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August: Abgerissene Gedanken der Grdfin Blessington. Capitain Marryat und die Nord Amerikaner. Heilkraft der Musik. Aehnlichkeit zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten. Savigny und Ranke in Frankreich. Rasches Leben der Amerikaner. Literarisches aus London. Republikanische Courtoisie eines Theater Direktors. Don Juan und die Zaubers Alote in der ersten Französischen Bearbeitung. - Schwierigkeit der Uebersehung musikalischer Terte. Merikanische Mumien. Die Holländische Literatur. Ein Russischer Winterabend. Die Pariser musikalische Zeitung. Ein zweiter Wilhelm Tell. Dante und die katholische Philosophie des dreizehnten Jahrhuns derts. Kunstdenkmale zu Ehren der Könige Mieczysław und Boleslaw. Amerikanische Betriebsamkeit. Italiänische Ges schichtsforschung. Polnische Kanzelredner.

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November: Angelsächsische Literatur. -Romantische Schlöffer in Frankreich. Neue Theorie von Sonne, Mond und Erde. In Sachen des internationalen Nachdrucks. Melanchthon in Frankreich. Geselliges Leben in Deutschland. Italianische Conversations Lerika. Ein Urtheil über Russische Fabrikwaaren. Calderon und der Nachdruck. Strauß und der Holländische Buchhandel. - Der Kampf um die Sylphide. Zwei neue Englische Schauspiele. Komprimirter Torf. Das Leben einer vom Glück begünstigten Frau. Wissenschaftliche Vereine in London. Dramatische Musik in England. Die Schule für das Studium mittelalterlicher Handschriften in Frankecich. Bais tel's Völkerrecht.

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vierteljährlich, 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie.

No 78.

für die

Expedition (Friedrichs-Straße
Nr. 72); in der Provinz so
wie im Auslande bei den
Wohlöbl. Peft - Aemtern.

Literatur des Auslandes.

Berlin, Montag den 1. Juli

Frankreich.

Das Polignacsche Ministerium und die Kammern.

Nach der Histoire de la Révolution de 1830. ")

In der ersten Zeit seiner Wirksamkeit verrieth das Ministerium nicht im Geringsten die Absicht, irgend einen Gewaltstreich auss zuüben. Vielmehr zeigte die Thätigkeit der verschiedenen Depars tements eine Tendenz, Verbesserungen einzufähren. Eine Ordon nanz hatte ein neues Verzeichniß der Militair Pensionen für die Land Armee festgestellt, nach welchem man sich seit langer Zeit gefehnt hatte. Eine andere Ordonnanz vereinigte die beiden General Conseils des Handels und der Manufakturen in ein eins siges, gab den Privilegien dieses Conseils eine größere Ausdeh nung und ordnete zugleich den Wahl, Modus ihrer Mitglieder. Und kaum war Herr von Guernon Ranville Minister des öffenes lichen Unterrichts geworden, als er in allen Gemeinden des Königs reiches Elementarschulen einführte und Hülfsquellen schuf, um die Verbreitung des Unterrichts zu fördern. Gleichzeitig lieferte Herr von Chabrol eine Darstellung der finanziellen Lage Frank reichs, in welcher er die finanzielle Verwaltung seit der Restaus ration mit großer Klarheit schilderte.

In keinem Regierungs- Akte zeigte sich ein unlauterer Zweck, vielmehr war das Streben nach materiellen Verbesserungen des Landes vorherrschend; ja, das Ministerium schien sich eifrig zu bemühen, durch Konzessionen dem moralischen Tadel, welchen man ihm bei seiner Entstehung gemacht hatte, alle Geltung zu nehmen. Alle Wahlen des Herrn von Polignac zu den Ams bassaden waren in ziemlich liberalem Sinne. Herr von Lavals Montmorency folgte ihm selbst am Londoner Hofe, Herr von Rayneval ging nach Wien, und Herr von La Ferronans wurde Gesandter in Rom.

Worin lag nun der Grund jener Besorgnisse, die dieses Ministerium einflößte? Frankreich fürchtete die Namen seiner Mitglieder. Nach einer solchen Geschichte, wie sie das Franzó fische Volk durchlebt hatte, gab es leinen alten Namen, dessen Klang nicht an Ruhm oder Schmach, an Despotismus oder Freiheit erinnerte. Der Name Polignac weckte das Andenken an so manches merkwardige Wort, an so manche Handlung, welche den constitutionnellen Prinzipien entgegenstreble. Nach folchen Erinnerungen erwartete man ein dhnisches Verfahren. Die Minister aber waren nach dieser Seite hin unthätig.

1839.

verbrecherisch, die Wahlen als aufrührerisch, die Königlichen Gerichtshöfe in offenbarer Revolution, die Magistrats Personen als Frondeurs. Es wurden solche Schritte vom Ministerium nur schwach desavouirt; man schenkte ihnen in den vertraulichen Zire keln der Minister Beifall, und seitdem glaubte man, mit Recht oder Unrecht, daß jene Doktrinen der Grundgedanke des Kabinets waren und, wenn es sie nicht realisirte, ihm noch nicht die rechte Zeit gekommen zu seyn schiene. Die Opposition erblickte in dem früheren Ministerium, dem Ministerium Martignac, das Prinzip der legalen Ordnung, unter der Leitung der öffentlichen Kritik; in dem gegenwärtigen das Prinzip der Contrerevolution, die ihre Stüße in einer Faction finde, welche, feit vierzig Jahren besiegt, das alte Regime zurückführen wolle.

Als das Ministerium sah, wohin die Schriften feiner Ans hånger führten, trat die Regierung den Anschuldigungen der Opposition offisiell mit absolutem Widerspruch entgegen; sie bes Plagte sich darüber, daß man ihr strafbare Absichten unterlege, ohne ihr irgend eine Handlung nachweisen zu können, welche zu solcher verhaßten Annahme berechtigte; fie bezeichnete die Angriffe der Presse als einen ruchlosen Krieg, der selbst den Thron bes drohe, die freie Ausübung der Königlichen Prärogative in Frage stelle und die Ruhe und das Glück des Landes gefährde.,,Aber troß dieses aufrührerischen Geschreis", sagt die Regierung im Moniteur,,,werden die Minister nicht weichen von der Bahn, welche ihnen Ehre und Pflicht vorzeichnen; sie werden sich des Fürsten würdig zeigen, der sie erloren hat; sie kennen seinen un erschütterlichen Willen, die durch seinen erhabenen Bruder ges währten Institutionen zu befestigen. Die Charte ist für Frank reich ein Pfand des Friedens, und für das Haus Bourbon ein Denkmal des Ruhms: die Minister werden die Freiheiten bes festigen, welche sie heiligt; sie werden den Rechten der Krone Achtung zu verschaffen wissen."

