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die Frage reduzirt fich darauf, ob feine Roth ein wenig fleiner oder größer werden dürfte; nun ist aber diese Noth an sich schon fo groß, daß der Vortheil, fie um ein Geringes an fchmdfern, die erforderliche Anstrengung gar nicht verlohnt. Ach, wir find so arm!" (we are so poor!) dies ist die stehende Antwort des Jrs landers, wenn man ihm fagt, er steigere fein Elend durch seine Nachlässigkeit; und nach dem Vorangeschickten wird der Leser den Sinn dieser Antwort verstehen.

Die nämliche verzweifelte Seelenstimmung des Irlanders veranlaßt seine Unmäßigkeit, feinen hang au berauschenden Ges tränken. Da er es für unmöglich halt, feine Einkünfte und Auss gaben jemals in dauernden Einklang zu bringen, so vergeudet er den máßigen Ertrag seiner vorübergehenden Arbeiten ohne Skrupel. Mit dem geringen Tagelohn in der Hand eilt er nach der Scente, wo er sein Elend wenigstens ein paar Augenblicke in Rausch und Völlerei vergessen Tann.

Der Irlander ist ein Plauderer, ein Prahler und Handels fucher, weil er nichts arbeitet; er schmeichelt dem Höheren, behans delt den Niederen ohne Schonung, belugt und hintergeht Beide, weil er ein schweres Joch der Dienstbarkeit tragen muß. Diese Untugenden vergrößern fein Elend; aber sie sind auch aus dems selben hervorgegangen. Man braucht den Charakter des Irischen Volkes nicht lange studirt zu haben, um sich zu überzeugen, daß ihm nicht selten die einfachsten Begriffe vom Guten und Bösen, von Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit abgehen..

Während der schrecklichen Katastrophen, deren Schauplas Jrs land seit dem zwölften Jahrhundert gewesen, im Getümmel der furchtbaren Revolutionen, die abwechselnd das Land eine Beute aller Parteien werden lassen, den Sieg der einander widerstres bendsten politischen Systeme herbeigeführt, den verschiedensten Arten von Kultus Tempel und Altdre errichtet: hat der Irländer in Sachen der Moral, Politik und Religion die barockefte Mis schung von Ideen erhalten. Gehet auf den Ursprung der En rannei zurück, und Ihr werdet Leute finden, welche die Confiscas tion ihres Eigenthums beraubt und zur Arbeit um Tagelohn ges zwungen hat. Ist diese erste Handlung der Gewaltthätigkeit ges eignet gewesen, den Sinn für Recht und Gerechtigkeit in einem Volle zu befestigen?

Und warum ist dieser Raub begangen worden? Warum hat man das Eigenthum des rechtmäßigen Befißers Ponfiszirt? Weil dieser einen religiösen Glauben hat, an dem er festhalt, und weil er lieber seine Habe verlieren, als diesem Glauben entsagen wollte. Welche moralische Belehrung kann der Untergang des redlichen Mannes, der Triumph des gewaltthätigen ufurpators abgeben? (Schluß folgt.) Rußland.

Die Schneeftürme des Russischen Winters.
(Schluß.)

Die Wjugas fallen oft sehr rasch ein, so daß sie am Abend schon völlig ausgebildet find, während des Mittags noch das schönste Wetter war. Jedoch müssen ihnen gewiß schon lange vorher Bewegungen und Veränderungen in der Natur vorans eilen, die nur uns Blinden entgehen, da die hellsehenden Thiere der Wildniß schon mehrere Tage zuvor durch Mancherlei eine Wjuga im Voraus erkennen. Auch sollen namentlich die Steppens hühner oft drei bis vier Tage zuvor ein starkes Geschrei erheben und sich in den tiefen Balken und Regenschluchten beständig laut vernehmen laffen. In der Regel beginnt das Unwetter mit Res gen oder gewöhnlichem Schneegestöber und entwickelt sich, indem Kälte und Windsbraut rasch zunehmen, erst allmálig zur Wjuga. Während einer Wjuga wird aller und jeder Verkehr völlig abgeschnitten. Es wagt fich Niemand zum Haufe hinaus, und man unterläßt die drei Tage hindurch selbst die kleinsten Fahrten, die man vorhatte. Wer aber unterweges ist und allmálig mit Schrecken gewahrt, daß der Wind und die Schneewirbel, welche fich zu erheben beginnen, keine gewöhnliche Burja, Mjatjol oder Sámet find, sondern zur Wjuga erwachsen, der sucht so schnell als möglich das nächste beste Obdach zu erreichen, welches denn. leider nur allzu oft in der Steppe weder ein nahes noch ein gus tes ift. Ist die Wjuga nach allen ihren Vorboten und vorlaufis gen Bewegungen selber da und überfällt in eigener Person die Eisgefilde, so saudert dann nichts mehr auf der Steppe, fich zu verkriechen. Es ist kein Adler fo trosig, fein Fuchspels so dicht, Peine Wolfshaut so adhe, Pein Chacholl (Steppenbewohner) fo wohl vermummt, daß sie nun nicht Alle, wenn sie noch etwa hier und da nach Beute strichen, unterkröchen und für ein schlechtes Erdloch dem himmel dankten. Ja, man hat Beispiele, daß die Wölfe bei folchem Wetter, ihrer Wildheit uneingedent, fich in die Dörfer geflüchtet und mit den Hunden verkrochen haben. Die Troglodyten der Steppe figen dann wie Mäuschen still in ihren Erdwohnungen, in denen sie allen Luftströmen und deren schád lichen Wirkungen um so mehr entschlüpfen, da fie faum über dem Boden hervorragen und ihnen gar keine Stirn bieten. Den Reisenden bleibt nichts anderes übrig, als wo möglich noch die nächste Station zu erreichen, oder, wenn die Wjuga ibner entge gen ist, zu der verlassenen zurückzufahren. Denn gegen den Sturm die Pferde, die bald die Peitsche und Ermahnungen des Fuhrmanns verachten, anzutreiben, ist unmöglich. Wohl noch den Reisenden auf den großen Heerstraßen, die noch mit drei Tagen bei Theewasser und Sauerbrod einer Russischen Poststation abkommen. Aber wehe den armen Wanderern der Nebenwege

in den inneren Wüsten der Steppe. Und wehe vor allen Dingen den Efchabaus und Labunischits, den armen Schafs und Pferdes hirten, die außer ihrer eigenen Noth noch für so viele tausend andere viehdumme Thiere unfägliche Roth und Sorge tragen maffen. Die Thiere machen allesammt fogleich bei dem Aus: bruch einer Wuga volte vom

