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Meph. Fluch über Dich, Du Affengehirn, da hält er seinen Hut für die Leier! Nun mögen sich die hier ein Bischen lagbal -gen. (Er zieht sich in den Hintergrund zurück.)

Maler (immer aus vollem Halse lachend). O seht nur, seht! Welch ein theatralischer Gang! Welche Gliederverrenkungen! Die flies genden Haare, der im Wind flatternde Mantel, der Hut, den er wie Orpheus harfe im Arme hält! Prächtig, prächtig! Eine vors treffliche Karrikatur!

Kapellm. 3hr lacht darüber! aber er ist wahrhaftig toll! Er hat einen hißigen Fieberanfall.

Maler. Pah! nichts als ein Anfall wahnsinniger Eitelkeit. An diese Krankheit ist er gewöhnt, daran stirbt er nicht.

Kapellm. Aber er treibt verkehrtes Zeug! Seht nur, wie er um sich herum grüßt und fegnet, als lage eine Menschenmaffe au feinen Füßen! da steigt er auf ein Orangeriegefäß und steht da, wie eine Statue auf einem Fußgestell.

Kritiker. Als Apollo! Prachtig! Wie schön der Hut die Stelle der Lyra vertritt. Am Ende hält er noch den Zopf feiner Perrücke für den Schweif eines Kometen.

Kapellm. 36 finde das gar nicht so lächerlich. Diese Lyra ist bezaubert.

Wer Mißbrauch an mir übt,
Dem hauch' ich Wahnsinn ein.

Da wäre schon der eine Ausspruch erfüllt.

Kritiker. Dazu gehört nicht viel Zauberei, um vorhers fagen zu können, daß ein Narr Narrheiten begehen wird, denn ich versichere Euch, daß alle Künfte der Hölle nicht im Stande wdren, die Ueberspanntheit eines so felbfizufriedenen Menschen, wie er, noch zu steigern.

Maler. Laßt es gut senn! Ich muß schnell die Skizze vols lenden; der verwünschte Narr mit seiner Störung!

Kapelim. 3h hätte wohl Lust, während der Jude nicht aufpaßt, die Saiten der Lyra abzuspannen, um den inneren Mechanismus tennen zu lernen, dann hätte ich nicht nöthig, fie zu laufen.

Meph. (beiseit). Ja, ja, nach Deinem Gefallen! Das ist es eben, was ich wünsche.

(Der Kapellmeister will die Lyra nehmen.)

Maler. As, ich bitte, noch einen Augenblick!.... Kapellm. Aber liebster Maler, was treibt ihr denn da får Kurzweil? Verliert doch nicht die Zeit mit anderen Dingen.

Maler. Was soll das heißen? Seht Ihr denn nicht meine beiden Sirenen? Mir scheint, ich hätte das Ganze recht mit Ges fühl aufgefaßt.

Kritiker. Sehr artig! Eure beiden Satyre sind nicht übel; aber ich siehe die Sirenen vor. Was sollten auch Satyre auf einem solchem Instrumente bedeuten?

Maler. Das ist so die echte Art des Kritikers. Man schickt ihm ein Heldengedicht zur Beurtheilung, und wenn er das mit nicht zurecht kommen kann, spist er seine Feder und schreibt: ,,Was das Gedicht anbetrifft, so enthält es gewiß einige Schönheiten; wenn wir es aber von dem Gesichtspunkt der Geometrie und der Naturwissenschaften betrachten, wie wir es eigentlich bes trachten follten und auch wollen, so sehen wir uns genöthigt, es noch unter das Mittelmäßigste zu stellen, was uns bis jest in der Art vorgekommen, u. f. w. u. f. w.“ (Zum Kapellm.) Nicht wahr, habe ich nicht Recht?

Kapellm. Wovon sprecht 3hr, von der Kritik oder von Eurer Zeichnung?

Maler. Ach, laßt die Kritik, ich spotte ihrer.

Sirenen, ha!....

Kapellm. Eure Satyre?....

Meine

Maler. Ihr auch? Wohl! Muth gefaßt! Was ist daran gelegen? Sie sind vollkommen.

Kritiler. Es gefiel Euch, statt der Sirenen Satyre zu zeichnen; man muß nie mit der Phantasie des Malers rechten; weshalb aber betrachtet Ihr diese Lyra, als wenn Ihr sie kopirs tet? Nicht einmal die Stellung ist nachgeahmt.

Kapellm. Allerdings. Statt dieser beiden lieblichen, mit so viel Anmuth gegen einander geneigten Gestalten, drechselt Ihr awei groteste, rucklings gebogene Leiber hin und gebt ihnen eine dem Plan des Vorbildes gerade entgegengefeßte Stellung. Das mag originell seyn, aber es hat durchaus keine Beziehung zu Adelfreit's Lyra.

Maler. Theuerkter Maestro, Jhr seyd zum Wißeln viel zu fchwerfällig; begnügt Euch damit, die großen Meister zu plündern und schmählichen Diebstahl, schlecht versteckt unter geschmacklosem Bierrath, für die Inspiration Eurer Muse auszugeben; überlast die leichte Ironie diesem Herrn hier, der sich derselben so gut zu bedienen weiß, wie Jedermann bekannt ist, und dessen Anatheme für Meinesgleichen Anweisungen auf Unsterblichkeit sind. (3um Kritiler.) Ja, Herr, ich verachte Euch und troße Euch; Ihr_wißt es sehr wohl. Da 3hr seht, daß diese einfache Slizze den Stems pet einer Euch unerreichbaren Größe trägt, fo erblaßt Ihr vor Wuth, und da 3hr weder greifen tönne, so thut 3hr, allonheit noch die Anmuth bes

wdren diese reizenden Sinnbilder der Verführung nichts als ungeschlachte Körper..

Kritifer Gum Kapellmeister). Sinnbilder der Verführung! zwei hdßliche Satyre, von Wein berauscht und mit obscönem Grinsen fich umbiegend.