Daß man solchen Worten keinen vollen Glauben schenkte, daran waren besonders die ministeriellen Blätter selbst Schuld. Wenn die liberale Opposition auf die Adresse der Deputirtens Kammer hinwies, welche das Prinzip der Freiheit und Legitimitat stüßen und Frankreichs Widerwillen gegen das gegenwärtige Ministerium aussprechen würde, so antworteten fene Blätter: ,,Laßt sie nur kommen; der König wird sie zur Seite legen, fich nicht um fie lammern; die Minister werden nichtsdestoweniger ihre Bahn gehen; sie sind nicht die Leute, welche sich zurückziehen, sobald man sie darum gebeten haben wird." Eine solche Ants wort fonnte nur reizen; fie war eine Antwort auf Alles, selbst auf die feierlichste Erklärung des Landes; sie enthielt den Sturz der Monarchie.

Leider war hinsichtlich der Reprdsentativ: Verfassung der König Karl X. von ähnlichen Ansichten durchdrungen. Er wollte herrschen. Als eines Tages ein Minister ihn von der Nothwens digkeit, eine Majorität in der Kammer zu haben, überzeugen wollte und ihm sagte:,,Em. Majestät müssen wissen, daß dies in England auch Praris ist", erwiederte lebhaft der König:

macht, hier aber der König die Kammern."

Diese Unthätigkeit unterdrückte jedoch nicht die Gährung in den Gemüthern. Man überredete sich, daß sie nur gewaltsame Entwürfe verschleiern sollte. Das öffentliche Mißtrauen ward in dieser Hinsicht durch Schriften gesteigert, welche der Königlichen Autoritet den weitesten Umfang gaben, welche ein absolutes Königthum_forderten. Im Falle eines Widerstandes gegen die Plane der Krone predigte man eine Ausdehnung des 14ten Artikels der Charte, welcher dem Könige das Recht gab, die zur Vollziehung der Gefeße und zur Sicherheit des Staats nöthigen,,Freilich, aber in England haben die Kammern den König ges Verfügungen und Verordnungen zu erlassen. Man schob diesem Artikel die Bedeutung unter, daß das Staats- Oberhaupt, die Sicherheit des Staates får gefährdet haltend, das Recht habe, zu illegalen Maßregeln seine Zuflucht zu nehmen. Solchen Doktrinen huldigten vorzüglich die Quotidienne" und die Gazette de France", welche beide für Organe der royalistischen Meinung galten, beide von der Nothwendigkeit redeten, die Feinde des Königthums zu schwächen, beide die Möglichkeit auss sprachen, einen legitimen Staatsstreich auszuführen, um die Vers faffung aufrecht zu erhalten. Außer diesen Blättern, denen_sich noch der Universel" anschloß, traten damals mit derselben Ten denz zwei Broschüren ans Licht; die eine, von einem Herrn Cottu verfaßt, forderte, im Sinne des Fürsten Polignac, eine Umges staltung der öffentlichen Angelegenheiten durch Ordonnanz, eine Rückkehr zu der konstituirenden Gewalt, welche, wie man sagte, dem Königthume anhafte. Die zweite Broschire, welche einen Herrn Madrolle als ihren Urheber nannte, griff mit aller heftigs Peit das constitutionnelle Gebäude an, schilderte die Presse als

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*). Nr. 45 des „Magazins", wo wir das erste Kavitel dieses Werkes mitgetheilt haben. Gegenwärtige Auszüge find nach dem zweiten Kapitel bearbeitet.

Unterdessen hatten in dem Zwischenraume der beiden Kammers Seffionen einzelne Wahlen stattgefunden. Unter mehreren zu wih.. lenden Deputirten hatten fünf ministerielle Kandidaten den Sieg davongetragen, zu Albi, Laval, Marseille, Nantes und Issengeaur. Zu den beiden leßten Städten wurden zwei Organe der royas listischen Meinung gewählt, Dudon und Berryer der Jüngere. Aber eine merkliche Niederlage erlitt die Regierung zu Bors deaur, wo Bosc sich wählen ließ, als Ersaß für Herrn RavezBei dieser Gelegenheit fielen tumultuarische Auftritte vor. Ras vez, vor kurzem zu Bordeaur noch so populair, erfuhr einige Mikhandlungen. Betroffen über eine so gewaltige Reaction, rief er aus:,,Das ist keine Krise, sondern ein Brand in dem polis tischen Körper."

Zu den Elementen der öffentlichen Aufregung fügte der strenge Winter von 1830 noch das Elend der arbeitenden Klasse hinzu. Bei dieser Gelegenheit zeichnete sich die Königliche Fas milie durch ihre Wohlthätigkeit aus, welche eine ihrer charakter ristischen Tugenden ist. Der erste Januar dieses Jahres sah dem Hofe viele pflichtgemäße Glückwünsche darbringen, welche indessen die Menge nicht mehr tduschen. Unter diesen Gratulationen zeichnet sich besonders eine aus, sowohl durch den Charakter,