Die Schafe aber, die sich wie haarlocken pom Winde fortreißen Lassen, aundcht; die Ochsen halten am Idngsten, und man fann fie noch am leichtesten eine Strecke gegen den Wind vorbringen. Die Pferde aber in ihrem beweglichen Gemüthe erschrecken sogleich, und es ist dann kein halt mehr in den Tabunen (Pferdeheerden). Sie fliegen wie eine Heerde Bugvögel vor dem Winde dahin. Die Verwüstungen und die Unglücksfalle, welche eine Wjuga uns ter den jahlreichen Heerden der Steppe anrichtet, find unglaublich.

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gewöhnlich die größte Eile vonnöthen ist, lassen sich von starten Wingen oft zwei bis drei Tage aufhalten. Der Fürst R. einer der reichsten Männer in Rußland, dem gewiß alle mögliche Mittel sum Weiterlommen zu Gebote standen, fuhr ein Mal im Winter auf feinen Aeckern in der Ukraine spazieren, um die Wirths er began her nur 3 eine juga überfiel Er befand sich nur 3 Werft (2 Engl. Meilen) von seinem prachtis gen Landhause. Aber der Sturm begann sogleich mit solcher Buth, daß es platterdings unmöglich war, auch nur einige Schritte weit gegen den Wind zu machen, und der reiche Fürst, so nahe bei seinem Palaste, der alles Wünschenswerthe enthielt, sich ents schließen mußte, 3 Tage in der traurigen Wohnung eines seiner Unterthanen bei Sped, Knoblauch und Grobbrod zuzubringen.

Zehn Werst (11 Meile) von Odessa strandete ein Mal ein Türkisches Schiff. Wegen der gefürchteten Peft muß natürlich ein solches Ereigniß sogleich an die Quarantaine von Doeffa ans gezeigt werden. Allein bei der starken Wjuga, mit der das Schiff gestrandet war, wagte es, während 14 Tagen fein Kofal, den Furzen Weg nach Odessa zu machen. Auch sonst fand sich Nies mand bereit, das Russische Reich von der Gefahr der Ansteckung zu retten und die Sache zu melden, obgleich eine große Beloh nung für die Anzeige zu erwarten war.

Die Unglücksfalle, von denen man nach einer Winga ersch len hört, find unzählig. Erfrorene Körper werden von allen Geis ten in die Städte gebracht. Reiseschlitten paffiren das Thor, in denen Kutscher und Reisende zu entfeelten Bildfäulen vereist sind. Die jungen Burschen fahren mit ihrem alten Mütterchen zu Markte und finden sie an Ort und Stelle, wie die Milch, die fie trug, su Eis geronnen. Auf den großen Wintermessen im Innern Rußland's bemerkt man laum einen Fuhrmann, dessen Nase, Ohren, Finger oder Füße nicht unterweges bei einer Wjuga Schaden genommen. Häufig fann man, in den Steppen Beuge fenn, daß Dußende von Wagen, Ochsen und Fuhrleuten aus dem Schnee ausgegraben werden, die eine Wjuga darin vergrub. Am meisten und lebendigsten wissen die Hirten von diesen Wjugen und den durch fie herbeigeführten Leiden zu erzählen, und Jeder von ihnen ist voll von Jammergeschichten, die er mit seinem Vieh erlebte.

Mannigfaltiges.

- Die Weisheit in Todesangsten. Auf einem steilen Felsen über der Stadt Castleconnell in Irland liegt eine Ruine, von der in jener Gegend die Sage geht, fie werde auf den weifesten Mann der Welt herabstürzen, wenn er unter ihren Mauern vorüberlame. Das Landvolk glaubt fest daran, und auch in den höheren Ständen scheint es nicht an solchen Gldus bigen zu fehlen. Wenigstens erzählt man, daß ein vor kurzem verstorbener Irländer von Ansehen, der in der Nähe seinen Wohnfig hatte, sich steif und fest einbildete, es werde ihm die Ehre begegnen, von jenen Trümmern germalmt zu werden. Man konnte ihn nicht bewegen, sich ihnen zu nähern, und wenn er die daran vorbeiführende Landstraße nach Limerick zu paffiren genöthigt war, ritt er stets in gestrecktem Galopp an der gefähr lichen Stelle vorüber. Der Arme starb aber eines natürlichen Todes, und die Trümmer harren noch immer ihres Opfers.

