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glaubte. Zu anderen Zeiten wieder verdient diese Großmuth uns gemischtes Lob: nie konnte man ihn dazu überreden oder reizen, harte Wiedervergeltungs- Maßregeln zu ergreifen; die große Milde, womit er seine Gefangenen behandelte, selbst solche, die seinem Leben nachgestellt, scheint unter seinen Truppen allgemeine Unzus friedenheit erregt zu haben, und selbst als man zu seiner Ermor dung öffentlich ermuthigte und einen Preis auf seinen Kopf seßte, fuhr er mit dem größten Ernst fort, darauf zu dringen, daß in keinem Fall der Kurfürst", wie er seinen Nebenbuhler nannte, eine persönliche Unbill oder Beleidigung erfahren solle.

Eine andere Eigenschaft Karl's war große Festigkeit des Ent schlu ffes, die durch Stolz und Kummer später in finstere Harts näcgkeit ausartete. Auch war er zu allen Zeiten geneigt zu Auss fällen des Zorns, wo dann seine Sprache durch ein troßiges Bes wußtsenn seines Mißgeschicks noch einmal so kurz und abweisend wurde. Ich fand unter seinen Papieren eine Note ohne nähere Bestimmung, wahrscheinlich für einen fäumigen Offizier; sie ents hielt nur die Worte: Ich gebiete Ihnen, meine Befehle zu vollziehen oder nie mehr zurückzukehren." Solche Härte mochte manchen wankelmüthigen Anhänger bestimmen, das Leztere zu wählen. So waren auch die erbitterten Aeußerungen, die er zu verschiedenen Malen öffentlich gegen den Französischen Hof fallen ließ, gewiß mehr gerecht, als politisch. Sein Herz scheint immer von dem stolzen Bewußtseyn erfällt gewesen zu seyn, daß kein Mensch es wagen dürfe, ihn seines Mißgeschicks halber irgends wie schlechter zu behandeln, und daß er eher Alles opfern würde, als seine Würde."

So war Karl in dem Beginn seiner seltsamen Laufbahn, und jest wollen wir einige Züge von dem Ende derselben ents lehnen.

In seiner Jugend hatte Karl beschlossen, nur eine pros testantische Prinzessin zu heirathen; doch blieb er den größeren Theil seiner Laufbahn hindurch unvermählt, und erst 1772, als er 52 Jahr alt war, heirathete er ein katholisches Mädchen von 20 Jahren, die Prinzessin Louise von Stolberg. Diese Verbins dung war eben so unpassend, als unglücklich. Karl behandelte seine junge Frau sehr unfreundlich. Er_scheint überhaupt von ihrem Geschlecht im Allgemeinen eine sehr ungünstige Meinung gehabt zu haben, und ich fand unter den Papieren, die er um diese Zeit geschrieben:,,Was die Männer betrifft, so habe ich sie durch und durch beobachtet, und wenn ich achtzig alt würde, Pönnte ich sie schwerlich besser kennen als jest; doch was die Frauen betrifft, so hielt ich dies ganz für unnüß, da diese noch einmal so böse und unergründlich sind." Als er diese unedlen und undankbaren Worte schrieb, hätte ihm nur das Bild der Flora Macdonald vorschweben sollen; dies hätte gewiß seine Feder stußig gemacht. Der Graf und die Gräfin von Albany (diesen Titel hatten sie angenommen) lebten in Florenz mehrere Jahre zusammen, er ein böser Hausherr und sie ein intris gantes Weib, bis sie endlich, des Joches müde, mit ihrem Liebs Haber Alfieri entfloh. So in seinem Alter einsam dastehend, nahm er seine mit Miß Walkinshaw erzeugte Tochter zu sich und erhob sie zur Herzogin von Albany, durch einen testen Akt feiner Königlichen Prärogative. Sie war um 1753 geboren und überlebte ihren Vater nur ein Jahr. Ein anderer Trost feines kindischen Alters war ein öfterer Hinblick auf die Prophes zeiungen des Nostradamus, deren ich mehrere unter seinen Pas pieren gefunden. Karl kehrte spåter mit seiner Tochter nach Rom zurück. Seine Gesundheit war schon lange im Verfall, und an seinem Leben hatte man mehr als einmal verzweifelt; doch im Januar 1788 ward er von einem Schlagfluß befallen, der ihn an der einen Hälfte des Körpers vollständig lähmte, bis er am 30ften desselben Monats den Geist aufgab.*) Sein Leichenbes gangniß wurde von seinem Bruder, dem Kardinal, in Frascati vollzogen. In dem Todtengewölbe dieser Kirche modern die Reste eines einst so tapferen und ritterlichen Herzen, und unter dem Peters Dom ist seitdem aus Canova's Meißel ein prächtiges Monument erstanden zum Gedächtniß Jakob's III., Kart's III. und Heinrich's IX., Könige von England - Namen, die ein Englander kaum ohne ein Lächeln oder einen Scufzer lesen kann."

Wir übergehen, als hinlänglich von vielen Seiten beschries ben und besprochen, die Ereignisse, die zwischen den zwei bes rührten Epochen in der Mitte liegen, den großen Kampf in Schottland nämlich, dessen Interesse, wie Lord Mahon bemerkt, ,,um ein Bedeutendes gesteigert scheint, wenn wir in den ge heimen, jest ans Tageslicht geförderten Papieren die Entdeckung machen, daß er nicht bloß gegen die Britische Regierung, son dern ohne Hülfe und sogar wider den Willen der Französischen geführt ward."

Da diese Papiere noch so wenig bekannt sind, wollen wir hier noch zwei Stücke der Stuartschen Korrespondenz herseßen, die in einem Anhang des Werks abgedruckt steht.

Der Prdtendent an Prinz Karl.

Albano, den 6. Juli 1746.