welchen der huldigende Redner seinen Worten leiht, als durch die Antwort Karl's X. Es war der Glückwunsch, welchen, an der Spiße einer Deputation des Königlichen Gerichtshofes, dessen Präsident, Herr Seguier, darbrachte. Nachdem dieser von den Verdiensten gesprochen hat, welche die Vorfahren Karl's X. sic um das Land erworben, fährt er fort: Ludwig XVIII. hat durch die Gewährung der Charte das vollendet, was Ludwig XVI. zu vollführen gedachte, was seine Vorfahren, nach den Fortschritten der Menschen und der Zeiten, entworfen hatten. Ew. Majestät wird diese Wohlthat befestigen; wäre die Freiheit in Gefahr, so würde sie bei dem Thron ein Asyl finden; die Freiheit ist eine Freundin der Ordnung und den Gefeßen unterthan; sie wird nicht durch die Gewalt der Regierung bedroht. Diese allein schuf jene Freiheit, Pann allein jie nur leiten und aufrecht erhalten; ihre Feinde find die, welche sie irre führen; ihre Gefahren be ruhen in ihrem Uebermaß." Der König, noch voll der Erinner rung an die jüngst erfolgte Freisprechung des angeklagten Jour nal des Débats, forderte in seiner Antwort die Magistratspersonen auf, ihre wichtigen Pflichten als Richter nie zu vergessen und fich des Zutrauens würdig zu machen, welches ihnen ihr König bewiesen hatte.“ Als diese Deputation auch der Dauphine ihre Huldigung darbringen will, zeigt diese ihre Ungeduld durch eine Bewegung ihres Fächers und begnügt sich, zu sagen:,,Passez". Ein unvorsichtiges Wort, an jene Beweise von Unzufriedenheit erinnernd, welche die Fürsten der älteren Französischen Monarchie den Gerichtshöfen zu erkennen gaben, die sich ihrem Willen nicht beugen wollten.

Schon längst hatte das Publikum der Ordonnanz im Moniteur enigegengesehen, welche das Zusammentreten der Kammern anzeigen würde. Das Zögern dieser Ankündigung wurde dem Ministerium als Mangel an Muth ausgelegt, vor die Kammern zu treten, aus deren Minoritat es hervorgegangen wäre. Diese Zusammenberufung sen, sagte die Opposition, das Todesurtheil des Ministeriums, welches in der Gegenwart der Kammern alles das verlieren müßte, wodurch es sich bisher gehalten hätte: sein Schweigen und seine Unthätigkeit; hier müßten die Minister ihre politischen Grundsche aussprechen, die nur ihren Sturz herbeis führen könnten. Wie die dreißig Tyranken in Ather durch Lysans der's Hülfe emporgelommen seyen, so auch die gegenwärtigen Minister durch Hülfe eines fremden Lysander (Wellington). Diese hatten Frankreich aus einem künftigen Gebieter Europa's zu einem Lehnstaate von England gemacht. Der Fürst Polignac habe aus den Händen Wellington's die Wahl des Herzogs von Sachsen-Koburg zum Könige von Griechenland als eine schon bestimmte angenommen, obwohl Rußland die Wahl an Frank reich überlassen habe. Ja, das Journal des Débats geht so weit, den Franzosen dasselbe zuzurufen, was Lyfias den Athenern zus rief, als er die dreißig Tyrannen anklagte:,,Bürger, ihr habt gesehen, ihr habt gehört, ihr habt gelitten, ihr seyd Herren. Urtheilet. Denn die Minister wollen den König vom Volke trennen, an die Stelle der Majorität den König sehen: der Ko nig ist die Majorität. Daher verweigert das Budget; diese Ges gerechtigkeit fordern nicht die Franzosen, sondern die Politik." Vor die Kammern gestellt, fuhr die Opposition fort,,,würde sich das Ministerium mild und nachgiebig zeigen, nur Worte des Friedens und der Freiheit verkünden, würde sich hüten, ein neues Wahlgesez vorzuschlagen oder ein neues Gefeß, um der Presse ihre Kraft zu benehmen; sie fürchtete, daß die Kammern nur bes rufen würden, um das Budget allein zu votiren."

Als endlich die erwartete Ordonnanz am 7. Januar im Moniteur erschien, welche aber erst auf den 2. März die Kams mern berief, so glaubte man jene Besorgnisse gerechtfertigt, nas mentlich, daß aus Mangel an Zeit das Budget nicht gehörig diskutirt werden möchte.

Das Ministerium mochte deshalb die Versammlung der Kammern so weit hinausgeschoben haben, um in der Zwischens aeit sich die Unterstüßung mancher Mitglieder aus verschiedenen Parteien zu gewinnen. Jenes suchte sich allen Parteien zu nähern. Die feinen Manieren des Fürsten Polignac riefen in das Mi nisterium des Auswärtigen Deputirte von verschiedenen Parteien. Herr von Courvoister erneuerte seine alten Beziehungen zu dem linken Centrum, fand aber nur Weigerungen. Herr von Chabrol hatte sich gleichfalls an Mitglieder des rechten Centrums ges wandt, an Roy und Martignac, um die Verwaltung in größere Harmonie mit der Krone zu bringen. Auch den Herren Delalot, Pasquier, selbst Decazes, wurden Vorschläge gemacht; aber alle dieje Versuche scheiterten, weil es zu spát war Die Restauration hatte sich in folche Gefahr begeben, daß Niemand mehr ihrem Geschicke fich anschließen wollte. Der größere Theil war so von der Idee des Widerstandes durchdrungen, daß jein Sieg nicht Lange zweifelhaft bleiben konnte. Die Presse war aus der Ans klage des Ministeriums gegen ihre heftigen Angriffe siegreich hervorgegangen; das Journal des Débats war in alle seine Rechte wieder eingefeßt. Was vermochten gegen feine energische Thätig keit drei oder sechs Monate Gefängnisstrafe, mit der einige fei ner Mitarbeiter belegt wurden? Ueberall erfcholl derselbe Ruf. Der Königliche Gerichtshof in Paris hatte durch sein Urtheil ein großes Prinzip festgestellt, daß die Steuern nicht anders erhoben werden konnten, als wenn fie legaliter verwilligt waren. Das Land nahm so seine Maßregeln; überall war man auf den Fall einer plößlichen Auflösung vorbereitet.

