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mer's Gedichte in einer Nußschale Plaß fanden. Kamen wir auch einmal auf die Politik zu sprechen, so begriffen wir nicht, wie das geistreichste Volk der Erde beständig die Poffe:,,Viet Lärm um nichts“ aufführen konnte. Wir wußten bloß, daß die Deputirten Kammer ein Denkmal ist, welches die Bestimmung hat, dem Möbel-Magazin der Krone als Seitenstück zu dienen. Wir überzeugten uns nur, daß der Palast des Luxembourg sehr nüglich durch den schönen Garten fen, in welchem so viel Flie der blüht. Und was für schöne Spaziergänge würden wir noch unter diesen herrlichen Bäumen machen, wenn uns nur die Hers zogin von Decazes erlauben wollte, unsere Hunde frei umher laufen zu lassen. In unserer Jugendzeit unter Herrn von Seinons ville, diesem leutseligen Edelmanne, konnten Azur und Phan sich ungehindert im Luxembourg ergehen. Wozu hat nun, frage ich, die Juli Revolution gedient, da unsere Hunde diese wichtige Freiheit eingebüßt haben.

Ich sehe Dich schon, wie Du, über meine Schultern gebeugt und mit der Entzifferung dieser Zeilen beschäftigt, welche ich an Dich richte, mich zwingen würdest, sie auszustreichen, wenn ich fie nicht im Geheimen schriebe. Du würdest mir sagen, daß das nicht flug fen, und daß man mit mehr Zurückhaltung von der Deputirten Kammer, von der Pairs Kammer und der Juli-Revo tution fprechen müsse; Du würdest hinzufügen, daß ich in Deiner Abwesenheit die Vorrede sum,,Barnave" geschrieben habe. Du magst indeß sagen, was Du willst, ich kann meine Sympathieen mit dem elenden Zustande, in welchem wir leben, welcher weder Krieg noch Frieden, weder Freiheit noch Sklaverei, weder Kampf noch Ruhe ist, nicht in Uebereinstimmung bringen. Ich bin vor allen Dingen der Mann der ruhigen Zeiten, in welchen man fich mit glatter Prosa, schönen Versen, edlen Seelenregungen, mit den glänzenden Ansprüchen des Geistes, den schönen Künsten, welche das Leben verschönern, mit den zärtlichen Leidenschaften des Herzens beschäftigen kann. Wie viel Mühe ich mir auch gegeben habe, so habe ich doch dem rohen Drama der Gewalt und der Unordnung nie rechte Theilnahme abgewinnen können, und doch habe ich eine Revolution ausbrechen und ein Voll sich erheben sehen, habe gesehen, wie eine Monarchie zusammenstürzte, und wie das Schiff, von dem Bossuet spricht, gleichsam erstaunt, fich unter so verschiedenen Umständen betreten zu sehen, sich in Cherbourg vor Anker gelegt hat zur Verfügung der abgehenden Könige. Wozu führen alle diese Veränderungen? sie verwirren bloß den Sinn des Zuschauers, der, nach allen Richtungen umbers geschleudert, nicht mehr weiß, wohin er sich wenden soll, um Die Wahrheit zu entdecken. Wie viel Lärm und welche Resul tate! Meiner Treu, und desto schlimmer, wenn ich lästere! ich gebe alle wahnsinnige Declamationen und den ganzen Plunder, den man die Theorieen von 1789 nennt, für eine Scene von ,,Athalie", für die ersten Bücher der „,Confessions", oder für noch weniger, für den ,,Candide". Hört man das schreckliche Kauders welsch, in welchem die Angelegenheiten des Landes abgehandelt werden, sieht man den fchrecklichen Styl, der jeßt an der Tages, ordnung ist, so könnte man, ich wenigstens, einen Tyrannen, wie Ludwig XIV., mit den herrlichsten Meisterwerken, welche je die Französische Sprache oder der menschliche Geist hervorgebracht hat, zurückwünschen. Damals wenigstens hatte man Zeit zum Schreiben. Der Styl war damals, wenn auch nicht der ganze Mensch, doch ein Theil des Menschen, oder mindestens

Menschliches. Damals beschäftigte man sich eben so leas anit einer Leichentede des Bifchofs von Meaur, einem Kapitel des Herrn von Reb, oder einer Epistel Boileau's, oder einer Fabel La Fontaine's, oder einem Briefe der Frau von Sévigné, wie mit der Schlächt bei Rocron.

Damals war es eine Ehre, Geschichtsschreiber, Dichter, Kriz tifer, ja selbst Kritiker, zu seyn; dennoch hatte die Kritik damals noch nicht alle ihre Proben bestanden Um eine Stellung einzus nehmen, mußte sie zuvor durch das sprühende Wisfeuer Voltaire's hindurchgehen und mußte dieses sprühende Wißfeuer mit dem Muthe Fréron's aushalten. Damals gewann sie ihre Sporen und wurde eine von den anderen Mächten unabhängige Macht. Ends lich ist ihr sogar die Herrschaft zugefallen.

Aus diesem Grunde hast Du, mein Richter, mein Rathgeber, candide judex, ungeachtet Deiner Besorgnisse, mir die freie und unabhängige Ausübung dieser bei uns ganz neuen Gewalt gestats tet. Freilich ging es Dir etwas nahe, daß ich das, was Du meinen Styl und mein Talent nannteft, so verschleudern sollte.

Aber, fagtest Du zu Dir selbst: Alles wohlerwogen, wels ches Werk darf sich denn jest wohl eine Dauer von mehr als vierundzwanzig Stunden versprechen? Leben wir nicht Alle in einer Zeit der Improvisation? Der Roman, das Drama, die Komödie, die politische Rede sind die Schöpfungen eines Tages. Ist die Juli Revolution, weil sie in drei Tagen improvifirt wurde, darum weniger eine Revolution? Also hast Du mich nach reiflichem Nachdenken in den bodenlosen Abgrund der periodischen Literatur, in welchem sich der Geist eines jeden Tages verliert, untertauchen laffen. In diesen gähnenden Schlund, welcher noch das ganze Jahrhundert verschlingen wird, hätte man Voltaire, Rousseau, Montesquieu werfen können, und das Ungeheuer würde,Mehr!" gebrüllt haben. Die ganze encyklopädistische Schule würde nicht länger als einen Monat vorgehalten haben, und dennoch tröstetest Du Dich damit, daß Du fagtest: Zum Wenigsten hat er eine machtige und starte Stellung, um welche er beneidet wird." Aber, ich bitte Dich, welche Stellung were nicht mit Much und Ausdauer zu halten? Besonders die eines Mannes, der alle

