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Als durch die Revolution alle Privilegien aufgehoben wurs den, ward es den Italidnern gestattet, fich unter dem Patronat der Oper in Paris hören zu lassen. Ihre Truppe verließ den Tuilerieensaal und bezog ein Theater in der Straße Feydeau, das für fie gebaut war. In der Oper wurden abwechselnd Deuts sche und Italianische Compofitionen aufgeführt, darunter die,,Ans tigone" von Zingarelli und die Cora von Mehul. Als wah rend der Revolution, im Jahre 1791, die Königliche Oper ihren Namen in National Oper veränderte, las man zuerst die Namen der Sänger auf den Theaterzetteln, und als die politischen Kampfe fich immer mehr steigerten und immer schrecklicher um sich griffen, diente die Oper fast ausschließlich dazu, den Eifer und die Bes geisterung unter den Bürgern anzufachen. Hymnen, Volkslieder und patriotische Scenen folgten sich nun auf dieser Bühne, die bis dahin nur von den friedlichen Olympischen Göttern war heims gesucht worden, und diese Schauspiele wurden dem Volke meist unentgeltlich geboten. Als die Künstler des sechzehnten und fiebs zehnten Jahrhunderts zuerst die Oper ins Leben riefen, glaubten fle dadurch die alten Griechischen Tragödien wieder herzustellen. Die Revolution nahm diesen Gedanken auf und bildete ihn noch weiter aus; nicht allein die Kunst der Griechen, sondern auch ihre Sitten und ihre Feste wollte man nachahmen. Bei allen Volls festen spielte die Oper eine Hauptrolle, und auch das Ballet, wels ches erst durch das Wiederaufblühen des Alterthums in den Hin tergrund getreten war, wurde wieder gehoben und war ein uns umgänglich nothwendiges Beiwerk aller rebublikanischen Feiers lichkeiten. Das Fest des höchsten Wesens war weiter nichts, als ein großes Ballet, in welchem Religionsgebräuche und Kunst sich vor den Augen des Volkes und im Angesichte des Himmels vers mischten, wie einst zur Zeit der Atheniensischen Feste. Die Künfts ler der Oper nahmen hier, wie bei allen politischen Aufzügen, den ersten Rang ein; sie wurden gewöhnlich auf Wagen umbers gezogen, auf welchen sie singend, nach dem Vorbild der Alten, die Gestalten zu veranschaulichen suchten, deren Kostüm sie trugen. Der Aufführung fremder Werke trat jest fein hinderniß mehr in den Weg. Die,,Hochzeit des Figaro" von Mozart, von Nos taris überseßt, wurde 1793 aufgeführt, doch wußte man diese bes wunderungswürdige Musik nicht recht zu würdigen; Horatius Cocles" von Mehul gefiel besser. Noch einmal veränderte die Oper ihre Behausung; von der Porte St. Martin og fie 1794 in den Saal Louvois, den ihr die Comédies française abtrat, und nahm den Titel,,Theater der Künste" an. Hier nun verdrängte der Abschiedsgefang von Chenier und Mehul die Marseillaise, die seit mehreren Jahren bei jeder Vorstellung gesungen wurde, die aber nach der Reaction des Thermidor als das Unterscheis dungszeichen einer Epoche galt, die man gern in Vergessenheit bringen wollte. Mehul war fast der einzige Komponist, der in der Oper während des langen musikalischen Interregnums gefiel, das bald nach der großen Schreckens Erschütterung eintrat.

Am 24. Dezember 1800, berühmt durch die Explosion der Höllenmaschine, wurde in der Oper Haydn's,,Schöpfung" aufs geführt. Obgleich das Gericht von der Gefahr, welcher der erste Konful so eben entronnen war, fich im Theater verbreitete, so hörte man doch mit Andacht und Bewunderung dies herrliche, noch unübertroffene musikalische Meisterwerk an, und die Deutsche Musik trug den glänzendsten Sieg davon. Nach Mehul kam Kreußer in Aufnahme, und 1801 wurde Mozart's,,Zauberflöte", auf eine unwürdige Weise verstümmelt, unter dem Namen,, My fterien der Ifis", aufgeführt, und zwar mit glänzendem Erfolg. Von Winter, dem Komponisten des,,unterbrochenen Opferfestes", wurde 1802,,Tamerlan" gegeben. Ein Deutscher, Herr Kalls brenner, der viel mittelmäßige Musik von seiner Arbeit aufführen ließ, feste Mozart's,,Don Juan" 1805 in Scene. Die Verán derungen aber, die er an diesem unsterblichen Meisterwerk sich erlaubte, entstellten es fast gänzlich und sind gewiß die größte Schmach, die man der Kunft nur immer zufügen konnte.