Kapellm. sum Maler). Ehrlich gesagt, lieber Weister, Euer Sinn ist getrübt oder Euer Geist auf Jerwegen. Diese beiden Gestalten mit Bocksfüßen find eine Composition, die Eurer ganz

unwürdig ist. Nehmt Euch zusammen, ich bitte Euch; öffnet die Augen und last Euch den Raih nicht verdrießen, den ich Euch zu Eurem Besten ertheile, vernichtet sie.

Kritiker. Das ist auch mein Rath.

Meph. (beiseit). Nur zu! fallt Euch in die Haare!

Maler (ornia). Ei, Jhr möchtet wohl gern, daß ich das thate. Lieben Freunde, ich kenne Euch. Ihr habt mich so oft verrathen, daß ich nur zu gut weiß, was ich von Eurem Rath zu halten habe. Ihr armseligen Plagiare seht mit Verzweiflung fremdes Talent auffeimen; jede Ueberlegenheit zermaime Euch, und gewohnt, knechtisch nachzuahmen, fchreit Jhr über Abges schmacktheit und lebertreibung, wenn Ihr in der Nachbildung eines Kunstwerks das Original von dem Genius des Künstlers übertroffen findet. Ja wohl habt Ihr Recht! meine beiden Sirenen gleichen nicht denen der Lyra, eben so wenig wie Eure Werke denen gleichen, die Ihr nachgeahmt; nur mit dem Unters ichiede, daß Ihr Alles grob veranstaltet, was Ihr berührt, wäh rend ich dem Abbild einer ziemlich mittelmäßigen Darstellung den Stempel der Erhabenheit aufdrückte. Die Sirenen dieser Lyra sind zwei hübsche Mädchen, die meinigen sind zwei Göttinnen, und Euer Bemühen ist vergeblich: die Welt wird darüber urtheis len und Eure jämmerliche Eifersucht oder stumpfe Verblendung zunichte machen. (Er läuft davon, sein Album mitnehmend.)

Kapellm. Das wird immer seltsamer. Auch er ist durch das bloße Anschauen dieser Lyra vom Schwindel ergriffen und toll geworden! Ja, die Weissagung wird erfüllt; der Wahnwiß der Eitelkeit kommt über die mittelmäßigen Talente, die den Las lisman beflecken. O sauberische Lyra! ich erkenne die übernatür liche Macht, die in dir wohnt, und da du dem, der Wohilaut dir entlockt, Weisheit und Glück versprichst, so nahe ich mich dir mit ehrerbietigem Vertrauen und hoffe, dir so herrliche Harmos nieen zu entlocken, daß alle Mächte des Himmels oder der Hölle, die bei deinem Bau Beistand leisteten, sich mir unterordnen und mir gehorchen werden, wie einst dem großen Adelsfreit.

Kritiker. Send auf Eurer Hut; was sich hier unter unse ren Augen zuträgt, ist wirklich höchst wunderbar und lann Euch zur Warnung dienen.

Kapellm. Wie, Ihr zweifelt an meiner Wacht?

Kritiker. Ei freilich, ich zweifle stark daran, mit Eurer Erlaubniß. Ich habe Euch oft genug vor aller Welt gepries fen, Euch Gefälligkeiten in Menge erzeigt, darum könnt Ihr wohl einiges Vertrauen in mich sehen. Begnügt Euch mit den Lorbeern, die mein Wohlwollen Euch zuerkannte; send zufrieden mit dem Rufe, den meine Feder Euch verschaffte. Die Menschen babt Ihr getduscht, wagt es nicht mit den Geistern einer ande ren Ordnung.

Kapelim. 3ch verstehe Euch nicht und fürchte, daß auch Ihr den Verstand verloren, weil Ihr mit unheiliger Hand die Tnra berührtet. Meinen Ruf verdanke ich nur meinen Meister: werken, die vergiftete Feder eines Journalstriblers konnte mir feine Lorbeern zuerkennen. Das Genie krönt sich selbst, es pflückt feine Lorbeern mit eigener Hand und verachtet die unreinen Rathschläge der Schmeichler, die es, nur um sich selbst zu heben, an feiner Kraft irre zu machen suchen.

Kritiker (ihm die Lyra reichend). Ihr wollt es! Wohlan, môge Eure unsinnige Kühnheit ihren Lohn Arndten und Euer Geschick sich erfüllen.

Kapellm. Nieder aufs Knie, Sllave! Meph. Glück zu! Leier, jeßt bist du verloren. (Fortseßung folgt.) Bibliographie.

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Roman von E. Bergouniour. 2 Bde. 15 Fr. Les trois soufflets. - Von Frau von Cubières. 7 St. Traité élémentaire de Conchyliologie. Von G. P. Deshayes. Erscheint in 12 Lieferungen. Pr. jeder Lfg. 5 Fr.

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Le Siége de Rome. - Von T. Dinocourt. 2 Bde._15 Fr.
Traité pratique du pied-bot.
Un jeune homme charmant.
La tour de Biaritz. - Von
La Marquise de Vivonne.

-

Von Frau von Montaran. 2 Bde. 15 Fr.

England.

Das Sprachgenie eines Wälischen Holzsägers.

(Schluß.)

Obgleich Richard viele Sprachen gelernt und eine große An zahl alter und neuer Schriftsteller gelesen hat, so würde es doch schwer fenn, die Ausdehnung seiner Kenntnisse genau anzuges ben. Man könnte sogar glauben, daß er über der Beschäftigung mit anderen Sprachen seine Muttersprache vergessen hat, und auch das Englische svricht und schreibt er in Vergleich mit ande ren Sprachen nur auf eine sehr unvollkommene Weise. Es ist schon bemerkt worden, daß Richard seine ganze Aufmerksamkeit nur auf den grammatikalischen Bau der Sche richtet, den Inhalt des Gelesenen aber auf keine Weise zu fassen im Stande ist. Der folgende Zug mag als Beleg dazu dienen. Einer der Freunde Richards, welcher einen Besuch von einem der ausgezeichnetsten Mitglieder der Universität erhielt, glaubte, daß diesem ein folches Phanomen im höchsten Grade interesfiren müsse, und lud deshalb Richard zu sich ein. Nachdem das erste Erstaunen über feine wunderliche Erscheinung vorüber war, richtete man mehrere Fragen in Französischer und Italianischer Sprache an ihn, welche er mit gewohnter Schnelligkeit und Einfachheit beantwortete. Hierauf bat man ihn, eine Stelle aus dem Homer zu erklären.