Aerztliche Todtenscheine. Es ist in London in der leßten Zeit häufig vorgekommen, daß Aerzte, die über die Ursache von Todesfällen ein Atteft auszustellen hatten, sich wissentlich falsche Angaben zu Schulden kommen ließen, und man hat die Frage aufgeworfen, ob eine solche Handlung nicht als Meineid zu bestrafen fen. So waren zwei Knaben mit einander in Handel gerathen, und der Eine verseßte dem Anderen mit einem Stecken einen so heftigen Schlag auf den Kopf, daß in neun Tagen der Tod erfolgte. Das Attest des Arztes bezeichnete ,,Wasser im Gehirn" als Grund des Todes, und es wurde feine weitere Untersuchung angestellt. Ein Mann ward durch das uns vernünftige Jagen eines Omnibus von seinem Pferde gestürzt und zerschlug sich den Schädel. Nach dem drztlichen Attest hatte eine,,Affisirung des Kopfes" den Tod verursacht. Der Fall blieb ebenfalls ununtersucht. Ein Kind von neun Wochen wurde vollkommen gesund und wohlbehalten von seiner Mutter mit ga Bett genommen. Ein paar Stunden darauf fehrt der Vater, ein vornehmer Mann, berauscht nach Hause zurück, und um fünf the Morgens wird das Kind todt gefunden. Der Todtenschein gab Krampfe" als Ursache des Todes an, und der Arst bezeugte, er fen noch vor dem Ableben des Kindes herbeigeholt worden. Am merts würdigsten aber und zugleich am schrecklichsten ist folgender Fall: Ein Polizeibeamter hatte bei einem Todtenbeschauer um Autorisation zu einer gerichtlichen Untersuchung angehalten; fie wurde ihm bewil ligt und die Jury zusammenberufen. Die Freunde des Verstors benen bemühten fich, die Untersuchung zu verhindern. Es tam ein Arzt zu dem Todtenbeschauer und bescheinigte, der Verstor bene habe sich vor ungefähr acht Tagen in einem abwesenden Zustande ein wenig an der Kehle verwundet, aber diese Ver's legung stehe zu der Ursache des Todes in gar feinem Besuge, vielmehr fen der Mann an einer Gehirnentzündung" gestorben. Diesmal jedoch ließ man sich durch das drstliche Attest nicht von der näheren Untersuchung abhalten, und es ergab fich fonnentlar, daß die Wunde am Halse der unzweifelhafte Grund des Todes gewe sen mar (The Lancet.) no

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vierteljährlich, 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchic.

No 82.

für die

Expedition (Friedrichs-Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslande bei den Wohlöbl. Post› Nemtern.

Literatur des Auslandes.

Túrke i.

Berlin, Mittwoch den 10. Juli

Kurdistan und seine Bewohner *).

Schon am ersten Tage unseres Einzugs in Malatia (dem alten Melitene) verbreitete fich das Gerücht von der Ankunft zweier Russischer Offiziere, welche die Kurdischen Stämme orgas nistren sollten, die jest mit der Türkischen Armee in Fehde liegen. Diese beiden Ruffifchen vorgeblichen Offiziere waren niemand ans ders, als mein Reisegefährte und ich. Man hatte einen geheimen. Courier in das zehn Lieues westlich von der Stadt befindliche Lager geschickt, um Hafiz Pascha diese Kunde zu bringen. Der Pascha Beorderte in größter Eile einen Tataren nach Malatia, und sein Secretair erhielt den Befehl, uns nicht eher Paffe zu geben, bis er über unseren Stand und Charakter außer Zweifel seyn würde. Doktor Magdaleno, dessen ich in meinem vorigen Schreiben ges dacht, seste uns von Allem in Kenntniß und gab uns den Rath, mit unseren Großherrlichen Fermanen vor dem Secretair zu ers scheinen. Wir machten demgemäß diesem Herrn unsere Aufwars fung: er empfing uns im Anfang sehr fröstig; sobald er aber einen Blick auf unsere Fermane geworfen hatte, veränderte sich der ganze Ausdruck seiner Miene, und von jest an wurden wir mit den schmeichelhaftesten Komplimenten und verbindlichsten Phrasen traktirt. Er sagte uns, Hafiz Pascha, der Generalissimus der Armee am Taurus, habe unsere Ankunft vernommen und wünsche lebhaft, unsere Bekanntschaft zu machen.,,Geht ins Hauptquartier", seßte er hinzu;,,der Seriaster liebt die Frans sofen sehr und wird sich sehr freuen, Euch in seinem Zelte be grüßen zu können." Wir machten uns sofort auf den Weg das hin. Die Beschwerden metner Reise brauche ich nicht zu bereuen, da ich hier gar merkwürdige Details über Sitten, Charakter und Glauben der Kurden und Jesidi's erfahren habe.

Das Land Kurdistan, welches füdwdris von Armenien in einer Länge von 95 Lieues von Nord, West nach Süd-Ost, bei 50 Lieues durchschnittlicher Breite, sich ausdehnt, ist reich an Korn, und Viehweiden. Die Kurdischen Bewohner leben größtentheils nicht unter Zelten, sondern in großen Dörfern und Flecken, von denen mehrere so bevdikert sind, wie Städte vom dritten Rang in Europa. Schehrsor zählt 8000 und Kerkut bis an 15,000 Seelen. Erbeli, das alte Arbela, wo Alexander die ganze Macht des Darius in Trümmer schlug, ist heutzutage ein Städtchen von 4000 Bewohnern. Die Kette des Zagros, welche Curtius Rufus die Gordischen Berge nennt, begränzt Kurdistan im Osten; die Arabische Wüste im Süden; das Gebiet von Karput im Norden und der Aladscha, Dagh (bunte Berg) oder Anti Taurus im Westen. Das leßtere Gebirge, wo ich mich jeßt befinde, ist auss schließlich von Kurden bewohnt. Nach den wahrscheinlichsten Schdgungen belduft sich die Kurdische Bevölkerung, auf drei Millionen Seelen. Ungefähr hunderttausend Individuen sind Nestorianische Christen, die zwei erbliche Patriarchen haben. Der eine, welcher immer Mark Eiman heißt, residirt in Kodschanissa, unfern der Stadt Sschulonnel; der Andere in Rabans Ormes. Unter diesen Patriarchen stehen dreizehn Bischöfe. Die patriarchas lische sowohl als die bischöfliche Würde erbt vom Onkel auf den Neffen fort. In Folge dieses Erbschafts- Rechtes wird bisweilen ein Kind von 12 bis 15 Jahren als Bischof ordinirt. Die Geist lichen sind sehr unwissend und sollen zum Theil kaum lesen föns nen. Die christlichen Kurden haben in dem Kriege mit den Tür: fen keine Rolle gespielt.

Die übrige Bevölkerung bekennt sich zur Sekte des Ali; allein der Jolam ife bei ihnen mit vielen aberglaublichen Bes griffen vermengt, die zum Theil noch aus der Religion der Mas gier stammen mögen. Sie haben keine Moscheen, йe beten nicht in den vom Koran festgefeßten Stunden, fasten nicht im Rama fan und machen niemals die Pilgerfahrt nach Metta.