Man hatte während der Revolution aus schon vorgefundenen Elementen ein Gesangs Konservatorium gebildet, und man wartete mit Neugier und Ungeduld auf die Früchte dieser Schule. Catel war der erste Tonseßer, der aus derselben hervorging; feine Semiramis", die 1802 gegeben wurde, gefiel sehr durch ihre Juftrumentirung, in der man den Einfluß der Deutschen auf die Musikstudien Frankreichs erkennen fonnte; doch der Mangel an Melodieen belundete eine geringe Berücksichtigung der Stalidner, die feit Sacchini nichts Großes geleistet hatten. Anakreon bei Polykrates", von Cherubini, trug diefelben Merkmale an fich. Die Barden" von Lefueur, 1804 aufgeführt, erregten, sur Ehre der Französischen Schule, großen Enthusiasmus. Trajan" von Perfuis gefiel ebenfalls; die darin vorkommenden Anspielungen auf das Kaiserthum trugen indes viel zu seinem gldusenden und anhaltenden Erfolge bet.

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Geist und mit dem ihm eigenthümlichen Pathos durchdringen und beherrschen.

England.

Zur Geschichte der Liebhaber - Theater.

III. In England.

An diesem Abend brachte die Schaulust For, Pitt und Sheridan in eine Miethkutsche zusammen.

Um dieselbe Zeit, wo die Liebhaber Theater in England wieder Mode wurden, regte sich ein dhnlicher Geschmack unter den höheren Ständen in Irland. Im Jahre 1759 ward eine Reihe solcher Vorstellungen in Lurgan gegeben, in der Grafschaft Armagh, dem Siß des berühmten Mitglieds des Irischen Pars laments, William Brownlow. Dieser Bühne verdankt die dras matische Literatur den Volksschwank,,Midas", bei dessen Aufs führung der Verfasser Kane O'Hara die Rolle des Pan gab. Diesen Darstellungen folgte im nächsten Jahr eine Art theatras lischen Jubildums in Castletown, dem Sig des Herrn Thomas Conolly, wo nach der Aufführung des ersten Theils von Heins rich IV. ein Epilog von Hussey Burgh gesprochen ward, einem der ausgezeichnetsten Rechtsgelehrten, die Irland je hervorges bracht. Um dieselbe Zeit gab Irlands einziger Herzog, Leinster, seine fürstliche Wohnung in Cartown zu einer Reihe von dramas tischen Vorstellungen her, wo der Diakonus Marly den Lockit in der,,Bettlers Oper" gab, was hernach der Erhebung dieses ausgezeichneten Mannes zum Bischof von Waterford keinen Eins trag that.

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Der Hof der Gemahlin Jakob's, Anna von Dänemark, hat fich vorzüglich durch die Aufführung der Johnsonschen Poffenspiele ausgezeichnet. In der zwölften Nacht des Jahres 1605 ward fein schwarzer Schwant" mit einer Pracht aufgeführt, von der Bu den interessantesten Irländischen Liebhabers Theatern des uns die 3000 Pfund Kosten nur einen schwachen Begriff geben. vorigen Jahrhunderts gehört das, welches im Jahre 1774 auf Die Hauptrollen spielten die Königin, die Gräfin Luch von Beds den Landsißen des Sir Hercules Langrishe und des Herrn Flood ford und zehn andere Hofdamen, welche die Mohren darstellten zu Stande kam, wo die beiden berühmten Redner Grattan und und, wie Sir Dudley Carleton uns erzählt,,,Gesichter und Arme Flood zusammen auf der Bühne erschienen und, indem sie die bis zum Ellenbogen schwarz gefärbt hatten." Aber Nichts", beiden feindlichen Häuptlinge Macbeth und Macduff darstellten, fügt er hinzu,,,stand ihnen so gut, als ihr eigen Roth und Weiß." eine Art poetischer Vorübung zu ihrem fünftigen politischen Kampf Der Hymensschwank", der,,Schönheitsschwank", der hatten. Grattan's Name kommt dann wieder bei einem Liebhas ,,Schwant der Königinnen", der,,Gegenschwank der Heren" ber Theater im Jahre 1776 vor, wo er nach einer Aufführung des und viele andere folgten einander, an welchen kein gemeiner,,Comus" auf dem Landsiz David Latouche's einen von ihm selbst Schauspieler Theil nehmen durfte. In dem,,Oberonsschwank" verfaßten Epilog in Versen sprach. Im Jahre 1785 bildete sich fand man, wie Sir John Finnet erzählt, den kleinen Herzog ein Liebhaber Theater in Slanes Castle, unter deffen Schauspies Karl (Karl I.) mitten unter den feenhaften Tanzern." Die,,Jago lern der Name Lord Edward Fißgerald's aufgeführt wird. Im auf Kupido", die im Jahre 1608 zu Lord Harrington's Vermahs Jahre 1802 gründete der verstorbene Richard Power,,,ein Mann, Lung aufgeführt ward, kostete jedem von den eilf Herren, die der sich nie einen Feind machte, noch einen Freund verlor", wie darin mitspielten, 300 Pfund. der beredte Oberrichter Bushe von ihm sagte, ein Liebhabers Theater in Kilkenny, wo ichrlich mit geringen Unterbrechungen bis zum Jahre 1819 Vorstellungen gegeben wurden, an welchen die Herren Grattan, Curran, Thomas Moore, Corry u. s. m. Theil nahmen. Mit dieser Theater Gesellschaft zu Kilkenny endete die Zeit, die man die gesellige Periode von Irland nennen kann. (N. M. M.)