Richard griff nun in seine Beinkleider und wühlte darin umher, bis er zu der Stelle gelangte, welche den großen Dichter beher: bergte. Hierauf zog er das Buch hervor und reichte es dem Ges Lehrten, damit dieser ihm eine Stelle bezeichne. Dieser verspürte natürlich Peine große Lust, das Buch in die Hand zu nehmen, und überließ es Richard, sich eine Stelle auszuwählen. Nun las derfelbe mit vieler Genauigkeit und Sorgfalt einige Verse der Ilias und begleitete sie mit sehr scharfsinnigen kritischen Bemer: fungen. Hierauf versuchte er eine Englische Ueberfeßung zu ges ben, was zwar nicht ohne einige Unbeholfenheit geschah, woraus man aber doch ersal, daß er den Sinn vollkommen gefaßt hatte. ,,Sehr gut, Richard," sagte der Fremde;,,Sie haben das Stück ganz richtig überfest. Haben Sie die Alias gelesen?" -,,Ja, ich habe sie gelesen." Was halten sie vom Charakter der Ans dromache?" Andromache?" fagte er nach einer langen Pause. "Ja, was halten Sie vom Charakter der Andromache Das ist ein Männerkampf." ,,Schön, das ist die Etymologie des Namens; aber was halten Sie von Andromache, der Gattin des Hektor?" ,,Die kenne ich nicht."

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Richard ist sehr bereitwillig, feine Kenntnisse mitzutheilen, und glaubt sich verpflichtet, seine Dienste einem Jeden anzubieten, der davon Gebrauch machen könnte. Die Nichtachtung und die Gleichgültigkeit, auf die er überall stößt, geben ihm reichlichen Anlaß zu Klagen, und er glaubt sich wegen seiner Bemühungen, die Wahrheit und die Wissenschaft zu verbreiten, verkannt und verfolgt. Zuweilen wähnt er sich auch einer religiösen Verfol gung ausgefeßt. Ich freue mich", sagt er,,,daß ich würdig erachtet wurde, für die gerechte Sache zu leiden, welcher ich gern mein Leben opfern möchte, sollte ich auch verbrannt werden oder die grausamsten Qualen an bestehen haben." Wenn es schon nicht zu verwundern ist, daß Richard wenig Personen findet, welche Griechisch oder Hebräisch lernen wollen, so ist es wohl noch natürlicher, daß sich Niemand seiner Anleitung dabei bedies nen will. Seine Unkenntniß der Weltfitte, die unglückliche Schwäche seiner Augen, die ungemeine Schwierigkeiten, seine Gedanken zu fassen, find nicht die geringsten Hindernisse, welche feinem Erfolge als Lehrer im Wege stehen. Bringt man dann noch die Unreinlichkeit seiner Person und seiner Kleider in Ans schlag, so wird man einsehen, daß er wenig zu hoffen hat.

Alles, was Richard zur Beförderung des Sprachstudiums thun kann, erfüllt er redlich, indem er unausgefeßt an der Volls endung mehrerer ausgedehnter Werke arbeitet. Unter diesen bes finden sich ein Griechisch-Englisches Wörterbuch und eine Samms lang Hebrdischer Stellen, welche er mit einem Hebräisch Englis schen Wörterbuch und einer Lateinischen Abhandlung über die Hebräische Musik und Prosodie versehen hat. Noch wichtiger ist ein Hebräisch Griechisch Englisches Wörterbuch, das schon weit vorgerückt ist. Ferner schrieb er eine Hebräische Grammatik mit Anwendung der Vokalzeichen, deren Gebrauch im Alterthum er aus Schriftstellern vor dem Talmud bewiesen hat. Seiner Ans ficht nach sind dieselben nicht nur für die musikalische Betonung, fondern auch für das volle Verständniß der Sprache unbedingt erforderlich.

Zu einer Zeit zeigte Richard große Neigung für die Musik; er genügte derfelben zuerst, indem er eine Zinke blies, und er gab dieses Ur Instrument nicht eher auf, als bis er ein Wald, horn erhielt, mit welchem er die Plage der Nachbarschaft wurde. Später schenkte ihm ein Freund eine alte Wälische Harfe, welche er selbst bespannte und zu dereu Tönen er die Hebräischen Pfalme in der Ursprache fang.

Es dürfte schwer seyn, die so entschiedene Neigung Richard's

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für das Erlernen von Sprachen und die bemerkenswerthen Forts schritte, die er in einem so abstrakten Studium machte, auf eine befriedigende Weise zu erklären, wenn man seine ganzliche Un brauchbarkeit für alle andere Dinge bedenkt. War es eine ur sprüngliche Anlage, ein Geschenk der Natur oder das Resultat einer Ideen Association, welche sich in seiner Kindheit gebildet hatte und deren Spuren verloren gegangen find? Sein merkwür digstes Vorbild ist Magliabecchi, der Bibliothekar des Großhers 3ogs von Floreng, welcher mit einem erstaunlichen Gedächtnisse und einem nicht zu befriedigenden Wissensdurste eine ausgebrei tete Kenntniß der alten und neuen Sprachen verband. Sein Ger dächtniß war so außerordentlich, daß er sich nicht nur alles Geles fenen erinnerte, sondern auch den Schriftsteller, das Buch und die Seite citiren konnte. Und dennoch hat er nichts hinterlassen, als einige Briefe und einen Katalog der Drientalischen Manus skripte in der Bibliothek zu Florenz. Wenn Magliabecchi und Jones fich in ihren Neigungen und Bestrebungen ndhern, so fin der ein ungeheurer Abstand zwischen ihrer äußeren Lage statt. Der Eine forrespondirte mir Gelehrten, ging mit den Vornehmen um, der Andere muß alle feine literarischen Schäße mit sich herumtragen und die Barmherzigkeit in Anspruch nehmen. Ar mer Gelehrter! (R. B.)

Mannigfaltiges.