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Herzen hat, der Tadel und Lob austheilt, auf dessen Wort man achter, nach bessen Urtheil man verlangt. Ein solcher Mann ist eben so sehr gesucht, wie derjenige, der über den Staasschaß ver: fügt, denn er vertheilt den Ruhm. Er ist von Feinden und Schmeichlern umgeben, welche nicht weniger gefährlich sind, wie die eines einflußreichen Mannes. Er verdient gewiß die Theils nahme, denn wer sich lange Gehör verschaffen will, der muß wenigstens etwas Styl, etwas Geist, viel Muth, viel Gewissens haftigkeit in seinen Urtheiten und eine außerordentliche Selbstvers leugnung haben. Er muß gerecht und wahr, aufrichtig und ehren haft, nachsichtig in seinem Tadel, strenge in seinem Lobe seyn. Mit sicherer Hand muß er die Waagschale halten zwischen zwei gleichen Berühmtheiten, eifersüchtigen Ansprüchen und diesen Schüßlingen des vorigen Tages, diesen Beschüßern des folgenden Tages, diesen reizbaren Celebritäten, welche sich gegenseitig bes neiden und jedes Lob, das ihnen nicht gespendet wird, für einen Raub halten. Dies ist das Leben des Kritikers, ein Leben voller Kämpfe und Arbeiten, und wie viel Ruhm er auch vertheilen möge, für sich behält er fast gar nichts übrig. Diejenigen, die er tadelt, befehden ihn, und diejenigen, die er nicht genug lobe. Wo giebt es aber einen Menschen in der Welt, den man jemals genug loben könnte. Der unglückliche Kritiker! Wie fern er sich von jedem Ehrgeize hält, er ist allen Verleumdungen und Anschwärzungen ausgefeßt. Sein Leben liegt offen da; er bewohne ein Haus von Glas. Jeder kann hinterrücks einen vergifteten Pfeil auf ihn abschießen, und unter jedem Lächeln ist für ihn eine Verhöhnung, unter jedem Handedruck ein Verrath verborgen. Er hat mehr als jeder Andere die anonymen Briefe zu fürchten, und wie follte er mit diesen fertig werden, wenn fein Kammers diener sie nicht läse.

Du hast doch indeß Recht; die Stellung eines Kritikers hat, wie viel sich auch dagegen einwenden läßt, immer viel für sich, und man kann selbst in dieser von Haß und Neid geschwängerten Atmosphäre glücklich, frei, geliebt seyn. Die Freundschaft übers windet alle diese Armseligkeiten. Und übrigens kommen auch so schöne Tage, und die Strahlen der Sonne durchbrechen von Zeit zu Zeit das Gewölk. Heute entdeckst Du ein unbekanntes Talent, ein Kind, welches sich in einem leeren Saale erfältete, und dem Du surufft:,,Muth! das ist die Tragödie!" Ein andermal trifft man einen verzweifelnden Dichter, dem man auf die Schultern flopft und zu dem man sagt: Gruß Dir, Dichter!" Oder man stößt auch auf ein unbekanntes Buch, dem man plöglich, vermöge feiner kritischen Allmacht, die Menge und das Glück zuführt; oder das Parterre flatscht einem schauerlichen Melodrama aus Leibeskräften Beifall zu, und man erhebt sich allein zur Vertheidigung der Vernunft, der Sprache, der hoheit der Kunst. Oder man sieht auch plößlich eines Morgens Herrn von Chateaubriand bei sich eintreten, der zu uns guten Morgen sagt, als wenn er uns erst am vorigen Tage gesehen hatte. Oder Lamartine, der so schön von Gott und der Liebe spricht, feßt sich an Deinen Heerd, oder Meyerbeer erzählt von den neuen Leidenschaften, mit welchen er die Künstler erfüllen wird, die nur durch ihn siegen. Das find die großen Feft- und Freuden Tage. Und welches Gluck, su denken, die man uns reicht, an die beredten Stimmen, die uns vertheidigen, an die Leser, deren Hoffnungen an die Hande und Wünsche wir fennen, nur nicht die Namen.

Ja, Du hast Recht, mein Freund, mich aufzumuntern; es ist eine schöne und edle Thätigkeit. Welcher Advokat, wie berühmt er auch fenn möge, hat eine so schöne Aufgabe, spricht zu einem und ist in dem Vertheidiger der höchsten gesellschaftlichen Interessen, des Schönen, Guten, Nüßs lichen? Welcher Königliche Prokurator citirt vor seinen Gerichtss hof größere Verbrechen? Welcher Philosoph lehrt in einer größe ren Schule? Welcher Soldat vertheidigt, mit dem Schwerte in der Hand, einen weiteren Raum? Welcher Geldmann verbreitet mehr Goldstücke, als der Kritiker Ideen? Aber wie soll dennoch, wenn jede Autorität gebrochen ist, die Kritik die ihrige bewahren? Wie soll in dem unglücklichen Reiche, in dem keine Stimme mehr beachtet wird, auf die der Kritik gehört werden? Wie soll ends lich, während man von nah und fern Wortmacher herbeizieht, um über die politischen Angelegenheiten zu sprechen, der Schrifts steller, der nur Schriftsteller ist, mit der unaufmerksamen Menge von Romanen und Geschichten, von Schauspielern und Schaus fpielen sprechen? Das ist das Unglück derjenigen, welche sich mit der Literatur um der Literatur willen beschäftigen, welche keinen anderen Ergeis kennen, als an dem Plaß zu bleiben, an den sie der Himmel gestellt hat; das war unser Unglück, daß wir Schrifts steller blieben, als alle unsere Genoffen Staatsmänner wurden. In der That, von dieser Phalanx von jungen Tasenten, welche im Jahre 1830 faum die literarische Laufbahn betreten hatten, find sehr wenige an ihrem Plaße geblieben. Sie find alle Präs felten, Gesandten, Capitaine, Staatsminister geworden. Der Eine von ihnen besonders, der mächtigste von Allen, eine Art Mirabeau, der feine Rolle schon längst eingelernt hatte, er, der jest das Geschid des Landes in handen hält, gehörte zu uns, war ein Schriftsteller wie wir. Das literarische Joch hat er serbrochen und legt nun Frankreich das politische auf. Wie sollen nach diesem glänzenden Vorgange die Schriftsteller sich innerhalb ihrer natürlichen Gränzen halten? Die Ehrsucht hat sie Alle erfaßt, und auf diejenigen, die bloße Schriftsteller geblieben sind, zeigt man mit dem Finger und sagt, indem man die Achseln zuckt: das find bloße Schriftsteller. Dennoch sollte man mit mehr Schonung von ihnen sprechen und wäre es auch nur aus Achtung für das Ta

Während uns also alle unfere Freunde verlassen haben, um ein befferes Geschick zu suchen, während alle Lebensschicksale in unferer Umgebung sich geändert haben, finde ich mich Dir gegens über noch immer als denselben wie vor funfzehn Jahren, nicht anders, als wenn ich mein Leben fern vom Larm, von den Leis denschaften und der Literatur des Tages zugebracht hätte. In der That bin ich auf meinem Wege geblieben, während so Viele einen anderen eingeschlagen haben, und Du bist zu mir treuges finnter als je zurückgekehrt, weil wir eingesehen haben, daß es nur ein Glück in der Welt giebt, die Freundschaft, oder daß uns Paria's die heiligen Freuden der Familie versagt find.