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Mannigfaltiges.

- Shakespeare's Heinrich V. Durch die Bemühungen (wenigstens in der neueren Zeit) auf dem Coventgardens Theater Macready's ist dieses Drama vor einigen Tagen zum erstenmale in London aufgeführt worden. Dem Stücke fehlt es bekanntlich an einer eigentlich dramatischen Intrigue. Heinrich V., dessen Jugendiahre uns so ergöglich in den beiden Abtheilungen Heins rich's IV. vorgeführt werden, tritt darin als der Held von Azins court auf; ihm gegenüber erblicken wir Karl VI. und den Frans döfischen Hof. Kampfe und Verhandlungen um die Ansprüche Englands auf die Herrschaft über Frankreich bilden den Kern dieses abwechselnd in beiden Ländern spielenden Drama's, in welchem zwar noch Falstaff's Compagnie, nicht mehr aber der tapfere Sir John selbst, den Humor der Schenken Alt Englands tigen Belagerungss und Schlacht Scenen, Festlichkeiten aller Art; repräsentirt. Dagegen fehlt es nicht an reichen Aufzügen, prach diese sind durch einen kernigen Dialog und durch einen Chor vers Griechischen Tragödie oder wie in Schiller's,,Braut von Mesfina", bunden, der zu Anfang jedes Altes wiederkehrt und, wie in der die Begebenheiten historisch erläutert, fie durch seine Betrachtuns gen hervorhebt und endlich die Moral zu der Fabel liefert. Nun hat Macready Musik, Malerei und Kostümirkunft aufgeboten, um dieses Drama so würdig als möglich in Scene zu sehen und den Engländern einen vollständigen Begriff von dem Leben ihrer Alts vordern im Mittelalter zu liefern. Die Musik zu den Chören hat Herr T. Cooke komponirt; die Decorationen lieferte der berühmte Maler Stanfield, und in Betreff der Kostüme, Wappen und Wafs fen ward Alles in Anspruch genommen, was die Kunstkammer des Tower und was die ältesten Chroniken Erläuterndes dazu an die Hand geben. Die Worte des Chors wurden von Herrn Vanders hoff gesprochen, während lebende Bilder und Decorationen, Ges fänge und Marsche die obligate Begleitung lieferten. Macready spielte den König Heinrich V. und foll auch in dieser Beziehung einen großartigen Eindruck hervorgebracht haben. Eine Scene dieses Stückes haben wir übrigens fürzlich in Berlin gesehen, nämlich auf A. Schröter's Gemälde, wo Capitain Fluellen den würdigen Pistol swingt, den Lauch aufsueffen, den Jener als Feldzeichen auf seinem Hut getragen hatte.

Das mit dem 30ften d. M. zu Ende gehende Abonnes ment wird Denjenigen in Erinnerung gebracht, die in dem regelmäßigen Empfange dieser Blåtter keine Unterbrechung erleiden wollen.

Nummern. PranumerationsPreis 22 Sgr. ( Thlr.) vierteljährlich, 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie.

No 77.

M a g a z in

für die

Beiblatt der Allg. Pr. Staates
Zeitung in Berlin in der
Expedition (Friedrichs-Straße
Nr. 72); in der Provinz so
wie im Auslande bei den
Wohllöbl. Post - Nemtern.

Literatur des Auslandes.

Berlin, Freitag den 28. Juni

Frankreich.

Die Vendeer-Hochzeit.

Bon J. Janin.

