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vierteljährlich, 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Er. höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchic,

No 65.

für die

Expedition (Friedrichs-Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslande bei den Wohlöbl. Post- Aemtern.

Literatur des Auslandes.

Berlin, Freitag den 31. Mai ́

Frankreich.

Der Pariser Gewürzkrämer (L'Epicier).

Von Balzac. *)

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Die Undankbaren gehen leichtsinnig und ohne etwas dabei, zu denken vor dem Laden des Gewürzkrämers vorüber. Davor bewahre der Himmel einen Jeden! Wag der Diener noch so schmierig und feine Kappe noch so abgegriffen seyn, mag der Herr noch so munter und heiter lächelnd aussehen, so betrachte ich sie doch immer mit ehrfurchtsvoller Scheu und rede sie mit der Hochachtung an, die der Constitutionnel" ihnen bezeigt. Wenn ein Todter vorübergetragen wird, so achte ich nicht darauf, aber einen Gewürztramer sehe ich nie mit Gleichgültigkeit an. In meinen Augen ist der Gewürzkrämer, dessen Allmacht noch nicht alter als ein Jahrhundert ist, der Representant und treuste Auss druck der modernen Gesellschaft. Steht er nicht eben so hoch durch seine Resignation wie durch seine Nüglichkeit, und ist er nicht eine nie versiegende Quelle der Süßigkeiten, des Lichtes und der freundlichsten Gaben? Ist er nicht mit einem Worte der Minister Afrika's, der Geschäftsträger Indiens und Amerika's? Sicherlich, der Gewürzkrämer ist das Alles; und er ist es, ohue die geringste Ahnung davon zu haben. Der Obelisk weiß ja auch nicht, daß er ein Denkmal ist.

, Ihr schnöden Spduer, send Ihr je in den Laden eines Gewürzkrämers getreten, der Euch nicht huldvoll augelächelt und die Kappe demüthig abgezogen hatte, während Ihr Euren Hut auf dem Kopfe behielter? Der Schlächter ist ein roher Gefelle, der Bäcker bleich and můrrisch; aber der Gewürzkrämer ist immer verbindlich, zeigt immer ein freundliches Gesicht. Zu welcher Klasse der Gesellschaft daher auch ein verlegener Fußgänger ges hört, er wendet sich nie an die griefgrämige Wissenschaft des Uhrmachers, noch au das mit blutenden Fleischstücken verschanzte Comtoir des Schlächters, noch an das mißtrauische Gitter des Bäckers; nein, von allen offenen Låden wählt er den des Ge würzframers, wenn er hundert Sous wechseln oder eine Straße erfragen will; er weiß ja, daß dieser Mann, der chriftlichste von allen Handeltreibenden, wenn er auch bis an den Hals in Ge schäften steckt, dennoch Allen gehört, denn die Zeit, die er Andes ren schenkt, stiehlt er sich selbst ab. Wenn Ihr auch eintretet, um ihn zu stören, um ihn zu brandschaßen, so wird er Euch doch begrüßen, wird Euch sogar Intereffe zeigen, wenu das Gespräch über eine bloße Frage hinausgeht und eine vertrauliche Wendung nimmt. Es ist leichter, eine häßliche Frau als einen unhöflichen Gewürzkrámer zu finden. Halter an dieser Grunds wahrheit fest, wiederhole ich, um allen mißgünstigen Nachreden zu begegnen.

Bom Gipfel ihrer eitlen Größe, ihrer kalten Bildung oder ihrer Punstreich beschnittenen Bärte herab haben einige Leute ges wagt, dem Gewürztrámer: Rakka! zuzuschreien. Sie haben aus feinem Namen ein Wort, eine Weinung, eine Sache, ein System, eine Europäische und encyklopädische Figur gemacht. Man schreit: Ihr Gewürztramer!" um eine Menge Beschimpfungen zusams menzufassen. Was hat man denn am Gewürztramer auszusehen? Seine mehr oder weniger braunrothen, grünen oder chokoladens farbigen Beinkleider, feine blauen Strümpfe, feine Kappe von unechtem Fischotterfell, welche mit einem filbernen oder goldenen Streife befest ist, oder seine nach der Brust zu in drei Spigen auss laufende Schürze? Wie will aber eine Gesellschaft ohne Aristo Pratie, welche mit den Ameisen an Thätigkeit wetteifert, das schaßenswerthe Symbol der Arbeit tadeln? Glaubt man viels leicht, daß ein Gewúrskrámer ganz und gar nicht dente, sich nicht um die Künste, die Literatur und die Politik befümmere? Wer hat dann aber die Ausgaben Voltaire's und Rousseau's verschluns gen? Wer die Erinnerungen und Klagen von Dubufe gelauft Wer hat den Kupferstich des Soldaten als Landmann, des Leichens zugs. des Armen, des Angriffe auf die Barrière, von Clichy in feinem Zimmer aufgehängt er meint in den Melodramen? Wer giebt etwas auf die Ehrenlegion? Wer läuft bewundernd in das Museum. von Versailles? Wer hat den Postillon von

*) Aus einer so eben unter dem Titel,Les Français" erschienenen Charakterschilderung der Franzosen, von verschiedenen Berfassern.

1839.

Lonjumeau in die Höhe gebracht? Wer kauft die Uhren mit den Mameluken, die ihr Ros beweinen? Wer ernennt die gefahrs lichsten Deputirten der Opposition, und wer unterstüßt die krafs tigen Maßregeln der Regierung gegen die Unruhestifter? Der Gewürztramer, der Gewürzkrämer und nochmals der Ges würzkrämer.

Ihr findet ihn gerüstet an der Schwelle aller Nothwendig, feiten, selbst der widersprechendsten, wie er am Eingange seiner Ladenihür steht, ohne gerade immer das zu begreifen, was vor geht, aber doch bereit, Alles durch seine Arbeit, sein Geld, seine unbeweglichkeit zu unterstüßen. Daß wir nicht Wilde, Spanier oder Saint-Simonisten geworden sind, verdanken wir einzig und allein den Gewürzkrämern. Sie haben die gesellschaftliche Orde nung aufrecht erhalten. Wenn sie es nicht gethan hatten, mit wem sollten sie dann aber auch handeln? Der Gewürzkrämer giebt den Ausschlag, je nachdem er an den Tagen einer großen Krisis hervortritt oder sich zurückzieht, spricht oder schweigt. Wie sollte man nicht die Aufrichtigkeit bewundern, mit der er sich allen Abgeschmacktheiten hingiebt, die gang und gebe sind! Wer wollte ihn abhalten, zum Gemälde der Jane Gray zu wallfahr ten, für die Kinder des Generals Fon zu kollektiren, für das Champ d'Afile zu subskribiren, sich auf den Asphalt zu werfen, die Ueberfiedelung der Asche Napoleon's zu fordern, seine Kinder als Polnische Lanciers oder als Artilleristen der National Garde auszustaffiren, je nachdem die Umstände es erfordern? Du vers sucht es vergeblich, prahlerischer Journalismus, der du vor ihm die Feder neigst, ihm zulächelst und ihm die Falle des Abonnes ments stellst.