Was willst Du? Wir haben unser Amt nicht bezahlt, wir haben kein anderes Privilegium, als das unferer Kunst; wir sind Vogel, für die es nur einen Frühling, feinen Herbst, Peinen Winter giebt.

Die fechs kleinen Bande, welche ich Dir schicke, sind aus den Improvisationen jedes Tages hervorgegangen; natürlich wirst Du in denselben viele Sachen finden, die nur mit einer nach fichtigen Beurtheilung bestehen können: Kritiken, Geschicht ten, Erzählungen, Rovellen jeder Art, und besonders oft wiederkehrende Erinnerungen an die ewige Literatur des Alters thums, der ich, wie Du, treu geblieben bin. In meinen literas rischen Gebeten habe ich unsere Gefährten, die edlen Geister, welche abgeschieden sind, nicht vergessen. Welche aber von allen in diesem Buche gesammelten Erinnerungen meinem Herzen die theuerste ist, brauche ich wohl nicht erst zu sagen.

Süd- Afrika.

3. Janin.

Zur Geschichte der Holländischen Bauern in Süd-Afrika. (Fortseßung.)

Im Jahre 1826 drang die Untersuchungs Kommission am Kap sum ersten Male auf die Nothwendigkeit, die Nordgrdnze ber Kolonie genau zu bestimmen und alles Auswandern über diefelbe su berbieten. Hinsichtlich der Gefahren, denen die Nords granze bloßgestellt ist, fagt Herr D'Urban in einer Dereiche vom Jahre 1834:3ch empfehle ihrer Beachtung, daß die Ueberfalle Der Wilden an ersterer Linie (im Norden) und die an letterer (in Nord Oft) immer einen wesentlich verschiedenen Charakter ges babt haben. Dort wurde geplündert und gemordet, wahrend man hier mit Viehraub sich begnügte." Die an den Schneeber gen feßhaften Boers waren also Mord und Plünderung ausges fest, und doch fühlten sie nicht eher das Bedürfniß, auszumans dern, bis ihre unversöhnlichen Feinde, die Griqua's, unter der Kontrolle der Missionaire standen. Ja, ihre persönliche Sicher beit machte ihnen fo geringe Sorge, daß fie, den ausdrücklichen Verboten der Regierung zum Troße, über die Gränze gingen, und Den rauberischen Griqua's Schießpulver verkauften. Man lese nur Die folgende Stelle aus einer Depesche des Obersten Wabe vom Jahre 1834:,,Die steigende Verwegenheit der Räuber hat man gewiß vornehmlich dem alle Tage zunehmenden Handel mit Waffen und Munition beizumeffen. Es ist unbezweifelt, daß die: fer Handel nicht bloß von den eigentlichen Kaufleuten, welche die Gränze überschreiten dürfen, sondern auch von den ansässigen Boers getrieben wird. Die Boers wandern, dem Gefeße Hohn fprechend, in größeren oder fleineren Trupps über die Gränze, und versorgen die Eingebornen mit Allem, was sie nöthig haben, um der Kolonie Schaden zu thun; ja fie geben ihnen sogar in gewiffem Betrachte das Recht dazu in die ande; es ist nämlich faktisch, daß der Boer auf solchen Zügen alle fruchtbaren Dasen in Beschlag nimmt, und öfter an wehrlofen Eingebornen uns menschliche Grausamkeiten begeht. Meines Dafürhaltens erheischt feine Grans Angelegenheit schnellere und entschiedenere Maßre: geln, als diese. In der Gegend zwischen der Grána Linie nnd dem oberen Orange River, und zwischen Lesterem und dem Cas Ledons River find gegenwärtig über hundert Familien angesessen, die ohne alle Rücksicht auf das Eigenthumsrecht der Eingebornen des Grundes und Bodens sich bemachtigt haben; und es darf uns also nicht Wunder nehmen, wenn die Eingebornen Wiedervergels tung gebrauchen."

Diese Depesche lehrt uns also nicht bloß, daß die Boers um Ihre Sicherheit unbekümmert waren, sondern auch, daß fie bestans Dig auswanderten und noch vor dem Kaffern Kriege in einem Distrikte jenseit der Gränze hundert Familien start sich niederges laffen hatten. Es bedarf gar feiner ferneren Thatsachen mehr, um darzuchun, daß der Kolonials Bauer immer den Hang hatte, weiter zu sieben, um reichhaltige Quellen und fette Weiden zu suchen; und daß er in seinem Verkehre mit den Eingeborenen immer nur an diejenige Sicherheit dachte, die feine Waffen und phosische Ueberlegenheit ihm gewahren fonnten.

Um die Mitte des Jahres 1834 wurde eine von gewiffen Kaufleuten und anderen Bewohnern der Kapstadt unterzeichnete Adresse der Regierung übergeben, welche die Bitte um Grün dung einer Kolonie bei Port Natal enthielt. Das Recht, diesen Ort zu befigen, gründete man Theils darauf, daß er 1689 durch die Holländische Regierung angetauft worden war, und anderen Theils auf angebliche Schenkungen gewiffer Theile des Territos riums, die der König der Amazulo's mehreren Individuen gemacht haben sollte. Das Gesuch wurde abgeschlagen; aber die Privats Intereffen, welche den Plan erzeugt hatten, rasteten nicht, bis er aur Ausführung fam. Die Anlegung einer Kolonie bei Port Natal war eine faufmännische Speculation, und würde vielleicht noch

besseren Erfolg gehabt haben, wenn die Regierung daran Theil genommen hatte; aber auch ohne diesen obrigkeitlichen Beistand Fonnie man sich schöne Früchte davon versprechen. Die Boers, immer zur Auswanderung fertig, erfuhren, daß es um Natal fette Viehweiden, hdufigen Regen und zahlreiche Ströme gabe; und es bedurfte sehr geringer Ueberredungskunst, um ihnen den erforderlichen Impuls zu geben.