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Baudelot von Dairval war der Entel des Echar Baudelot, der in den Memoiren der Herzogin von Orleans, der Mutter des Regenten, erwähnt wird. Diese Fürstin, welche mit den ersten Namen Frankreichs so verächtlich umgegangen ist und welche weder ihren Sohn noch ihre Enkelinnen geschont hat, spricht von Cafar Baudelot mit allem Lobe, und Saint-Simon, diefer sleptische und spoitische Edelmann, läßt ihm ebenfalls alle Ges rechtigkeit widerfahren. Es ist also sehr natürlich, daß der junge Heiurich es einem solchen Namen schuldig zu seyn glaubte, sich in die Vendee zu begeben, um dort mit den Waffen in der Hand Protest gegen die Ausschweifungen der Revolution einzulegen. Baudelor sog in die Vendee aus feinem anderen Grunde, als weil damals einem Manne von seinem Namen und seiner Stels lung nichts Anderes übrig blieb; er schlug sich, wie man sich dort schlug, weder mehr noch weniger; er war der Freund Cathes. lineau's und aller Anderen; er kämpfte Riesenschlachten mit und lachte und fang, wenn er sich gut geschlagen hatte und das Aechzen der Verwundeten nicht mehr vernahm. Welch' ein Krieg war das! Aber es ist nicht meine Sache, eine schon so oft und mit so verschiedenen Farben entworfene Schilderung noch einmal vorzunehmen. Es ist weder meine noch Eure Sache, die Heldens thaten Baudelot von Dairval's zu erzählen oder zu hören.

Ich will Euch bloß sagen, daß er, als er eines Tages mit swolf feiner Kampfgefährten von einer Abtheilung der Blauen überfallen wurde, sein Hauflein rasch versammelte.,,Meine Freunde", sagte er,,,das Haus ist umsingelt; fliehet Alle; suchet.. unseren Führer Cathelineau zu erreichen. Ich bleibe und vers theidige die Thür; zehn Minuten werde ich mich allein schon halten können. Sie sind Dreihundert und würden uns Alle er würgen Lebt wohl, meine Braven! Denker an mich. Heute ist die Reihe an mir; Euch trifft sle morgen."

In diesen wunderbaren Zeiten und in diesem wunderbaren Kriege wunderte man sich über nichts. Die heroischen Kämpfe, welche in den eleganten Kriegen so häufig sind, kamen den Menschen gar nicht in den Sinn. In einem Vertilgungskriege, wie dieser es war, hatte man keine Zeit zu Seelengröße, und man hüllte sich in kein heroisches Gewand; der Heroismus ers schien ganz nackt und roh. Da also die Soldaten Baudelor's ihren Führer so sprechen hörten, so dachten sie, daß er ganz Recht habe, und gehorchten ihm ohne Weiteres, wie er es ihnen geheißen hatte. Sie zogen sich über das Dach zurück und nah; men die Frauen und Kinder mit sich. Baudelot, der an der Thür geblieben war, machte einen Lärm wie ein ganzes Bas taillon, fommandirte, schrie, klirrte mit seiner Flinte. Die Blauen waren auf ihrer Hut, und Baudèlot hielt sich in der Defensive, so lange ihm noch ein Laut zu Gebote stand.

Als ihm aber die Stimme versagte und als er seine Manns schaft in Sicherheit glaubte, wurde der unschuldige Jüngling diefer Finte müde; es wurde ihm unheimlich, einen Trupp zu kommandiren, der nicht da war, und ohne einen Laut weiter von fich zu geben, verrammette er jeßt die Thür. Nachdem er wie Zehn geschrieen hatte, verrichtete er nun die Arbeit von Zehnen. Das dauerte einige Minuten. Bald fing indeß die Thür an zu Prachen, und die Blauen feuerten durch die Fugen. Baudelot wurde nicht verwundet, und da er in seiner Mahlzeit- unters brochen worden war, so seßte er sich wieder an den Tisch, vers speiste ruhig ein Stück Brod und Kaje und leerte dazu einen Krug Gesindewein, in der Ueberzeugung, daß dies feine leßte Mahlzeit sey..

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1839.

Sieger blieben stehen, stumm vor Erstaunen, und Baudelot hatte Zeit, sein leßtes Glas su leeren und seinen leßten Biffen zu essen. Ihre Gesundheit, meine Herren!" sagte er, indem er das Glas an feine. Lippen führte. Die Garnison dankt Ihnen für die Frist, die Sie ihr gelaffen haben.“ Er stand auf, und gerade auf den Capitain zugehend, fuhr er fort: Mein Herr, ich bin allein im Hause und augenblicklich bereit, mich hinter den Busch dort zu begeben." Das war Alles, was er sagte. Zu seinem großen Erstaunen wurde er nicht auf der Stelle erschossen. Viels leicht war er in die Hände von Rekruten gefallen, die noch zu fehr Neulinge waren, als daß sie nicht hätten vierundzwanzig Stunden warten sollen; vielleicht imponirte ihnen auch sein leckes Auftreten, seine Kaltblütigkeit, und sie ließen sich auch durch eine Anwandlung von Scham abhalten, einen einzelnen Menschen zu würgen, sie, die dreihundert Mann stark waren.