Hat man aber auch schon die Wichtigkeit dieses nothwendigen Leims der Gesellschaft, den die Alten vielleicht vergöttert hatten, hinlänglich gewürdigt? Der Spekulant baut ein Stadtviertel oder ein Dorf; er errichtet so und so viel Häuser, führt eine Kirche auf, bringt Einwohner zusammen, treibt einen Pedagogen auf, hofft auf eine Vermehrung der Bevölkerung und hat mit einem Worte etwas zu Stande gebracht, was einen Anstrich von Civilisation hat; es sind Champignons, Hühnerkeulen, Krebse da, Adjunkte, Feldwächter und Steuerpflichtige; aber dennoch würde Alles keinen Bestand haben, würde Alles aus einander gehen, wenn dieser Mikrokosmus nicht durch das stärkste gesellschaftliche Band, durch den Gewürzkrämer, zusammengehalten würde. Auf dem Kirchthurme ist das Kreuz aufgepflanzt; wenn sich aber an der Ecke der Hauptstraße nicht ein Gewürztramer ansiedelt, so ist alle Mühe vergeblich. Brod, Fleisch, der Schneider, Schuhe, die Regierung, das Bauholz kommen auf der Post und zu Wagen an; aber der Gewürzkrämer muß da seyn, da bleiben, zuerst aufs stehen, sich zuleßt niederlegen, seinen Laden zu jeder Tageszeit für die Kunden geöffnet halten. Ohne ihn keiner der Genüsse, welche die moderne Gesellschaft vor der antiken voraus hat, ohne ihn weder Branntwein, noch Taback, noch Thee.

In seinem Laden finder jedes Bedürfniß eine dreifache Befriedigung. Hier ist Thee, Kaffee, Chokolade, als Schluß jedes ordentlichen Frühstücks; hier Talglichte, Del, Wachslichte, als Quellen alles Lichtes; hier Salz, Pfeffer, Muskatnuß, die rhetos rischen Verzierungen der Küche; sodann Reis, Bohnen, Maccaroni, die Grundlagen jeder soliden Mahlzeit; Zucker, Syrup, Konfituren, die Süßigkeiten des Lebens; Kdse, Paaumen, trockene Früchte, durch welche, nach Brillat Savarin, der Nachtisch erst seine eigents liche Physiognomie erhält. Müßten wir aber nicht die Liste aller unserer Bedürfnisse geben, wenn wir die dreigespaltenen Einhei ten, welche das Geschäft des Gewürzframers umfaßt, erschöpfen mollten? Den Gewürzkrämer selbst kann man als eine Trilogie ansehen: er ist Wähler, National Gardist, Geschworener. Ich weiß nicht, ob die Spotter einen Stein unter der linken Brust tragen; aber mir ist es unmöglich, über ihn zu scherzen, wenu ich an die Marmorkügelchen in feinem hölzernen Kasten denke, mit denen wir in unserer Kindheit spielten. Welchen May nimme er im Herzen der Kinder ein, denen er den Bindfaden zum Drachen und das Zuckerwert verkauft! Diefer Mann, der die Kerzen, zu unserem Begribnik in feinem Behältniß hat und bei unferem Begrebniß uns eine Thrdne weiht, gelener uns im ganjen Verlaufe unferes Lebens. Dem Dicher verkauft er Feder und Dinte, dem Maler Farben, Allen Leim.

(Schluß folgt.)

talien.

Handbücher für Reisende in Italien.

(Schluß.)

Für die wichtigsten Städte, wie Venedig, Florenz, Rom, Neapel u. f. m., wird der Reisende, der dieselben genaner will kennen lernen, mit seinem Handbuche nicht ausreichen können, auch wenn dessen Einrichtung möglichst vollkommen wäre. Die Guides für die einzelnen Städte find zwar in der Regel schlecht, aber unter diefen kann der unbelehrte Reisende leicht an den schlechtesten gerathen. Daher wäre es Pflicht des allgemeinen Handbuchs, ihm die brauchbaren Bücher für die einzelnen Städte zu empfehlen und nachzuweisen, wo an Ort und Stelle diefelben zu haben sind. In dieser Beziehung bringt allerdings jedes Jahr viel Neues. Aber es wird immer gerathen seyn, das Erprobte anzuführen. Auch beim Ankauf eines Stadt Plans wünscht der Reisende berathen zu seyn. Die Pläne Rom's z. B. find sẩmmt; lich zwar nach dem alten großen Plan von Nolly gemacht, aber doch von sehr verschiedenem Werth. Die brauchbarste Bearbeis tung ist seit 1830 und bisher die von Knapp und Stier (zu haben im Institut für archäologische Korrespondenz. Monte Capino No. 132). Für Neapel möchte der Plan von Jorio zu empfehlen seyn. Aehnliche Notizen sollte das Handbuch für alle wichtige Siddte geben.

Durch die Nachweisung eines Guide wird es der eigenen Beschreibung der Städte nicht überhoben seyn. Denn theils wird fein beschränkterer Raum doch ausreichen, um solche Reisende, welche nur einen kurzen Aufenthalt machen wollen, zurecht zu weisen, theils wird es seine Nachweisungen so einrichten können, daß die gewöhnlich nicht sehr praktischen Beschreibungen der Städte dem Reisenden erst nüßlich werden. Zu diesem Ende müssen de Merkwürdigkeiten einer Stadt kurz aufgezählt und zweckmäßig gruppirt senn. Dieselben nach Vasis Art auf ges wisse Tagereisen zu vertheilen, ist unnüß. Aber der Reisende will aus seinem Handbuche lernen, was sich bequem zusammen fassen und in einem Wege abthun läßt. Unerläßlich ist ferner die Angabe, zu welchen Zeiten die Museen, die Kirchen, die Pas låste u. f. w. am besten oder vielleicht allein besucht werden kồn: nen. Oft bedarf es besonderer Erlaubnißkarten, wie z. B. in Rom für das Museum Gregorianum. Der Reisende muß unters richtet werden, wo dieselben zu haben sind. In manchen Museen giebt es reservirte Kabinets oder einzelne merkwürdige Gegen stände, welche nur auf besonderes Verlangen vorgewiesen werden. Hierauf muß das Handbuch an den betreffenden Stellen auf, merksam machen.

In Bezug auf die einzelnen Kunstwerke muß ein gutes Handbuch das Bedeutende durchaus an seinem Orte bezeichnen, auch die versprengten und weniger bekannten Monumente in ein zelnen Palästen, Villen, Kirchen nachweisen, damit der,,Literat“, dem billig selbst überlassen wird, wofür er sich interessiren will, wenigstens erfahre, was er sehen kann.