Gott weiß, wo oder wann Dich dies finden wird, mein theuerster Carluccio; nichtsdestoweniger treibt mich der Kummer und die Angst, in der ich um Deinetwillen bin durch das, was

*) Oeffentlich wurde der 31. Januar angegeben; doch ich habe erfahren, daß er in der That am 30ften starb, und daß seine umgebungen, aus Scheu vor dem Omen, das in diefem Lage lag, als dem Jahrestag der Hinrichtung König Karl's I., troß der Verschiedenheit des alten und neuen Styls, seinen Tod die Nacht über verbargen und hernach versicherten, er wäre um neun Uhr des Morgens gestorben. Dies erzahlte mir Kardinal Caccia Piatti in

die Zeitungen von Schottland berichten, Dir zu schreiben. Ich zweifle nicht, daß diese Berichte übertrieben find in Betracht der Quelle, aus der sie kommen. So viel aber ist nur zu klar, daß Deine Angelegenheiten nicht so stehen, wie ich wünschen möchte. Doch hoffe ich noch immer, daß Du im Stande senn wirst, Dich in Schottland zu halten, bis Du aus Frankreich Hülfe hast: kannst Du Dich aber wirklich nicht in Schottland behaupten, so treibe um Gotteswillen die Dinge nicht zu weit, sondern denke an Deine eigene Sicherheit, von der so viel abhängt. Sollte auch Deine Unternehmung unglücklich ausfallen, die Ehre, die Du dadurch erworben, bleibt Dir immer; sie wird Dir im Auslande Achtung und Ansehen verschaffen, und, ich glaube dafür bürgen zu können, die Franzosen werden dadurch immer veranlaßt werden, Dir Schuß und Beistand zu verleihen und ein anderes Projekt für Dich zu rechter Zeit aufzunehmen; so daß Du in der That keinen Grund hast, zu kühnen oder verzweifelten Maßregeln Deine Zuflucht zu nehmen; denn sobald Du dies thatest, würdest Du Alle ins Verderben stürzen, und sogar die Ehre, die Du schon gewonnen, könnte darunter leiden. Schließlich, mein liebes Kind, trenne nie Klugheit und Math. Die Vorschung hat Dir bisher wunderbar geholfen und wird Dich auch für die kommende Zeit nicht verlassen. Dies ist meine feste Hoffnung, und ich will nicht aufhören, Gott zu bitten, daß er Dich segne und beschüße. Leb' wohl, mein theuerstes Kind, ich umarme Dich zärtlich und bin ganz der Deinige. James R.

(Schluß folgt.)

Griechenland.

Landschaftliche Bilder aus Griechenland.

II. Die Meteoren (rà μɛréogu).

Eine der größten Merkwürdigkeiten Griechenlands sind die Meteoren in Thessalien, in der Nähe der Stadt Trikala. €6 find dies hohe Felsenmassen, die größtentheils gerade stehen wie Mauern, so daß man sie für Menschenwerk hält, übrigens bald die Gestalt von Pyramiden, bald von Obelisken haben, bald stumpfen Kegeln, bald kolossalen Sdulen gleichen, deren Ganzes aber das Bild einer Menge über einander gethürmter Felsen ges währt, etwa wie man sich die Werke der himmelstürmenden Gis ganten vorstellt. Staunend steht der Wanderer vor ihnen und zweifelt, ob es Wirklichkeit sey oder Einbildung, was er sieht. Auf diesen Felsen erbauten einst während der Türkischen Herrs schaft fromme Eremiten und Mönche die Meteoren als Zufluchtss örter der Christen, gleich einem leuchtenden Pharus für die nächte lichen Schiffer. Auf diesen von Alters her mit dem Namen ,,die Meteoren" benannten Felsen glänzte von den Zeiten des Andronikos an das Kreuz ununterbrochen. Schon Homer gedenkt übrigens der Meteoren, wenn er von dem steilen Jthome in der Nähe von Trikka spricht. Desgleichen Strabo, wenn er der festen Lage Jthome's und der es umgebenden spisen Felsen ges denkt. Damals war dort Alles wüst und verlassen. Die dort befindlichen Mönche versehen die Erbauung von Klöstern auf diesen Felsen in die Zeiten von Andronikos und erzählen, daß früher dort vierundzwanzig Klöster gewesen; jest sind deren nur noch zehn, und davon sind nur sieben bewohnt. Das ausgezeich netste davon ist dasjenige, welches vorzugsweise,,die Meteora" heißt und 1371 von Joannis Palaeologos gegründet wurde. Jm Jahre 1406 baute Maria Palaeologos ein Nonnenkloster zu Ehren der Dreieinigkeit.

Diese und die anderen Klöster hängen `gleichsam auf den unzugänglichen Spizen der Felsen wie in der Luft, abgeschieden von der übrigen Welt. Alte dickbelaubte Bäume beschatten die Felsen und lassen von weitem die Klöster oft kaum erkennen. Ihre Lage hält man für sicher vor den Ueberfällen der Klephten; indes mußten die Mönche zu den Zeiten des grausamen Ali Pascha von Jannina nicht selten seine Gefangenen bewachen. Die Klöster sind sehr reich und zahlen dem Patriarchen und der Regierung eine jährliche Abgabe. Die Mönche selbst sind übers aus gastfrei und nehmen jeden Fremden freundlich auf, der, wenn er will, entweder mittelst einer auf den vorspringenden Felsen ruhenden Leiter hinaufsteigt oder mit Hilfe eines an einem Seile befestigten Korbes heraufgezogen wird.

Nachdem wir (jo erzählt uns ein Reisender, der auf diese Weise die Meteoren besucht hat) länger als eine halbe Stunde durch einen Engpaß gegangen waren, der sich entlang eines steilen Berges hinzieht, famen wir in ein tiefes Thal oder viels mehr in eine Felsschlucht, in welcher der Weg durch einen den Raum zwischen beiden Felsreihen ausfüllenden Wald hindurch; führte. Das Ganze erscheint wie eine einzige in die verschiedens artigsten Gestaltungen von Kegeln, Säulen und dergleichen zers rissene Felsenmasse, eine Erscheinung, die man im Allgemeis nen der Wirksamkeit eines Erdbebens zuschreiben mag, so wie der langsam, aber unaufhörlich fortschreitenden Auflösung der Felsen. Die Höhe dieser Felsen ist verschieden; die meisten ers heben sich bis über hundert Fuß über den Spiegel des nahen Fluffes (Kachios), andere bis zu zweihundert, einige auch bis zu dreihundert Fuß.

Die Griechischen Klöster liegen theils auf den Spigen dieser Helfen, theils in den Vertiefungen, welche die Natur oder die Kunst gebildet hat. Das größte und am höchsten gelegene Kloster ist dasjenige, welches den Namen,,Meteora" selbst führt. In