Die Auswanderung nach Natal erfolgte um die Mitte des Jahres 1834, und gegen Ende desselben Jahres brach der Krieg mit den Kaffern aus, deffen Details schon hinlänglich bekannt find. Nach Besiegung dieses löwenherzigen Feindes wurde sein erobertes Land unter die Eroberer vertheilt. Man zeichnete Spes aials Karten der schönsten Ländereien, die in der Kapstadt zum Verkaufe ausgeboten wurden. Auch die Boers, welche die Milis des Landes bildeten, schickten sich an, in der neuen Proving Wohn fiße zu wählen, und ohne Zweifel hatten sie bereits im Anfang des Marfches solche Plane gefaßt. Mitten im Siegestaumet ers hielten sie einen Besuch von Maris und seinen Genossen, die von der Expedition nach Natal zurückkehrten und in ihr Feldlager tamen. Der muthwillige Abenteurer pries ihnen die Gegend um Natal als ein wahres irdisches Paradies; fie schenkten ihm unbes dingten Glauben, und sogleich wurde eine große Emigration nach Natal verabredet. Der Plan reifte im Lager, unter den Augen des Statthalters, der unbedenklich seine Zustimmung gab.

Alles Vorstehende lehrt uns zur Genüge, daß der Kafferns Krieg die Auswanderung der Holländischen Bauern nicht verans laßte, und daß auch leine befondere Unzufriedenheit mit der Res gierung, sondern lediglich die unbendige Wanderluft eines Bols fes, bas feinen nomadischen Gewohnheiten nicht entfagen lann, den Impuls dazu gab. Als aber die Zugeständnisse des Herrn d'Urban von dem Staats-Secretair annullirt wurden und ein hus manes Verfahren gegen die Urs Einwohner nachdrücklich einges schärft wurde, da entstand ein allgemeines Klagen und Murren in der Kolonie. Der Statthalter hatte seine Politik so fest auf das Interesse der Privats Perfonen gegründet, daß ihre Annullis rung wie ein gewaltsamer Eingriff in Jemandes Eigenthum wirkte. Daher die erbitterte und leidenschaftliche Sprache, welche die Anhänger des Statthalters in den Zeitschriften der Kolonie führten, einer Quelle, die Herr Harris etwas zu vertrauensvoll ausgebeutet haben muß; sonst wurde wohl nicht folgendes Rais fonnement aus seiner Feder gefloffen seyn:

Es muß wirklich jedes denkende Individuum in Staunen seßen, daß man einen solchen Stand der Dinge (an der öftlichen Grange) so lange geduldet hat. Wie ist es möglich, daß die Ges fetgeber der Kolonie nicht schon längst auf die gebieterische, von Vernunft, Gerechtigkeit und Menschlichkeit diftirte Maßregel ges leitet worden sind, eine Race von Ungeheuern (die Staffern), die unverföhnlichen Feinde der christlichen unterthanen Ihrer Majestät, welche jeden Anspruch auf Mitleid oder Schonung verwirkt haben, von der Erde zu vertilgen? Vergebens auf Entfchcdigung hars rend und ohne die zureichenden Mittel, das ihnen angethane Uns recht vergelten zu können, haben die Gráns Kolonisten endlich das Joch ihrer Unterthanen Pflicht abgeworfen."

Wo folche Barbarei der Gesinnung sich fund giebt, da darf man teine sehr genaue Darstellung der Thatsachen erwarten. Wir von unserer Seite freuen uns, mit Gewißheit sagen zu können, daß die Britische Regierung niemals dem Vertilgungs Systeme ihre Zustimmung gegeben hat. Auch ist die Moralitat und die Nothwendigkeit eines großmüthigen Benehmens gegen uns civilifirte Völker nicht erst unter der jeßigen Regierung gefühlt worden. Lord Aberdeen sagte, als er den Vertrag mit den Griqua's guthieß:,,Dieser Bertrag realisirt die Ansichten, welche die Regierung des Königs von der einzigen Art von Politik hat, die wir hinsichtlich der Eingebornen mit Ehren festhalten können." Das liberale System, wonach man jest die Kaffern behandelt, verspricht einen vollkommenen Erfolg. Der gegenwärtige Statts halter der Kap Kolonie, Sir Napier, hat in einem feiner neuesten Berichte gedußert: Er fáhe teinen Grund, warum man irgend eine Störung der Ruhe an der östlichen Gränze zu befürchten brauchte, fo lange die jest bestehenden Verträge mit den Kaffern von Seiten der Kolonials Behörden gewissenhaft beobachtet würs den"; das heißt, so lange man die Eingebornen als Menschen und nicht als Ungeheuer behandelte.

(Schluß folgt.)

Türkei.

Deffentliches und Privatleben in der Türkei.
Von Dr. V. Morpurge.

J. Die große Feuersbrunft in Pera.

Die merkwürdigsten Erinnerungen meines Aufenthalts zu Konstantinopel knüpfen sich an die Feuersbrunst, welche am 3ten August 1831 in Pera ausbrach. Bevor ich daher zu einer Schils derung des öffentlichen und Privatlebens in der Türkei übergehe, werde ich die Thatsache erzählen, welche mir Gelegenheit gab, das orientalische Leben au studiren.

Seit zwei Monaten waren unbestimmte Gerichte vom Hers annaben und vom Ausbruche der Cholera in Konstantinopel vers breitet, und das Voll, welches an die Verbeerungen der Pest ges wohnt war, fah dem Aufschütten fo vieler Graber auf den Kirch höfen mit Gleichgültigkeit zu. Bald erfidrie fich dieselbe indeß auf eine unzweideutige Weise, ohne daß jedoch die Türken aus

ihrer Faffung gebracht worden waren. Die Geschäfte wurden nicht eingestellt, und es fanden weder Ermordungen, noch Auss wanderungen, noch Aufstände statt. Ich wohnte damals in Pera. Eines Morgens kam ein junger Türke zu mir, welcher mich bat, ihm schleunigst nach dem Landhause seines Herrn zu folgen, um meine Kunst an dessen Tochter zu versuchen. Ich kam bald in Dialchilar an, wo der Vater meiner Ankunft mit Ungeduld ents gegensah und mich sogleich in das Harem einfährte. Die Kranke, ein junges siebzehnjähriges Mädchen, war unverschleiert. Ich sah bald, daß fie an der Brust litt, und befahl, ihr Blutegel anzus fegen. Aber das ging nicht so leicht, wie ich glaubte. Die Familie gab viel auf die Astrologie, und bevor sie meiner Vers ordnung nachkam, wollte sie erst wiffen, ob der Dienstag günstig zum Blutlassen sey. Man schickte daher zu einem Scheich, und ich mußte die Ankunft desselben abwarten. Als der Bote nach siemlich langer Zeit eine günstige Antwort zurückbrachte, konnte ich zum Werke schreiten. Ich war noch im Harem, als ich die Stimme des öffentlichen Ausrufers vernahm, der „Bay Oglu da yenghin var" (in Pera_brenn's) schrie. Da ich wußte, mit welcher Schnelligkeit die Feuersbrünste in Konstantinopel um sich greifen, fo entfernte ich mich rasch. Die Feuersbrunst hatte. um neun Uhr Morgens begonnen; als ich in Pera ankam, war es drei Uhr Nachmittags, und dennoch hatten sich die Flammen schon in einer Ausdehnung von mehr als einer Quadratmeile verbreitet. An diesem Tage wehte aber auch der Wind so stark, daß es unmöglich war, dem Feuer Einhalt zu thun. Man hat nachher behauptet, die Türken hätten, um sich für die Verbren nung ihrer Flotte bei Navarin su rachen, den vom Feuer Bes drohten keine Hülfe geleistet; aber das ist gänzlich falsch. Auch die Türken gingen nicht leer aus. Das Tele, oder Kloster der tanzenden Derwische, blieb nur deshalb verschont, weil der Wind fich änderte; nichtsdestoweniger brannte ein großer Palast des Sultans, Galata-Serai, gänzlich ab.