Die gewöhnlich in der Einleitung der Handbücher vorauss geschickten Notizen über Vetturine u. dgl. find von sehr beschränks tem Nußen. Es müssen für die einzelnen Orte besondere Nach weisungen gegeben werden. Zwischen vielen nahe an einander gelegenen und auch entfernteren Orten giebt es stehende Fuhrgelegenheiten, zu bestimmten Zeiten und zu festen Preisen. Solche Berhaltnisse pflegen lange ungeändert zu bleiben, und würden sie geändert, so hätte man wenigstens an den Nachweisungen des Handbuches einen Maßstab und Anhalt. Am leichtesten ist die Nachweisung da, wo bestimmte Bureaus, wie das Paretesche, für Florenz, Rom und Neapel etablirt sind. Für diese Büreaus kann man fogar dreist, da die Besißer ihre eigenen Häuser zu haben pflegen, die genauen Adressen mittheilen. Ferner ist über die Dampfschiffe, deren Kurse, Preise, Abgangsseiten gar viel nuslicher Rath zu geben, ungeachtet Vieles hierin wandelbar ist. Die Nachtquartiere der Vetturine werden gemeiniglich an bes stimmten Stationen genommen. Bisweilen lassen sich diese auf besonderes Verlangen der Reisenden ändern. 3. B. die Tour zwischen Rom und Neapel erfordert in der Regel drei Tage; durch Verlegung der Nachtquartiere läßt sie sich auf vier Lage ausdehnen, wobei man den Vortheil hat, etwa die Ruinen des alten Capua besuchen, auch über Caserta fahren zu können. Dasselbe und noch mehr läßt sich in kürzerer Zeit erreichen, wenn Mehrere gemeinschaftlich einen Wagen von Anglisani nehmen. Auf der Fahrt von Florens nach Rom kann man den Vetturin verpflichten, von Viterbo aus über Capraruola zu fahren. Er thut es, wenn man den Handel versteht, für eine geringe Zulage an Fuhrlohn oder Trinkgeld. Nachrichten solcher Art lassen sich für alle Orte in Menge geben und werden ja wohl dem Reifens den willkommen seyn.

Vorzüglich find genaue und auf ordentliche Nachforschungen bei den Central Behörden gestüßte Angaben über die Douanen Verhältnisse wünschenswerth. Die Unter Beamten erlauben sich eine Menge von Willkürlichkeiten und Brandschaßungen, vor denen der Reisende durch Kenntniß der effektiven Vorschriften geschüßt ware.

Ich muß mich hier auf diese wenigen Andeutungen befchrans fen, fann aber nicht umhin, die Rücksicht auf das Comfort des Reisenden noch dringend zu empfehlen. Vor Allem muß derselbe gut logirt werden. Herr R. zählt zwar überall einige Gasthöfe auf und empfiehlt oder tadelt denjenigen, in welchem er gewohne hat. Was nußt das aber? Die Gasthöfe müssen klassifiðirt und

die einzelnen charakterisirt werden. Man muß erfahren, ju welchen Anforderungen man berechtigt ist. In den vielbesuchten Städten kann man überall chambres garnies finden, welche den Gasthöfen gewöhnlich vorzuziehen sind, z. B. in Mailand, in Rom überall, auf der Piazza d'Espagna, Via Condotti, auf Monte Caprino u. f. w. in Neapel, besonders reizend in S. Lucia, Chiatamone, Chiaja. In einigen dieser Hduser pflegen vorzugss weise Engländer oder Franzosen, in anderen mehr die Deutschen zu wohnen. Die Aussicht, die Bequemlichkeiten, die Preise sind verschieden. So wandelbar dergleichen Dinge find, so geht doch gewöhnlich ein gewisses Gefeß hindurch. Man kann solce Privats Wohnungen, wenn man sie zu finden weiß, unmittelbar beziehen. Es giebt über diese Verhältnisse unter den Reisenden eine Menge von mündlichen Ueberlieferungen; fie follten im Handbuche_sich gesammelt finden, denn nicht Jeder ist so glücklich, zur rechten Zeit die Kunde zu erlangen.

Ferner find Mittheilungen über das geregelte Fuhrwerk in den Städten nothwendig. Neapels Omnibus, welche vom Largo del Castello bis zum Seraglio gehen, die Römischen Omnibus nach S. Paolo find gar bequeme Einrichtungen, von deren Da seyn der Reisende nicht immer sogleich die Entdeckung macht. Für die Exkursionen in die Umgegend der Städte find detaillirte Mittheilungen ein großes Bedürfniß. Es begegnet dem Fremden 3. B. in Neapel leicht, daß er die Barken nach Sorrent oder Capri im Hafen nicht auffinden kann, und es hält oft schwer, auf der Straße genügende Zurechtweisung zu erlangen. Steht aber im Handbuch, daß z. B. die Barken von Sorrent bei der Immacolatella liegen, fo fann man sich zu diesem öffentlichen Gebdude von jedem Knaben hinführen lassen. Gerade für Neapel, wo der Verkehr mit der Umgegend meist sehr stätig und regels mäßig ist, lassen sich außerordentlich viele Notizen für alle Punkte geben.

Auch wünscht der Reisende Belehrungen über die Preise feiner Bedürfnisse. In dieser Beziehung giebt es so viel Festes, daß sich zahlreiche Labellen mit vollkommener Sicherheit auf: stellen lassen. Dadurch wird dem Fremden nicht nur viel Geld, sondern auch viel Zeit und Aerger erspart. Der Italianer ist alsbald zufrieden, wenn er merkt, daß sein Kunde Bescheid weiß. Wo ich in Reisebeschreibungen und Handbüchern hin und wieder Preise angegeben finde, ist die Angabe gewöhnlich viel zu hoch, wie natürlich, weil der Verfasser nichts als seine eigenen Erfah rungen feil hat. Nur Valery giebt richtige Notizen in dieser Beziehung. Hier einige wenige Beispiele für die Möglichkeit genauer Tabellen. Das Fuhrwerk in Neapel hat durchgängig feste Preise. Die Eselmiethe hat so ziemlich feste Preise, ges wöhnlich 3 Carol. für eine Tour von mehreren Stunden, 8. B. auf den Vesuv, eigentlich aber noch weniger. Für einen Plat in den Barken von Sorrent zahlt man nur 1 Carol., nach Capri höchstens 14 Carol. Daß man im Museo Borbonico Jedem von den vielen Aufsehern und jedesmal 1 Carol. Trinkgeld geben müsse, ist eine bloße Einbildung. Die Leute sind nicht berechtigt, irgend Etwas zu fordern. Für besondere Dienste kann man sie nach Belieben belohnen. Wer das Museum nur einmal besucht, wird übrigens gern ihnen ein Trinkgeld geben, denn sie follen karglich besoldet seyn, wobei vielleicht auf die Freigebigkeit der Fremden gerechnet ist. In Rom giebt man beim Besuch einer Villa u. f. w. gewöhnlich 2 Paoli in Allem, man sey nun allein, oder mit Anderen in Gesellschaft. Es ist hier nicht der Ort, diese Notizen zu vermehren. Nur so viel, daß Herrn R.'s Anga ben durchgehends falsch sind; 4 Scudi dem Vetturin für einen Tag zu geben, ist lächerlich; man rechnet, mit Einschluß des Abendessens und Quartiers, 2 oder kaum 2 Scudi. Eine gelata in Neapel kostet niemals 12 bis 16 Grani, sondern nur 5 bis 10 Grani, und ein Glas limonata an einer Limonaden-Bude nur einen einzigen Gran, nicht 3 bis 4 (S. 388). Die Preis-Courante über ganz unbestimmbare Markt-Artikel, nach Madame Stark's Manier, auszudehnen, ist freilich so lächerlich und lustig, als die Römer in zahllosen Karrikaturen zu erkennen geben. Aber einers feits muß das Handbuch Maß halten, und andererseits muß der Benußer mit Verstand und nicht mit Englischer Gewissenhafs tigkeit und Caprice die Anwendung davon machen.