hohen Felsen, das nicht minder merkwürdig ist; denn die Spiße deffelben ist so schmal, daß die Mauern des Gebäudes eine einzige natürliche Reihe von geraden Felsenmauern zu seyn scheinen. Wir besuchten von den noch übrigen sieben Klöstern dasjenige, welches nach dem heiligen Stephanos genannt ist. Die Felsens spise, worauf es liegt, erhebt sich bis zu einer Höhe von 180 Fuß. Anfangs stiegen wir einen felsigen Weg hinan, der von alten Bäumen beschattet wird, deren Wurzeln in die Felsenspalten vers wachsen sind. Angelangt an dem Abhange der Felsenwand, ers blickten wir die Klostergebäude, die über unseren Köpfen zu hängen schienen. Oben befand sich eine Winde mit einem Seile, das bis zu uns herabhing. Unser Tatar schlug uns vor, uns von einem der Männer oben hinaufwinden zu lassen; da jedoch die Mönche in der Kirche waren, so dauerte es fast zehn Minuten, che wir Antwort erhielten. Endlich sahen wir, daß ein anderes stärkeres Seil herunterkam, an deffen unterstem Ende eine Art Neh hing. Wir legten in dasselbe einen Mantel und ich und mein Freund festen uns darauf hinein. Während wir nun hinaufgewunden wurden, dehnte sich in Folge der Schwere unses rer Körper das Net so aus, daß wir Beide über einander lagen und weder Hände noch Füße rühren konnten. Die Winde über uns ragte so weit über dem Felsen hervor, daß wir nicht zu bes forgen hatten, wir möchten uns an diesen selbst stoßen; gleichs wohl war mit dieser Art des Heraufwindens eine größere Furcht verbunden, als in einem Bergstollen. In drei Minuten höchstens waren wir oben, obgleich wir einen Raum von 150 Fuß bis zu den Mönchen zu durchschiffen hatten, die uns sogleich heraushals fen. Unser Diener war auf einem anderen, weniger sicheren Wege heraufgekommen, indem er auf einer hölzernen Leiter, die an dem Felsen herabging, nach einem in den Felsen gehauenen Weg gelangte, der sodann weiter zum Kloster selbst führte. Die Mönche empfingen uns sehr freundlich, und wir blieben mehrere Stunden bei ihnen. Die einzelnen Klostergebäude liegen zers streut auf der Felsenspiße. Wir fanden in ihnen nur fünf Res gular Geistliche und einige Laienbrüder.

Súd-Amerika.

Die Silbermine von Serro de Pasco.

Jenes ganz durch Schutt versperrte Dorf, jener weite Erds bau mit den zweitausend Schlünden, die jährlich 25 Millionen Franken ausspcien, ist Serro de Pasco, die bedeutendste Mine von Peru, die sich dem unruhigen, kühnen Bergmanns-Volke ers schloß, als Potosi nach allen Richtungen hin durchlöchert, als es aller seiner Millionen beraubt war, als von seinem 17,000 Fuß hohen Berge nur noch eine wankende, ausgehöhlte Rinde übrig blieb, die jeden Augenblick über den ungeschickten Nachzüglern einzustürzen drohte.

Die Mine von Serro de Pasco hat im Durchschnitt unges fähr eine Ausdehnung von anderthalb Stunden, und wo man auch nachgraben mag, überall findet man Silberérz, fast auf der Oberfläche der Erde. Hügel, die durch gefrorene Seen von einander getrennt werden, und kleine, hier und da mit gelbs lichem Rajen bedeckte Ebenen sind der einzige Schmuck einer Landschaft, die man sich nicht öder und trauriger denken kann. Auf dem ausgedehntesten dieser Hügel, beinahe 15,000 Fuß über der Meeresfläche, ragt eine Masse von hölzernen und fleinernen Häusern hervor, welche unregelmäßig um die Minen herum ges baut sind, deren Haupteingang oft mitten in einer Straße fich öffnet. Um diese Schachte vor dem Nachstürzen der Erde zu bes wahren, versieht man sie ringsum mit Brettern und Bohlen; das Er wird aus der Wine in das nächste Haus getragen, mitten durch die Vorübergehenden, die ihre Geschäfte besorgen, mitten durch die Züge von Mauleseln und Lama's, die alle Bedürf niffe nach Serro bringen, von der Kohle und dem Holze an, welche hier das ganze Jahr hindurch gebrannt werden, bis auf das Brod und das Stroh zur Viehfütterung. Durch diese Noth wendigkeit, Alles von der Küste oder aus dem Innern des Lans des herbeizuführen, erhalten die Straßen von Serro de Pasco das belebteste und ungewöhnlichste Ansehen. Jedes Haus ist ein Laden, wo man alles Mögliche aufgehäuft sieht, Englische und Französische Tuche, Spanische und Schwedische Eisenwaas ren, Seidenstoffe aus Indien, China und Lyon, Madeiras und Bordeaux: Weine, Rum und Branntwein, Englisches und Chines fisches Fayence, Porzellan von Limoges, Nord-Amerikanische Gas lanteriewaaren, Akkordion's, Spieldofen, kurz Alles, was gebil dete Leute bedürfen, um in dieser Eis-Zone zu leben, und Älles, was die Launen reicher Emporkömmlinge und Kaufleute nur begehren können. In diesem Ort des Glücksspiels wird Zeder einmal reich; denn der arme Mestize, welcher sechs Monate des Jahres hindurch auf Kredit bei einem Winkel: Gastwirthe_lebt, verdient vielleicht während der anderen sechs 50 bis 200 Frans fen; die Gruben Arbeiter erhalten nämlich keinen bestimmten Lohn, es ist ihnen nur erlaubt, einen Capacho, ungefähr dreißig Pfund, von dem Erze, das vor dem Eingang der Mine aufges häuft liegt, als Bezahlung für die zwölfftündige Arbeit mitzus nehmen. Wenn das Bergwerk sich in seinem gewöhnlichen Zus stande befindet, das heißt, wenn es auf 50 Centner Erz acht bis

Nach der Schilderung des Gräfen von Sartiges, der im Jahre 1834 Süd-Amerika bereiste und nachstens in Paris eine Beschreibung seiner Reise berausgeben wird.

zehn Mark Silber giebt, so kann der Arbeiter auf seinen Antheil drei bis fünf Realen, zwei bis drei Franken, rechnen; liefern aber die zu bearbeitenden Minen eine reichere Ausbeute, so bringt ihm derselbe Capacho einen Gewinn von zehn bis vierzig Piastern. Diese Art von Bezahlung ist aus einer Gewohnheit nach und nach zum Gejez geworden; der Bergwerks - Besizer dürfte es nicht wagen, den Lohn eines Arbeiters, und wäre es auch auf 50 Franken täglich, festzustellen; diese müssen nun eins mal ihren Capacho voll Erz mitnehmen, mag er Kalksteine oder reines Silber enthalten.

Durch diese Zahlungs-Methode ist hier eine ganz eigene Art von Austausch, die man sonst nirgends findet, eingeführt worden; jeder Klein Kramer ist auch zugleich Fabrikant von Silberbarren. Nach zwölfstündiger Arbeit trägt der Indianer oder der Mestize eine ganze Schürze voll Steine zum Gastwirth; dort trinkt er Branntwein, Chica (Meth aus Mais), kaut Coca (Kockelskörner), raucht seine Cigarre und bezahlt mit Erzstücken. Eben so machi er es mit allen seinen Bedürfnissen, mit den Kleidungsstücken, den Heizmitteln u. s. w. Jeder Kramer und jede Kramerin müssen sich also nothgedrungen auf die Schäßung des Silbers erzes verstehen; dazu gehört lange Erfahrung und ein geübtes Auge, denn beim ersten Anblick kann man oft die mehr oder weniger filberhaltigen Steine nicht von einander unterscheiden. Ganz gewöhnlich ist es, daß eine Fischhändlerin vor der Thür ihres Ladens fist, den Verkauf ihrer Waare besorgt, dabei Erz zers bröckelt, es pulverisirt, mit Quecksilber durchknetet, es wäscht, schmilzt und daraus Silberbarren anfertigt.