Vergeblich suchte ich mein Haus; es war keine Spur mehr von demselben zu finden. Da ich für mich selbst nichts mehr thun fonnte, fuchte ich Anderen nüglich zu werden. Nur der: jenige, der schon eine Feuersbrunst in einer Türkischen Stadt ges sehen hat, kann sich eine Vorstellung von einer ähnlichen Vers wirrung machen. Da hört man Geheul, Verwünschungen, Dros hungen in allen Sprachen. Ein Zeder handelt für sich, denn von Polizei oder einer geordneten Hülfsleistung ist keine Rede. Ich werde nie diesen schrecklichen Tag vergessen. Die Straßen waren mit Trümmern von Kasten und werthvollen Gegenständen bes deckt; die Cholera, Kranken irrten wie Gespenster umher; die franksten wurden indeß von den Verwandten getragen, bei denen die Stimme der Natur über die eigene Noth geslegt hatte. Zer: schlagen und zerstoßen zog ich mich nach dem kleinen Todten Gefilde, welches zwischen Pera und Kassim, Pascha liegt, zurück und ließ mich dort unter einer Cypresse nieder. Das Feuer breitete fich immer weiter aus und verwüstete Alles auf seinem Zuge; nur ein kleines, niedliches Häuschen schien wie durch ein Wunder verschont zu bleiben. Um mir diese sonderbare Erscheis nung zu erfidren, trat ich ndher und fah nun, daß das Haus mit Teppichen behängt war, welche eine Frau, die auf dem Dache stand, unaufhörlich mit Wasser begoß. Ein starker Mann schöpfte unausgefest Wasser aus der Eifterne des Hofes. Lange lampften fle mit Muth, aber endlich nöthigte sie die Hiße und die Ers fchöpfung, abzulassen. Als sie wieder ans Werk gehen wollten, umsingelten die Flammen schon ihre Wohnung, und nun warfen fie fich, bitterlich weinend, einander in die Arme. Ein Polizei Soldat entfernte sie mit Gewalt; es war auch die höchste Zeit, denn einen Augenblick später stürzte das Haus zusammen. Einer der Zuschauer Lannte den jungen Mann und erklärte uns die Ursache seines Schmerzes. Es war ein Grieche aus Lesbos, der in Konstantinopel bei einem Tischler in die Lehre gegangen war. Hier verliebte er sich in die Tochter seines Lehrherrn. Dieser bewilligte sie ihm auch unter der Bedingung, daß er so viel Geld zusammenbrächte, um ein Haus zu bauen. Nachdem der junge Mann von seiner Braut den Verlobungsring empfangen, begab er sich nach Smyrna, wo er nach vierjährigen Anstrens gungen und Entbehrungen ein Vermögen von 10,000 Piastern erspart hatte. Erst seit drei Monaten bewohnten die jungen Ehes leure das Haus, und nun hatte ein einziger Augenblick ihrem Glücke ein Ende gemacht.

Die Feuersbrunst wüthete noch mehrere Stunden; endlich legte fich gegen Abend der Wind, und man konnte die Vers wüstungen übersehen. Die Zahl der eingedscherten Häuser und Buden wurde auf 15,000 angeschlagen. Während der Nacht flackerten die Flammen noch auf der ausgebrannten Stätte auf und verbreiteten eine dustere Helle. Mehr als 40,000 Personen jedes Geschlechts und jedes Alters waren auf den Kirchhöfen bunt durch einander unter den Cypreffen gelagert. Am folgenden Tage ließ der Sultan den Armen 60,000 Piaster austheilen. Er befahl, alle Obdachlofen in einer Kaserne unterzubringen, und ers erlaubte auch den Muselmannern, Christen aufzunehmen.

Ich hoffte, daß ein Theil meiner Effekten gerettet worden fen. In meinen Diensten stand ein junger Grieche von der Ins fel Tino, der mein Haus während meiner Abwesenheit bewachte, And ich vermuthete, daß er wenigstens meine Manuskripte und Gegenstände von Werth gerettet haben würde. Am folgenden Tage traf ich ihn, und er erzählte mir nun mit allen Zeichen

Außerer Traurigkeit, daß er meine Sachen zwar in ein steinernes Haus gebracht habe, daß aber auch dieses abgebrannt sey. I mußre seinen Worten glauben. Vier Monate später eröffnete indes der junge Mann einen Leden mit einem Kapital von 50,000 Piastern. Leider ist die Polizei so schlecht, daß man von ihr keine Hülfe erwarten darf.

"