Uebrigens ist es nicht genug, die Gasthöfe aufzuführen. Man muß auch Trattorien nachweisen; denn sobald der Fremde in einem Privathause Wohnung gefunden, ist er für seine Wahlseiten an das Speisehaus gewiesen. Hier giebt es nun manchers lei kleine Vortheile und Regeln, um schnelle und sorgfältige Be dienung zu erlangen. Vor Allem aber will ich wagen, einen von vielen Reisenden gedußerten Wunsch hier als ein bisher völlig vernachlässigtes Erforderniß eines brauchbaren Handbuchs geltend zu machen. Dies ist: eine mit den vornehmsten Artikeln ausgestattete und ordentlich raifonirte Speisekarte für die vers schiedenen Orte. In vielen Trattorien find zwar gedruckte Speis felarten ausgelegt (3. B. in Neapel im Ercole, im Giglio d'oro u. f. w., in Rom in der Lepre (Herrn R.'s einzige Ressource), in der Scalinata (am Spanischen Plas), im Fiano (am Corso hinter dem Caffe delle belle arti), oder auch geschriebene Tagess jettel, wie in der sogenannten Celliri Trattorie (Banco di St. Spirito, unweit der Engelsbrücke). Aber auf den gedruckten Karten findet man circa 600 Artikel unter oft sehr wunderlichen Benennungen. Und von welchem Fremden ist zu erwarten, daß er auch die gewöhnlicheren Namen, wie sie auf den geschries benen Zetteln vorkommen, genugsam lenne, um nicht auf das unangenehme Ausprobiren reduzirt zu seyn, da ja nicht Jeder einen hülfreichen. Freund sogleich zur hand hat! Die Benennuns

gen der alltäglichsten Nahrungsmittel weichen an verschiedenen Örten von einander ab. Rindfleisch heißt in den Trattorien bald alesso, bald bullito (für bollito), bald manzo; Kalbfleisch abs wechselnd vitello und mongana, Schweinefleisch porco, majale, cinghiale. Nun gar die mannigfaltigen Bezeichnungen für Ges sottenes, Gebratenes, -Gebackenes und die verschiedenen Arten der Zubereitung von Gemüsen, Fischen, Eierspeisen, Pasteten u. f. w. Diejenige Trattoria in Rom, welche die angelegentlichte Empfehlung verdient, ist der Fallone auf Piazza St. Eustachio. Dort wird gar keine Speisekarte ausgelegt, vielmehr resitirt der Cameriere auf Verlangen die ganze Liste des Vorräthigen, und der Unkundige ist also noch weit übler daran. Der Cameriere vers gißt auch gewöhnlich, Vieles herzusagen, was dem Fremden vielleicht gerade willkommen wäre und wonach er fragen könnte, wenn er es zu benennen wüßte. Herr R. giebt seinen Reisenden den weisen Rath, vorher Italidnisch zu lernen; er handelte viel weiser, wenn er ihm für die nothwendigsten Wörter und Phras fen des Verkehrs durch Verzeichnisse zu Hülfe käme. Ein geüb: ter Reisender, der sich ein kleines Wörterbuch für den dringendsten Bedarf auf seinen Wanderungen anlegt, findet das Gebiet nicht gar so ausgedehnt, daß es von dem Handbuche ausgeschlossen werden müßte. Diejenigen Dialekt Abweichungen, welche den Reisenden am häufigsten inkommodiren, sollten angedeutet wer den, wie z. B. das minga (für non), das mo (für adesso), die Gewohnheit der Römer, das R zu verstellen u. dgl. m. Wer möchte in crappa und crapett' mit Leichtigkeit die Wörter capra und capretto (Biegenfleisch) erkennen? In Oberitalien nennen fie Lichter chiari, in Rom die Waschschüssel cunculina, die Zündhdizchen prosperi (für fosfori), in Genua dagegen palanga u. m. dgl. Was die zweckmäßige Anordnung des Buchs betrifft, so hat man im Ganzen die Wahl zwischen zwei Methoden, nämlich ents weder die Beschreibung der einzelnen Ortschaften auf Reise: Routen zu vertheilen, oder sie in alphabetischer Ordnung zu lies fern. Herr R. hat sich für die erstere Weise entschieden, die auch dem Hegemannschen Buche, aber in zweckmaßigerer und voll ständigerer Anwendung, zum Grunde liegt. Dem Richterschen Cicerone fehlt übrigens das Register, welches bei dieser An ordnung ganz unerläßlich ist. Diese Weise hat ferner den Nach, theil, daß manche Ortschaften, die intereffant für einzelne Reisende sind und nicht gerade an den gemeinüblichen Straßen durch Itas lien liegen, nicht untergebracht werden können. Die andere Methode, welche mir den Vorzug zu verdienen scheint, macht eine Uebersicht der Reiserouten, wie Neigebaur sie auch seinem Werke vorangeschickt hat, erforderlich. Die Sehenswürdigkeiten in den einzelnen Städten ordnet Herr R. bald nach Materien, bald nach den Lokalitäten. Aus der Vermischung beider Me thoden entsteht eine unleidliche Konfusion und Erschwerung des Gebrauchs. Am bequemsten möchte es gefunden werden, wenn eine forgfältige und konzise Aufzählung der Gegenstände nach bes stimmt festgestellter Classification (Plage, Brücken, merkwürdige Gebäude, Kirchen, Paläste, Museen, Villen, Umgegend od. dgl.) jedes Mal voranginge, dem aber die Anweisung folgte, was sich bequem zusammenfassen und auf derselben Tour abthun lasse.

Die Frage ist nur, ob es ausführbar seyn möchte, ein Hands buch mit den vorgeschlagenen Nachweisungen auszustatten. Allers dings nicht, wenn man nur die Beobachtungen flüchtiger Reifen den benut. Aber überall in Italien find viele Deutsche ansässig, Künstler, Handwerker, Kaufleute, welche genau Bescheid wissen und mehrentheils bereitwillig Bescheid geben. Derjenige, wel cher ein gutes Handbuch zu liefern unternahme, müßte ausdrück lich in der Absicht, bei den eingewohnten und kundigen Personen ausführliche Nachrichten einzuziehen, Italien bereisen. Auch Fönnte vielleicht ein Buchhändler Gelegenheit finden, sich mit folchen Personen, insbesondere Kaufleuten, in Korrespondenz zu feßen. Sicher ist immer dies, daß man persönlich nachfrage und felber sehe underprobe.

Es wäre sehr zu wünschen, daß Jemand sich fände, der ,,Italiens Prosa", wie Herr R. die dortigen Plagen des Reisen -den nennt, zu binden Neigung und Geschick hatte und diejenige Stimmung bannte, in welcher man (mit Herrn R. zu reden) ,,die Urbilder zu Nicolais unstreitig interessanten Karrikaturen, die in ihren Grund Ideen viel Wahres enthalten, begreift!" Grund Ideen von Karrikaturen und jede Art von ausbündiger Philiftrofitdt sollen hier nicht in Schuß genommen werden. Aber was dem Reisenden durch die einfachsten Mittel leicht und bequem gemacht werden kann, das möge ihm leicht und bes quem gemacht werden! Gustav Julius.

Rußland.

Gesänge und Gefangliebe der Russen.
(Schluß.)