Die Bevölkerung von Serro de Pasco beträgt 10 bis 15 tausend Seelen, je nach der Vermehrung oder Verminderung des Boia, ein Ausdruck, dessen man sich bedient, um anzudeuten, daß die Adern reich an Silber sind. Sobald es im Lande bes kannt wird, daß die Minen von Serro in Boia sind, steigt die Bevölkerung des Ortes um ein Drittheil. Mestizen, Kreolen, entlaufene Matrosen, Bankerottirer, Spißbuben und Mörder eilen herbei, um ihren Antheil am Silberflusse zu haben, die Einen, um zu arbeiten, die Anderen, um die Arbeiter auszubeuten. Alles greift zum schweren Hammer und zum Meißel des Bergs knappen; am Eingange der Stollen hört aller Kasten-Unterschied auf der Weiße, der den Mestizen verachtet, der Mestize, der den Indianer beraubt und mißhandelt, der Indianer selbst, dieses arme Lama der weißen Race, alle sind unter einander gleich geworden, alle sind Kameraden. Zwölf Stunden lang kauern fie auf dem Grunde der drei bis vier Fuß hohen Schachte; die Beine stecken in dem Schlamme, der durch das Siekern der feuchten Steinwände entsteht. Wenn sie mit großer Mühe ein sechs Zoll tiefes Loch gehauen haben, fallen fie es mit Pulver und zünden dieses an. Der dicke und schwefelichte Rauch findet keinen anderen Ausweg als durch die enge, einige hundert Schritt entfernte Deffnung des Stollens; manchmal bleibt er auch Stunden lang zusammengedrängt und fast unbeweglich stehen, bevor er sich schwerfällig bis dahin fortwälzt. Träger, mit dem Capacho auf dem Rücken, schleppen den Schutt heraus und müssen oft auf Handen und Füßen kriechen. Alle zwölf Stunden verlassen die Arbeiter das Bergwerk und werden von neuen abgelöst, die eben so lange dort verweilen. Da giebt es keinen Unterschied zwischen Tag und Nacht; wenn das Del der Lampe, die an der Müße jedes Bergknappen befestigt ist, zu schwinden anfängt, so schließt er daraus, daß seine Feierstunde gekommen sey; ihm ist sehr wenig daran gelegen, ob die Leute, welche sich einige hundert Fuß über seinem Kopfe herumtummeln, diese Stunde Tag oder Nacht benennen.

Dieselben Menschen, welche die ganze Woche über neben einander gearbeitet haben, ohne sich zu begegnen, diese beiden Abtheilungen sich abwechselnder Arbeiter vereinigen sich Sonns tags in den Kirchen und in den Schenken. Nicht Einer wird bei der Messe fehlen, aber sobald dieser aus Gewohnheit oder Furcht erfüllten Pflicht Genüge gethan ist, zerstreuen sie sich in die zahlreichen Kaffeehäuser und Schenken der Stadt und geben sich dem Spiel und jeder Ausschweifung mit der ganzen Wuth leidenschaftlicher, roher und reicher Leute hin. Sie sind alle reich, denn würde man wohl dem Manne Wein und Karten vors enthalten, der heute zwar arm ist, aber die bestimmteste Aussicht auf Säcke voll Piaster hat, sobald die Mine in Boia feyn wird; jeden Augenblick kann es dazu kommen, und die Schulden wer den dann gewissenhaft bezahlt. Diese Orgien sind meistentheils von Messerstichen begleitet; man trifft in solchem Falle nie. mals halb, aus Furcht vor der Wiedervergeltung; der Erstochene wird in eine der Deffnungen des Bergwerks geworfen, die immer bereit sind, sowohl Tödte wie Lebende in sich aufzunehmen.

Die ausgebeuteten Stollen allein werden offen gelassen, die noch ergiebigen Minen schließt man Sonntag Morgens zu. Die Abwesenheit der Bergleute, die alt oder jung die ganze Sonntags, nacht bei Trunk und Spiel verprassen, wird von den Huayllaris pas benußt, die sich in die Minen hineinschleichen. Diese Metalls diebe sind ebenfalls eine besondere Eigenthümlichkeit von Peru. Die Mestizen und Kreolen legen sich vorzüglich auf diesen Erwerbss zweig, der besonders vortheilhaft wird, wenn die Mine in Boia ist. Da sie selbst Arbeiter sind, so kennen sie die reichsten Adern. Sonnabends, während der leßten Arbeitsstunden, suchen sie sich die Erzblöcke aus, welche sie die folgende Nacht wegschaffen wollen, und fangen schon an, sie durch Weißelschläge abzulösen, ohne fie jedoch ganz herabfallen au laffen. Oft verbirgt sich einer von ihnen unter einem Schutthaufen und öffnet seinen Kameras den später die Eingange. Die Thätigkeit dieser Huayllaripas is

so groß, daß fie oft in einer einzigen Nacht jeder eine Last von 50 Centner stehlen!

Die Indianer find jelten sehr gefährliche Huayllaripas, denn zu diesem Handwerk bedarf es einer Entschloffenheit, die hier nur die weißen Männer und die Mestizen bestßen. Sind die Diebe im Bergwerk eingeschlossen, und kommen die davon bes nachrichtigten Eigenthümer mit ihren Leuten dazu, so werden jene von Stollen zu Stollen verfolgt; ist ihnen dann jedes Mittel zur Flucht abgeschnitten, so kehren sie um, und nun beginnt ein Kampf, der um so fürchterlicher wird, weil die Stollen so nies drig und eng sind, daß nur immer Mann vor Mann auf den Knieen liegend mit einander kämpfen kann. Da giebt es keine Gnade, denn es wird um Silber mit bewaffneter Hand gestrits ten. Der geschickteste oder der glücklichste stößt sein Messer in die Brust feines Gegners; ist der Zweikampf mit dem einen bes endigt, so beginnt er von neuem mit dem folgenden.