Jumitten dieses allgemeinen Widerstandes erwog die unglaub liche Gutmuthigkeit des Fürsten Polignac nicht seine Lage; viels

Ministeriums war, den neuen Kammern nur Geseße von unbes streitbarem Nußen vorzulegen und ihnen wichtige Reductionen im Budget vorzuschlagen. Freilich war auch kein Zweifel, daß man früh oder spát eine Veränderung des leßten Preßgefeßes, das die Censur abgeschafft hatte, und den Vorschlag eines neuen Wahls gefeßes versuchen würde. Andere Plane hatte außerdem Herr von Polignac noch im Sinne. Er beabsichtigte, durch Aufhebung des doppelten Votums der Wahler und der Wahl der Deputirten auf sieben Jahre ganz genau in die Schranken der Charte zurücks zutehren, außerdem das Alter der Wahlbarkeit auf das 25fte Les bensjahr zurückzuführen. Diesen Plan theilte er mehreren Des putirten mit, namentlich dem Deputirten Ternaur. Durch diese Mittel hoffte er, im Stillen eine völlige Umgestaltung bes Wahlgefeßes zu erwirken, aber auch eine hinreichende Majos ritat in der Kammer zu erhalten, um ohne Veränderung das Ende der Session erreichen zu können, eine Epoche, in der das Zusammenwirken einer homogenen und ergebenen Verwaltung, der Ruhm der Französischen Waffen, den diese in Afrika davons tragen würden, und vielleicht gelungene Veränderungen in der Gefeßgebung ohne großen Nachtheil den kähnen Schritt zu neuen Wahlen gestatten würden.

So die Pláne des Ministeriums. Ein Ereigniß, das die Geschichte dem Nachdenken der Staatsmänner nicht genug em pfehlen kann, zerstörte die Dekonomie dieses Planas.

Die neue Kammer trat fast unter denselben Verhältnissen und mit denselben Ideen, wie die früheren, zusammen. Doch entdeckte man in ihr einige Kapazitäten. An der Spise den juns gen Berryer, zu Puy unter dem Schuße des Herrn von Polignac erwählt, ein glänzendes Talent. Sohn eines ausgezeichneten und geachteten Rechtskundigen, hatte Berryer als Advokat nur glans gende Erfolge gehabt und entäußerte sich auf der Rednerbühne jener Formen, welche nur zu oft den ausgezeichneten Redner vor dem Richterstuhle begleiten. Sein Eifer hatte sich vorzüglich in der Vertheidigung verschiedener Individuen beurkundet, gegen welche politische Anklagen erhoben waren, und in der Vertheidis gung der Freiheit der Preffe. Eine ziemlich lebhafte Neigung sum Vergnügen hatte der Entwickelung seines reichen und höher strebenden Talentes nicht geschadet., Seine ersten Worte auf der Tribüne, welche nach einem Ausdrucke von Royer Collard eine parlamentarische Macht erweckten, wurden mit lebhaftem Beifalle aufgenommen.

Dudon hatte zu Nantes triumphirt; ein trauriger ministerieller Kandidat, ein offenbarer Repräsentant der unglücklichen. Richtung der Regierung.

Bugleich war Guizot durch das Kollegium zu Lisieur ers wdhit; der Professor hatte den Sieg über den Minister des öffents lichen Unterrichts errungen. Zum ersten Male erschien er in der Kammer. Wenn man von einem Studium zu sehr eingenommen ist, so erzeugt sich gar leicht eine gewisse Weise der Anschauung und des Urtheils über die Ereignisse, welches sie der Ansicht nähert, die man sich einmal gebildet hat. Das Sinnbild von 1688 trat stets entgegen; man suchte es überall, mitten in Ereignissen, welche sich von dem Englischen unterscheiden, und bei einem Volke, welches dasselbe wohl sie gewollt hat. Uebrigens wurde die Wahl des Herrn Guizot von der doctrinairen Partei als ein Sieg betrachtet; feine Bewerbung wurde durch den Temps und das Journal des Débats vorzugsweise unterstüßt.

So wuchs die Opposition, schloß sich enger an einander, bes sonders durch die Bande eines gemeinschaftlichen Zweckes. Freis lich unterschied sich diese in ihren einzelnen Schattirungen. Die Partei der Defection huldigte nicht denselben Prinzipien, wie das linke Centrum, und dieses wiederum nicht denen seiner dußers sten rechten Seite. Diese hatte das Ministerium getduscht, hatte mit dem rechten Centrum Unterhandlungen angeknüpft, das feine Beistimmung aussprach. Gleichwohl war hiervon ein kleiner Kern ausgenommen, der sich um Herrn von Martignac sammelte. Die Partei der Defection hatte auf jeden Vergleich verzichtet, weil ein solcher nur Verdruß über verlorene Stellungen erzeugte. Das linke Centrum bildete eine eben so kompakte Masse, mit Ausnahme von zwei bis drei Vereinigungen, welche durch feine rühmliche Mittel erworben waren. Uebrigens lösen Majoritdien fich nicht so leicht auf. Wenn eine Partei unter Männern von Fähigkeit sich vollkommen ausbilder, so möchte eine schwache Re gierung sie nicht auflösen können. Hatte das Minifterium eine Ahnung von diesen Schattirungen gehabt, welche die Majoritat theilten, so würde es auch eingesehen haben, daß diese Nuancen awar begründet waren, aber auch dasselbe Bedürfniß fühlten, das Bedürfniß, sich einer Verwaltung zu entledigen, welche schwer auf dem Lande lastete.

Blicken wir in das Innere des Ministeriums. Nicht alle Minister seßten in das Glück des Fürsten Polignac daffelbe Ver trauen. Der einfache gesunde Menschenverstand belehrte sie, daß, in Ermangelung der Majoritet in der Kammer, fie zu ge waltsamen Schritten, zu Staatsstreichen, würden genöthigt seyn. Guernon Ranville legte hiervon Rechenschaft in einer Note ab, welche er am 15ten Dezember 1829 an den Fürsten Polignac richtete.,,Am Vorabend eines so ungleichen Kampfes zwischen dem Ministerium und den Kammern", schreibt Jener,,,können mehrere Maßregeln ergriffen werden. Jedoch die eine, welche nach dem Glauben der Opposition in den Planen des Ministeriums liegt, welche nach Gerüchten von der Ausführung eines Staatss streiches gleichsam erwartet wird, welche endlich nach dem lebs haften Wunsche einiger unvorsichtiger Royalisten von der Regie:

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Auflösung der Kammer, einer Zusammenberufung einer neuen, in der Umwandlung des Wahlgefeßes auf dem Wege der Ordons nanz, in der Aufhebung der Presfreiheit und in der Wiederhers Stellung der Censur bestehen. Ich weiß nicht, ob ein solcher Schritt die Monarchie retten würde, aber es würde ein äußerst gewaltsamer Staatsstreich seyn, eine offenbare Verlegung des 35ften Artikels der Charte, eine Verlegung des Eides. Ein solcher Entschluß kann weder dem Könige, noch gewissenhaften Ministern zusagen. Von einer anderen Seite wurde eine solche Maßregel nicht hinreichend motivirt feyn. Die liberalen Journale bedrohen uns zwar mit einer sehr feindlichen Opposition, aber diese Jours nale sind nicht die anerkannten Organe der Kammern. Andere fordern uns zu diesem dußersten Mutel auf; die Revolution drohe Alles umzustürzen, wenn wir uns nicht beeilten, sie zu fesseln. Die Gefahr scheint mir jedoch nicht so drohend; ich hege wenig Vertrauen zu Mannern, die ohne Beruf den Staat lenken wollen. Vielleicht möchten einst die, welche uns gegenwärtig zu so ges waltsamen Schritten dringen, sich unseren Feinden anschließen, um von uns Rechenschaft zu fordern, wenn der Erfolg ihren Ers wartungen nicht entsprechen sollte, möchten uns vorwerfen, daß wir so eitlem Schrecken nachgegeben haben, anstatt zu erwar ten, daß diese Kammer, welche sich so feindselig ankündigt, durch ihre Handlungen sich ausspreche."

Unmöglich fonnte man glauben, daß die Herren Courvoisier und Chabrol sich einem Systeme anschließen würden, welches das Land zerrütten und die öffentlichen Freiheiten erschüttern würde. Jedoch die Thronrede sollte der Ausdruck dieser schwierigen Lage seyn; in welchem Sinne sollte sie abgefaßt seyn? sollte fie Drohungen enthalten, um die Kammer zu schrecken? Das Mi nisterium neigte sich zur Mäßigung. Aber außerhalb des Conseils leitete eine geheime Macht den König. Die fromme Umgebung des Königs trieb ihn zu Gewaltstreichen. Der Dauphin, die Dauphine und selbst der Herzog von Orleans, wie man erzählt, bei den feltenes und geheimen Gelegenheiten, in welchen Karl X. mit ihm von Staats-Angelegenheiten sprach, bewogen ihn, sich als König zu zeigen.,,Das müßte mit der Revolution endigen", rief diese kleine Camarilla, welche den alten König umgab und auf die der Päpstliche Nuntius allmatig Einfluß gewann. Man wollte, man duldete keinen Widerstand mehr. In diesem Sinne hatte der König am ersten Januar den Königlichen Gerichtshof zur Pflicht ermahnt, hatte die Dauphine das unvergeßliche Wort: Passez gesprochen.

In diese Epoche fällt auch die Ernennung von sieben Pairs: keine Beförderung aus politischen Gründen, sondern eine Erfüls lung alter Zusagen; allein da sie auch Männer traf von absolutistis scher Gesinnung, so mochte sie, namentlich kurz vor dem Zusams mentreten der Kammern, nicht günstig auf die Gemüther wirken, Beugnot hatte seit den frühesten Zeiten der Restauration Anspruch auf diese Würde, konnte sie jedoch unter Ludwig XVIII. nicht ers langen; für die Annahme der Präsidentschaft des Handelsbüreau belohnte man ihn gegenwärtig mit der Pairie. Man gab ihm diese Stellung, um das Wort zu führen; denn Niemand besak in einem höheren Grade dieses Talent, Aundherungen einzuleiten und die Meinungen, welche durch Konzessionen getrennt waren, zu schattiren. Herr von Vitrolles, seit langer Zeit als ein erklärs ter Anhänger der unumschränkten Königlichen Gewalt bekannt, hatte ebenfalls das Königliche Wort für die Pairie. Bis dahin war er durch Hrn. v. Villèle von jeder politischen und parlamens tarischen Stellung entfernt gehalten worden; der frühere Conseils Präsident hatte ihn nach Florenz verbannt. Herr von Vitrolles war gleichfalls ein geschickter Unterhändler zwischen Menschen und Parteien.

Uebrigens war diese Erhebung, um die Majoritt zu ges winnen, nicht nöthig. Das System des 8. August fand ohne blinde Zuneigung cifrige Anhänger in der Pairskammer, so daß sie keinen drohenden Widerstand erheben konnte. Das Ministe rium suchte die alte kardinalistische Partei an sich zu ziehen und übertrug, um sich ihrer zu sichern, die vakante Kanzlerwürde dem Herrn von Pastoret, welchem fie vorlängst verheißen war. Herr von Pastoret war keine Verstärkung, aber er übte einen gewissen Einfluß auf die neutralen Meinungen der Pairie.

Je nachdem die Sißung näher heranrückte, wuchs die Kraft der Majoritát. Man glaubte fogar einmal, daß Herr Roy in Gegenwart der Kammer mit der Bildung eines neuen Ministes riums beauftragt ware; jedoch diesem war nicht so, und das Minis sterium entschied sich, die Session abzuwarten. Zunächst mußte man sich mit der Thronrede beschäftigen. Nach dem Gebrauche verfaßte jeder Minister den Theil, welcher sein Ministerium an ging, und eine schließliche Redaction übernahm Courvoisier, wels cher mit einiger Gewandtheit schrieb. Der legte Theil der Throns rede jedoch wurde nicht durch die Minister verfaßt, sondern war gleichsam auf Befehl niedergeschrieben. Er kam von dem Cos mité des Innern, welches ein wenig mehr, als die Minister regierte. Man wandte keine andere Mittel an, als Drohung, um den politischen Zorn der Kammer zu dämpfen; man rechnete nicht nur auf die Worte der Thronrede, sondern auch auf den Festen und hellen Accent, mit welcher sie gesprochen wurde. Der König ließ sie sich zwei Tage vor der Eröffnung der Kammern geben, um sie mit lauter Stimme zu lesen und sie seinem Ges dachtnisse einzuprägen.