Als ich zu meiner Kranken zurückkehrte, erwartete mich ihr Vater schon mit Ungeduld. Nachdem er von meinem Verlust in Kenntniß gefeßt worden war, drückte er mich in die Arme. Mein Sohn“, sagte Haffans Effendi au mir,,,ergieb Dich in den Willen Gottes; da ich die Ursache Deines Unglücks war, so erlaube mir auch, Dir zu Hülfe zu kommen. Wärst Du nicht in meinem Harem gewesen, so hättest Du vielleicht Dein Bers mögen retten können. Nimm daher meine Gastfreundschaft an, bis Du Deine Angelegenheiten wieder geordnet hast." Ich Ponnte einem so herzlichen Anerbieten nicht widerstehen. Hassan gab mir ein kleines Haus, welches an das feinige gränzte. Hier wohnte ich zwei Monate lang mit meinem Dolmetscher, and mein Gastfreund schickte mir Morgens und Abends meine Wahls zeit aus seiner Küche. Nach drei Tagen fam HaffansEffendi am Abend zu mir, um den Kaffee bei mir einzunehmen.,,Mein Gast", sagte er zu mir,,,ich weiß, daß Ihr Europder nicht gut der Gesellschaft der Frauen entbehren könnt, und Du wohnst jest so entfernt vom Quartier der Franken, daß Du Dich nicht mehr gut dahin begeben kannst. Obgleich unsere Sitten den Eintritt der Männer in die Harems verbieten, will ich doch Dir zu Liebe diesen Gebrauch übertreten, und ich fordere Dich auf, Deine Abende in meiner Familie zuzubringen." Man kann sich leicht denken, daß ich diese Aufforderung, welche mir eine so ers wünschte Gelegenheit bot, die Türkischen Sitten zu studiren, mit der größten Bereitwilligkeit annahm. Nichts ist in der Thas schwieriger, als eine solche Kenntniß zu erlangen, denn das Les ben der Türken beschränkt sich rein auf das Innere des Hauses, und an der Thür des Harems erhebt sich eine unüberschreitbare Scheidewand. In der Familie Hassan Effendi's war es mir nun endlich vergönnt, sichere Nachrichten über das Privatleben der Türken einzuziehen. Seine Familie bestand aus neun Personen: er und seine Frau, zwei Töchter, zwei Negerinnen, eine Cirs Paffierin, welche im Hause erzogen worden war und welche am Hochzeitstage der ältesten Tochter ihre Freiheit und eine Mitgift erhalten sollte, ein junger Griechischer Sklave und die Mutter Hassan:Effendi's, welche niemals bei ihrem Namen, sondern nach der ehrfurchtsvollen Sitte des Orients bloß Falide Hanum (Frau Valide) genannt wurde. Eine Griechin, welche im Garten ber schäftigt war, gehörte zwar nicht zur Familie, war aber die Vers traute der alten Dame. Von dieser, die eine alte Schwägerin war, erfuhr ich, daß man die schöne Cirkassierin zu mir senden wolle, um meine Tugend auf die Probe zu stellen. Ich ließ mir das gesagt seyn. Ihr Herr, dem man vorgeworfen hatte, daß er cinem Dichiaur ein zu großes Vertrauen geschenkt habe, hatte sich zu dies sem Schritte entschloffen, um den Vorwürfen seiner Nachbarn zu entgehen. Am folgenden Lage entfernte man in der That meinen Dolmetscher unter irgend einem Vorwande, und die junge Cirlaffies rin kam unverschleiert und in einem sehr verführerischen Anzuge zu mir, wie sie sagte, um zu sehen, ob ich irgend etwas bedürfe. Ich verabschiedete fie sehr würdevoll. Als sie sich unter lautem Lachen entfernt hatte, folgte ich ihr, und fah ihren Herrn, der fie unten an der Treppe erwartete. Die Schlinge, die man mir gestellt hatte, verdros mich, und ich sprach mich gegen meinen Wirth darüber aus, der mir fagte, daß er nur dem Rathe seiner Nachbarn gefolgt sey. Seitdem verdoppelten sich seine Achtungss beweise gegen mich, und ich wurde selbst in seiner Abwesenheit ins Harem eingelassen. Wenn ich jest das Kaffeehaus besuchte, so wetteiferten die Müselmanner, die sonst sehr gering von der Sites lichkeit der Europäer denken, an Zuvorkommenheiten gegen mich.

In eine so günstige Stellung gebracht, mußte ich bald wahre nehmen, wie ungerecht die Vorurtheile gegen die Muselmanner im Allgemeinen find. Alle unsere Ansichten über den Charakter der Türken, die Sklaverei der Frauen sind ganz irrig, und das Türkische Volk ist nichts weniger als grausam oder wollüßig. Besonders sind über das Loos der Frauen in der Türkei die falschesten Vorstellungen im Umlaufe, und dennoch haben die Ges setgeber, weit entfernt, das schwache Geschlecht zu unterdrücken, dasselbe vielmehr unter ihren Schuß genommen. Der Koran, welcher die Vielweiberei gestattet, ist darauf bedacht gewesen, den glühenden Leidenschaften der Orientalen einen Zügel anzules gen. Er hat durch geheiligte Formeln das Wechselverhältnis der Geschlechter geregelt und die Rechte der Männer und der Frauen fest bestimmt. Muhammed hat den Männern drei Frauen ges statter, aber jenen auch zugleich solche Verpflichtungen auferlegt, daß die Zahl derer, welche die Begünstigung dieses Gefeßes ges nießen, sehr gering ift. Er muß jeder Frau ein Witwengeld ausseßen und ihr besondere Wohnung, Bedienung und Alles, was zur Lebensbehaglichkeit gehört, einräumen. Verstößt er ges gen eines dieser Gebote, so fann die Frau auf Scheidung ans tragen, und der Mann muß nicht nur darauf eingeben, sondern auch die im Kontrakt ftipulirte Summe auszahlen. Man könnte somit glauben, wenn die drmere Klasse von der Polygamie auss gefchloffen sey, so würden jedenfalls die Reichen von dieser Vers günstigung Nagen ziehen; aber dem ist nicht so, und die Viels weiberei bildet immer nur eine Ausnahme.

vierteljährlich, 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie.

No 57.

für die

Expedition (Friedrichs-Straße Nr. 72); in der Provinz is wie im Auslande bei den Wohlöbl. Post - Aemtern.

Literatur des Auslandes.

Berlin, Montag den 13. Mai

1839.

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Im Zimmer des Meister Albertus. Er schreibt. Wilhelm tritt leise herein. 7 Es in Nacht. In der Ferne hört man das Geräusch eines Festes Meifter Albertus, Wilhelm.

Albertus (ohne fich umzuwenden). Wer kömmt? Bist Du es, Helene?

Wilhelm (beiseit). Helene! fie besucht auch zuweilen das Zimmer des Philosophen am Mitternacht Laut.) Weiker, Wilhelm.

Alb. Ich glaubte Dich auf dem Fest.

With. 34 tomme eben, von da. Vergebens bemühte ich mich, lustig zu werden. Sonst brauchte ich nur die Luft von einem Feste zu athmen, da hüpfte mein Hers schon vor Jugend und Glid; jest ist das anders!

Alb. Sollte man nicht meinen, das Alter hätte Dein Blut in Eis verwandeli! Und doch ist es nichts als die Mode. Alle junge Leute wollen jest blafirt seyn. Wenn sie das Vergnügen noch den Studien opferten! Aber bewahre! Ihre Lust ist, sich traurig zu stimmen und fich unglücklich zu wähnen. Fürwahr, die Mode ist ein wunderlich Ding!

Wilh. Meister, ich bewundere Euch, der 3br nie traurig, noch luftig fend; immer allein und immer rubig! Die allges meine Luft sieht Euch nie in ihren Strader; fie last Euch auch Die Langeweile Eurer Einsamkeit nicht fühlen. Ihr bort, die hört Serenade an Euch vorüberklingen, seht die Façaden von Lichtern erglänzen, 3hr überblickt sogar von hier den ländlichen Ball mit feinen Bögen, mit feinen farbigen Gläsern und seinen spräbenden Raketen, die ihren Goldregen auf den grünen Dom der großen Kaftanienbdume herabschütten, und Ihr fiset hier und stellt viels Leicht philofophische Betrachtungen darüber an, welches geistige Band zwischen Eurer friedlichen Subjektivität und der taumelns den Objektivität all der kleinen Füßchen bestehen mag, die da unten auf dem Rasen herumtanzen! Wie! jene weißen Gewänder, die wie Schatten durch die Gebüsche hin und her schlüpfen, fie bringen Euer Blut nicht in Wallung, and Eure Feder läuft über das Papier, als wäre es die Runde der Schaarwache, die das Schweigen der Nacht unterbrache!