Die Kleinruffifchen Weiber haben eine ganz eigenthümliche, höchft frappante und für Jeden, der sie gehört hat, unvergess liche, obgleich nicht beschreibbare Gesangsweise. Sie schreien dabei gewöhnlich aus vollem halfe und halten ihre Stimmen immer in so unglaublich hohen Tönen, daß es klingt wie ein Chor von lauter Pickelpfeifen. Die zweite und dritte Stimme fehlen ganz in diesen Chorgefangen, nie anders als mehrstimmig fingen, während die Großrußen und alle hohe Distants stimmen schreien unisono ein und dasselbe. Sie bilden in dieser Hinsicht einen schneidenden Kontrast zu den Lithauischen und Lettischen Frauen, deren Gefange gewöhnlich so tief und dabei,

troß der Mildheit und Sanftmuth der Nation, so wild find, daß der Hörer Mühe hat, sich zu überzeugen, daß sie von Frauen kommen. Nichtsdestoweniger sind die Melodieen der Kleinruffis schen Volksgefange ungemein reisend. Das so süß melancholische ,,Schöne Minfa", das auch bei uns allgemein bekannt ist, ist auf Kleinrussischen Flaren geboren und hier in jeder alten Baba (alten Weibes) Munde. Es fángt im Russischen an:,,Jächal Kosak sa Dunai, ska Jaw döwitschy proschtschai." (Es ritt ein Kosak über die Donau, nachdem er feinem Mädchen Lebewohl gesagt.) Auch kommen die besten musikalischen Talente Rußlands meistens aus der Ukraine, dem Pottawschen, Kiewschen u. s. w.

Bei aller ihrer Liebe zum Gesange ist es doch auffallend, daß bei den Russen eminente Sängertalente weil seltener find als bei uns. Was man in der vornehmeren Russischen Gesells schaft an ausgezeichneten Sängerinnen trifft, ist im Ganzen sehr unbedeutend und, wenn wohlgefällig, mehr nur angenehm und niedlich, als hinreißend und schön. Alles, was in den höheren Zirkeln das Öhr ergößt, sind meistens nur Deutsche Stimmen. Die Russische Stimme ist bei weitem nicht so voll, rund, nach; haltig und metallreich als die, welche Germanischen Organen entströmt, und eben so auch, ohne Zweifel, weil weniger ges pflegt und ausgebildet, auch weniger umfangreich. Nichtsdestos weniger ist die Stimme sehr biegsam und gewandt, und es kom men in ihren Gefangen eine Menge Kunststückchen vor, die, dhne lich dem Jodeln der Tyroler, nachzuahmen Anderen sehr schwer wird. Die Russen sind dem Allen nach auch bessere Chor, als Solosånger, und in der That hört man sie auch nur selten anders als im Chore fingen. Bei den Kleinrussischen Weibern find diese Chöre, wie wir schon oben bemerkten, durchweg nur eins stimmig; bei den Großrussen dagegen find alle Chöre durchweg mehrstimmig. Die Soldaten, die Ackerbauer, die Handwerker find alle mit so gutem musikalischen Gehör begabt, daß sie fast immer nur mehrstimmig singen, und es läßt sich nicht genug das bei die Festigkeit im Takte und die Sicherheit im Tonhalten dies ser ungeschulten Leute bewundern.

Die sinnige Ruhe und die Jnnigkeit der Deutschen, die Hins gebung und der Ernst, mit dem sie Alles treiben, ist Ursache, daß, wenn sie singen, sie weiter nichts treiben, als bloß Gesang. Der Deutsche liegt daher, seine Laute schlagend, ruhig und ganz der Musik hingegeben da. Sein ganzes Wesen scheint im Gefange aufgelöst und in Tönen hingeschmolzen, und nur sein Auge und feine Mienen allenfalls verrathen den erhöhten, begeisterten und verklärten Zustand seiner Seele. Bei dem lebendigen, bewegli chen und immer schauspielernden Ruffen ist dies ganz anders. Sein ganzes Wesen wird vom Gesange ergriffen, und er mag flagen oder jubeln, es spiegelt sich der Inhalt seines Liedes in feinen Mienen und Bewegungen ab. Selten fingen die Russen, ohne mit Mimik ihren Gesang zu begleiten, und es ist bei lustis gen Wein oder Kriegsgefangen in der That zuweilen ein solcher Chor fich einander Gefichter schneidender Sänger, die fich bald drohen, bald zärtlich küssen und umarmen, der drolligste Anblick von der Welt. Aus derselben Ursache ist daher auch sehr häufig der Russische Tanz mit Gesang verbunden. Die,,Wesnanka" 3. B., der Frühlingstanz der Russischen Mädchen, den sie in lans gen Reihen trippelnd und mancherlei Figuren bildend um Pfings ften durch die Dörfer tanzen, ist immer mit Gesang begleitet. Nicht nur, wenn in einer Sonntagsgesellschaft ein Paar Solotänzer auftreten, werden diese von den Zuschauern oft mit Gesang begleitet, sondern auch die Tanzer singen sich oft selbst dazu. Ja zuweilen gar verbindet der Tänzer mit dem Gefange und Lanje auch noch Musik, indem er seine Stimme und Bewegun gen noch selber mit der Violine accompagnirt und so auf diese Weise dann nicht selten Tanzer, Sänger, Schauspieler, Musiker alles in demselben Augenblick auf ein Mal ist, und außerdem auch noch der Dichter seines Liedes, der Compositeur seiner Melodie und der Verfertiger feiner Violine. Auch in die höheren Stände der Russischen Gesellschaft ist die Sitte, Gesang mit dem Tanze zu verbinden, übergegangen. Bei großen Festen und Bällen wird gewöhnlich die Musil des ersten eröffnenden Tanzes von einem Praftigen Sängerchore begleitet, was einen ungemein prachtvollen Effekt macht.

Die Ruffen sind nichts weniger als ein ideales Volk, vielmehr ein sehr finnliches. Die Musik ist daher auch bei ihnen nicht diese vom Himmel stammende Göttin, wie sie es dem Italic ner ist. Der Russe hat nicht diese platonische Liebe für sie, wie der Deutsche. Sie ist ihm sein trautes Feinliebchen. Der finns liche Reis, der Ohrenkißel der harmonisch zusammenklingenden Töne ist es, was ihn mit Entzücken erfüllt. Es ist wie die Freude an den Farben bei den Wilden und bei den Kindern und bei den Ruffen selbst, die man insofern große Liebhaber der Malerei nens nen könnte, als sie die in einander verklingenden Farben des Regenbogens zum Bewundern schön finden und immer an ihren Kleidern und ihren Zimmern Buntes und Farbiges lieben. Ein Russe kann den ganzen Tag auf seiner Balalaika einige Akkorde hin und her greifen und daran das innigste Behagen finden. Daher kommt es auch, daß die gemeinen Russen so großes Wohls gefallen an den Mund Harmoniken haben und nichts schöner finden, als die Acols Harfe, und daß die Gebildeten uns um fein Instrument mehr beneiden, als um unsere Orgel, die leider ihre Religion nicht in die Kirche einzuführen gestattet. Spieldofen, Schränke und Büreaus mit Orgeln haben daher ihren besten Abs gang nach Rußland. In allen Kaffeehdusern Moskau's finder man Spieluhren, die ihre Lieder nicht hdufig genug ableiern können zur Freude der Russischen Gäste. Daher auch endlich

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diese so eigenthümliche Hornmusik, von der man auch noch von vielen anderen Seiten zeigen könnte, eine wie echt Russische und tief aus dem Wesen der Nation hervorgegangene Erfindung fle fen. Man könnte versucht seyn, die Ruffen mehr völlig vers liebte Liebhaber von Lönen, von harmonischen Klängen, als Freunde der Musik zu nennen. Ihre Musik hat nichts Raphaeli fches, nichts, so zu sagen, Plasafches, wie die Italianische Mus fit. Es ist Alles bunte Malerei, als wenn man in ein Kaleidos skop blickte.