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Ausländische Literatur in England. Zu den Eng lischen Zeitschriften, die sich bereits ausschließlich oder zum Theil mit der Literatur des Auslandes beschäftigen, ist jeße noch eine neue gekommen, die in monatlichen Heften erscheint und den Titel führt: Foreign Monthly Review and Continental Literary Journal". Das uns vorliegende erste heft (Mai, 1839) wird dem Publikum ohne irgend ein einleitendes Wort übergeben, aus welchem man auf die Männer, denen die Redaction anvertraut ist, und von diesen auf die künftige Richtung der neuen Zeitschrift einen Schluß ziehen könnte. Der Inhalt giebt sich jedoch sogleich als sehr mannigfacher Art, fern von aller einseitigen exklusiven Auffaffung, wie man sie sonst wohl von Engländern und Frans sofen auf den Gebieten ausländischer Literatur gewohnt war, und als ganz besonders vertraut mit den literarischen Zuständen unseres Deutschen Vaterlandes zu erkennen. Von sechzehn kritischen Ans zeigen, die diefes erste Heft enthalt, beschäftigen sich nicht weniger als acht mit Deutschen Werken, sieben sind Französischen Büchern gewidmet und eine endlich einem Italianischen. Die Eröffnung des Ganzen bildet der,,Deutsche Musen Almanach für das Jahr 1839", der dem Reviewer Gelegenheit giebt, einige Worte der Anerkennung über Adelbert von Chamisso und der Trauer über den frühen Tod des Dichters zu sagen. Nord America's fittliche Zustände von Dr. Julius, Böttiger's Literarische Zustände und Beitgenossen", Raumer's,,historisches Taschenbuch", Friedr. Förfier's Friedrich August 11", Lappenberg's,,Geschichte von England", Franz Palacky's Literarische Reise nach Italien" und Simrock's " Salomon und Morolf" werden demnächst bes fprochen und geben zu mehr oder weniger umfassenden Auszügen Anlaß. Daß bei vielen dieser Mittheilungen Deutsche Bearbeiter die Hand mit im Spiele gehabt, möchten wir unbedingt vorauss feßen, denn nicht leicht haben Englische Literaten eine so sichere Lokal und Personenkenntniß, als hier meistens gezeigt wird. Wir werden wohl zuweilen Gelegenheit haben, auf dieses Journal zurückzukommen, weshalb wir es für jest bei diefer kurzen Ans seige bewenden laffen.

Belgien.
Haupt- Uebersicht

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(Aus dem Annuaire de l'observatoire de Bruxelles pour l'an 1839.) mume am

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vierteljährlich, 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie.

No 63.

für die

Expedition (Friedrichs-Straße
Nr. 72); in der Provinz so
wie im Auslande bei den
Wohlsbl. Post - Aemtern,

Literatur des Auslandes.

Italien.

Berlin, Montag den 27. Mai

Handbücher für Reisende in Italien.

Die Klage Deutscher Reisenden in Italien über die Unzus langlichkeit der vorhandenen Reisehandbücher ist ganz allgemein. Die Meisten pflegen, nachdem sie von Neigebaur sich vielfältig verleitet oder verlassen gefunden, zu dem Mailändischen Itinéraire ihre Zuflucht zu nehmen. Mit beiden Büchern neben einander, versicherten mir Viele, ziemlich gut ausgekommen zu seyn. Wem mit einem Französischen Buche nicht gedient ist, dem ist schwer zu helfen. Sonst möchten Valery's Reisen, wie bisher, auch ferner noch viel Gunst und Dank erwerben. Dies Buch ist aller dings sehr Französisch und von allerhand Leichtfertigkeit nicht freis sufprechen. Doch ist es reichhaltig, gewährt zugleich eine ans siehende Lektüre und liefert eine Menge von praktischen Notizen. Ich kenne fast keine Deutsche Reisebeschreibung, die in gleichem Sinne za empfehlen wäre. Die im Bereiche der materiellen Bedürfnisse gemachten Erfahrungen mitzutheilen, ist insonderheit von den Meisten verschmäht worden. Einige unbedeutende Nach weisungen giebt Wolfgang Menzel. Sie sind zu dürftig, um nüßlich zu seyn. Was gelten überhaupt die Erfahrungen eines Solchen, der Italien einmal durchfliegt? Die Erfahrungen Ers 4 fahrener sind zu Rathe zu ziehen, damit man erfahren werde. Und wenn irgendwo, so ist in Italien ohne langen Aufenthalt und viel Gewandtheit in allen wesentlichen Dingen Nichts zu erfahren. Um dem Reisenden Zeit, Kosten, unnüße Mühe und Verdruß zu ersparen, um ihm das Reisen, den Aufenthalt in den Städten und die Auffindung der Merkwürdigkeiten leicht und be: quem zu machen, sind die Beschreibungen einzelner Reisen naturs lich nur fümmerliche Nothbehelfe, und es bedarf der eigens für folche Zwecke ausgearbeiteten allgemeinen Handbücher. In dieser Beziehung hat Neigebaur um die Deutschen, welche Italien bes reisen, sich jedenfalls außerordentlich verdient gemacht. Doch sind die Klagen über die große Mangelhaftigkeit seines Handbuchs, wie es bis jest ist, vollkommen gerecht. Dem Verfasser soll sogar die eigene Anschauung des Landes, durch welches er uns zu leiten unternahm, gefehlt haben. Er hat demselben aber in diesem Jahre wirklich seinen persönlichen Besuch abgestattet, freilich kurz genug, vielleicht aber für einen so wohl vorbereiteten Mann, als er es seyn muß, dennoch gewinnreich, besonders wenn er zweck: maßige Verbindungen im Lande selbst gesucht und angeknüpft haben sollte. Möchte denn die neue Auflage des Handbuchs, welche bevorsteht, den dringendsten Anforderungen, die der Reis fende an ein solches Werk_macht, gründlicher entsprechen, als bisher der Fall gewesen. Es wird nicht überflüffig seyn, diese Anforderungen bestimmter zur Sprache zu bringen. Doch find zugleich ein Paar neuere Bücher zu würdigen, ndmlich zuerst: Reise durch Italien und Sicilien vom Jahre 1828 bis 1830, von J. B. Hegemann. Münster, in Kommission bei Deiter's, 1835. 8. XVIII und 477 Seiten.