Man begnügte sich also, dem Gefangenen die Hände zu binden und ihn gefnebelt nach einem Wohnsis in der Umgegend von Nantes zu führen, der einst ein elegantes Herrenhaus ges wesen war, den aber der Krieg in eine Festung umgeschaffen hatte. Der Besiger des Hauses war Niemand anders, als der Führer der Blauen, der Baudelot gefangen und gebunden hatte. Derselbe, ein Edelmann der Bretagne, hatte sich gleich anfangs der Revolution angeschlossen. Baudelor von Dairval wurde in das Verließ des Schlosses, d. h. in den Taubenschlag des Edels hofes, eingesperrt. Die durch den Krieg verscheuchten Lauben hatten den gefangenen Chouans Plaß gemacht. Das Gefängniß hatte indeß einen friedlichen und gemüthlichen Anstrich bewahrt, und noch war es mit glanzendem Schiefer gedeckt, noch schwebte die schwirrende Wetterfahne auf demselben; die Oeffnungen, durch welche die Tauben ausflogen, mit Eisenstangen zu vers wahren, haute man gar für überflüssig erachtet. Hier wurde Baudelot verwahrt.

Im ersten Augenblick schien es ihm originell, im Taubens schlag eines ländlichen Wohnfißes eingeferfert zu seyn. Er wollte, fobald es anginge, eine Romanze mit Guitarrenbegleitung daraus machen. Während er darüber nachsann, hörte er den Ton einer Violine. Es war ein fröhlicher Marsch. Baudelot stühte sich auf seinen Arm, und indem er mit seiner Schulter das Stroh an der Mauer aufhdufte, gelang es ihm, eines der Löcher des Taubenschlages zu erreichen. Nun sah er ein vollständiges Fest, einen langen Zug junger Leute und schöner Damen in weißen Kleidern, vor denen die Dorf, Musikanten herzogen. Der Zug war munter; Jeder gab sich der Freude hin. Die Scene des Festes war der Fuß des Taubenschlages oder, wenn man lieber will, der Fuß des Thurmes. Im Vorbeigehen schaute ein junges Mädchen aufmerksam empor; sie war weiß und schlank; ihre Miene hatte etwas Trdumerisches. Baudelot sah jeßt, daß man wohl wußte, daß ein Gefangener da sey, und während der Zug fich entfernte, fing er an, die Arie aus Richard: In einem finstern Thurme u. f. w." oder etwas Aehnliches zu pfeifen; benn er war ein junger Mann, der in allen Uebungen und Romanzen wohl bewandert war, der eben so gut mit einem Schwerte wie mit einer Guitarṛe umzugehen wußte.

Der Hochzeitszug ging vorüber, oder vielmehr, es war nicht ganz eine Hochzeit, sondern erst die Verlobung. Baudelot fuhr in feinem Gesange fort. Plöglich hörte er ein Geräusch an seiner Thar; fie wurde geöffnet. Es war der Herr des Hauses. Unter Hugo Capet war er Marquis gewefen; jest nannte er sich Hamelin schlechtweg. Er war ein Blauer und sonst ein ehrens werther Mann, nur daß er der Republik mit Leib und Seele angehörte. Ihr hatte er seinen Degen, sein Schloß geliehen; weiter nichts. Er war nicht niederträchtig und grausam ges worden. Am Morgen des Tages, der sich zu Ende neigte, war der Capitain Hamelin, denn die Republik hatte ihn dazu ges dott macht, benachrichtigt worden, daß in seinem Pachthofe sich Chouans gezeigt hatten. Diese Nachricht hatte ihn veranlaßt, sich an die Spiße einer Truppen- Abtheilung zu stellen und seine Verlobung um einige Stunden aufzuschieben. Als nun der Chouan Baudelot in Sicherheit gebracht worden war, kehrte der Capitain Hamelin zu seinem Verlobungsfeste zurück.

