierten.,,Hätte doch der Himmel gewollt", so ruft er aus,,,daß Judda niemals den Waffen des Pompejus und Titus erlegen wäre, denn die besiegte Nation bedruckt ihre Sieger." Diese Verwünschung der besiegs ten Nation, die ihre Sieger bedrückt, scheint im Munde des uns verbefferlichen Heiden nicht sowohl eine Klage gegen die Juden au feyn, als gegen das Christenthum, welches das Reich bes herrschte.

Es tommen auch offenere Angriffe Chriften in Rutilius Stinerarium vor: Migeleie gegeer die Gegenftann die Mönche find. Findet man doch selbst bei den Kirchenschriftstellern derselben Zeit Scherze dieser Art; um so weniger mochten die erklärten Feinde des Christenthums sich ihrer enthalten, besonders die Rhetoren und Sophisten. Libanius vergleicht die Eßgier der

schwarzröckigen Mönche mit der Gefrdßigkeit der Elephanten, eine Vergleichung, die Gibbon zu Gunsten der Elephanten zurücks weift; Eunapus stellt sie mit den Ferkeln zusammen, Zofimus wirft ihnen vor, daß sie zu nichts in der menschlichen Gesellschaft taugten. Rutilius endlich schleudert seine Sarkasmen gegen die, welche er auf den kleinen Inseln des Tyrrhenischen Meeres, auf Gorgone und Capri, antrifft. Von der ersteren sagt er:,,Diese Insel ist von einem Menschenschlage verpestet, der das Licht flicht, und den man mit einem Griechischen Wort Mönche benannt hat." Voller Entrüstung erzählt er, daß ein junger reicher Bürger seine glanzende häuslichkeit, seine Gattin und Familie verlassen habe, um, der Leichtgidubige, mit jenen Menschen sich in Höhlen zu verbannen. Rutilius war zu sehr von seinen heidnischen Vorurs theilen eingenommen, um zu begreifen, daß es Gefühle giebt, die im Stande sind, zur Flucht aus der Gesellschaft und zur Hins gebung an ein einsames, beschauliches Leben zu bewegen. Wenn der Gallische Schriftsteller über die Unsauberkeit der Mönche und über ihre strengen Andachtsübungen spottet, die er für unnuß hält, dann gleichen seine Wißeleien vollkommen denen unseres Voltaire, welchen sie um zehn Jahrhunderte voraneilten.

So war Rutilius, ein vollkommenes Bild jenes Theils der Römischen Gesellschaft, der, die Blicke auf die Vergangenheit gerichtet, weder die Gegenwart noch die Zukunft begriff.

Charlotte Corday.

(Aus der Geschichte der Revolution", vom Vicomte von Conny.)

Als das schmachvollste Joch auf Frankreich lastete, da tödtete ein Weib, begeistert durch eine hetdenmüthige Aufwallung, das Ungeheuer, welches unaufhörlich wiederholte:,,Wir müssen zweis hunderttausend Köpfe abschlagen!" Am 11. Juli 1793 verbreitete fich plöslich das Gerücht, Marat habe den Todesstoß empfangen. Ein Weib, Marie Anne Charlotte von Corday d'Armans, hatte seinen Lebensfaden zerschnitten! Sie zählte kaum 25 Jahre; ihre Züge strahlten die Hoheit ihrer Seele zurück; sie war schön, aber einfach, und ihre Unschuld verschönerte sie nur noch mehr; sie kannte die Liebe nicht; diese stolze, kräftige Seele trug vielleicht Scheu vor einem Gefühl, das, weil es alle Empfindungen des Herzens steigert, den Frauen schon so viel Unglück bereitet;_nie strebte sie nach den vergänglichen Huldigungen der großen Welt, noch beherrschte sie der eitle Wunsch, zu gefallen. Mit einer glühenden Seele begabt, empfand Charlotte Cordan den Einfluß der neuen Ideen; auch sie träumte von Freiheit. Wie ein Zauber stand die Revolution vor ihrer jungen Einbildungskraft; den großen Erinnerungen, welche aus der Geschichte der alten Res publiken bis auf uns herabkamen, weihte die Jungfrau ihre Vers ehrung; in den Träumen ihrer Nächte stand sie an den Gräbern des Fabricius, der Virginia, des Cato. Begeisterung für das Vaterland war die einzige Leidenschaft ihrer Seele. Die Bes dingungen der von ihr angebeteten Freiheit waren der jungen Heldin nicht klar geworden, und ihre feurige Einbildungskraft verirrte sich. Mit Abscheu' sieht sie den Namen der Freiheit durch feige Tyrannen entwürdigt; sie beschließt, den verworfens sten, den wildesten von allen zu opfern: file will Marat tödten; den Dolch auf Marat zückend, glaubt sie die ganze auf Franks reich lastende Tyrannei mit diesem einzigen Stoße zu stürzen.