Besonders deutlich tritt dies in der übrigens in ihrer Art so zauberischen Russischen Kirchenmusik hervor, von der wir hier durchaus noch ein paar Worte reden müssen, da sie ein so wich tiger, ja wohl der entwickeltste Zweig der ganzen Russischen Ges sang Musik ist. Glücklicherweise verbannt die Griechische Kirche die Instrumental Musik aus den Gotteshäusern und verfällt das her nicht in den Jrrihum der katholischen Violinen, Trommeln und Trompeten, die zuweilen mit der weltlichsten Musik von der Welt alle Frömmigkeit zum Tempel hinausiagen. Freilich hat sie dabei leider auch nicht die erhabene Orgel aufgenommen, die für das Lob Gottes das schönste aller Instrumente ist, da ihm nur Psalmen wohl anstehen und ein Abirren zu Spielereien fast unmöglich ist. Allein die strenge Griechische Kirchenordnung last Feine Ausnahmen zu, und nach ihren Vorschriften darf die mensch liche Stimme allein mit harmonischen Klängen zur Ehre Gottes ertönen, und alle Vermittelung der Ton-Ergießung ist verpont. Es ist fern von uns, die Russisch Griechische Kirchenmusik der Italianisch-katholischen an die Seite sehen oder auch nur vergleis chen zu wollen. Beide haben zu wenig Vergleichspunkte, um sich gegen einander abschcßen zu lassen, und jede behält ihren eigenthümlichen Werth. Der Russischen Kirchenmusik ist naturs lich nie der Grad der Vollkommenheit und Ausbildung gegeben, den die Italianische erreichte. Und wenn man sich auf der einen Seite in Rußland von den absurden musikalischen Fragen, in einem Gotteshause erscheinen sie wenigstens als solche, mit denen man hier und da in katholischen Kirchen erschüttert und betäubt wird, fern hielt, so erhob man sich auch nie zu der Stufe von Erhabenheit und Begeisterung, mit denen Deutsche und Römische Psalmen den Schöpfer preisen. Keine Verschiedens artigkeit der Gesange, keine Steigerung der Begeisterung, Alles ein lieblich sich schwingendes harmonisches Gemurmel. Cine ,,Schöpfung", ein,,Weltgericht" konnte wohl nie aus dem Geiste der Russischen Kirchenmusik geboren werden. Wie könnte cin freundliches Kind so erhabene Gedanken gebdren!

Wenn man viel Russische Kirchenmusik gehört hat und sich nachher wieder daran erinnert, so kommt es Einem vor, als habe sich das Ganze eigentlich nur um ein Paar Töne gedreht. Es ist, als wenn man das Geplåtscher eines Baches in Wufit gefeßt hatte. Nur müßte noch etwas Melancholisches, etwas Leidendes hinzugefeßt werden. Der beste Vergleich were gewiß mit der Acols Harfe, wenn man bei ihr diese langgezogenen Töne nur in lauter furze zertröpfeln lassen könnte. Denn es ist ein ewiges Geschwinge, Gezitter oder Getrippel mit der Stimme dabei, wie das Trippeln und Schwingen bei ihrem Tanze.

Nie wurde mir das deutlicher, als im Kloster St. Simon in Moskau, wo die Mönche seit langen Zeiten wegen ihrer schönen Gesange berühmt sind, die sie an gewissen Festtagen vortragen. Als wir in die Kirche eintraten, schien es uns, als wenn der ganze Kirchenraum mit harmonisch flötenden und summenden Stimmen erfüllt wäre. Und wir konnten, da die Sänger gar nicht recht deutlich mit ihren Stimmen hervortraten, lange nicht den Ort finden, wo sie eigentlich postirt waren. Endlich entdecks ten wir sie hinter einem Pfeiler. Sie spißten und rundeten den Mund ein wenig beim Singen, woher denn eben die Flötentöne kommen mochten, die in gleichmäßigem Wellenschlage lieblich da hin floffen. Wenn die katholische Kirchenmusik oft mit Feuerwerk und Raketen zum Himmel aufzusteigen scheint, so war dieser Ge: fang der Simonowschen Mönche wie das Lichtergeflimmer eines illuminirten Weihnachtsbaumes.

Die Frauenstimmen mischen sich auf keine Weise in den Russischen Kirchengesang. Die Frauen, scheint es, stehen nicht hoch genug in der Achtung der Ruffen, als daß sie vor der Ges meinde Gottes Lob befingen könnten. Sie werden durch Kinder und Knaben ersetzt. Viel hält man darauf in den Russischen Kir chen, wenigstens eine oder ein Paar tüchtige Baßstimmen zu ha: ben. Und man treibt damit sogar eine Art von Lurus, indem man die guten Bassisten überall aufsucht, stark befolder und sorgsam verpflegt. Diese auserlesenen und durchdringenden Basstimmen find nicht sowohl für die Chöre nöthig, als für gewisse halbrecis tativische Solos Partieen, die hier und da beim Gottesdienste vor kommen und die immer so fordert es, das Gesez oder die Gewohnheit der Kirche von erstaunlich tiefen und starken Baffen vorgetragen werden müssen. Zu solchen recitativischen Solo Partieen gehören z. B. die Eröffnungsworte des Gottes dienstes, das Gebet für den Kaiser und Staat, die Hinausweis fung der Unglaubigen u. f. m. In den gewöhnlichen Kirchen Pann man natürlich dabei weniger auf den Wohlflang und die ganze Vollkommenheit der Grimme sehen, als auf ihre durchaus nöthige Stärke, und man findet in ihnen daher zuweilen Práto ren: Stimmen, vor denen man erschrecken, könnte. Die Russen haben ohnedies schon ein sehr rauhes und tiefes, Organ, das nur bei den Gebildeteren einen etwas verfeinerten und gemilderten Ton

hat. Man kann sich nun denken, welche gigantische Stimmen su Lage fommen, wenn sie sich, wie die Kirchenfänger in jenen Fallen, alle mögliche Mübe geben, alle Rauheiten und gespenstische Tiefen des Organs recht auszubilden und zu Tage au legen. 7:

Die Russischen Journale gaben vor einiger Zeit eine Uebers sicht der vornehmsten Baßstimmen dieser Art im Russischen Reiche. Bei jeder war der Umfang der Stimme angegeben. An der Kasanschen Kirche in Petersburg war der tiefste und stärkste Baß. In Moskau an der Kirche des Erzengels Michael der zweite. In Nischney Nowgorod und Charloff der dritte und vierte u. f. w.

Die besten Sängerchöre findet man natürlich in den Kather dralen der Hauptstädte. Jeder Metropolit und Erzbischof hält viel darauf, eine ausgezeichnete Kapelle au haben. Die unübers trefflichste von allen ist natürlich die der Kaiserlichen Schloßs Kirche in Petersburg. Allein auch selbst in den kleineren und kleinsten Provinsstädten findet man fast immer ganz hübschen Kirchengesang. Und es ist mir ausgemacht, daß ich hundert Mal lieber die wenigstens durch nichts beleidigenden und immer har monischen Gesange eines Russischen Diakons und Diatschots an hören will, die einen Bettler beerdigen, als das Geplárre eines Deutschen protestantischen Küsters, der den Ostersonntag feiert.