Montags früh zieht man oft zehn bis funfzehn Leichname aus den Stollen und den die Stadt umgebenden kleinen Seen heraus, und Niemand tritt auf, um gegen die Mörder zu zeugen, weil die Mehrzahl der Bergleute schon selbst Mörder waren oder es noch werden können, denn das hängt bloß von den Ums ständen ab. Wird auch selbst ein Mörder auf der That ertappt und zum Tode verurtheilt, und er rettet sich in die Bergwerke, so entgeht er dadurch dem Arm der Gerechtigkeit, die ihm hier nichts anhaben darf. Dieses Zufluchtsrecht ist eins der zahlreichen Fueros, die den Bergknappen bewilligt wurden, um sie für die Arbeit in jener Zeit zu gewinnen, wo der König von Spanien noch ein Fünftel des reinen Ertrages aller Gold, und Silber; minen bezog.

Natürlicherweise kann von einem gesellschaftlichen Verkehr un ter Personen der Art, die aus allen Nationen zusammengewürfelt find, gar nicht die Rede feyn. Ihr Geist ist zu ausschließlich auf eine und dieselbe Sache gerichtet, als daß sie auch nur auf einen Augenblick an etwas Anderes denken könnten. Die Aufs regung, in die sie durch Wein oder Spiel verseßt werden, ist allein im Stande, die krankhafte Sucht nach Silber zu unters drücken, die sie Tag und Nacht qualt. Und diese Atmosphäre ist so ansteckend, daß selbst die Englischen und Französischen Kaufleute, welche anderswo für die liebenswürdigsten und frieds lichsten Personen gelten, hier von dieser SilbersTarantala derges stalt angesteckt werden, daß sie kein anderes Gefühl haben, lein Wort sprechen, fein Lächeln ihnen entschlüpft, das nicht auf Sils ber und immer wieder auf Silber sich bezöge.

sellschaften hatten für hohen Preis unergiebige oder schon ers schöpfte Minen angekauft, welche sie nun durchaus auf Euros pdische Weise bearbeiten wollten; die Ingenieure wurden der Sache überdrüffig, die Gesellschaften wollten kein Geld mehr schicken, weil sie keinen Gewinn daraus zogen, Alles schrie über Betrug, und von diesem Zeitpunkte an geriethen die Peruas nischen Bergwerke in Europa gänzlich in Mißkredit. Dieses Vorurtheil ist aber durchaus ungerecht; eine gewöhnliche, gut bearbeitete Grube bringt 50, eine sehr ergiebige aber 200 bis 300 Prozent Gewinn. Von Serro de Vasco werden jährlich unges fahr drei Millionen Piaster nach Lima zum Ausmünzen abges sandt, wozu noch das in Barren verkaufte und als Contrebande ausgefährte Silber zu rechnen ist, das man auch auf eine Mils lion Piaster anschlagen kann. Das Betriebs Kapital beläuft sich auf zwei Millionen Piaster wirklicher Valuten und eine Million Piaster Kredit; ein Kapital von drei Millionen bringt also hier jährlich einen reinen Ertrag von vier Millionen.

Mannigfaltige 8.

Schauspieler Memoiren. Der außerordentliche Beis fall, mit dem die Memoiren des Schauspielers Fleury in Frants reich aufgenommen worden, hat den Beweis geliefert, daß des Mimen Kunst doch nicht ganz so spurlos vorüberzugehen brauche, wie der Dichter es darstellt und wie es allerdings nur zu häufig sich wiederholt. Der längst verstorbene Fleury wirkt noch jest durch seine Kunst, indem die Erinnerungen, die er mit Geist und Geschick von seinen besten Darstellungen festzuhalten und zu Pas pier zu bringen wußte, die Züge, die er aus dem eigenen, wie aus seiner Kollegen Künstlerleben erzählt, nicht wenig dazu bei tragen können, einerseits die Eindrücke zu erneuern, die er auf seine Zeitgenossen gemacht, und andererseits jüngeren Kunstges nossen nüßliche Winke und Lehren zu ertheilen. Es ist zu bes dauern, daß wir nicht auch in Deutschland ähnliche Memoiren aus der Zeit befißen, wo sich die Schauspielkunst noch auf der Höhe befand, die sie seitdem, wie es scheint, auf lange Zeit vers laffen hat. Wie schön würde es nicht seyn, wenn wir aus der Feder Iffland's, der die klassische Epoche unserer dramatischen Lis teratur entstehen fah, förderte und selbst auch noch zu Grabe ges leitete, oder Schröder's, von dem wir nur einige interessante Les bensmomente in den aufgezeichneten Erinnerungen des Hamburger Theaters Direktors Schmidt besißen, oder endlich des genialen De vrient, Memoiren, Beobachtungen und Tagebücher erhalten hätten. Solche Denkwürdigkeiten sind jezt auch wieder in England, wo man dergleichen bereits von Garrick, Mistreß Siddons und Kemble besist, von dem berühmten Monodramatisten Charles Mathews erschienen.*) Dieser große Komiker unterhielt bes Panntlich viele Jahre lang das Englische Publikum durch sein Theater, auf welchem er Alles in Allem, d. h. die einzige mits spielende Person war. Seine „At Home's", wie seine Dramen genannt wurden, geißelten die moralischen Gebrechen der Haupts stadt mit einer solchen Schärfe, er kopirte in einem einzigen Stücke die verschiedensten Charaktere mit einer fo feinen Nuan: cirung, daß ihm die Lustspieldichter sowohl als die berühmtesten Schauspieler Beit ein unerreichbares Talent zuerkannten.

Die verschiedenen Gruben, deren Anzahl sich auf 958 beläuft und die theilweise schon ausgebeutet sind oder es noch werden, ges hören Gesellschaften, die aus drei, fünf oder zehn Personen be stehen, welche ihr Vermögen und ihren Kunstfleiß auf die Auss beutung irgend eines Punktes des Berges von Pasco verwens den. Meißtentheils sind dies Spanische Amerikaner aus Peru, Chili oder Buenos Apres; die wenigen Franzosen, Engländer und Nord-Amerikaner, die bei den Minen beschäftigt find, treten gewöhnlich in diese Gesellschaften nur als Mechaniker, Zimmers leute oder als Grund-Verpächter ein; selten nehmen sie selbst_an der Leitung des Unternehmens Theil. Da die Interessenten im mer an Ort und Stelle gegenwärtig sind, die Arbeiten leiten, das Quecksilber und die EisensWerkzeuge für ihre Arbeiter einkaus fen, für Stügen forgen, wenn ein Erdfall vorfömmt, und Raser selbst hat seine Lebensbeschreibung abgefaßt, die jest von sei.. nåle graben lassen, wenn aus dem Boden ihrer Grube eine Quelle hervorsprudelt, genug, da fie alle nöthige Verrichtungen mit angestrengter Wachsamkeit und großer Habgier beaufsichtigen, so wirft ihnen die Ausbeute sehn bis funfzig Prozent ab; fie belächeln den Miskredit, in dem die Peruanischen Minen in Eus ropa stehen, eben so wie sie vor zehn Jahren die übertriebenen Hoffnungen belächelten, welche die Europder auf eben dieselben Bergwerke festen..