Alb. Was ich beim Anblick eines Festes empfinde, daran tannst Du wenig Antheil nehmen. Doch Du selbst, der Du meine Gleichgültigkeit mir vorwirfft, wie fömmt es, daß Du so früh schon zurückkehrst?

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With. Lieber Meister, ich will es Euch nur gestehen: ich Langweile mich überall, wo ich weiß, daß ich Helene nicht treffe. Alb. (erbebend). Du liebst sie also immer noch mit gleicher Starte?

With. Stets heißer. Seit fie, Dank Euren Bemühungen, die Vernunft wieder erhalten, erscheint sie mir reisender als je. Ihre vergangenen Leiden haben das Gepräge einer unaussprechs lichen Schwarmerei auf ihrer Stirn zurückgelassen, und ihre Mes lancholie, durch die Karl entmuthigt und selbst Hans aus der Fassung gebracht wird, macht fie für mich doppelt anziehend. ch, ie ift eine Bauberin! 3hr habt freilich reinen inn für so etwas, Meister Albertus! Ihr seht sie unter Euren Augen aufwachsen und in Schönheit erblühen; aber Ihr wift gar nicht, daß fie schon eine Jungfrau ift. Ihr seht immer noch ein Kind in ihr; 3hr wißt faum, ob sie braun oder blond, groß oder flein ist.

Alb. Ei, mir scheint, sie ist weder Plein noch groß, weder braun noch blond.

Wilh. Ihr habt sie also doch genau betrachtet?

Alb. Ich fab fie oft, ohne fie deswegen gerade zu betrachten.

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With. Nun wohl! wie findet Ihr sie also?

Alb. Schon wie eine reine, vollkommene harmonie. Wenn mir die Farbe ihrer Augen nicht auffiel, wenn ich ihren Wuchs nicht beachtete, so bin ich deshalb nicht unfähig, die Schönheit zu sehen und zu faffen; nein, ihre Schönheit ist so harmonisch, ihr Charakter und ihre Gestalt sind so übereinstimmend, in ihrem ganzen Wesen herrscht solcher Einklang, daß ich den Reis ihrer Gegenwart empfinde, ohne mir die Eigenschaften ihrer Person zu zergliedern.

Wilh. (etwas bestürzt). Wahrhaftig, ein Philosoph und eine solche Schilderung! 3 hätte Euch nie får jo empfänglich gehalten. Alb. Spotte nur über mich, mein guter Wilhelm! Ein Philosoph ist ein mißrathenes, linkisches Wesen!

Wilh. O, theurer Meister, fprecht nicht so.... Ich über Euch spotten! o, mein Gott! Bon allen großen und guten Menschen send Ihr der Beste, der Erhabenste!.... Aber ich bin doch recht glücklich darüber, daß Ihr die Frauen nicht liebt!.... Denn follte einmal die Anmuth Helenens Euch mehr als sonst in die Augen fallen, was würde dann aus mir, mir armen Schüler ohne Bart und Wiß, einem Mitbewerber von Eurem Verdienst gegenüber?

Alb. Mein lieber Sohn, ich werde niemals Dein, noch irgend Jemandes Nebenbuhler seyn. Nicht so verblendet bin ic über mich; für mich ist längst die Zeit entflohen, wo man gefällt und wo man liebt.

With. Nicht doch, mein theurer Meister! Ihr habt noch kaum die Mittagshöhe des Lebens erreicht. Noch entstellt keine Furche Eure hohe Stirn, und wenn das Feuer einer edlen Begeisterung in Euren Augen aufblißt, dann jenken wir Jünglinge die unfrigen, wie beim Anblick eines erhabeneren Wesens, wie beim Leuchten eines himmlischen Strahles!

Alb. Sage das nicht, Wilhelm; Du betrübft mich durch solche Reden. Anmuth und Reis find die ausschließlichen Zierden der Jugend; die Schönheit des reiferen Alters ist eine Herbsts frucht, die man an ihrem Zweige verderben läßt, weil die Früchte des Sommers den Durst geftillt.... Und eigentlich, Wilhelm, hat mir die Jugend nie geblüht; die verdorrie Frucht wird abs fallen, ohne jemals Auge oder Hand des Vorübergehenden gereizt zu haben.

Wilh. So hat man mir erzählt, Meister, doch wollte ich es nicht glauben. Ist es wirklich wahr, habt Ihr die Liebe nie gelannt? Alb. Nur zu wahr, mein Freund. Doch jest ist jede Trauer darüber vergeblich und unnug.

Wilh. Ihr liebtet niemals! Armer Meister!.... Doch Ihr empfindet fo viele andere erhabene Freuden, von denen wir feine Ahnung baben!

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Alb. (ungeduldig). Ja, gewiß, gewiß. Wilhelm! Du willst also Helenen heirathen? With. Theurer Meister, Jhr wißt ja, daß dies feit zwei Jahren mein heißester Wunsch ist.

A16. Und Du willst Deine Studien gegen ein Handwerk vertauschen? Denn Du mußt für den Unterhalt einer Familie forgen fönnen, und die Philosophie ist eine brodlose Wissenschaft. Wilh. Mir ist Alles recht, was die Nothwendigkeit gebies tet. Ihr erinnert Euch noch, daß, als früher von meiner Heirath mit Helenen die Rede war, ihr Vater, der alte Instrumentens bauer Meinbacher, von mir verlangte, daß ich die Lehrbanke mit der Werkstatt, das Studium der Wissenschaften mit dem Hands werksgerdth, die geschichtlichen und metaphysischen Schriften mit den Handelsbüchern vertauschen solle. Der Schwiegersohn des guten Mannes follte die Feile und den Hobel gleich dem ges ringsten Arbeiter handhaben und seiner Fabrik wie er selbst vors stehen können. Nun woht! ich willigte in Alles; Nichts schien mir zu schwer für den Besiß seiner Tochter. Schon verstand ich es, die schönste Harfe anzufertigen, die nur je aus seiner Werks ftatt hervorgegangen, und im Bau der Violinen fürchtete ich teinen Nebenbuhler. Mit Gottes Beistand, mit meinem geringen Lalent und dem mäßigen Kapital, das ich befize, bin ich noch jest im Stande, alles Röthige herbeizuschaffen und ein Pleines Magasin musikalischer Instrumente anzulegen.

Alb. Und ohne Schmers, Wilhelm, entsagst Du der Auss bildung Deines Geistes, der Erweiterung Deines Jdeenkreises und dem Aufschwunge Deiner Seele zum Ideal?