Endlich war die Thür gesprengt; die Blauen drangen ein. Sie brauchten einige Minuten, um die Thür von allen Hinderniffen zu befreien und um im Pulverdampfe die Gegenstände zu erkennen. Die Soldaten der Republik spdhten blutdürftig nach dem bewaffneten Haufen, der ihnen so lange Widerstand geleistet hatte. Wie groß war ihr Erstaunen, als sie statt der Männer, deren Stimmen fie deutlich gehört zu haben glaubten, nur einen schönen Jüngling von schlankem Wuchse mit ruhigem Gesichtss ausdrucke am Tische sigen und ein Stück Brod essen fahen! Die

Der Capitain Hamelin war nicht so sehr Capitain der Blauen, daß er ganz und gar die alten gastfreundlichen Sitten der Bres tagne vergessen hätte; er glaubte sich also verpflichtet, seinem Gefangenen einen Besuch abzustatten, während die Gäste zu

Tische gingen. Was kann ich thun, um Sie zu verbinden?" fragte er.,,Gestatten Sie mir den Gebrauch einer meiner Hände, wenn es Ihnen beliebt." ·,,Ihre beiden Hände sollen losgebunden werden", sagte Hamelin,,,wenn Sie mir versprechen wollen, leinen Verfuch zur Flucht zu machen. Bevor Sie aber dies Vers fprechen abgeben, bedenken Sie wohl, daß Sie morgen um sechs Uhr unfehlbar nach Nantes abgeführt werden." ,,und unfehls bar um acht Uhr erschossen werde", fragte Baudelot. Der Capitain fchwieg.,,Wohlan!" sagte Baudelot,,,laffen Sie mir die Hände frei, und wenn ich nicht anders befreit werde, so gebe ich Ihnen mein Wort als Edelmann und Christ, wie eine Taube, welcher die Flügel beschnitten sind, hier zu bleiben." Der Capitain Has melin mußte lächeln und ließ seinem Gefangenen die Hände loss binden. Hierauf fragte er denselben noch, ob er vielleicht im Fall des Todes noch Verfügungen treffen oder ein Testament machen wollte, und er konnte diese Frage nicht ohne eine gewisse Rühs rung thun.

Baudelot, der die Erschütterung seines Gastfreundes sah, faßte dessen Hand und sagte: Das Wort Testament macht auf mich einen schmerzlicheren Eindruck, als das andere Wort: der Tod zu Nantes; das Wort:,,,,Machen Sie Ihr Testas ment", hat mir den Tod aller der Meinigen wieder ins Ges dächtniß zurückgebracht. Ich habe Niemand, dem ich meinen Namen, mein Schwert, meine Liebe und meinen Haß vermachen Pann, denn weiter besiße ich nichts. Dennoch muß es wohl der Mühe werth senn, über sein Vermögen zu verfügen, über das Grab hinaus großmüthig zu seyn, sich während des Schreibens seine lesten Wohlthaten, die Thränen der Freude und des Schmers ses, die man nach seinem Tode fließen lassen wird, vorzustellen. Das ist ehrenvoll und süß, nicht wahr Capitain? Doch sprechen wir nicht davon." -,,Ich werde Ihnen zu essen schicken", sagte Hamelin. Es ist gerade mein Verlobungsfest und mein Tisch etwas besser bestellt als gewöhnlich; meine Braut soll Sie selbst bedienen."

Baudelot bemerkte an einem der obersten Löcher seines Ge fängnisses ein Tausendschönchen, welches lustig im Winde schwankte. Er pflückte das Blümchen und reichte es dem Capitain. Bei uns", sagte er,,,ist es üblich, der Braut ein Verlobungsgeschenk zu machen; übergeben Sie ihr dies auf meinem Gebiet aufge: blühte Blümchen. Und jest guten Abend. Schicken Sie mir zu essen, denn ich habe Hunger und sehne mich nach Ruhe.“

Man brachte dem jungen Vendeer zu effen. Das junge Mdd chen, welches ihn bediente, war eine niedliche Bretagnerin mit weißen Zähnen, rosigen Lippen, träumerischer Miene; sie bediente Baudelot mit ungewöhnlicher Aufmerksamkeit und ließ ihm nicht Raft und nicht Ruhe, bis er nicht von dieser Schüssel gekostet, von jenem Weine getrunken hatte. Das Mahl war prächtig. Es war fast wie in der alten Zeit, als die geflügelten Bewohner des Thürmchens die Brofamen auflafen, die vom Festmahle ab fielen. Als das junge Mädchen ihm Champagner einschenkte, fragte Baudelgt:,,Wie heißt Du, mein Kind?" ,,Marie", antwortete fie. Gerade wie meine Cousine", sagte Baudelor. Hier hatte ihn denn doch beinahe sein Herz in Stich gelassen, als er an seine schöne hingeschlachtete Anverwandte dachte, aber er schämte sich, in Gegenwart eines Kindes zu weinen, dem die Thränen in den Augen standen. Da er nichts Anderes sagen konnte, so reichte er ihr das Glas.