Bekanntlich find die beutigen Kurden die Nachkommen der Karduchier Xenophon's. Der Führer der Zehntausend berichtet uns, die Karduchier hatten dem großen Könige und den Waffen feiner Satrapen immer Troß geboten. Diesen Geist der Emperung und Unabhängigkeit haben ihre Enkel treu bewahrt.

Der Kurde hat eine regelmäßige Gesichsbildung, in der sich *) Aus brieflicher Mittheilung eines bei der Türkischen Armee am Taurus stehenden Franzöfifchen Offiziers. Das Datum des Briefes in der 270e August 1837.

1839.

wilder Stols malt. Sein Auge ist schwarz, lebhaft, verständig; sein Wuchs hoch und schlank, zuweilen ans Riefenhafte gränzend. Seine Kleidung besteht aus einem langen Rock von grober Leins wand und einer Tunika von gestreiftem Wollenzeug, die ein Strick um die Hüften festhält. Der Turban endet in eine Spise; die Füße stecken in ledernen Sandalen, die mit Riemen über dem Knöchel befestigt find. Die Kurden treiben von Kindheit an das Waffenhandwerk; sie fechten zu Pferde mit dem Säbel, der Lanze, der Keule und Luntenflinte. Der leßtgenannten Waffe bedienen sie sich im Fliehen und beim Angriff; fie feuern in gestrecktem Galopp, auf ihren Pferden sich umdrehend. Dieses Volk erträgt Beschwerden und Entbehrungen aller Art. Von Charakter graus fam und verrdtherisch zugleich, scheuen fie feine Lüge, bei der fie ihre Rechnung finden; Mord und Plünderung find ihre großte Luft. Sie berauben den Wanderer und lassen ihn mitten in der Wüste vor Noth umkommen. Vor dem Kriege 1836 fielen fie in der unmittelbaren Nähe von_Diarbekr, Musful, Malatia und Orfa über die Karawanen her. Ihre von einigen Reisenden hochgepriesene Gastfreiheit verschwindet vor allem dem, was man ihnen hier zur Last legt. Sie empfangen den Ausländer mit großen Freundschafts- Versicherungen und berauben und mißhandeln ihn unter dem Vorwande, seine Waffen oder sein Gepäck bewundern zu wollen. Oft haben sie einem Reiter sein Pferd genommen und ihm dann eine glückliche Reise zu Fuße gewünscht. Es gezieme befonders Europdischen Reifenden sehr wenig, die vorgebliche Gastfreiheit der Kurden zu rühmen, seitdem der uns glückliche Schulz, ein Deutscher Gelehrter, der auf Kosten der Französischen Regierung nach Persien reiste, von ihnen umgebracht worden ist.

Im Jahre 1829 reiste Schulß auf seiner Rückkehr aus Pers fien durch Kurdistan. Er war von einem Bedienten und sechs Soldaten begleitet, die ihm Astar: Chan, damals Statthalter einer Persischen Provinz, mitgegeben hatte. Der Deutsche Reiz fende und sein Gefolge wurden von Kurden, die sie angeblich ber schüßen wollten, unbarmherzig niedergemacht. Armenische Baur ern, welche die Leichname dieser Unglücklichen einschbarren mußten, brachten Aslar, Chan die Nachricht von ihrer schmählichen Ers mordung. Die Effekten und Papiere des Reisenden blieben zum Glücke unversehrt und wurden an die Französische Gesandtschaft nach Konstantinopel geschickt.

Der Kurde macht sich schon deshalb kein Gewissen daraus, Blut zu vergießen, weil er, gleich dem Beduinen, jeden Mord mit einem Pferde, einem Ochsen, zwei Schafen, oder mit Vers heirathung seiner Tochter an einen Verwandten des Erschlagenen fühnen kann. Im leßterwähnten Falle muß das Mädchen jedoch auf die Mitgabe verzichten, die sie, der Site gemäß, von ihrem Bräutigam erhalten sollte.

Die Kurdische Frau ist eine wahre Amazone; sie reitet sehr gut und übt sich in den Waffen, wie der Mann. Ihr Wuchs ist fchön, aber das von der Sonne verbrannte Geficht hat keine Reise. Sie geht unverschleiert. Ihr ganzes Kostüm besteht aus einer Robe von grauer Leinwand, die an der Brust offen ist. Ihr langes Lockenhaar fällt auf die Schultern herab. Um den Kopf winder fie ein leichtes gelbes Tuch; die Füße sind ohne Hälle.

Man

Jenseit Mardin, zwischen Nisibin (dem Anthemusia der Griechen) und Mussul, erstreckt sich das Land Sindschar's Dagh (Ketten Berg), so genannt von einem Höhenzuge, der die Mefopotamische Ebene im Süden von Mardin schneidet. kennt den Sindschahr Dagh auch unter dem Namen Dschinnistan (Region der Genten). Dieses Land hat Ueberfluß an Quellen und vortrefflichen Weiden. Die Aprikosen, die Feigen und Weine trauben von Sindschar sind in ganz Kleinasien berühmt. Diese Gegend ist auch der einzige Strich Mesopotamiens, welcher Date teln hervorbringt.

Sindschar wird von den Jesidi's bewohnt, einem friegerischen Nomadens Volle, mit welchem Hafiz Pascha ebenfalls Krieg ger führt hat. Die Zahl der Individuen mag ungefähr 200,000 bes tragen.

Mehrere Reisende haben von der seltsamen Religion dieses Volles gesprochen, aber keiner hat etwas Vollstandiges hierüber mitgetheilt. Ich für meinen Theil will mir nicht anmaßen, Ihre Neugier besser befriedigen zu können, als frühere Reisende ger than. Die Jefidi's halten ihre Glaubens-Artikel sehr geheim,

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und man erfährt nur mit vieler Mühe etwas Zuverlässiges in Betreff derselben. Dennoch ist ein Theil ihrer religiösen Ges bräuche den Nachbar Völkern bekannt geworden. Ich habe mich bestrebt, wenn es irgend anging, nur die unterrichtetsten Leute zu befragen, und verde Ihnen jest Alles mittheilen, was mir über Herkunft und Glauben der Jefidi's bekannt geworden ist.