Der Verfasser hat sein Buch so nüßlich als möglich zu mas cben gesucht und ihm neben der Mittheilung seiner eigenen Reis fcbicfale auch eine solche Einrichtung gegeben, daß es, wie er auf dem Titel hinzufügt, als ein richtiges und ins Einzelne führendes Handbuch" dienen könne. Der Verfasser ist der ges wiffenhaftefte und umständlichste Mann, den man sich wünschen fann, so gewissenhaft, daß er niemals unterläßt, irgend eine hins geworfene Bemerkung, die er von einem Reisegefährten zufällig aufgenommen, ausdrücklich als fremdes Eigenthum su martiren, fo umständlich, daß er sich unaufhörlich zu verwahren, zu ents schuldigen, au bedanken, vorwärts und rückwärts zu beziehen nöthig findet. Die mitgetheilten Charakterzüge", fagt er,,,fol gerte ich aus dem kurzen Umgange mit dem Volke und aus seinem Benehmen gegen mich, woraus man wohl nicht aufs Allgemeine fchließen könnte." Der Verfaffer verschont uns mit Bücherges lehrsamkeit. Seine Mittheilungen beruhen auf Erkundigungen, die er an Ort und Stelle eingezogen hat, oder auf Belehrungen, welche er den in den verschiedenen Städten selbst erschienenen Guides verdankt. Die Art der Erzählung ist vollkommen naiv. Der Verfasser erstaunt vor den Augen des Lesers einmal über das Andere und gesteht in aller Offenherzigkeit, daß ihm Dieses

"

1839.

vorzüglich gefiel und Jenes nicht gefallen konnte. Zum Beispiel, daß er im Pantheon einigemale Kaßen über die Altare spazieren fah, das konnte ihm nicht gefallen. (S. 177.) Ueber die vielen Eidechien aber muß er sich einmal verwundern, und ein andermal erstaunt er über die gar allgemeine Schönheit des Frauenzims mers an Gesicht und Wuchse." (S. 228,) Wegen des Styls bittet der Verfasser selbst um Nachsicht;,,er habe geliefett", sagt er,,,was er vermochte", und das merkt man dem Buche in der That überall an. Der Verfasser ist ein Biedermann von Hauss verstand und geradem Gefühl, zum Bücherschreiben freilich nicht polirt genug und mit seltsam veralteten Formen behaftet. Den Anforderungen, welche wir an ein Reisehandbuch zu stellen ges sonnen sind, entspricht sein Buch nicht sehr. Wir werden aber fie auszusprechen mehr Gelegenheit finden bei der Beurtheilung des anderen ganz neuen Buches.

(Fortjehung folgt.)

Frankreich.

Mozart's erste Reise nach Paris.
Von Fetis.

Im November 1763 flopfte eines Morgens an die Thür eines Eleinen Hauses der Straße St. Honoré ein noch junger Mann in Begleitung zweier Kinder und verlangte Herrn Grimm zu sprechen, an den er einen Brief zu eigenen Händen abzugeben habe. Dem unmodischen Schnitt seiner Kleider nach, mußte er ein Fremder feyn, und an der harten Aussprache erkannte man bald den Deutschen. Nach einigen im Vorzimmer zugebrachten Minuten wurde er zu Herrn Grimm geführt, der im Lehnstuhl vor einem breiten Kamine saß, an den die Kinder des Fremden, ohne erst auf eine Einladung zu warten, sogleich hintraten, um sich ihre erstarrten Händchen zu wärmen. Der berühmte_Kritiker war mit der Durchsicht der Tragödie Warwick von La Harpe beschäfs tigt, die man vor einigen Tagen mit Erfolg auf dem Theatre français gegeben hatte, und überdachte das Referat, welches er feinen Korrspondenten darüber zuschicken wollte. Er nahm den ihm von dem Fremden überreichten Brief, fah nach der Chiffre des Siegels, um daraus den Absender zu erkennen, und sagte nach Durchlefung desselben zum Ueberbringer:

" Sie sind Herr Mozart aus Salzburg und dies Ihre beiden Kinder?" Ja, mein Herr." ,,lind Sie kommen nach Paris, um diese jungen Künstler hören zu lassen? Ich befürchte, daß Ihnen nicht der Erfolg, auf den Sie hoffen und den ich Ihnen wünsche, zu Theil werden wird. Die Franzosen, die sich awar einbilden, große Musikkenner zu feyn, urtheilen doch meistens theils darüber wie Taube. Sie ziehen das Gefchrei ihrer Schaus spieler dem Gesang der Italidnischen Buffi vor, und man gefällt ihnen mehr durch Lärm als durch wirkliche Harmonie. Sie haben Herrn Rousseau beinahe gesteinigt, weil er sie auf ihren schlechs ten Geschmack aufmerksam machte. Das einzige Mittel, wodurch Sie sich einigen Erfolg in Paris sichern können, ist, die öffents liche Neugierde durch die Ankündigung der frühzeitigen Anlagen Ihrer Kinder zu reizen; das wirkt vielleicht mächtiger, als die Macht eines schon ausgebildeten Talentes. Wir wollen wenigs stens einen Versuch damit machen. Die Herrschaften vom Hofe geben hier den Ton für die ganze übrige Gesellschaft an; ihre Aussprüche in Bezug auf die Mode werden ohne Widerspruch von allen denen angenommen, die zur feinen Welt gehören wollen; man muß sie also für sich einzunehmen suchen. Ich werde mich bemühen, Alle, die mir bekannt sind, zu Ihren Gunsten zu flims men, und alle meine Freunde zur Mitwirkung auffordern; viels leicht gelingt es uns. Kommen Sie nach einigen Tagen wieder, und faffen Sie Muth."

Leopold Mozart, zweiter Kapellmeister des Fürst‹Bischofs von Salzburg, war Wolfgang Mozart's Bater, und eines der Kinder, welche sich an Grimm's Kamin warmten, follte einst der berühmte Schöpfer des Don Juan werden. Doch blicken wir um einige Jahre zurück.