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Das Glas war voll, und in dem Glase perite der Cham pagner, und auf dasselbe fiel der leßte Strahl der Sonne. Wir dürfen unsere Enkel nicht täuschen, denn nichts ist wahrer, als - daß der Champagner immer geschäumt hat und der Frühling ims mer gekommen ist, auch während der Schreckenszeit. Als Baus delot sein Glas voll sah, fagte er zu Marie:,,Du hast kein Glas, Marie." Ich habe keinen Durst", sagte sie. " ,,D!" erwies derte Baudelot,,,dieser perlende Wein kann nicht von einem Menschen allein getrunken werden; seiner Natur nach ist er ges sellig und weilt gern unter frohen Gästen. Thue mir also den Gefallen, meine niedliche Bretagnerin, das Glas mit deinen Lips pen zu beneßen, wenn Du willst, daß ich vor meinem Tode noch Champagner trinken soll." Bei diesen Worten reichte er ihr das Glas, und sie neigte sich schon demselben entgegen, als das Wort Tod alle, ihre niedergehaltenen Gefühle zum Ausbruch brachte; reiche Thrdnen flossen in das Glas. „Auf Deine Gesundheit, Marie!" fagte Baudelot und trank den Wein und die Thränen auf Mariens Gesundheit.

Jest fielen das Waldhorn, die Hoboe und die Violinen ein. Was ist das?" fragte der Jüngling, indem er sein Glas nieders feßte und plöglich vom Enthusiasmus zum Lächeln überging. Gott verzeihe mir's", sagte er,,, es ist ein Ball." -,,Ach!" feufzte Marie,,,es ist ein Ball; meine junge Herrin wollte nicht tanzen, aber ihr Mann und ihr Vater haben darauf bestanden. Sie wird diesen Abend sehr unglücklich seyn." Hier rief der junge Vendeer aus:,,, meine gute Marie, wenn Du gut bist, so thue mir das zu Liebe; gel, laufe, fliege, sage Deiner Herrin, daß der Graf Baudelot von Dairval, Oberst der Cheveaux-legers, um die Erlaubniß bittet, ihr seine Huldigungen darzubrin gen. Oder sage das lieber nicht, wende Dich lieber an meinen Wirth und sage ihm, daß sein Gast sich langweilt, daß das Ges töse des Balls ihn im Schlafe stört, daß die Nacht lang und kalt ist, daß er Barmherzigkeit üben wird, wenn er einen jungen Mann den traurigen Betrachtungen seiner legten Nacht entreißt; daß ich ihn im Namen des himmels bitte, mich zu seinem Balle auzulaffen, daß ich ihm mein Ehrenwort verpfändet habe, Peinen

sage ihm, was Dir in den Sinn und in das Herz kommen wird. Sprich etwas laut, damit Dich Deine Gebieterin hört. Wenn ich dann die Einladung zum Ball erhalte, dann schicke mir den Kam merdiener Deines Herrn, sage ihm, daß er mir weiße Wäsche und Puder bringt. In dem Schlosse muß noch etwas Puder seyn. Sage ihm auch, daß er mir einen Anzug seines Herrn bringt und einen Degen, um mich für diesen Abend zu schmücken; ich werde ihn nicht aus der Scheide ziehen. Aber geh, Marie, geh, mein Kind!!!

Einige Augenblicke später erschien der Kammerdiener des Capitain's Hamelin im Taubenschlage. Dieser Kammerdiener war eine alte biedere Seele, die dem Puder und der alten Sitte treu geblieben war und sich nach der Aristokratie zurücksehnte. Mit der Französischen Revolution hatte er viel von seiner Wichtig feit verloren. Zwar war er Mitglied des Munizipal-Raths gewor den, aber in dieser hohen Stellung vermiste er gar sehr den vers trauten Umgang mit den hohen Personen, die er in seiner Jus gend angekleider hatte. Daher hatte er auch dem Puder, den Handkrausen und den gestickten Westen, troßdem daß er zum Mus nisipal Rathe gehörte, ewige Treue geschworen. Er brachte dem Gefangenen einen vollständigen Anzug feines Herrn, den dieser sich hatte machen lassen, als er noch Marquis war, um an den Hof zu gehen, zu einer Zeit, wo es noch einen König und einen Hof gab. Das war ein schöner und prächtiger Anzug, weiße Wäsche und feine Schuhe. Baudelor's Wirth hatte nichts ver geffen, nicht einmal die Parfums und Essenzen. Baudelot vers traute seinen Kopf dem Kammerdiener, der ihn mit aller Sorgs falt schmückte, nicht ohne tiefe Seufzer auszustoßen. Baudelot war jung und schön, aber er hatte sich schon lange nicht ges schmückt. Als er sich nun wieder geschmückt, frifirt, mit forg fältig gestußtem Barte sah, konnte er sich eines Lächelns nicht enthalten, und er mußte an die schönen Nachte, die er auf den Opernbällen in Gesellschaft des Grafen Mirabeau verbracht hatte, zurückdenken. Auch der Degen wurde ihm übergeben, als er seine Haft verließ; zugleich wurde ihm sein Versprechen, denselben nicht zu ziehen, in Erinnerung gebracht. Es war Nacht, als er durch den Garten auf den Ballsal zuschritt.