Die Deputirten strömten nach Paris. Man sah wohl, daß der Kampf entscheidend seyn würde und alle nicht zu fern stehende Parteien sich gendhert hatten, um ihn mit dem Ministerium durchs sufechten, die Einen mit Gewalt, die Anderen mit Vorsicht und

mit der Bewahrung der schicklichen Formen; über die Wahl der Personen verstand man sich vollkommen. Die linke Seite, das linke Centrum und die Partei der Defection waren über ihre Kandidaten einig.

Uebrigens stellten die Thronrede und die ihr folgende Adresse nicht nur den persönlichen Kampf zweier feindlicher Meinungen dar, sondern große Prinzipien in offenbarer Feindseligkeit gegen einander. Auf der einen Seite die Königliche Souveraineidt, auf der anderen die parlamentarische. Dieser Gesichtspunkt leiht der gegenwärtigen Diskussion ein besonderes Interesse einer Ges schichte der Repräsentativ; Verfassung.

Peter der Große in Frankreich.

Schon unter Ludwig XIV. hatte Peter der Große gewünscht, Frankreich kennen zu lernen; aber der König war nicht sehr ge neigt, in seinen alten, forgenvollen Tagen, wo sein Ruhm schon au erbleichen anfing, einen Souverain zu empfangen, der weit aus dem Norden herkam, um sich die Herrlichkeiten, die man ihm von dem Hofe des großen Königs erzählt, in der Nähe ans zusehen. Im Jahre 1717 aber war Ludwig XIV. todt, Ludwig XV. war noch Kind, der Regent liebte den Glanz und die Repräsen tation, und überdies hatte der Zaar einen seit Ludwig XIV. beis spiellojen Ruhm von einem Ende Europa's bis zu den fernsten Gränzen Asiens; diesmal follte sein Wunsch in Erfüllung gehen. Nachdem er Holland, Deutschland und England besucht, konnte seiner Reise nach Frankreich, dessen Vorrang unter den civilisirs ten Nationen damals unbestrittener war als jeßt, kein ernstes Hinderniß mehr entgegenstehen.

Zum ersten Male vielleicht verließ ein Monarch seine fernen Staaten, nicht um zu sehen und sich sehen zu lassen, sondern um die Künste zu lernen, die zur Beförderung des Handels und der Schifffahrt nothwendig sind, jener beiden großen, fegensreichen Leidenschaften, die den Gründer des Russischen Reichs erfüllten.

Dunkirchen war der Hafen, wo Peter 1. am 21. Mai 1717, von seinem Gefolge begleitet, ans Land stieg. Um ihn würdig zu empfangen, hatte der Regent Bagage-Wagen, eine große Zahl von Karroffen, die reichsten Equipagen des Königs, mit dem Befehl, dem Zaar wie dem Könige selbst zu dienen, zu seiner Disposition gestellt. Der Marquis von Neele kam in Calais zu ihm, um die Honneurs der Reise bis Beaumont zu machen; von da aus sollte ihn der Marschall von Tessé nach Paris begleiten. Diese Beweise der Ehrerbietung schienen dem Zaar ganz natúrs lich, und während seines ganzen Aufenthalts in der Hauptstadt zeigte er niemals Verwunderung über das strenge Ceremoniell, das man gegen ihn beobachtete.

,,Dieser Fürst", sagt ein historischer Bericht, der dem Zaar felbst gewidmet und von dem Verfasser des neuen Mercure François geschrieben ist,,,kam zwischen neun und zehn Uhr des Abends nach Paris, als der König schon zu Bette war. Er war überrascht, die Straßen Saint-Denis und Saints Honoré illuminirt und eine zahllose Menge an den Fenstern und auf den Plågen zu sehen.“

Man hatte ihm zwar im Louvre mit einem Aufwand, der feines Ranges würdig war, Zimmer eingerichtet, gleichwohl hielt man es für gut, das Hotel de Lesdiguieres, das dem Marschall von Villeroy gehörte, für ihn bereit zu halten. Man glaubte, der Zaar würde sich in einem Hotel, das er ganz allein bes wohnte, behaglicher fühlen als im Louvre. In Gemäßheit der getroffenen Anordnungen, begleitete der Marschall Teffé den Kaiser, den er in Beaumont empfangen hatte, nach Paris und führte ihn noch an demselben Abend um neun Uhr ins Louvre. Der Marmor, die reiche Beleuchtung der Zimmer, die Krystalls Girandolen, die Vergoldungen der Plafonds und Thüren, die Karmoisinfarbe der Tapeten, dies Alles ermüdete ihn so sehr, daß er sich auf der Stelle ins Hotel de Lesdiguières begeben wollte. Als er in den Saal (einen Saal im Louvre) getreten war, wo er zwei Tische, jeden zu sechzig Couveris, fand, sah er fie an und verlangte ein Stück Brod und Salz, kostete fünf bis sechs Weinsorten, trank zwei Gläser Bier aus, wovon er ein großer Freund ist, und indem er die Augen auf die vielen Herren und anderen Personen warf, von denen die Gemächer voll waren, bat er den Herrn Marschall von Tessé, ihn in das Hotel de Lesdiguières, nahe am Zeughaus, führen zu lassen." Auch dies Hotel war seinem fireng einfachen Geschmack noch zu reich geschmückt. Er verschmähte die reichen Möbel, die auf Befehl des Regenten hingestellt waren, besonders das Bett von Gold und Seide, das für ihn bestimmt war, ließ sich vielmehr sein eigenes Feldbett bringen und legte sich darauf halb angekleider, wie er bei der Armee zu thun pflegte.

Seine Person entsprach vollkommen seinem Geist; Strenge und Genialitat sprachen sich in seiner Physiognomie und in seinen Handlungen aus Groß, mager, mit schwarzem Asiatischen Auge und röthlichem Teint, hatte er zuweilen nervöse Anfälle, die auf Augenblicke alle Winkel und Muskeln seines Gefichts in Bewe gung festen. Wenn er diese Zuckungen bemerkte, unterdrückte er fie und verbarg fie unter einem erzwungenen, aber höchst graziójen Lächeln.