Diesem Gedanken ganz hingegeben, faßt Charlotte von Corday den Entschluß, fich in den Saal des Konvents zu begeben, auf der Bank, wo Marat sigt, Plaß zu nehmen und ihn mitten unter seinen Gefährten, auf dem Gipfel des Berges, niederzustoßen; aber die den Eingang der Höhle bewachenden Posten weisen das junge Mädchen zurück; fie fragt nach Marat's Wohnung; man führt sie hin, aber sie kann nicht bis zum Lager des Tigers drins gen; das immer mißtrauische Verbrechen hat Verdacht geschöpft; Charlotte Corday versucht es, Marat zu betrügen, und schreibt ihm folgendes Billet:

"

Bürger, ich lange so eben aus Caen an; Ihre Vaterlandss liebe macht mich glauben, daß es Ihnen lieb seyn wird, die uns glücklichen Begebenheiten kennen zu lernen, welche in diesem Theile der Republik stattfanden. Gegen Eins werde ich mich Ihnen vorstellen; lassen Sie mich gütigst vor, und gewähren Sie mir eine furze Unterredung. Ich werde Sie in den Stand seßen, Frankreich einen großen Dienst zu erweisen.“

Den nächsten Tag begiebt sich Charlotte von Cordan abers mals zu Marat; eine Frau, welche das Ungeheuer seine Freundin nennt, verwehrt ihr den Eintritt; Marat hat sie aber gehört und befiehlt, fie einzulassen; Marat befand sich im Bade; sein scheuß. licher Körper war von einem Ausfaß heimgesucht, der ihn ganz mit ekelhaften Wunden bedeckte; seit längerer Zeit ging er der Auflösung entgegen, und die Würmer hatten schon die Hälfte ihrer Beute verzehrt. Marat fragte Charlotte von Cordan nach den Namen der nach Caen geflüchteten Verschwörer:,,Bald", sprach er,,,follen sie ihre Strafe empfangen.",,Empfange Du die Deinige", ruft Charlotte, und mit sicherer Hand stößt sie ihren Dolch in Marat's Herz. „Ich sterbe!" schrie das Ungeheuer. Frauen stürzen herbei und schmähen die Heldin; fie bleibt ruhig stehen und blickt mitleidig auf diese Elenden herab.

Charlotte Corday wird mit Ketten belastet; Wütheriche vers

langen mit großem Selbrei ihren Kopfs, fie bleibt unbewegt,

ein Gemisch von Stolz und Heiterkeit drückt auf ihrem Antlig ihre Seelenstarke aus; man verhört fle, und hier zeigt sich ihr Heldenmuth in seiner ganzen Kraft.

Alle diese Umstände find unnas", rief Charlotte aus;,,ic

habe Marat getödter." Wer hat Euch zu dieser Mordthat den: Cato, Aristides, Sokrates, Timoleon, Fabricius, Phocion, bewogen?" fragte der Präsident. Seine Verbrechen."- Euer Beitgenosse war ich nicht, aber ich habe Marat gelannt." Was versteht Ihr unter seinen Verbrechen?", Alles Uns Es war damals eine Zeit der Schande, die Alles übertrifft, deffen Ursache er seit der Revolution war, und das er was die Geschichte der Völker Schmachvolles aufzuweisen hat. über Frankreich bringen wollte." Wer verleitete Euch Altäre werden zu Marat's Ehren errichtet; das Abbild des Uns allen Theilen

zu dieser Mordthat?" - Niemand; ich allein habe den Ges geheuers Deer alle an den Vereelung soehlt, daß in