Als im Jahre 1824 der freie Handelsverkehr gestattet und dadurch viele Fremde ins Land gezogen wurden, hegten die Eus ropdischen Spekulanten und vorzüglich die Engländer die übers triebensten Erwartungen; sie hatten gesehen, daß die Spanier nach ihrer alten Methode jährlich fünf bis sechs Millionen Piaster aus den Minen Peru's zogen, sie schloffen also daraus, daß mit Benußung aller Fortschritte der Chemie und Mechanik der Ers trag derselben Minen unter ihrer Bearbeitung wenigstens um ein Drittheil oder Viertheil steigen müsse. Es bildeten sich zahlreiche Gesellschaften; die vorzüglichsten davon waren: die Pasco Peruas nische; die Peruanische Gesellschaft für Handel und Kunstfleiß; die von Potosi, Lapaz und Peru, von Tarmas Huancavelica und Gualgayot; die Chilisch- Peruanische und andere, welche Cours an der Londoner Börse hatten.

An die Spise dieser Ausbeutungen stellte man Bergwerks Ingenieure aus Europa; diese wußten, daß zur Austrockenung einer überschwemmten Mine eine Pumpe von so und so viel Pferdekraft nöthig sen; dak man hohe Defen brauche, um das Ers zu schmelzen, und Dampfmühlen, um es gehörig zu zers ftampfen; fie befrachteten also mehrere Schiffe mit schweren Maschinen, die sich freilich auf den Landstraßen von Manchester and Birmingham recht gut fortschaffen ließen. Als aber die Schiffe mit dieser Laduben die Maschinen auf den Hafendämmen in Valparaiso, Coquimbo, Islay und Callao anlangten, liegen, weil es ganz unmöglich war, sie auf dem Rücken der Maulejel in das Innere des Landes zu transportiren. Die Ges

ner Witwe mit vielen Anekdoten als Zugabe publizirt worden. Die Art und Weise, wie Mathews zuweilen selbst seine Frau und seine Kollegen durch die willkürliche Veränderung seiner Gefichtszüge und seiner Gestalt zu mystifiziren wußte, übertrifft selbst Alles, was man in dieser Beziehung von Garrick ges hört hat.

- Ursachen des Theater Verfalles in England. Das neueste Heft (Jan. 1889) der Quarterly Review sagt in dies ser Beziehung:,,Augenscheinlich hat die Bühne in unseren Tagen einen sehr großen Theil von dem Intereffe verloren, welches ihr früher, als einer Quelle des Vergnügens und als einer Sache Mittagss und Gesellschafts Stunden in den Familien fast aller des guten Geschmackes, gewidmet war. Die Verspätung der Volksklassen, die Vermehrung der leichten, beim Kaminfeuer Unterhaltung gewährenden Lektüre, der mehr verbreitete Unters richt, welcher die lettere Art des Amusements in den Bereich einer viel größeren und täglich noch zunehmenden Anzahl von Zeit überhand genommen und der das Volk mehr zu öffentlichen Leuten gebracht hat, endlich der Hang zur Politik, der in neuerer Versammlungen, als ins Theater hinzieht alles dies ist wahr scheinlich die Haupt Ursache des Verfalles gewesen. Die Abger sperrtheit der Privatlogen hat indeffen auch wohl viel dazu beis getragen, die übrigen Pläße des Hauses zu veröden, wo das größere Publikum sich auch nicht mehr dazu hergeben will, ges sehen zu werden, seitdem Lords und Ladies das Theater nur incognito, d. b. in abgesperrten Logen, besuchen. Ein so aristokratisches Volk ist unser John Bull!"

Memoirs of Charles Mathews, Comedian. By Mrs. Mathews. 2 vols London, 1838.

Hierbei Titelblatt und Inhalts: Verzeichniß des vorigen
Halbjahres.

vierteljährlich, 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Er. höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie.

No 7.

für die

Expedition (Friedrichs-Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslande bei den Wobusbl. Pest - Aemtern.

Literatur des Auslandes.

Berlin, Mittwoch den 16. Januar

Frankreich.

Graf Beugnot in den Revolutions - Gefängnissen.
1793-94.

Aus den Memoiren des Grafen.

In dieser traurigen Stimmung fand mich Lamourette, der constitutionnelle Bischof von Lyon, der mit mir ein Zimmer erhielt. Lamourette war ein guter Redner und zur Zeit des Auss bruchs der Revolution einer der ausgezeichnetsten Priester des Oratoriums. Wie fast alle Mitglieder dieser gelehrten Congres gation, hatte auch er sich von den neuen Ideen verführen lassen und war so Bischof von Lyon geworden. Während der Belager rung bewies er den Eifer und Muth, der den Französischen Priestern im Augenblick der Gefahr nie fehlt. Mitten unter Kugeln und Kartatschen brachte er seinen Pfarrkindern geistlichen Trost. Unser guter Abbé Rosier, der Verfaffer des Dictionnaire d'agriculture, fo wie sein Großvikar, waren in der Belagerung getödtet worden; der Bischof ward nur verwundet, machte sich aber darauf gefaßt, daß des Henkers Eisen nachholen würde, was Dubois de Grancé's Söldner versäumt hatten. Vor dem Revo lutions: Tribunal gestand er ein, wessen man ihn angeklagt, ins dem er sein Glaubensbekenntniß ablegte und das Zeichen des Kreuzes machte, worauf er sein Urtheil erwartete. Den Eid, den er auf die neue Verfassung des Klerus geschworen, widers rief er, und diese Widerrufung habe ich ihm versprochen, zu veröffentlichen.

Als mich Lamourette so betrübt sah, glaubte ́er, ich hatte morgen vor dem Tribunal zu erscheinen, und begann eine ernste Ermahnung, die sich darauf bezog. Ich zeigte ihm seinen Jrrs thum und erklärte ihm die Gründe meiner Niedergeschlagenheit. Er tadelte mich scharf und behauptete, ich müsse in der Ankunft meiner Frau einen mächtigen Troftgrund finden, was auch dann weiter erfolge. Auf meine Einwendungen antwortete er bloß: „Suchen Sie einmal von Herzen Christ zu seyn, und diese uns ruhigen Phantasieen werden Ihnen nichts anhaben." In der Nacht, die diesem Lage folgte, wurden wir Beide grausam geprüft; durch die Entfernung der Girondisten waren fünf Pidge in unferem Zimmer leer geworden, die jezt von Lamourette, einen ehemaligen Prior von Molesme, Namens Sauménil, dem Por traits Maler Boos, einem Pariser Schneider und dem gewefenen Finans Minister Clavières eingenommen wurden. Dieses Zimmer zeichnete sich vor den übrigen aus durch die Ordnung und Ruhe, die darin herrschten, und daher nannte man es auch das Zimmer der sieben Weisen. Clavières hatte materialistische Ansichten, der Bischof und der Prior waren sehr fromm, der Schneider war Protestant und der Maler gar nichts.