,,An demselben Tage fuhr der Zaar in einer nur mit zwei Pferden bespannten Karoffe aus und begab sich nach dem Zeug. haus, nach der Place Royale, nach dem Viktorienplay, den er abzeichnete und die Zuschriften darauf las, und von dã auf den

Platz Ludwig's des Großen, dessen Reiter Statue er bewunderte. Er besuchte den Zimmermann des Königs, sah seinen Arbeitern zu und arbeitete mit ihnen, indem er sich nach dem Namen und dem Gebrauch der verschiedenen Werkzeuge erkundigte; er ging auch zu dem Tischler des Königs, wo er seine Bemerkungen machte. Peter hatte den Tag vorher den Herzog von Antin ers sucht, ihm eine Beschreibung aller Merkwürdigkeiten von Paris zu besorgen: zwei Stunden darauf brachte ihm dieser Herr ein fauber gebundenes Heft, welches alle Seltenheiten dieser großen Stadt enthielt; er nahm es, ohne es durchzusehen, aber als er es öffnete, war er angenehm überrascht, es ins Slavische übers sest zu sehen, und er rief, nur ein Franzose sey dieser Aufmerks famleit fähig."

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,,Der Herzog von Antin begleitete den Zaar nach der Kö niglichen Malers und Bildhauer Akademie, wo der berühmte Maler Conpel die Ehre hatte, ihm die verschiedenen Gegenstände, die einige Aufmerksamkeit verdienen, zu erklären. Den 16ten bes gab sich der Zaar in der Mittagsstunde nach dem Invalidens Hause. Er grüßte jeden einzelnen Offizier und erwies ihnen die Ehre, sie seine Kameraden zu nennen."

Seine Kleidung ist bekannt: er trug eine Perrücke ohne Puder, einen dunklen Rock, keine Spigen und niemals Hand, schuhe.

Dieser Fürst, der es nicht verschmähte, ganze Tage mit Handwerkern zuzubringen und ihre Arbeiten zu theilen, der ges gen den Lurus und die Bequemlichkeiten unseres häuslichen Lebens To gleichgültig war, zeigte in Hinsicht der Etikette eine Strenge und Empfindlichkeit, die sich bis auf das Kleinste erstreckte.

Man erstaunt, wie es der Regent über sich gewann, sich allen Erniedrigungen einer Etikette zu fügen, welche den Fürsten, der ich besuchen ließ, fast zum Lalaien des fremden Fürsten machte. Der Zaar erklärte, er werde keinen Fuß über die Schwelle des Hotel de Lesdiguières feßen, ehe er vom Herzog von Orleans besucht worden, und der Herzog von Orleans beeilte sich, dem Baar nachzugeben, der zwei Schritte entgegen geht, den Rücken dreht und zuerst in das Zimmer tritt, in welchem er sich obenan seßt. In der Oper empfand der Zaar Durst, der Herzog steht auf, holt Bier und präsentirt ein Glas auf einem Kredenzieller; nachdem der Zaar getrunken, nimmt er eine Serviette aus den Händen des Herzogs und wischt sich den Mund ab. Der Zaar Postere uns sechshundert Thaler täglich, den Dienst des Herzogs von Orleans mit eingerechnet.

,,Den 30sten Mai lud der Herzog von Antin den Zaar zum Diner in Petits Bourg ein; von da ging er nach Fontainebleau, wo Alles zu seiner Aufnahme bereit und eine Wolf-, Hirsch- und Eberjagd ihm zu Ehren angestellt ward.“

Die Reisen der Kaiser Kart IV., Sigismund und Karl V. in Frankreich sind lange nicht so berühmt geworden als Peter's des Großen Aufenthalt_dafelbst. Jene Kaiser kamen nur aus pos litischen Interessen nach Frankreich, und zu einer Zeit, wo die Künfte noch nicht vervollkommnet genug waren, um ihre Reise zu einem merkwürdigen Ereigniß zu machen; als aber Peter der Große bei dem Herzog von Antin, im Palais Petit Bourg, drei Meilen von Paris speiste, und er am Schluß des Mahls sein eben erst gemaltes Portrait im Saal erscheinen sah, da fühlte er, daß die Franzosen besser als irgend ein Volk in der Welt es verstanden, einen so würdigen Gast zu empfangen."

Weder Voltaire, den wir hier zitiren, noch Saint-Simon und Dangeau sprechen von dieser Reise des Zaaren so ausführlich und umständlich, als der Mercure, obgleich alle Drei nach der ftrengsten chronologischen Ordnung in ihrer Erzählung ftreben. Ueberhaupt ist der Mercure die beste Quelle, aus der man schöp: fen Pann, wenn man die Geschichte der Zeit Ludwig's XIV., des Regenten und Ludwig's XV. kennen will, obgleich der Stil darin nicht sehr ausgezeichnet ist und das Urtheil nicht einmal an die niedrige Stufe der damals gestatteten Gedankenfreiheit reicht. Als Vater des Journalismus ift der Mercure im Verhältniß zu seiner Nachkommenschaft die Naivetät selbst.

Leon Gozlan. (R. d. P.)

5 0 I land.

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Ein Bild des heutigen Amsterdam.

Von Aug. Arnould.

Ich habe Amsterdam besucht und könnte dem Leser dreist versichern, daß ich ganz Holland besucht habe; denn wer in dies fem Lande der Einförmigkeit eine Straße gesehen, der hat alle Straßen einer Stadt gesehen, und wem eine Stadt bekannt ist,

dem find alle Städte bekannt. Ich muß aber der Wahrheit die Ehre geben und sagen, daß ich weder in Arnheim, noch in Zutphen, Zwolle oder Deventer gewesen bin. Dieses freimüthige Bekennt niß, das mir Niemand zur Pflicht gemacht, wird dem Leser, wie ich mir schmeichle, einen gewissen Grad von Vertrauen einflößen. Viele Dinge kann ich aus Autopsie beschreiben, und über viele andere bin ich belehrt worden, ohne sie zu sehen. Mit Empfeh lungsschreiben in der Tasche, habe ich in angesehenen Häusern meine Aufwartung gemacht, wo man mir einen Stuhl zum Sißen und, ehe ich noch einen Wunsch in dieser Beziehung auss