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um sieben Uhr wurde Charlotte von Corday zum Revolutions: Plaße geführt; die Furien der Guillotine, die September Mörder, bedeckten alle Straßen auf ihrem Durchzuge. Dürstend nach dem ihnen versprochenen Blute, erfüllten sie die Luft mit wildem Geschrei. Charlotte bewahrte eine unverwüstliche Kaltblütigkeit, die Heiterkeit ihrer Züge offenbarte die Ruhe ihrer Seele. Meh vere Buschauer grüßten ehrfurchtsvoll die heldin, andere riefen ihr fast mit lauter Stimme Beifall zu. Es schien ihr, als sen Das ganze um fie versammelte Voll durch ihren Muth befreit; ohne zu erblassen, bestieg fie die Stufen des Schaffots. Nach dem Lode wurde dem jungen Mädchen noch Schmach zugefügt; die Henker verseßten ihr mehrere Backenstreiche. Doch schienen selbst die entwürdigten Wesen, welche das Schaffot umstanden, uns willen darüber zu empfinden; fie ließen diese niedrige Rohheit bestrafen, welche sich mehrere Male auf dem Play wiederholte, Two Ludwig's XVI. Blut gefloffen war.

Der Konvent verkündigte, daß er dem Begräbnisse des vers rdtherisch für die Sache der Freiheit hingemordeten Marat's in corpore beiwohnen werde, und daß alle Schulden des Leßteren auf Kosten der Republik bezahlt werden sollten. Marat's Apos theose wurde von der fönigsmörderischen Versammlung ausges rufen; der Gott des Blutes ward angebetet. David betritt die Rednerbühne und zeigt an, daß er Marat in der ehrfurchtgebies - tendsten Stellung angetroffen; er habe die eine Hand aus seiner Badewanne herausgestreckt, als wolle er noch seine legten Gedans Ten für das Heil des Volkes aufzeichnen. Mit Beifallrufen ants @wortet der Konvent auf David's Bericht, und dieser spricht darauf jene Worte, die den dußersten Grad der Herabwürdigung beluns

des Volkes

ein Berg errichtet werde; dorthin wird Marat's Büste gestellt; dort krönt man den mit Blumen, sollt dem Ehrenbezeugungen, der jeden Tag wiederholte: Man muß noch zweihunderttausend Köpfe abschlagen." Kinder führt man zu diesen Altären; die Mörder ihrer Båter geteiten fie dahin und reichen mit bluftries fenden Händen den Kindern ihrer Opfer die Blumen, welche fie auf diese den Furien geweihren Altare streuen follen.

Aus gotreslafterlichem Spott werden heilige Gefänge fu Marat's Ehren gesungen; Feste werden zu Ehren von Marat's Herzen gefeiert, und man hört jenen Gesang anftimmen:,,Mas rat's Herz, du Jesus Herz", - der Ausdruck des höchsten Grades von Wahnsinn und Gotteslästerung.

Mannigfaltiges.

Englisches Urtheil über Tied's Novellen. Diese Erzählungen, so sagt ein Kritiker in der Foreign Quarterly Review, wovon uns acht Bände vorliegen (Tied's gesammelte Novellen, Breslau 1838), find größtentheils, wo nicht sämmtlich, in der Abficht geschrieben, irgend eine irrthümliche Zeits Tendens zu heilen, irgend einen Volkswahn in seinem wahren Lichte dars austellen, die Thorheit desselben dem Publikum wie in einem Spiegel zu zeigen und es dadurch zur Vernanft zurückzubringen. Doch darf man nicht glauben, daß sie ein bloß lokales und vors übergehendes Interesse hätten. Es find Lehren, von denen alle Völker Nugen ziehen können. Nicht bei den Deutschen allein finden wir Vorliebe für Abgeschmacktheiten aller Art; auch wir Englander haben unsere Dilettanten in diesem Fach, die es in Anschlag bringt, aur größten Fruchtbarkeit gebracht haben. darin, wenn man die Kalte und Unfreundlichkeit unseres Klima's Tieck's Novelle,,die Wundersüchtigen", worin er den Magnetiss dürfte gerade jest auch für uns sehr treffende Beziehungen haben. mus und die moderne Zauberei in den wahrsten Farben schildert, Ueberdies empfehlen sich Tieck's Erzählungen durch ihren einfachen, ihres Charakters und ihrer Tendenz. Mag der Verfaffer nun klaren und schönen Styl, so wie durch gänzliche Untadelhaftigkeit katholische Bigotterie schildern, wie in seiner meisterhaften Ers 8ahlung der Herenfabbath", oder puritanische Scheinheiligkeit, wie in der zarten und schlichten Novelle,,,die Verlobung", oder wilde Leidenschaft und Folgen des Fanatismus, wie in Dichters leben" und der Aufruhr in den Cevennen", oder die komischen Wunderlichkeiten des Deutschen Provinziallebens, wie in der treff lichen Novelle,,der Jahrmarkt", stets ist er leicht, natürlich und zuchtig. Sein bedeutendster Fehler besteht darin, daß er zu wenig nach Erregung strebt, ja, fie sogar emsig vermeidet. Einige seiner Erzählungen find fast nur Gespräche und bieten, fo bewundernswerth sie auch geschrieben, dem Englischen Leser nicht wohnt ist. Man muß Tieck nur lesen, wenn man zum Nachden den Stoff dar, den er in Werken der Phantasie zu suchen ges fen neigt; wer bloß Geschichten zur augenblicklichen Unterhaltung verlangt, wer auf überraschende Begebenheiten oder romantische Entwickelungen harrt, der wird sich hier getduscht finden; Tieck's sondern einer Belehrung, die der Lefer selbst durch geistige Ans Werke ind ein Quell der Belehrung, nicht der unmittelbaren, frengung varaus gewinnen muß.