In Petersburg ist ein eigenes großes Institut errichtet, um die Sänger für die Kaiserliche Kapelle zu bilden. Der frühere Direktor desselben foll ein ausgezeichneter Komponist gewesen fenn und die trefflichsten Compofitionen für die Kaiserliche Kas pelle geliefert haben. Er wird als Gründer der neueren Ruffis schen Kirchenmusik betrachtet. Jn jenem Institut werden etwa 100 junge Leute von 6 bis 18 Jahren unterrichtet, die den Abs gang aus der Kaiserlichen Kapelle erfeßen, der sehr bedeutend feyn soll, zum Theil, weil die Russischen Männerstimmen sich sehr schnell abnußen, zum Theil, weil man mit den Stimmen sehr delikat und wählerisch ist und, sobald ein Baß mit dem Alter nur ein wenig verliert, ihn sogleich verabschiedet und pens fionirt. Man kann während des Winters alle Sonnabend in dem Konzert Saale jenes Instituts den herrlichsten Vorträgen beiwoh; nen. Es ist eigentlich nur die Probe von dem, was sie am an deren Tage in der Kaiserlichen Kapelle fingen werden. Gewöhns lich wird aber noch sonst etwas Schönes hinzugefügt und ein vollständiges Konzert daraus gemacht, das stets ein zahlreiches Publikum findet, da es leicht ist, sich Billette dazu zu verschaffen. Es sind indeß nicht nur die jungen Zöglinge des Instituts, son dern auch alle die diteren Männer der Kaiserlichen Kapelle t thatig. Die Ertreme des Alters find 7 bis 40 Jahre. Viele vers sichern, fie gabeu Rom mit sammt der Sirtinischen Kapelle um den Genuß dieser Petersburgischen Konzerte. Und in der That, so lange die Seele im Bereiche jener himmlischen Klänge ist, denkt man nicht daran, ob es noch etwas Schöneres gabe. Ge wiß baute Silbermann keine Orgel, die je etwas Aehnliches leis stete, wie jene hundertmánnrige, und zwischen Polen, Ocean und Mittelmeer ist sicher kein Saal zu finden, der den Geist noch wunderbarer mit Tönenanhauch bezaubern könnte, als der der Kaiserlich Russischen Kapelle in Petersburg.

Mannigfaltiges.

dabei

Das Schicksal. Diesen Titel, und zwar mit den beiden Deutschen Worten, führt ein unlängst in London erschienener Ros man von Moriarty *). Lebte Müllner noch, oder wären feine Schicksals Tragödien noch im Schwunge, so würden wir glauben, das Buch solle eine Satire auf den Dichter oder seine Stoffe feyn. Eine Englische Witwe nämlich, Mistreß Mersey, hat bes reits drei Männer begraben und macht nunmehr auf den vierten Jagd. Dieser vierte ist ein Deutscher, der Fürst von Grüffens hausen, der mit größerer Entschiedenheit, als irgend ein Türke, an Fatum und Prädestination glaubt. Diesen Schicksalsglauben sucht nun die schlaue Witwe, die dabei mit zwei anderen Rivas linnen zu kämpfen hat, für sich auszubeuten, und die Intriguen, Zigeuners und Spuks Geschichten, welche von allen Seiten pros vozirt werden, bilden die etwas triviale und an schlechtem Humor leidende Grundlage des Romans, der, obwohl mit Deutschen Worten kokettirend, in Deutschland schwerlich sein Publikum finden dürfte.

Irländische Bulls. Ein Theater Direktor in Irland ließ fürzlich, um dem Publikum den Erfolg anzuzeigen, den ein Lustspiel bei der ersten Aufführung gehabt, auf den Komödien zettel drucken:,,Das Haus war so voll, daß die Zuschauer sich genöthigt sahen, perpendiculair zu lachen, weil es ihnen uns möglich war, den Mund in horisontaler Richtung zu öffnen."

Ein Irländischer Zeitungsschreiber kündigte an, daß, nachdem bereits sämmtliche Städte Srlands Bittichriften an das Barlas ment in Bezug" auf Budude des Landes hätten gelangen lassen, nunmehr auch die Stadt Clonakilty zu einer solchen sich entschlossen habe. Titel und Inhalt dieser Bittschrift wurden in nachstehender Weise angegeben:,,Adresse an das hohe Parlas ment, die Abschaffung der alten Weiber beiderlei Geschlechts betreffend." Diefer Bull ist unstreitig treffender and wißiger, als man ihn in der Regel von Irländern zu erwarten pflegt.

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Frankrei

Berlin, Montag den 3. Juni

Zwei Soireen im 17ten Jahrhundert. °)

(März 1644.)

Ein junger Abbé, von dem man große Erwartungen hegte, war vom Marquis de Feuquières im Hotel de Rambouillet vors gestellt worden. Man forderte ihn auf, über einen Text, den das Loos bestimmen sollte, eine Predigt zu improvisiren; er erklärte fich bereit, doch da es an diesem Abend schon zu spắt war, so verschob man die Sache auf den folgenden Tag.

Eine Stunde später war der junge Mensch wieder im Collége de Navarre, wo er mit großen Schritten in seiner Zelle auf und ab ging. Eine halb erloschene Lampe beleuchtete schwach drei Stühle, ein Bert und einen Tisch, Alles voll von Büchern und Papieren. Ein eisiger Wind blies durch den Kamin und das Fenster; die Asche des Heerdes flog im Zimmer umher; die Pas piere bewegten sich, und ein unsichtbarer Finger schien in den offenen Büchern zu blättern. Doch er dachte nicht daran, das Fenster zu schließen oder sein Feuer anzufachen. Es giebt Augens blicke, wo der leibliche Mensch nicht existirt, wo der Geist die ,,enge Naht", die Seele und Körper bindet, zerreißt und diesem tragen Kerkermeister seinen ganzen Schwung, seine Freiheit und Unverwundbarkeit mittheilt.

,,, wenn doch schon morgen wäre!" rief er endlich nach langem Schweigen, mit dem Fuß stampfend; noch zwanzig schreckliche Stunden! Die Thoren! Es wird spät, sagten sie; mir einen solchen Triumph zu nehmen...." Er biß sich in die Lippen und drehte sich hastig um, als wolle er sehen, ob ihn Niemand hören könne; dann fuhr er mit leiser Stimme fort: ,,Nun, ja.... Triumph.... warum nicht? Bin ich nicht meiner ficher in der ersten Begeisterung? Hab' ich das nicht zwanzig Mal bewiesen? Ich hätte einen glänzenden Erfolg gehabt.... Alles wäre zu Ende.... Aber morgen.... morgen! Bis morgen habe ich Zeit, die Gefahr zu messen; morgen werde ich zittern, morgen werde ich stammeln...." Und seine Phantasie führte ihm alle Scenen des Abends vor, jenen Salon mit den tausend Kerzen, jene Menge edler Damen, großer Herren, schöner Geister: alle diese Augen sah er auf sich geheftet, alle diese Ge fichter beim geringsten Fehler von seiner Seite zu einem malitiójen, unbarmherzigen Lächeln gerüstet, alle diese Schriftsteller bereit, ihn zu kritisiren, wenn er gut spräche, ihn zu vernichten, wenn es schlecht ginge. Umsonst suchte er sich zu vergegenwärtigen, mit welchem Wohlwollen man ihn aufgenommen, mit welcher Warme man von seinen Talenten gesprochen; vergebens fuchte er in seinem Gedächtniß die eben so aufrichtigen als nachsichtigen Komplimente, die so viele hohe Personen an ihn gerichtet hatten, namentlich der Prinz von Condé, so wie Herr von Montausier, der fünftige Schwiegersohn der Madame von Rambouillet und der Dirigent jener Soireen, deren Scele seine schöne Julie war; er fand in seinem Innern immer nur zwei Dinge, die gleich fehr gemacht waren, ihn zu peinigen: die Furcht vor einem fchlechten Debut, und die siedende Begeisterung, die er immer mehr abnehmen fühlte.