Man hält diese Nation für einen Ueberreft fener Mardischen Kolonieen, die Arjakes V., König von Persien, nach Mesopotamien verpflanzte und von welchen die Stadt Mardin ihren Namen hat. Strabon, Arrian und Plinius schildern die Marder als ein wildes, unbändiges Volk, das jener Perfischen Sette angehörte, die dem bösen Prinzipe (Ahriman) huldigte; ohne Zweifel ist die Religion der heutigen Jesidi's aus dem Glauben der alten Mar der hervorgegangen. (Schluß folgt.)

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Dieser glückliche Usurpator behandelt die Irländer mit uners bittlicher Härte; denn feine Sympathie fesselt ihn an ein Volk, das er schon als solches geringschaßt und dessen Religion ihm ein Grduel ist. Nachdem er sie beraubt hat, untersagt er ihnen die Minel, sich zu bereichern; er verschließt ihnen allen Zutritt zur politischen Gesellschaft, legt ihnen im bürgerlichen Leben taus send Hindernisse in den Weg, begründet ein regelmäßiges System religiöser Verfolgung und organisirt auf diese Weise die antis socialste Verfassung, die jemals bestanden hat. Welche Lehren der Gerechtigkeit Fann man aus jener gråßlichen Tyrannei ents nehmen, die über hundert Jahre lang auf Unglücklichen lastete, deren größtes Verbrechen war, daß sie den Siegern mit ihrem Vaterlande nicht auch ihr Gewissen opferten!

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Glaubt man, dem Irlander gesunde Begriffe von Recht und Billigkeit beizubringen, wenn man eine Religion proffribirt, die er für die einzig wahre Religion halt wenn er seine Priester, D. h. diejenigen Menschen, die ihm Gottes Stellvertreter auf Erden sind, des Landes verweisen sieht und, um den leßten Segen dieser heiligen Proskribirten zu empfangen, so behutsam als möglich zu Werke gehen muß, damit ihn nicht die härteste Strafe treffe? Es giebt also Pflichten, die man nicht öffentlich ausüben darf; ja, diese Pflichten sind bisweilen Verbrechen, die das meltliche Gefeß bestraft. Es giebt gerechte Handlungen, die das Geses Verbrechen nennt und die feine Verbrechen sind! Für wahr, folche moralische Begriffe müssen ihre Früchte tragen.

Indeffen geht die Tyrannei auf ihrer Bahn rustig vorwärts. Eine lange Periode hindurch duldet das Volk sie mit ungeschwäch ter moralischer Kraft; endlich werden Einzelne muthlos und greis fen nach dem einzigen Mittel, das ihre Leiden erträglicher machen, ihre Qualen verfüßen kann: fie legen ein Bekenntniß ab, dem ihr Gewissen widerstrebt fie werden Renegaten und fommen dann ohne Schwierigkeit in den erneuerten Besiß der Rechte und Privilegien, die man ihnen geraubt hat. Die Apostasie, welche in den Augen des Irländischen Katholiken das größte aller Verbrechen ist, erfreut sich also einer gefeßlichen Belohnung, und gleich wie es Tugenden giebt, die das weltliche Geseß zu Verbrechen ges macht hat, so giebt es auch Verbrechen, welche die Obrigkeit zu Eugenden stempelt eine zweite Regel der Moral, die dem armen Iriander gewiß ein mächtiger Beistand senn wird, wenn es Recht von Unrecht zu unterscheiden gili!

Verwirrt von allen diesen Widersprüchen, die über das Bes reich seiner Faffungskraft hinausgehen, und immer Seuge davon, wie die Gerechtigkeit und Wahrheit der materiellen Gewalt uns terliegen mufen, entschließt sich der Irlander, nachzugeben; er ers greift die einzigen Waffen, die dem Schwachen zu Gebote stehen er wird hinterlistig, verlogen und, wo er die Gelegenheit fin det, gewaltthätig.

Warum", so fragt er sich selbst, warum sollte ich den nicht tödten dürfen, der meinen Bruder erschlagen hat? Warum bin ich nicht herr des Bodens, den meine Vordltern besessen? Mit welchem Rechte. vermißt sich's jener Mann, der sich Eigens thümer eines Gutes nennt, das mir angehören sollte, mich aus einem Pachthofe zu verstoßen, in welchem ich ein elendes Daseyn friste? Und diese Logit endet zuweilen mit schrecklichen Gewalts thaten. Aber thätige Aeußerungen feines Mißvergnügens hemmt alsbald eine Versammlung seiner Feinde, die man Gerichtshof nennt. Dieje Organe des Geseges nennen fapitales Verbrechen, was das entartete Gewissen des Unglücklichen für einen Alt der Rechtschaffenheit erfidre hat. Vor diesen Tribunalen feiner feinds lichen Gebieter wertheidigt sich der Beklagte gewöhnlich mit Lu gen. Seine Landsleute miten gegen ihn seugen; und vorher laßt man file feierlich schwören, daß sie nur Wahrheit sprechen wollen. Wird ihr Eidschwur aufrichtig seyn? D, gewiß nicht! In solchem Falle ist das Lügen ehrbar, und die Wahrheit schände lich: fle legen ein falsches Zeugniß ab zu Gunsten dessen, der gleich ihnen trannifirt wird, und ihr Gewissen fagt ihnen, daß fie wohl gethan. Dies falsche Zeugniß erklären aber diejenigen, welche ihre Moral aus anderer Quelle schöpfen, für ein Bert brechen.

Buweilen leistet ein einzelnes Individuum dem Geseze offenen Biberstand; es ist dies die ohnmachtige Empórung isolirten Glendas oft vereinigen fich Wehrere zum Aufruhr, wie sie im

Gesellschaft; es ist nicht der Krieg des gemeinen Räubers gegen eine Verfaffung, die er für gerecht hält; es ist ein Krieg wider ungerechte Gefeße, von Menschen geführt, die diese Gefeße für ungerecht erklären. Zuweilen erheben sich ganze Massen der Bes völkerung, wie in den Jahren 1641 und 1797; alsdann schwankt der Boden selbst, und die ganze Verfassung steht am Rande des Abgrundes.