- Französische Musterung der Deutschen Kompos nisten. Die Revue du XIX. siècle enthält einen Artikel über Deutschlands musikalischen Genius, worin aber das Wesen deffels ben sehr kurz mit der Bemerkung abgefertigt wird, daß die großen Deutschen Tondichter des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts mit den berühmtesten Künstlern Italiens geretteifert, dabei aber auch einen ihnen eigenthümlichen Charakter bewahrt und ihren Compofitionen das Siegel jener Großartigkeit, Erhas benheit, Schwermuth, mystischen Schwärmerei und religiösen Bes geisterung aufgedrückt hatten, wodurch die Deutsche Poesie einen to eigenen Reiz erhalte. Dann folgt eine ziemlich funterbunte Aufzählung Deutscher Komponisten mit einer sehr dürftigen Slizze von ihrem Leben und ihren Werken. Sie beginnt mit Heinrich Kraus und schließt mit Meyerbeer. Wie wenig dabei auf die Entwickelung und Fortbildung der Tonkunft Rücksicht genommen ift, fann man allein daraus ersehen, daß von Handel und Gluck erst lange nach Haydn und Mozart die Rede ist, obgleich der Auffah doch eine Art von historischer Uebersicht seyn soll, und obgleich jenen Beiden ein bedeutender Umschwung in der Musik zugeschrieben wird. Von Emanuel Bach wird Einiges gefagt, aber der weit größere Meister dieser Familie, der tiefe Sebastian, ift ganz übergangen. Von den Neueren werden, außer Beethoven, nur C. M. v. Weber, Schubert und Meyerbeer berührt, von welchem Lesteren die Franzosen sich durchaus einbilden, er habe unter ihnen Gluck's große Schule fortgefeßt, eine Meinung, die dieser geistreiche Komponist selbst schwerlich theilen wird. Mit gleichem Rechte könnte man Victor Hugo für eine Fortseßung von Racine ansehen.

vierteljährlich, 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Er. höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie.

No 85.

für die

Expedition (Friedrichs-Straße Nr. 72); in der Proving so wie im Auslande bei den Wobuöbl. Poft - Aemtern.

Literatur des
des Auslandes.

Berlin, Mittwoch den 17. Juli

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Griechenland.

Die älteren Reifen in Griechenland.

Nach der Quarterly Review.

Es ist eben so befremdlich als beklagenswerth, daß die Neus gier der Reisenden eine lange Periode hindurch nur dußerst selten dem Griechischen Lande sich zugewendet hat, obschon dieses, noch abgesehen von seiner Natur und seinen Erinnerungen, immer viel augdnglicher war, als eine Menge anderer Länder. Die mit Gleichgültigkeit gepaarte Unkenntniß des heutigen Zustandes von Hellas hat so lange fortgedauert, daß selbst in dem Riesenwerke Pinkerton's, welches zu Anfang dieses Jahrhunderts erschien, der ganzen Halbinsel nur Eine Seite gewidmet ist und namentlich Athen mit einer halben Zeile abgefertigt wird, aus der wir fol gende wichtige Thatsache erfahren:,,Atini, das alte Athen, hat eine geringe Bevölkerung."