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Dies Alles vertrug sich köstlich neben einander, und als Ela vières fich einmal einige Spottereien erlauben wollte, sagten die Priester gemeinschaftlich ihr Brevier her, und ich gewöhnte ihm dies bald ab. An dem Lage meiner ersten Zusammenkunft mit meiner Frau empfängt Clavières feine Anklage Akte und die Nachricht, daß er am anderen Morgen sein Urtheil hören werde. Er liest die Akte bis zur Hälfte und zertritt fie dann, unwillig mit den Füßen. Lesen Sie", fagte er zu mir,,,wenn Sie den Muth haben, und fagen Sie, was ein braver Mann zu thun hat." Ich lese in der That ein langes Register, in welchem von Clas vières alle mögliche Beschuldigungen aufgezählt sind, nur nicht die wahren. Ich gab ihm den Rath, seinen Advokaten zu rufen. "Wozu dies?" antwortete er,,,ich will lieber meinen Schwieger fohn Monteffin holen lassen und mit diesem das Schicksal meiner Tochter besprechen." Das Eine", meinte ich,,,schließt das Andere nicht aus." Er läßt sie Beide rufen; ich lade ihn ein, mit Lamourette und mir zusammen en trois zu speisen, weil es ihm hier beffer gefallen würde, als an der lärmenden Tafel, wo er gewöhnlich ab und die von acht Personen besegt war. Er giebt mir eine abschlägliche Antwort, erscheint an seinem Mittagstisch wie gewöhnlich, ist nicht mehr noch weniger und behält seinen Gleismuth; nur ein großes Meffer spielt er geschickt auf die Seite und bringt es in unser Zimmer mit. Nach Tisch besucht ihn sein Schwiegersohn und sein Advokat, und er spricht mit uns von seinem Prozeß nicht mehr. Nur von dem Advokaten, Nas mens Lafeurrie, sagte er mir, daß dies ein Spaßvogel oder ein

1839.

Dummlopf fey, weil er ihm einzureden versuchte, daß er schon Angeklagte, die in größerer Gefahr, als er, geschwebt hätten, wieder gerettet habe.,,hierauf", fuhr er fort,,,antwortete ich: Bürger Vertheidiger, Sie haben mir nicht genau den Puls bes fühlt. Uebrigens befrage ich Sie nicht über meinen Prozeß selbst, fondern ich will nur wissen, ob ich eine Aufschubs-Frist verlangen darf zur Herbeischaffung einer Menge Papiere, durch welche ich zwanzig Auflagepunkte widerlegen lann. If dieser Aufschub unmöglich, dann bleibt mir nichts weiter übrig, als Ihnen zu

danken."

Als die Abendstunde kam, wurde Clavières mit uns zusams men eingeschlossen. Der Gegenstand unseres Gesprächs war, wie gewöhnlich, das Elend unserer Lage, und Lamourette mischte ges fchickt Betrachtungen ein über die Kürze des Lebens, die durch die Wuth unserer Verfolger nur um Weniges vermehrt werde. Dann legte sich Jeder nieder und schlief ein; denn auch hier schläft man. Die ersten Nächte, die man in einem Gefängniß zubringt, sind schlaflos, wenn man nicht eine große Stärke des Charakters befist; bald aber macht die Natur ihre gewohnten Rechte geltend, und was mich_betrifft, so habe ich die Bemers fung gemacht, daß von dem Tage an, wo ich ins Gefängniß kam, lauter Scenen aus dem Zustand der Freiheit meine Traume ausfüllten, während ich wahrscheinlich nach meiner Befreiung, wenn diese mir anders zu Theil wird, von nichts als Kerker und Gefängniß traumen werde. Eine Stunde, nachdem wir uns ges legt hatten, wache ich auf, indem Lamourette ruft:,,Clavières! Sie Unglücklicher, was haben Sie gethan?" Und ich hörte nun deutlich zwei Töne von gleich schrecklicher Art, das Röcheln eines sterbenden Menschen und das Geräusch des Blutes, das vom Bett auf den Boden fließt. Ich stürze aus meinem Bett, und die übrigen Vier thun dasselbe. Wir hatten kein Mittel, uns Licht zu schaffen; nur eine Laterne an einem der Eingänge des Palais de Justice, dem Fensterkreuz unseres Zimmers gegenüber, warf einige schwache Strahlen auf diese Schreckensscene, aber nicht genug, um sie zu beleuchten. Die beiden Priester werfen sich nieder und fördern uns auf, dasselbe zu thun, um Gottes Gnade für den unglücklichen Sterbenden zu erflehen. Nach einer halben Stunde war das Röcheln zu Ende, und man hörte nur noch das Blut fließen. Wir warfen uns wieder auf unser Lager, und da unsere Füße das Blut, womit der Boden bedeckt war, berührt hatten, so beschmugten wir die Betten, so daß das uns glückliche Zimmer, als es am anderen Morgen geöffnet wurde, einem Schlachthaus glich. Als wieder eine Art Ruhe eingetreten war, dachten wir an mehrere Umstände, die uns Clavières' Ents schluß im Voraus andeuten konnten. Er hatte mehr als einmal erflirt, er werde seine Würde als Mensch durch das Erscheinen vor dem schändlichen Tribunal nicht herabseßen. Er hatte ferner den Maler Boos gefragt, welche Stellung Personen, die sich ers dolchten, in Kunstwerken bekámen, und sich die Stelle gemerkt, wo man an der linken Seite hineinstoßen muß, um das Herzohr zu erreichen. Endlich zeigten seine Reden am Tage vorher, daß er dem Tribunal ausweichen wolle, und dazu mußte er noch in derselben Nacht sterben. Die Todesart, die er gewählt, sest einen unglaublichen Muth voraus; man begreift laum, daß er, auf einem Gurtbett liegend und mit der linken Hand den Dolc stugend, mit der Rechten ihn zu wiederholten Malen hineinstoßen fonnte, ohne ein Geschrei von sich zu geben, ohne die geringste Bewegung zu machen, die uns aufgeweckt hatte. Und doch war er nach der Aussage der Kunstverständigen nur auf diese Weise im Stande, sich den Tod zu geben. So starb Clavières, der erste Finanz Minister, den die Republik gehabt hat. Er gehörte zu dem berüchtigten Triumvirat Roland, Clavières und Servan, die, von Ludwig XVI. zu seinem Schuß berufen, den Jakobinern in die Hände arbeiteten und die Scenen herbeis führten, die, tagtäglich an Schrecklichkeit zunehmend, mit der Hinrichtung des Königs endeten. Roland hatte sich auf der Straße nach Rouen vierzehn Tage vor Clavières erdolcht. Sers van hatte sich eine Zuflucht in der Armee geschafft, aber auch hier erreichte ihn das Geschick. Clavières war ein Genfer und zwar einer von den Ausgezeichneten, d. h. er war ein Mann von Geist, ein geschickter Rechner und ein guter Schriftsteller. Er hatte Panchau's Unterricht genoffen und galt für einen seiner besten Schüler. Clavières war schon in der Verwaltung anges stellt, als Necker Minister wurde. Er war ein Gegner feines