Mogen aber die Versuche der Selbstbefreiung von Einem oder von Allen ausgehen, ihre moralische Wirkung, wenn fie vers unglücken, ist immer gleichartig. Eine tiefe Schwermuth bes meistert fich derer, die ihre Befreiung ersehnt hatten und nach fruchtloser Anstrengung ihren werdenden Glauben an menschliche Gerechtigkeit wieder zerrinnen sehen; die Ketten der Tyrannei fallen mit doppeltem Gewicht auf ihre Schultern zurück. Dies jenigen, welche bis dahin der Verfolgung und ihrem Interesse muthig widerstanden, fühlen die Abnahme ihrer Krafte; ohne Zweifel hatten sie in dem ungleichen Kampfe mit vielen Lantern ich vertraut gemacht; aber so lange Widerstand möglich war, hatte das Pflichtgefühl obgefiegt. Jest ist der Kampf beendet, und fein Band fesselt den Irländischen Renegaten ferner an das Ges rechte und Ehrbare: die Entartung ist vollendet.

Nur sehr Wenige haben bis jeßt das Unglück gehabt, fo ganz entmenscht zu werden; aber vielleicht ist kaum Einer dars unter, den das moralische Verderben nicht wenigstens theilweise berührt hatte. Die Liebe zur Wahrheit ist in Allen untergegan gen, weil Aufrichtigkeit und Freimüthigkeit unfehlbar Verfolgun gen über ihr Haupt herbeiziehen, und weil die Lüge bei ihnen länger als hundert Jahr eine nothwendige und legitime Waffe ges wesen ist. Bellager euch also nicht, wenn ihr bei dem Irländer einen allgemeinen Abscheu vor der Wahrheit findet. Ift er bei seiner Rohheit und Unwissenheit, die ihr verschuldet habt, wohl fähig, in feinem Geiste eine scharfe Demarcations Linie zwischen den Fällen zu ziehen, wo sein Gewissen ihm eine Lüge verzeihen oder nicht verzeihen kann? Wie soll er es anfangen, um unter den Bers brechen, die das Gefes als solche charakterisirt, diejenigen hers auszuerkennen, die eigentlich keine Verbrechen sind? Wie soll er unter den Tugenden, die von seinem Feinde geehrt werden, dies jenigen herausfinden, die wirkliche Tugenden und von Form und Convention unabhängig sind? und gefeßt, er versuchte es wirklich, diese oft sehr schwierigen Unterschiede zu entdecken: glaubet ihr, daß ihm in seiner Entartung noch feiner Talt genug geblieben fenn dürfte, um das Wahre vom Falschen, das Gute vom Schlechten sondern zu können? Gewiß wird er einem solchen Bersuche bald erliegen: mit der guten Absicht, seine Untugenden zu verbessern, wird er ihnen treu bleiben; er wird zuweilen eins mal gut und rechtschaffen seyn, aber nie die Bürgschaft dauern der Rechtschaffenheit in fich tragen, weil er die Regel der Ges rechtigkeit und Ehrbarkeit verloren hat. Daun, und wann wird er sich versucht fühlen, die Wahrheit zu sagens da aber sein Ges wissen ganz ohne moralischen Führer und gegen materielle In tereffen nicht gewaffnet genug ist, so greift er doch endlich zur Lüge: er lugt, weil es ihm nicht genug außer Zweifel gestellt scheint, daß die Unwahrheit im vorliegenden Falle weniger erlaubt sen, als in manchem anderen, wo ihm an der Erlaubtheit ders selben kein Zweifel bleibt. Er zögert vielleicht mit blutigen Ge waltthaten; allein er weist auch jeden Gewissens: Skrupel von fich, indem er die Analogie der projektirten Rache mit anderen Arten von Rache, die er immer als erlaubte Handlungen zu bes trachten gewohnt war, sich vorhält.

Die Konfusion aller Prinzipien, woran der Irländer frankt, erzeugt eine starke Tendenz zur Gewaltthätigkeit, in die sein Geist eine gewisse Methode bringt, die er dann auf alle vorkommende Falle anwendet. Wer sieht nicht in dem rohen Beginnen der White Boy's, in ihrem Prinsipe, sich selbst Recht zu schaffen, in ihrem Systeme der Einschüchterung, die Quelle fdmmtlicher Ats tentate, welche noch neuerlich durch Fabril Arbeiter in Irland verübt worden? Ein Fabrikant nimmt vier Lehrburschen an: ,,das ist zu viel", sagen die Arbeiter des Fabrikanten, denen die Lehrburschen mit ihrer unentgeltlichen Arbeit Schaden thun;,,menn 3hr nicht wenigstens zwei derselben wieder verabschiedet,. fo. schlagen wir Euch todt." Bleibt diese Drohung unbeachtet, fo wird das Verbrechen begangen. Dublin war im Jahre 1837 der Schauplas einer Menge Grduet dieser Art; die armen Verblen deren, welche diese Grauel begingen, fuchen ihr ganzes heil in der Gewaltthätigkeit und zerstören so die Industrie ihres Vaters landes, die ihnen allein den Lebensunterhalt sichern fönnte.

Man hute fich also, die fistliche Entartung eines Volkes, das nur durch schlechte Gefese for tief berabgedruckt worden ist, feinem Naturell beizumeffen und anzunehmen, daß ihn die Schlechtigkeit shon angeboren sen

Diese Entartung bat übrigens nicht bloß den nationalen Jes länder ergriffen, sondern auf Alle, die unter seinem Einflusse ges standen, sich erstreckt, au welcher Nation fie auch gehören mochten. Ungefähr zwei oder drei Jahrhunderte nach der Eroberung hauen die Nachkommen der in Irland angefeffenen Englander schon die Sitten der Irlander angenommen, ja sie waren in moralischer Hinsicht noch tiefer gefunfen ipsis Hibernis Hiberniores (Frischer als die Gren felbf), wie ein Chronifer sich ausdrückt. Wohl bemerkt, der Despotismus Englands drückte die Ansiedler in eben dem Grade, wie die Urbewohner, und mußte alip au dhnlichen Ergebnissen führen.