Bis zum Jahre 1678 war Griechenland dem weftlichen Europa so fremo, wie Pompeji und Herkulanum. Allerdings hatte ein Bürger von Antona, Namens Ciriaco de' Pizzicolli, mehr als awei Jahrhunderte früher eine Reise dahin gemacht, um Griechische Inschriften zu suchen, auf die er in solchem Grade erpicht war, daß er, als ihm auf seiner Heimreise ein anderer Passagier von dem Daseyn eines antiken Kunstwerks erzählte, das er noch nicht gesehen, sogleich das Schiff verließ und, nach der Griechischen Küste zurückgekehrt, achtzig Miglien weit ins Innere vordrang, um das Monument zu untersuchen. Aber sein Itinerarium, welches eine kurze Erzahlung seiner Reise in Griechenland und anderen Gegenden enthielt, blieb dreihundert Jahre lang als Manuskript liegen und wurde erst 1742 in Florenz gedruckt. Aus dem ganzen 16ten Jahrhundert haben wir keine Erzählung von einer Reise in Griechenland; und das einzige Dokument, welches uns über den damaligen Zustand des Landes einige Nachricht giebt, ist ein Buch unter dem Titel Turco-Graecia. Es erschien 1784 in Basel und enthals eine Geschichte des bürgerlichen und kirchlichen Zustandes von Konstantinopel im 15ten und 16ten Jahr hundert, abgefaßt von Griechischen Einwohnern der Stadt, nebst einer Sammlung von Briefen, die mehrere daselbst wohnhafte Griechische Gelehrte an Martin Crustus, einen Schüler Mes lanchthon's und Profeffor der Griechischen und Lateinischen Sprache in Tübingen, schrieben. Einer dieser Korrespondenten

-

ein Eingeborner von Nauplia - versichert dem Tübinger Pros feffor, alle Weisheit, Wissenschaft, Kunst und Tapferkeit seyen aus Griechenland gewichen; ja, die Musen felbft hätten den Parnas und Helikon verlassen. Er macht sich Vorwürfe darüber, daß solch ein Schutthaufen, wie Athen, ihn bewegen könne, viele Worte zu verlieren. ,,Warum", so ruft er aus,,,warum vers weile ich bei der Beschreibung dieses Ortes, der mit dem Fell eines längst vermoderten Thieres zu vergleichen ist!" Aus feinen mündlichen Unterhaltungen mit einem anderen Griechen zieht Crufius felber den Schluß, daß,,in Hellas kein Hellas und in Athen kein Athen mehr existire." Die angeführte Stelle und noch viele andere Stellen des Buches, worin die Verfasser den tiefen Verfall ihres Vaterlandes innig beklagen, mußten, wenn die,,Turco-Graecia" zu ihrer Zeit wirklich Beachtung fand, jedes reiseluftige Individuum von dem klassischen Boden abs schrecken oder wenigstens seine Lust verkühlen.

In dem Zeitraume von 1584 bis 1678 erschienen nur zwei oder drei magere Notizen über Griechenland, und diese wimmeln so sehr von Erdichtungen und Abgeschmacktheiten, daß man mit Recht annehmen darf, ihre Verfasser würden nimmermehr ge wagt haben, so etwas zu schreiben, hatte nicht die Unwissenheit ihrer Zeitgenossen sie vor jeder Beschämung sicher gestellt. Die folgende Notis über die Akropolis von Athen (der Archaeologia Attica, Orford 1671, entlehnt) würde von Münchhausen selbst schwerlich übertroffen werden. Sie lautet also:,,Diese Citadelle ist jego die Zuflucht der barbarischen Athenienser, und zwar liegen an die fiebenmalhunderttausend Janitscharen darin, wie Christophorus Angelo mir erzählt und versichert."

Mit Ausnahme der an Cruftus gerichteten Briefe, besißen wir keine ditere Notizen über Athen, als die von Deshayes und Guilletière. Der Erstere ging 1621 als Französischer Botschafter nach der Pforte ab; der Andere will Griechenland im Jahre 1669 besucht haben. Auf Monsieur Deshayes ließe sich

1839.