In der freundlichen Stadt Salzburg steht an dem Ufer der Salza ein Haus, dessen Mauern an der einen Seite sich in den Wellen baden, während an der anderen sich ein kleiner Garten ausbreitet, der ihm ein frisches, heiteres Ansehen giebt. Es

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scheint, wie durch feltene Bevorzugung, allen Zerstörungen eines Klima's widerstanden zu haben, das den Denkmälern im Allges meinen so ungünstig; es ist sehr wohl erhalten, und die Sonne hat den Steinen eine goldene Färbung verliehen, dem feinen blauen Hauche der Herbstfrüchte zu vergleichen. Dieses Haus hat nur ein Stockwerk; eine hölzerne Gitterthür führt auf eine ftille Straße hinaus, die so wenig betreten wird, daß Gras zwischen dem Pflaster emporsprießt. In diesem Hause hat eine Auserwählte unter den Frauen am 27. Januar 1756 Johann、 Chryfoftomus Wolfgang Gottlieb Mozart geboren; hier verlebte das Kind seine ersten Jahre, hier spielte es auf dem Grasplas des Gartens, hier ward es eingelullt von dem eintönigen Wellens schlag der Salza. Die ersten Gesange, die fein Dhr trafen, waren die Lieder der Schiffer, deren Barken den Fluß auf und ab fuhren. Wenn er, noch ganz klein, auf dem Knie_seiner Mutter weinte, nahm diese ihn in ihre Arme, öffnete das Fenster und zeigte ihm das reiche Thal, in welchem das schöne blaue Gewässer des Flusses dahinströmte; dies Schauspiel wirkte mächtig auf das Kind, beruhigte es, und ganze Stunden blieb es in diesen Anblick versenkt.

Wolfgang Mozart zählte kaum drei Jahr, da hörte er zu, wie seiner um vier Jahr diteren Schwester der erste Klaviers unterricht ertheilt wurde, und plößlich, wie durch eine innere Umwälzung, erwachte der Musiksinn in ihm; so oft er zu einem offenen Klavier gelangte, war es ihm ein Vergnügen, feine kleinen Hände auf die Lasten zu legen, und felten schlug er Akkorde an, die den Gefeßen der Harmonie entgegen waren. Die Musil war für ihn gleichsam eine Sprache, die er stammelnd begann und von der er täglich eine neue Wendung faßte. Diese Sprache wurde ihm bald vertrauter als die der Worte, und er wußte schon, was eine Ters, was eine Oktave sen, ehe er diese Intervalle zu benennen verstand. Wir wollen ihm in diesen Studien nicht weiter folgen; nur so viel sey gesagt, daß er bes reits vor seinem fünften Jahre kleine Mufikstücke improvifirte, die fein Vater aufschrieb. Diese Compofitionen waren awar nicht fehlerfrei, aber man fand darin doch nichts, was für das Ohr verlegend gewesen wäre.

Von

Da Leopold Mozart von seinem Amte nicht so viel Einnah men hatte, um seine Familie davon erhalten zu können, so kam er auf den Gedanken, die frühzeitigen Fähigkeiten des jungen Wolfgang auszubeuten; er follte an Deutschen und ausländischen Höfen fein Talent produziren. Als die Vorbereitungen zur Reise beendigt waren, verschloß man Thüren und Fenster des Hauses, und die Familie, aus Vater, Mutter und zweien Kindern bestes hend, machte sich voll der schönsten Hoffnungen auf den Weg. München war die erste Stadt, die sie besuchte, und die Aufnahme, welche fie bei dem Kurfürsten fand, sehr ermunternd. München begab sie sich nach Wien, wo den beiden Kindern ver, stattet ward, fich vor dem Kaiser hören zu lassen. Nach einem gewinnreichen Aufenthalt in mehreren Städten kehrte die Familie nach Salzburg zurück, und Wolfgang, durch diesen ersten Erfolg angefeuert, gab_fich_mit_desto mehr Eifer feiner Vorliebe zum Musikstudium hin. Endlich, im Monat Juli 1763, als Wolfgang Mozart Heben Jahr alt war, unternahm seine Familie eine Reise ins Ausland; fie wandte sich nach Paris und nahm ihren Weg über Augsburg, Mannheim, Frankfurt, Koblenz und Brüssel. In allen diesen Siddten verweilte fie, um Konzerte zu geben, und so kam sie erst zu Anfange Novembers am Ort ihrer Bestim mung an.

In Paris, wo Leopold Mozart sich ohne Gönner, ohne Freunde fab, ließ er einen Augenblick den Muth sinken, um so mehr, als er von der Sprache, die er um sich herum reden hörte, faum einige Phrasen verstand und noch weniger sich darin auss zudrücken wußte. Doch er erinnerte sich eines Empfehlungs, schreibens, welches sein Kollege, der Secretair des Erzbischofs, ihm an einen seit mehreren Jahren in Paris ansdifigen Lands mann mitgegeben hatte. Seine erste Sorge war, diesen Brief abzugeben, sobald es ihm gelang, die Adresse und Wohnung des Herrn Grimm auszufundschaften, für einen Bewohner von Salzburg, den das Schicksal zum erstenmale in das Getöse einer großen Hauptstadt geführt hatte, gewiß keine Kleinigkeit. Wir haben oben gesehen, was das Ergebniß dieses Besuches war; wenngleich dadurch seine Hoffnungen auf einen glänzenden Eri folg nicht gesteigert wurden, so hatte der Künstler doch wenig, ftens einen Beschüßer gefunden, und das war bei seiner gángs lichen Unbekanntschaft in Paris von großem Werth für ihn; nur konnte er nicht recht begreifen, wie dieser Gönner, den man ihm als einen Gelehrten bezeichnet hatte, zu dem Wesen und den Umgebungen eines reichen Mannes tam. Statt der fleinen, zwar reinlichen, aber doch sehr einfachen Stube seines Freundes Boehmer, welcher ihn an Grimm empfohlen und der ebenfalls Gelehrter und Geheimschreiber einer Eminenz war, sah er hier einen prachtig verzierten Saal, in den ihn ein Bedienter in Livree führte. Wenn es schon so bei den Schriftstellern aussieht, dachte der gute Mann bei sich, wie mögen da erst die Umges bungen der Vornehmen senn? Doch hatte er späterhin oft genug Gelegenheit, zu bemerken, daß nicht alle Schriftsteller so schöne Wohnungen befaßen, wie Herr Grimm, der Korrespondent der Fürsten.