John Davis, dessen Zeugniß die parteiischen Anhänger der Pos litil Englands niche perdifchtig machen können, behauptet, daß au

die Zahl der Englischen Kolonisten in Irland schon mehr betragen habe, als die der Urbewohner. Er schloß aus diefer Thatsache, daß diejenigen sehr übel berathen seven, die Irlands Noth und Elend aus der angeborenen Inferioritat des Volkes erklären woll: ten. Man studire Irland genau, und man wird finden, daß Noth und Sinenverderben überall mit der Tyrannei, je nachdem fie mehr oder minder schwer gelastet hat, im rechten Verhältnisse stehen. Die Proving Ulster ist weniger arm und lasterhaft, weil fie weniger bedrückt worden ist, als die übrigen.

Bei Beurtheilung des Irländischen National Charakters stößt man gewöhnlich noch auf eine andere Klippe, die jedes tiefere Eins bringen, jede unbefangene Würdigung unmöglich macht. Der Jr lander wird stets in seinem Verhältnisse zum Englander betrachtet, der ihm an Rang und Befiß überlegen, fein politischer Herr und religiöser Feind it. Diese einseitige Beurtheilung führt uns weit vom Zicle. Um den sittlichen Werth eines Menschen zu würdis gen, muß man ihn vor Allem in feinem Verhältnisse zu seines Gleichen beobachten. Der Fricknder ist ein Schurke, oder ein Ungeheuer, wenn er es mit Engländern, besonders mit reichen und machtigen Individuen dieser Nation zu thun hat ein treuer und biederer Mensch, wenn er mit Leuten seiner Klaffe verkehrt. Ich habe oft folgende naive Frage thun hören:,,Wie mag es nur zugehen, daß diese Nation, die sich zuweilen so treus los und barbarisch zeigt, in anderen Fällen die rührendsten Bes weise von Menschlichkeit und Erbarmen giebt? - Die Antwort ist einfach: der Irländer ist unmenschlich gegen die Feinde seiner Religion und seiner Stammesgenossen und freundlich -mildihdiig gegen seine Brüder, die gedemüthigt und unterdrückt und, wie er selbst.

Man weiß aus Erfahrung, daß der Irlander in seiner blin; den Rache bisweilen die Frau oder Tochter deffen, der ihm ver haßt ist, raubt und schänder allerdings eine Handlung empd; render Barbaret! Und doch ist es nicht minder gewiß, daß die Irländer im Ganzen eine sehr keusche Nation sind: uneheliche Kinder gehören zu den größten Seltenheiten, und Beispiele ehe: licher Untreue follen kaum jemals vorgekommen seyn. Woher nun dieser merkwürdige Widerspruch? Wenn der Irländer eine unzüchtige Handlung begeht, so ist sie ihm nur ein Mittel der Rache an seinen Feinden; sie entstammt nie einem bloßen fin lichen Bedürfniffe.

Fast jedes seiner Verbrechen hat mehr oder weniger das Ges práge der Leidenschaft und des Parteigeistes. Selbst bei Raube reien, zu denen ihn bloße Habsucht antreibt, spielt die Rache in der Ausführung eine Rolle. Ungleich dem Spanischen Banditen, der, wenn er seine Opfer auswählt, immer den Reisenden und Fremden vorzieht, hält sich der Jrländische Bandit gewöhnlich an bekannte Individuen. In keinem Lande der Welt kann ein Auss länder mit größerer Sicherheit reisen, als in Irland.

Aus allem Verangehenden ersehen wir, daß der Irländer eine komplizirte Natur ist; er besteht aus zwei unterschiedlichen Elementen, die man nicht unbeachtet laffen darf, wenn man einen richtigen Begriff von seinem Charakter erhalten will. In ihm finden wir einen Menschen, an dessen Verderbniß die Tys rannei sieben Jahrhunderte gearbeitet, und einen zweiten Menschen, den die Religion in diesem ganzen Zeitraum unbefleckt zu erhals ten gestrebt hat. Alle Regionen seiner Seele, die der Hauch des Despotismus anwehte, sind verwellt; hier ist die Wunde groß und tief; hier ist Alles Laster, welchen Namen man diesem Lafter auch geben moge. In dem Irländer finden wir die Hälfte eines Sllaven. Aber es giebt noch einen Winkel seiner Seele, wo die Lorannei vergebens einzudringen versucht, der also immer von jeder Besteckung rein geblieben ist: dieser Winkel beherbergt seinen religiösen Glauben. In allen seinen Rechten angegriffen, hat er fie alle der Macht hingeopfert, ein einziges ausgenommen, wels ches darin besteht, daß er Gott seinem Glauben gemäß anbeten darf. Selbst in der Zeit, als er sich ganz der Willkür seiner Beherrscher preisgab, bewahrte er noch in feiner Scete ein Afot für die Tugend. Sein Gewissen hat sich aufgelehnt und if Jahrhunderte lang in einem Zustande beständiger Emporang geblieben. Diese Empörung des Sklaven ist die Freiheit selbst; um ihrenwillen hat er die Verfolgung mit ihrer ganzen Schleppe von Leiden erdulden müssen; daher feine hochherzige Hingebung, feine Opfer, die Quelle jeder finlichen Größe, feine Resignation, Diefe ewige Macht des materiell Ohnmachtigen. Die Religion ist nie aus seinem Herzen gewichen, hat nie aufgehört, die ges funden Thelle dieses Herzens gegen die Angriffe des Feindes zu vertheidigen. Durch seine Religion ist der Irländer im Schoße der drgsten Unterdrückung ein freier Mensch geblieben.

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Belgien.