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fährt er fort, in demselben Ton zu lesen, ohne die geringste Uns ruhe zu empfinden oder blicken zu lassen. Nach geendigter Vor lesung fagte er mit gelaffenem Lon: Gut! Morgen also komme ich dran; bis dahin habe ich Zeit, meine Angelegenheiten zu ordnen." Nach diesen wenigen Worten umarmte er einen von den Umstehenden, der ihm am nächsten war und den er feit lange her kannte; von Mitgefühl hingeriffen umarmten wir ihn. Alle, einer nach dem anderen; er dankte gerührt und fügte hinzu: Theuerste Kameraden, Ihr erleichtert meine lesten Augenblicke; so starb auch Sokrates; aber uns ist es nicht vergönnt, philos sophisch mit einander zu plaudern, bis der Schierlingsbecher tommt." Er hatte kaum vollendet, als der Schließer ihn beim Kragen ergriff, um ihn in die Kammer der Verurtheilten abzuführen. Gegen das Ende des Jahres 1793 und in den ersten drei Monaten von 1794 beschäftigte man sich besonders mit zwei Klaffen von Angeklagten, den Armee Generalen, die man ohne Unterschied, ob sie Sieger oder Besiegte waren, mit der stehens den Beschuldigung des Verraths belastete, und den Anhängern der Gironde Partei, die als Föderalisten in den Augen von Leus ten, die nicht einmal die Bedeutung dieses Wortes fannten, für die drgsten Verbrecher galten. Meine Frau hatte darauf ges drungen, daß ich mich mit dem Advokaten Lafeutrie beriethe. Ich war erst dagegen, indem ich behauptete, ein Advokat sey ganz überflüssig für mich, da selbst ein Demosthenes mich nicht retten würde, sobald ich einmal vor dem Tribunal stande. Doch es war nicht gerade um meine Vertheidigung zu thun, sondern es kam darauf an, zu erfahren, was man mir denn eigentlich vorwerfen könne, damit man falschen Maßregeln von Seiten derjenigen, die an meinem Schicksal Antheil nahmen, vorbeugen könne. Lafeutrie will vor Allem wissem, ob ich Föderalist bin; ich verneinte diese Frage, indem ich ihn erinnerte, daß ich in dem Verhaftsbefehl als Mitschuldiger Kapet's, feiner Frau und Lafayette's" dargestellt werde. Es ist möglich, füge ich hinzu, daß man irgendwo einen Brief von mir an Lafayette aus dem Mai 1792 entdeckt hat, worin ich dem General seinen Plan, nach Paris au kommen, widerrieth und unter anderen Gründen das gegen anführte, daß man in den Tuilerien diese Reise nicht gern sehen würde. Lafeutrie schien über diesen Brief, deffen Ents deckung wir auch nur vermuthen konnten, nicht im Geringsten beunruhigt. Er schloß nur daraus, daß ich Ronalist sey und als folcher nichts zu fürchten hätte, da die Verfolgung der Royalisten jest nicht an der Tagesordnung fen. Die Föderalisten nehmen jest alle Aufmerksamkeit in Anspruch; mit diesen hat das Tribus nal noch auf drei Monate zu thun, und von jest in drei Mos naten", fügte der Bürger Vertheidiger elegant hinzu,,,ist der König, Sie oder der Efel todt." Und Sie meiner Treu", erwiederte er,,,Sie lachen; auch mich kann es treffen." Dieser Besuch wirkte sehr wohlthätig auf mich;, ich blickte umber und fing an, mich zu beruhigen. Ich fah, daß das Tribunal in der That den Föderalisten den Vorzug gab und nur zu Gunsten der Generale von dieser einseitigen Richtung abs wich. Von diesen Lesteren opferte man zwei oder drei jeder Des fade, um den Wetteifer in der Armee au ndhren. Diese tapfe ren, energischen Männer, die sich durch Wunderthaten vor dem Feinde ihre Würden erobert, ließen sich von Leuten, die fich Res präsentanten des Volks nannten, mir nichts dir nichts aus der Mitte ihrer Bataillone herausnehmen und mit gebundenen Hans den in die Conciergerie schleppen, wie Hammel auf die Schlacht bank. Die Entschlossensten unter ihnen, wie Lafayette und Dus mouries, wußten weiter nichts zu thun, als zu fliehen. Das kam daher, weil Allen der Bürgermuth fehlte. Die alten Inftitutios nen der Monarchie waren nicht geeignet, diefen aufkommen zu lassen; neue zu versuchen, hat es uns an Zeit gefehlt, und in einem Lage läßt sich dieser Muth, der die erste Tugend eines freien Volks ist, nicht erlernen.

Alger et le Général du Var. Bon E. Poulte.
L'alliance anglaise. Von A. Walewski. 14 Sr.
Anatomie pathologique. Von Dr. E. Thibert 3 Sr.

Coup d'oeil sur la Valachie et la Moldavie. - - Von R. Verrin.

De l'instruction intermédiaire et de son état dans le midi de l'Allemagne, Von St. Marc-Girardin. Zweite Abtheilung. Desterreich, Baden und Württemberg. 3) Sr.

De la petite vérole considérée comme agent thérapeutique des affections scrophuleuses et tuberculeuses, et sur les résultats funestes de la vaccine. Von H. Berde de Lisle. 21 Sr.

De l'abus des boissons spiritueuses, considéré sous le point de vue de la police médicale et de la médecine légale. Von Ch. Rösch. 31 Fr... Histoire de l'Europe et des colonies européennes depuis la guerre de sept ans jusqu'à la révolution de juillet 1830. Von E. C. Benglet. Erster. Band. 6. Fr.

Das Folgende bezieht sich auf einen Aft, der der Sache der Stuarts sehr nachtheilig war, auf die Ernennung Heinrich Stuart's zum Kardinal, die, bis zum legten Augenblick sorgfälig vor dem Bruder verborgen, zwischen Karl und seiner Familie eine fast

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