gesprochen, einen Bedienten anbot, der mich durch das Labyrinth der Straßen und Kandle zurück nach meinem Gasthof geleiten follte. Ich habe diese Chinesische Gastfreiheit, die den Fremden schon auf der Schwelle begrüßt, aber auch nicht weiter vordrins gen läßt, sehr zu würdigen verstanden und mit patriotischem Stolze geantwortet: Unterthänigsten Dank; ein Pariser verliert sich nicht in einer so kleinen Stadt, wie Amsterdam." Dann bin ich umgekehrt und habe, als ich etwa vierzig Schritte weit vom Hause war, ohne Umstände nach dem Wege gefragt. Wenn ich Dir, geneigter Leser, jest melde, daß in diesen Palästen aus Biegelsteinen, gepflastert mit fleckenlosem weißen Marmor, wo Klumpen Goldes in Koffern ruhen und die Schmuckkästchen uns schaßbare Juwelen beherbergen, daß in diesen Palästen, fag' ich, die Frau des Hauses treppauf, treppab (duft, den Kaffee, den Thee, den Zucker, die Butter unter ihre Domestiken vers theilt, die Pfefferkörner und Gewürze ihnen zuzählt und das Schabfel der Muskatnuß oder des Korianders sorgfältig abwiegt

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wenn ich Ihnen ferner melde, daß diese Damen im Rufe stehen, weder anmuthig, noch lebhaft und geistreich, noch_mit irgend einem anderen Vorzuge begabt zu seyn, der ihre Eher herren, die, beildufig bemerkt, ganz andere Zeitvertreibe suchen, an ihre Gesellschaft feffeln könnte wenn ich alles dies offens herzig fage und ein Verleumder gescholten werde: nun denn, so wasche ich meine Hände in Unschuld. Thüren, die immer vers fchloffen bleiben, haben immer einiges Mißtrauen in mir geweckt; und ich kann mich des Verdachtes nicht erwehren, daß derjenige, der sich nie sehen läßt, nichts Gutes und Schönes aufzuweisen hat. Vielleicht ist es aber nur eine seltsame Grille, eine Queers Pöpfigkeit, die da vorausseßt, der Fremde sen nicht im Stande, durch die Sonderbarkeit der Form bis zu dem vernünftigen Grunde dieses oder jenes Gebrauches zu dringen, und also spots tische Anmerkungen befürchtet. Wie dem aber auch sen ich für meinen Theil muß, in Ermangelung besserer Belehrung, die gewöhnliche Ansicht für wahrscheinlich gelten lassen und unmaßgeblich glauben, daß die Holländischen Damen im Durchschnitt unerquickliche und langweilige Geschöpfe find.

Bon den Kreisen der höheren Gesellschaft zurückgescheucht, mußte ich zunächst an Gegenstände mich halten, die das Gemeins gut Aller find: ich machte die Bekanntschaft des Straßenpflasters, der Laden, Kaffeehäuser, Museen, Theater u. f. w. Dann klopfte ich an die Thüren der niederen Gesellschaft; ich schlenderte in die Kreuz und Queere, frei und unbehindert, das muß ich ges stehen, ohne polizeiliche Verhöre und Plackereien, aber ungefähr in derselben Lage, wie der ewige Jude, bis ich endlich, Dank einer Vorstellung des ersten Vaudeville's, das ich in Paris aufs führen lassen, so glücklich war, bei dem Theaters Direktor Franz van Groningen solide Mahlzeiten und bei den Studirenden reich, liche Erfrischungen zu finden.

Da ich nun einmal meine Camera obskura zeigen soll, so bleibt die Wahl und Aufeinanderfolge der Bilder meiner Laune überlassen. Gehen wir denn Arm in Arm, geneigter Leser. Zu unserer Linken lassen wir den Buttermarkt (Boter-markt) liegen, iene Reihe hölzerner Buden, die man nur um Mitternacht verschließt und dergleichen Du in zwanzig anderen Revieren der Stadt wies derfindest. Diese Buden, deren Hintergemach vermittelst rother und weißer Vorhänge verschlossen wird, sind der Aufenthalt Fries fischer Frauen und Madchen, die den Vorübergehenden Waffeln und anderes Gebäck zum Verkaufe darbieten. So lange piese Leckereien guten Abfaz finden, bleibt die Bude an ihrem Orte; wenn aber die Näscher allmdlig Ueberdruß bekommen, wenn die Butter schlecht wird und selbst das glatte Milch und BlutsGes sicht der hübschen Friesin keinen Reis der Neuheit mehr hat: da legen die ehrfamen Spekulantinnen ihre Bretterhäuschen zusams men, und flinke Kahne rudern sie mit ihren Reizen und ihrem Gebäcke nach einer anderen Stadt.

(Schluß folgt.)

Mannigfaltiges.

Homöopathie in Nord-Amerika. Die Vereinigten Staaten scheinen dazu ausersehen zu seyn, die Hahnemannsche Lehre zu allgemeiner Anerkennung zu bringen. Wenigstens find dort bereits so viele homöopathische Aerzte, daß man fast in jeder ansehnlichen Stadt einen Verein oder eine Apotheke findet, die von Adepten Hahnemann's gegründet worden. Meistens sind es Deutsche, die nach den Vereinigten Staaten ausgewandert, zum Theil aber auch einheimische, von den homöopathischen Missio Kürzlich hat der greife Diplom eines Ehren: Mitgliedes der nairen aus Deutschland bekehrte Aerzte, die jene Vereine bilden. Hahnemann, der bekanntlich fest in Paris lebt, das homöopathischen Akademie von Allentown erhalten. Das Diplom ist in Deutscher Sprache abgefaßt und drückt in kurzgefaßten, aber energischen Worten die Verehrung für die wissenschafts lichen Verdienste und die unermüdliche Menschenfreundlichkeit des Greises aus. Unterzeichnet ist das Diplom von Herrn Constantin Heering, als Präsidenten der Akademie, ferner von den Doktoren W. Wesselhöft, V. Romig, Eberhard Freitag und H. Detwiller, als,,Mitgliedern der Fakultät", und endlich von Herrn Adolph Darer, als Secretair.

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