Das

die Definition Sir Henry Wotton's anwenden: Legatus est vir bonus peregre missus ad mentiendum reipublicae causa." Die Genauigkeit seiner Beobachtungen mögen unsere Leser aus der Thatsache ermessen, daß er das Parthenon,,ein ovales Gebdude" nennt, welches weiland dem unbekannten Gotte, dessen Altar Sankt Paulus gesehen, errichtet gewesen sey!" Was Guilletière betrifft, so war dieser höchst wahrscheinlich eine rein erdichtete Person. Seine „Voyage d'Athènes et de Candie" wurde 1675 in Paris gedruckt. Der Herausgeber, ein gewisser Guillet, sagt uns in der Vorrede, daß der Autor, sein Bruder, schon in zartem Alter Frankreich verlassen habe, nach einer Reihe von Abenteuern auf dem Mittelländischen Meere durch ganz Griechens land gewandert und bis jest noch nicht heimgelehrt sen. Buch enthielt übrigens nur einen Theil der Griechischen Reise des angeblichen Guilletière, und erst im folgenden Jahre erschien die Fortseßung unter dem Titel: Lacédémone Ancienne et Nou. velle. Spon, der Athen im Jahre 1676 besuchte, fagt in feiner Reise (Amsterdam 1679), die Berichte des Herrn Guilletière feyen ,,ein wenig krankhaft und bedürften des Arztes"; auch könne dies Niemanden Wunder nehmen, da der Verfasser nur sieben Tage in Athen verweilt habe. Viel weniger glimpflich lautet seine Replik auf eine Gegenschrift Guiller's, der die Wahrheitss Liebe seines angeblichen Bruders in Schuß nahm. Spon sagt in jener Replik unummunden, er halte Guillet für einen Betruger, und bestreitet die Existenz eines Guilletière, dessen vorgebliche Reisen er als ein bloßes Flickwerk von Erdichtungen und dürren Belehrungen aus zweiter Hand darstellt.

Tavernier, ein Landsmann und Zeitgenosse Guiller's und zu seiner Zeit ein außerordentlicher Reisender, der auf seinen sechs Reisen nach Persien und nach Ostindien mehr als 60,000 Franzöfifche Meilen durchwandert zu haben behauptet, giebt uns auch einen kurzen Bericht über Athen (zuerst erschienen 1679), worin er fast eben so viele Irrthümer als Thatsachen zusammens gedrängt hat. Die siebzehn Säulen des Jupiters Tempels, von denen sechzehn noch jest stehen, sind nach ihm die Ueberreste von dreihundert Saulen, welche einst zum Palaste des Theseus, des ersten Königs von Athen, gehörten. Es dürfte dem Leser wohl Belustigung gewähren, seine Beschreibung des Parthenon zu lesen, in welcher Jktinos sein eigenes Gebdude schwerlich wierderekennen würde.

,,Das Schloß enthält einen sehr schönen und sehr geräumigen Tempel, der von Oben bis Unten ganz aus weißem Marmor ers baut ist und von sehr schönen Säulen aus schwarzem Marmor und Porphyr gestüßt wird.... Rings um den Tempel und auf dem Dache, das ebenfalls ganz aus sehr geschickt zusams mengefügten Marmorplatten besteht, gewahrt man alle schöne Waffenthaten der alten Griechen in Basrelief, und jede Figur ist ungefähr drittehalb Fuß hoch. (!) Eine schöne Galerie, auf der vier Personen in einer Reihe gehen können, umzieht den Tempel. Sie ruht auf sechzehn Marmorsäulen.... Bu diesem Tempel gefellt sich (!) ein sehr schöner Palast aus weißem Marmor, der aber jest in Trúmmer zerfällt."

دو

-

Allein Tavernier ist wenigstens von der Seite zu rühmen, daß er keinen Anspruch auf archäologische Kenntnisse macht, die er nicht befißt. Er war feiner von den Reisenden, zu welchen die Steine reden; ja, seine Unwissenheit paarte sich öfter mit profaner Geringschagung. So bemerkt er in seiner Vorrede beis läufig, er habe auch einmal einen kleinen Abstecher gemacht, um die Ruinen von Troja zu sehen; und seßt dann horrescimus referentes hinzu: On n'y voit que des pierres, ce qui ne vaut pas assurement la peine, d'aller jusque là." Der Englander George Wheler und sein Reisegefährte Jakob Spon aus Lyon, welche Beide im Jahre 1676 Athen besuchten, haben uns die einzige genaue Schilderung von dem Zustande dieser Stadt vor der Venetianischen Eroberung (1688) geliefert. Spon war, wie er in seiner Dedication an den Pater la Chaise (Ludwig's XIV. Beichtwater) selbst gesteht, ein so ens thusiastischer Freund des Alterthums, daß er für moderne Eitels feiten weder Augen noch Ohren hatte. Mit dieser leidenschafts lichen Sucht, in alten Ruinen herumzukriechen und verwitterte Jufchriften zu entziffern, hat er den Liebhabern frischer und anges nehm zerstreuender Lektüre, wie man sich leicht denken kann, einen schlechten Dienst erwiesen. Aber selbst in seinem Lieblingstreiben ist er, wie es allzu einseitigen Leuten gewöhnlich geht, oft ein

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