Lüttich und seine Denkmäler. *)

Unter den Nachfolgern Notger's vergrößerte sich Lüttich immer mehr; Baldrik legte, wie die Chronik erzählt, den Grunds. stein zur Kirche des heiligen Jakob an einem wüsten und unbes bauten Orte, der so voll wilder Thiere und so gefährlich war, daß die Arbeiter sich gar nicht an den Bau des neuen Gottes hauses wagten; Reginard ließ eine steinerne Brücke über die Maas erbauen, die den Namen Pont des Arches erhielt; auch die Stirche St. Barthelemy stammt aus demselben Jahrhuns dert her.

Die Herrschaft ausgezeichneter Bischöfe, von welchen seh rere der Nachwelt sehr merkwürdige literarische Produkte hinters ließen, war für Lüttich in jener Zeit von großem Vortheil, weil - seine Schulen dadurch sehr gehoben wurden. Von diesen vors züglichen Männern wollen wir nur Wazon nennen, der für die Stadt fast eben so viel wie Notger that, weil er, wie dieser, fid ohne Unterlaß mit Lüttichs Verschönerung und Vergrößerung bes schäftigte. Hauptsächlich trug er Sorge für die Errichtung guter Schulen, denn bevor er zur bischöflichen Würde gelangte, hatte er selbst mit so großem Erfolg Unterricht ertheilt, daß aus den umliegenden Gegenden Alles zu feinen Stunden herbeifströmte. Seine Uneigennüßigkeit ging so weit, daß er nicht allein das zurückwies, was ihm die Dankbarkeit der Studirenden darbot, fondern auch die Bedürftigen noch mit dem Nöthigen unterstüßté. Alestan, Francon, der Papst Stephan IX., Adelman und Alger, die berühmten Gegner des Keberhauptes Berengar, und Gau sechin sind einige der Zierden der Lütticher Schulen im Mittels alter.

Aus dem Briefwechsel des Lehteren schöpfen wir eine inters effante Beschreibung des Anblicks, den Lüttich im eilsten Jahr hundert darbor: Die Stadt“, fagt er,„,,erhebt sich an der Abendfeite, auf dem fanften Abhang mehrerer Hügel, die wie vereinzelt dastehen und unter einander keine Verbindung zu haben scheinen. Auf dem aus zwei Abfäßen bestehenden und leicht zuù ersteigenden Berg, welcher den Namen Publemont (der St. Mars tinsberg) führt, befinden sich vier Häufer oder Gesellschaften von Ordensgeiftlichen des heiligen Peter, des heiligen Kreuzes, des heiligen Martin und des heiligen Lorenz. Die ganze Höhe hat zwölf Abfäße, und die Stadt Lüttich gleicht der Henne, die ihre Küchlein um sich versammelt; so wie diese, schüßt, wärmt und ernährt sie ihre Bürger. Von welcher Seite man auch unsere Vorstädte betrachte, immer blickt man mit Vergnügen auf die Menge von Gärten, deren Gewächse einen gefunden und ange nehmen Duft verbreiten. Die mit Frachibäumen angefüllten Garten find wahre Lustgehölze, die der Weinstock noch mehr verschönt.“

Die Einrichtung des berühmten Friedens Tribunales im Jahre 1088, dem die Herzoge von Bouillon, von den Ardennen und von Limburg, die Grafen von Luremburg, Lóöz, Löwen, Viane, Salm, Juliers, Geldern, Namur, vom Hennegau, von Montaigu, Moha und Clermont und andere mächtige Herren unterworfen waren, ist eine Probe des gewaltigen Einflusses, den die Fürsten von Läntich damals ausübten. In der That was ren die Lünicher Bischöfe die Oberrichter dieses höchsten Gerichtss hofes. Auf ihren Stühlen im Ornate sißend, umgeben von dein Ober Bürgermeister und einigen Vasallen, hielten fe ihre Sisuns gen, mit Ausnahme des Sonnabends, in der Kirche unserer Frauen vom Quell. Sie sprachen hier besonders Recht in Klas gen über Raub, Gewalt, Mord, öffentlichen Diebstahl, Feuers, brünste, Bruch des Waffenstillstandes und dergleichen mehr.

Alle Einwohner des Kirchsprengels, mit Ausnahme der Geists lichkeit von Lüttich und der Fürsten, die zur Errichtung dieses Tribunales mitgewirkt hatten, waren demselben unterworfen und mußten die Richtersprüche desselben befolgen. Wer sich nicht auf die siebente Vorladung stellte, wurde beim Klang der Glocke får ehrlos erklärt, verbanne und erkommunizirt. Man gestattete jedoch dem Angeklagten nach der damaligen Sitte die Wahl des Zweikampfes; wer seinen Gegner besiegte, wurde får unschuldig

erflärt.

In Lattich fand der unglückliche Heinrich IV. eine Zuflucht gegen die Bannstrahlen des Vatikans und die Verfolgungen feines unwürdigen Sohnes. Dieser Kaiser ließ den Umkreis der Stadt vergrößern und den Grund zu den Wällen nach der Seite von St. Walburge und St. Barthelemi legen; sie wurden jedoch erst 1213, kurze Zeit vor der berühmten Schlacht von Steppes, vollendet.

Im Jahre 1124 bestand, wie die Chronik erzählt, in Lüttich ein Gefeß unter dem Namen des Gejeges der tödten Hand, kraft dessen sich der Grundherr beix Tode eines Familienhauptes des besten Hausgeräths bemächtigte. Als nun der Bischof Albes ron I., feiner Gewohnheit gemás, eines Nachts an den Thüren einer Kirche sein Gebet verrichten wollte, hörte er ein armes Weib, das trostlos weinte und unter Thränen mit erstickter Stimme austief: Ist es denn noch nicht Unglücks genug, daß ich meis nen Mann verloren habe, muß auch noch der Bischof kommen and mir das einzige Bett rauben, das ich für meine Kinder befibe!" Lages darauf ließ fic Alberon den Grund jener Slage erfldren, und da er die Ungerechtigkeit eines solchen Verfahrens einjah, so befreite er Stadt und Land davon. Von daher schreibt

E. Nr. 75 des Magazins.

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