Alles, was er in Paris erblickte, war neu für unseren Fürfts bischöflichen Kapellmeister, und seine Familie, die ihn auf seinen Spaziergängen begleitete, theilte feine Bewunderung. Die Schönheit der Gebäude, der Reichthum der Equipagen, der

berühmt waren, und das rege Leben, das überall wogte, feßte diefe guten, an die Stille der kleinen Städte Deutschlands ges wöhnten Bürgersteute in Erstaunen; nur Wolfgang Mozart machte seine Schwester von Zeit zu Zeit auf die unreinen Stim men und schlechten Instrumente der herumziehenden Musikanten aufmerksam. Ein ganz unerwarteter Umstand störte sie jedoch in ihren Betrachtungen gleich bei den ersten Ausflügen, die sie durch die Stadt unternahmen. Seit kurzem war auf dem neuen Plaze, den die Stadt Paris Ludwig XV. zu Ehren hatte eins richten lassen, die von Bouchardon angefertigte Reiterstatue dies ses Monarchen aufgestellt worden; als die Mozartsche Familie diesen Plaß betrat, der zwischen dem Hofe und dem Garten der Tuilerieen gelegen ist, traf sie eine sehr unruhige Menschenmasse auf demselben an, und so eben hatte man auf dem Fußgestell des Monumentes einen Zettel mit den Worten:,,Statua statuae" ents deckt. Dadurch wurde eine große Menge von Gaffern herbeige sogen, die Polizei mischte sich darunter und verhaftete die uns ruhigsten. Beinahe ware Leopold Mozart, der, ohne zu wissen, was sich eigentlich zutrug, immer vorwärts drängte, als einer der Unruheftifter verhaftet worden; glücklicherweise jedoch be merkte man, daß er sehr für seine Kinder besorgt war und sie vor dem Drängen der Menge zu schüßen suchte, und man ers Pannte nun, daß er ein friedlicher, nur etwas neugieriger Bürs ger fen. Man kann sich denken, daß er der an ihn ergehenden Aufforderung, sich fortaubegeben, nicht widersprach; eiligst ents fernte er sich, ohne auch nur die Ursache des Tumultes entráth feln au fönnen, nahm sich aber vor, in Zukunft jedem Volksges drange aus dem Wege zu gehen. Uebrigens wartete ihrer im Gasthofe zu den drei Türken, wo sie abgestiegen waren, und wohin sie zum Mittagessen zurücklehrten, eine angenehme Ent schadigung, denn sie fanden dort Billets sur Oper vor, die Herr Grimm für sie gesandt hatte. Es stand zu erwarten, daß die zweite Vorstellung in dem neuen Saale der Tuilerieen eine große Menschenmenge berbeiziehen würde, daher ordneten die guten Salzburger schnell ihren Anzug, aßen sich nur halb satt und langten am Theater Eingange zwei Stunden vor Eröffnung deffelben an. Sie hatten noch hinreichend Zeit, um durch die Eridhlungen Eradhlungen eines gefälligen Nachbars zu erfahren, durch welchen Umstand die Oper in den Tuilerieens Saal verlegt wors den sen.

Während der Nachbar Leopold Mozart's ihm dies ers zählte, wuchs die Menge immer mehr an und ward unrubig, weil man die Thüren des Theaters nicht öffnete, obgleich die große Uhr der Tuilerieen schon vier geschlagen hatte; man drängte heftig gegen die Barrièren an, welche die Vordersten zurückhals ten sollten, und schon geriethen unsere ehrlichen Deutschen bedeus tend in die Klemme, als man glücklicherweise die Thüren öffnete. Sie kamen zuerst hinein und nahmen im Paradiese Plaß, wel; ches nebst dem Parterre der schauluftigen Menge allein offen stand, weil die beiden Logenreihen von den Standesperfonen besest was ren. Der junge Mozart wurde von all dem Neuen, was ihm ein folcher Anblick darbot, lebhaft ergriffen. Keiner der Schaus spielfäle, die er bis iest gesehen, war von so großartigen Vers haltniffen; nirgends hatte er eine solche Pracht in der Auss schmuckung und so viel schöne reich gekleidete Damen erblickt. Ihn langweilte keinesweges das Warten auf den Anfang des Stückes, denn er hatte ja im Saale so Mannigfaltiges zu beobachten. Endlich ertönten die ersten Akkorde der Ouvertüre.

Wolfgang Mozart, dies geniereiche Kind, dem die Musil nicht durch Erlernen, sondern durch göttliche Eingebung zuge floffen war, urtheilte über diese Knnft mit richtigerem Gefühl, als feine ganze Umgebung, und doch schlte er erst acht Jahre! Das Orchester der Oper, welches in ganz Europa gelobt wurde, wels chen Ruhm ihm freilich nur die Franzosen selbst verschafft hatten, entsprach feinesweges feinen Erwartungen. Es schien ihm mit feinem der in Deutschland gehörten auf gleicher Stufe zu stehen, ja, er gab in seinem Innern vielleicht selbst der von seinem Vater geleiteten Kapelle des Fürst Bischofs von Salzburg den Vorzug, Denn das Orchester der Oper spielte rauschend, ohne Einklang, ohne Ausdruck, ja oft fogar unrichtig; der Dirigent gab zwar jede Taltart mit seinem Stabe an, lummerte fich aber gar nicht um die vorkommenden Fehler, und so war denn die Ausführung der Ouvertüre eine wahre Marter für Wolfgang. Endlich wurde der Vorhang aufgezogen, doch nicht unter dem feierlichen Schweis gen, das man jeßt dabei beobachtet; vielmehr herrschte im Saal ein folcher Lärm, daß die Schauspieler sich lange Zeit hindurch nicht verständlich machen konnten. Gans laut warf man dem Baumeister Soufflot die unzähligen Mangel des neuen Saales vor; man meinte, es hatte sich nicht der Mühe verlohnt, acht Monate Zeit und 400,000 Livres aufzuwenden, um das Theater dafür schlechter als das alte herzustellen. Das Parterre sey im Verhältnis zur Bühne viel zu hoch, die erste Logenreihe springe zu weit vor, während die zweite zu sehr in den Hintergrund trete; das Paradies sen viel zu entfernt und zu sehr erhöht, so daß man nur mit größter Mühe sehen könne, was auf dem Theater vorgehe