Zu dem Balle waren die schönsten revolutionairen Damen der Provinz eingeladen. Aber bekanntlich sind die Damen nicht in dem Grade revolutionair, daß sie nicht einiges aristokratisches Mitgefühl für einen jungen, braven, eleganten Kavalier, der am folgenden Tage hingerichtet werden soll, bewahrten. Der Vers lobungsball begann eben. Die Verlobte war Fräulein von Mailly, die Nichte jener Mailly, welche so hoch in der Gunst der Frau von Maintenon stand. Sie war ein junges blondes Mädchen, die, allem Anschein nach, nur sehr ungern in dieser Zeit der Aechtung an dem Tanze Theil nahm. Sie war traurig und niedergeschlagen, und ihre Jugendfreundinnen theilten ihre Traus rigkeit und ihre Niedergeschlagenheit. Niemals hatte man in der Bretagne ein so düsteres Fest gesehen; es herrschte eine alls gemeine Verstimmung. Sogar die jungen Leute bemühten sich nicht, den schönen Damen zu gefallen, und kaum hatte der Ball begonnen, als auch schon allgemein das Ende desselben herbeis gewünscht wurde.

Da öffnete sich plößlich langsam die Saalthür, und alle Blicke richteten sich aus einem unbekannten Grunde dorthin. Nun sah man durch die halbgeöffnete Thür, wie eine Geister-Erscheinung, einen jungen Edelmann, eine untergegangene Gestalt der Gesellschaft, einen schönen, lachenden, geschmückten Offizier eintreten. Diese Erscheinung bildete einen wunderbaren Kontrast mit der Ver droffenheit der Gefellschaft und der langsam und feierlich sich öffnenden Thür. Männer und Frauen, wie eingefleischte Blaue sie auch im Grunde ihres Herzens senn mochten, wurden von dem liebenswürdigen Benehmen eines der Ueberbleibsel der alten Französischen Gesellschaft überrascht. Und in der That, dieser geachtete Jüngling, welchen der Tod morgen erwartete, welcher sich in ein republikanisches Fest stürzte, um den Tanz und die ges sellschaftliche Freude zu beleben, welcher diesen Abend nur daran dachte, liebenswürdig zu seyn und den Frauen zu gefallen, getreu seinem Berufe als Französischer Edelmann, er war eine lies benswürdige Erscheinung.

Kaum war Baudelot in den Saal getreten, als er auch nur daran dachte, sich den Freuden des Balls hinzugeben. Er forderte also gleich die Frau auf, welche man zuerst auffordert, wenn man in der Stimmung, zu lieben, ist. Es war das junge blonde, sarte Mädchen, welches er schon im Garten bemerkt hatte. Sie nahm die Aufforderung des Jünglings ohne Zögern und mit zuvors kommender Freundlichkeit an, denn sie wußte ja, daß der repus blikanische Tod, der unbezähmbarste von allen, hinter ihm stand und die Hand nach ihm ausstreckte. Als die Männer jahen, daß er an der Schwelle des Todes tangte, da errötheten sie über ihre Verdrossenheit; alle Frauen wurden aufgefordert. Diese nahmen wieder die Hände der Tänzer an, weil sie Baudelot tanzen sehen, ihm ucher seyn wollten. So erhielt der noch vor kurzem so traus rige und freudenleere Ball plößlich einen festlichen Anstrich. Baudelot seinerseits ging ganz in dieses konvulsivische Vergnügen auf; er war der Einzige in der Gesellschaft, der sich auf eine ungezwungene Weise ergößte, dessen Lächeln nicht erkünftelt war. Er war der eigentliche König des Festes, nicht der Brautigam, nicht die Braut, sondern er, der Bräutigam des Schaffots. Uebers all war er, die alten Damen chrfurchtsvoll, die jungen bewans derungsvoll und freundlich grüßend, mit den Männern die tolle Sprache der Jugend führend; fogar den Violinen gab er neue

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