Es war in ihm von jeher ein unauslöschlicher Durst nach Lob und Ruhm; eine Menge kleiner Triumphe hatte seine ersten Studien bezeichnet: im Collége von Dijon, feiner Heimat, waren alle Prämien nur für ihn da; im Collège de Navarre in Paris hatte er so eben in seinem siebzehnten Jahre eine philosophisch, theologische Thesis vertheidigt, von der die ganze Stadt ge sprochen hatte; der berühmte Doktor Nicolas Cornet war stolz, ihn feinen Schüler zu nennen, und hatte ihn dies vielleicht nur zu sehr merken lassen. Seine Traume von Kuhm und Glück schwebten ihm daher bei allen Arbeiten vor, ja selbst bei den unbedeutendsten Dingen des Lebens.

Doch man glaube nicht, daß der Kultus des Ruhms seine einzige Religion war, daß er beim Eintreten in den geistlichen Stand, wie so viele Andere, nur an die Würden und Einkünfte der Kirche gedacht habe. Er war fromm, sehr fromm, und bei allen seinen Traumen vom Bisthum, dem Römischen Purpur, ja vielleicht gar der Tiara, strebte er doch ernstlich, ein guter

*) Dieser Auffaß gehört zu einer größeren Reihe historischer Arbeiten über die wichtigsten literarischen Personen des 17ten Jahrhunderts.

1839.

Pfarrer zu werden. Aber er trennte feine eigenen Triumphe nicht von denen der Kirche; unwillkürlich bat er Gott am Fuß des Altars um den Muth und die Kraft, sein Jahrhundert zu beherrschen; er wollte, wie der heilige Bernhard in dem feinigen, das Orakel der Kirche und das Licht des Papstthums werden. Der tiefste Glaube beseelte ihn, indem er sein Genie dem Dienft des Katholizismus weike. Nur machte er die Sache der Kirche ein wenig zu sehr zur eigenen und maß sich im Voraus einen bedeutenden Antheil an den Siegen zu, die er ihr zu erkämpfen hoffte. Man kann sich also von seiner Aufregung und Angst in der Lage, in der wir ihn eben geschildert, eine Vorstellung machen; es war eine Gelegenheit für ihn da, in einer Stunde vielleicht mehr Lorbeern zu sammeln, als in zehn Jahren auf dem Seminar!

Mitternacht schlug, als ein Windstoß seine Lampe vollends auslöschte. Die Dunkelheit weckte ihn aus seinem Sinnen: er bemerkte, daß ihm kalt sen, und als hätte sein Körper nur die Erlaubniß des Geistes abgewartet, um der Natur zu erliegen, fingen seine Beine an zu zittern, seine Zähne zu klappern; das Fenster widerstand lange feinen erstarrten Händen. Er legte sich ins Bett. Mit kaltem Leib und erhistem Kopf suchte er lange den Schlaf und fand nur einen fieberhaften Schlummer, der noch grausamer war, als Schlaflosigkeit. Seltsame Töne bewegs ten sich durch sein Ohr: bald hörte er das Geflüster im Salon Rambouillet, bald eine endlose Reihe barbarischer Syllogismen, die der traurige Nachgeschmack der Lectionen Meister Corner's waren, bald die Orgel von Notre-Dame; dann war er in der Louvres Kapelle, vor dem König, dem Hof, auf der vielersehnten Kanzel, und sollte eben eine Predigt halten, von der er kein Wort mehr wußte; dann war er wieder in Notre Dame, um ihn herum geheimnisvolle Gefänge, Weihrauch wollen, eine große bischöf liche Messe.... und der arme Abbé sah sich selbst zur Rechten des Altars, die Mitra auf dem Haupt und das Kreuz in der Hand, unter dem karmoisinfarbenen Thronhimmel der Erzs bischöfe. Zwei seiner Freunde waren zu ihm gekommen; fie hatten seine Bewegungen gehört und glaubten ihn krank. Sie weckten ihn, nicht ohne Mühe, auf. Etwas verwirrt beruhigte er sie und dankte ihnen für ihre Aufmerksamkeit:,,Es war nur ein böser Traum", jagte er mit erzwungenem Lächeln; doch das mit diese Scene sich nicht wiederhole, stand er auf und las einige Kapitel der heiligen Schrift. Aber diese erhabenen Blätter, die sonst so mächtig sind gegen die Sorgen des Lebens, konnten seine eigenen in diesem Augenblick nur steigern: in jedem Vers las er den Text, den er morgen für seine Predigt zu bekommen glaubte, und er dachte darüber nach, nicht wie ein Christ, der Erbauung sucht, sondern wie ein Prediger, der nach Haupts und Unters Abtheilungen sucht. Daher schloß er auch bald das Buch und bat knieend den Herrn der Herzen, dem seinigen mehr Ruhe und Demuth zu senden. Aber vergebens bemühte er sich, weiter nichts zu bitten; ein anderer Wunsch erfüllte seine Seele, ein ans deres Wort bewegte sich auf seinen Lippen, und nachdem er es lange unterdrückt, rief er heftig: Mein Gott! mein Gott! laß mich mit Ehren bestehen!"

Berseßen wir uns jest in das Kabinet Monseigneur Pierre de Gondi's, Erzbischofs von Paris. Der Greis saß an einem guten Feuer und unterhielt sich mit einem seiner Secretaire. Apropos", sagte er nach einer Pause,,,hat man diesem jungen Abbé sagen lassen, daß er zu mir kommen folle?" Ja, Mons seigneur, er wird bald hier seyn." ,,Gut. Ich wünschte schon lange, mich durch eigene Prüfung zu überzeugen, ob er wirklich alles das ist, was man von ihm sagt; doch wartete ich eine schickliche Gelegenheit ab, denn sonst hätte er glauben Fönnen, ich ließe ihn rufen, um ihn zu sehen. Man sagt, es fehle ihm mehr an Demuth als an Aufmunterung. Wir werden sehen. Sagt den Leuten, daß man ihn zu mir führe, sobald er da ist." Der Secretair ging hinaus, und der Erzbischof nahm von einem Fach seiner Bibliothek drei bis vier große Bücher herab und blätterte darin. Aus dem Staub, mit dem fie bedeckt waren, konnte man schließen, daß Monseigneur seit langen Jahren ihre Ruhe nicht gestört habe. Als man die Thür öffnete, stellte er sie hastig an ihren Plaß und nahm seinen eigenen in dem großen Lehnsessel wieder ein.

Wie unser Abbé den Befehl des Erzbischofs empfing, ahnte er sogleich, daß es sich um seine beabsichtigte Improvisation

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