Der Mozartfchen Familie war keiner der Schauspieler - bes fannt; glücklicherweise aber saß der gefällige Nachbar, der ihnen vor der Thür alle Nebenumstände der Feuersbrunst und des Wies deraufbaues der Oper mitgetheilt hatte, wieder neben ihnen und gab ihnen über jeden auftretenden Schauspieler die vollständigste Auskunft.,,Sie müssen gestehen, Sophie Arnould ist eine ganz ausgezeichnete Künstlerin, und nie bewegte man sich mit mehr Anmuth auf den Brettern."

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Die sieben Saiten der Lyra. Dramatisches Gedicht von George Sand. (Fortseßung.)

Kapellm. (nimmt die Lyra, die unter feinen Händen unreine, schnei dende Töne angiebt). Seltsam in der That! Stumm, stumm für mich wie für den Dichter!

Dichter. Welch scheußliches Quinschen! Man glaubt eine Kaßenmusik von den Dächern zu hören, oder einen Herenfabbat auf Besenstielen.

Kapelim. Eure Tollheit halt noch immer an, Ihr dauert mich. Was mich betrifft, ich Pann dreift behaupten, daß, wenn ich auch der Lyra feinen Ton entlocke, ich doch nicht Mißbrauch mit ihr trieb, mich hat noch kein Wahnsinn ergriffen, ich bilde mir nicht ein, aus diesem stummen Instrumente eine himmlische Mufil ertönen zu hören.

Dichter. Wie! Jhr vernehmet nicht, wie die scharfen, vers stimmten Saiten unter Euren Fingern fcbrillen, zischen und quiten? Wenn Ihr nicht toll geworden fend, so habt Ihr wes nigstens das Gehör verloren. Das habe ich Euch wohl gesagt. Ihr hörtet meine göttlichen Akkorde nicht, eben so vernehmt Ihr auch nicht den fürchterlichen drm, den Ihr selbst macht.

Maler. Da, seht nur! Die Vorlesung des Meister Albers tus wird dadurch gestört. Blicket hinab! Die Schüler blicken fich voll Entfeßen einander an, und die Nachbarn spahen nach allen Seiten umber, von wo die entfeßlichen Tone lommen. Soll ich ihnen anzeigen, daß dies die erste Aufführung Eurer neuen Symphonie sen?

Kapellm. Die Schmähungen eines Wahnsinnigen lasse ich unbeantwortet. Doch ich selbst bin auch toll, daß ich wähnen fonnte, dieses wurmstichige Instrument berge eine Zauberkraft in fich. Jest fehe ich, daß gar nichts Wunderbares daran ist; es flingt nicht, weil der Refonnansboden gesprungen ist und die Saiten verrostet sind. Das Alles ist ganz natürlich. Der größte Genius der Welt kann einem Holzstück keinen Ton entlocken, und eitle, aufgeblasene Personen werden selbst über den gerech testen Widerspruch toll. Deshalb ist die Lyra stumm, und dess halb send Ihr alle wahnsinnig.

Meph. (beiseit). Fast will es mich dunken, als könnte selbst der Teufel es werden. Wo dachte ich hin, als ich mir einbildete, mit diesen Dummköpfen etwas anfangen zu können? Der Geist der Leier spottet ihrer.

Kritiker. Zählet mich gefälligst zu den Ausnahmen, mein Herr. Mit der heiteren Ruhe eines unparteischen Gemüths habe ich all die verschiedenen Versuche mit angesehen, die Ihr vornahmt, um auf der Lyra einige Spuren des verloschenen Ges nius unserer Väter wieder aufzufinden. Ich sah hier einen Dichter mit der Berührung stummer Saiten sich abmühen und wdhnen, daß er ganze Harmonieenströme daraus entlocke; das war das Ergebnis einer mit ungemeffenem Stolze verbundenen Ohnmacht. Ein Maler versuchte es, wenigstens die Form der schönen Kung nachzubilden, brachte aber, statt einer genauen, richtigen Stizze, ein unförmliches Phantasiegebilde zu Stande, das er mit unwiderstehlicher Anmuth geschmückt glaubt: wiederum das Ergebnis einer mit blinder Eitelkeit gepaarten Ohnmacht. Endlich sah ich noch einen Tonfeßer aufs Gerathewoht larmende, unertragliche Mislaute hervorbringen. Daran gewöhnt, den Ges fang zu verachten und die Sinne durch wirre Instrumentirung zu betduben, deren farm er für Harmonie hält, hat er ganglic das Gehör eingebüßt und empfindet seine abscheulichen Berirruns gen selbst nicht mehr: immer wieder das Ergebnis einer unvers besserlichen mit übergroßem Selbstvertrauen verbundenen Ohns macht. So viel elende Mißgeburten und schmachvolle Irrthümer find wahrlich ein trauriges Schauspiel für denjenigen, der mit sicherer Hand die Wage der Kritik hält. Diese schmerzliche Erfah rung befdtigt uns in der traurigen, aber unwiderruflichen Uebers zeugung, das es keine Begeisterung mehr giebt, und daß unfere Vater die Geheimnisse des Genius mit sich ins Grab nahmen. Uns bleibt nichts übrig, als das fleißige Studium und die ans geftrengte, anhaltende Prüfung aller der Mittel, wodurch fie die untadelhaften Formen aller Schöpfungen ibres fruchtbaren Geißes hervorbrachten. Arbeitet, Ihr Künstler, arbeitet ohne Unterlaß, und statt Cure regellofe Phantasie mit der Erzeugung von Mißgeburten unnús abzumartern, befleißige Euch vielmehr, in reinen, regelmäßigen Linien die ewig wahren Schönheitss Topen nachaubilden, die feine Generation andern darf. Seit Homer's Zeiten hat jeder neue Erfindungsversuch nur zum Bes

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