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Wilh. O fehet, Meister, ich liebe. Das beantwortet Alles. Wenn mir Meinbacher zur Zeit seines Reichthums statt seiner lies benswürdigen Lochter sein unermeßliches Vermögen und damit alle jene Ehren angeboten hätte, die sonst nur den Fürsten aufbe: halten sind, so würde ich nicht geschwankt haben; getreu dem Dienste der Wissenschaft, hätte ich alle jene irdischen Güter zurück gestoßen, um mich zum Himmel aufzuschwingen. Aber Helene ist für mich das Ideal, der Himmel, oder vielmehr die Harmos nie, welche die himmlischen Dinge ordnet. Ich bedarf der mensch lichen Weisheit nicht mehr; ich brauche nur Helenen anzublicken, um sogleich alle die Wunder zu begreifen, welche mir das mühseligste Studium und alle geistige Anstrengungen nur nach und nach enthüllt hätten. Ihr werdet das nicht faffen, mein theurer Meister! aber es ist ganz einfach. Durch die Liebe hoffe ich schneller zum Glauben, zur Tugend, zur Gottheit zu gelangen, als Ihr durch Studium und Enthaltsamkeit. Und selbst, wenn ich auch irrte, doch wäre ich entschlossen, den Verstand hinzuges ben, um allein durch das Herz zu leben.

Alb. Vielleicht täuschest Du Dich selbst. Vielleicht beherrs schen Dich, Dir unbewußt, Deine Sinne und flüstern Dir jene fbönklingenden Sophismen zu, die ich nicht zu bestreiten wage, aus Furcht, ich möchte Dir zu sehr vom philosophischen Stolze beherrscht scheinen. Sen glücklich nach Deinen Begriffen, mein theurer Sohn, und gieb Dich den Entzückungen Deiner fürs mischen Jugend hin. Der Tag wird sicher kommen, wo Du rück warts blicken und erschrecken wirft, daß Du Deinen Geist von der Luft einschläfern ließest....

Wilh. Meister, auch der strenge Weise blickt nach einer den wissenschaftlichen Forschungen geweihten Laufbahn in die Bergans genheit zurück und erschrickt, daß er seine Leidenschaften in der Enthaltsamkeit so ganz verlöschen ließ.

Alb. Du sprichst ein wahres Wort, Wilhelm! Wohl, ber trachte diese Lyra; kennst Du fie?

Wilh. Das ist die berühmte Lyra aus Elfenbein, die einst der würdige Vorfahr Helenens, der geschickte Instrumentenbauer Adelsfreit, erfand und verfertigte. Wie man sagt, vollendete er fie erst an seinem Todestage, vor ungefähr hundert Jahren, und der gute Meinbacher bewahrte sie wie eine Reliquie und gestattete nicht einmal der eigenen Tochter, fie durch ihren Hauch zu ents heiligen. Es ist ein loftbares Instrument, Meister, und nirgend finder man feines gleichen. Die Verzierungen find vom ausges suchtesten Geschmacke, und die Elfenbein: Figuren, die fie umges

Allmächtiger Geist, Urquell alles Lichts und aller Vollkoms menheit, Du, den zu erkennen, zu fühlen, zu schauen ich eifriger strebte, als die anderen Sterblichen, der Du weißt, wie ich Alles dahingab, ja mein eigen Selbst mehr als alles Andere opferte, um Dir näher zu treten durch meine Eduterung! Du allein kennst die Größe meiner Opfer, die unermeßlichkeit meiner Leis den; warum stehst Du nicht fräftigend mir zur Seite in den Stunden der Angst? Warum verzehrt sich mein Inneres, einer langsamen Todesqual zur Beute hingegeben, wie eine Lampe, deren Flamme noch einmal vor dem Erlöschen hell aufflackert? Woher kömmt es, daß, statt jener Weise, jener Stoïfer zu seyn, dessen heitere Ruhe Jeder beneidet und bewundert, ich der schwankendste, der zerrissenste, der elendeste aller Menschen bin? (Er tritt auf den Balkon.)

Ewiger Urgrund, Seele des Weltalls, o großer Geist, o Gott! Du, deffen Glanz aus diesem erhabenen Firmamente wies derstrahlt, der Du in diesen zahllofen Sonnen und funkelnden Welten lebst, Du weißt, daß es nicht eitle Ruhmessucht, nicht Stolz auf das nichtige Wissen war, was auf diesen Pfad mich führte und allem irdischen Genusse mich entsagen ließ. Du weißt, daß, wenn ich danach strebte, mich durch Tugend über meine Mitbrüder zu erheben, es nicht deswegen geschah, um dann mich höher zu schäßen als sie, sondern nur um mich Dir zu nähern, Quell alles Lichts und aller Vollkommenheit! Ich zog die Freus den der Seele den Lüften des vergänglichen Leibes vor, und Du, der Du in den Herzen liesest, Du weißt, wie rein und aufs richtig das meinige war! Warum ergreift mich diese ertödtende Schwäche! Warum zerreißen mich diese qudlenden Zweifel! Ift denn der Pfad der Weisheit so rauh, daß die Hindernisse und Gefahren sich mehr und mehr häufen, je weiter man darauf vors dringt? Warum muß ich jest, wo schon die Hälfte meiner Laufs bahn hinter mir liegt, wo ich siegreich die stürmischen Jahre meiner Jugend überwunden, noch in meinem reiferen Alter so furchtbare Prüfungen bestehen? Soll ich nun, da es zu spät ift, das bedauern, was ich von mir stieß, als es noch Zeit zum Besiz war! Ist das Herz des Menschen so gebildet, daß nur der Stolz seine Kraft aufrecht erhält; und vermag es den Schmerz nicht zu ertragen, der ihm nicht aus Willen widerfährt?

Hochmuth ist es, was man stets de lofophen vorwirft?..

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geheure Summen dafür geboten haben. Aber obgleich Weinbacher ganz zu Grunde gerichtet war, würde er doch lieber Hungers gestorben seyn, ehe er sich von diesem unvergleichlichen Inftrus mente getrennt hatte.

Alb. Und doch ist dies herrliche Instrument stumm. Es ist ein Erzeugniß der Geduld und ein Kunstivert ohne Nußen, dem man jest auch nicht den leisesten Ton zu entlocken vermag. Seine Saiten sind gesprungen und verroster, und selbst der größte Kunst ler kann nicht darauf spielen...

die Wilh. Was wollt ihr damit sagen, Meister?

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3weite Scene. Albertus (allein).

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(Fortseßung folgt.)

Süd-Afrika.

(Schluß.)

O erhabene Philosophie! so vereinsamen Deine Altdre! Mit folcher Leichtigkeit giebt man Dich für die erste befte Leidenschaft zur Geschichte der Holländischen Bauern in Süd-Afrika. auf, die sich der Sinne bemächtigt! So gering ist also Deine Macht, so nichtig Dein Einfluß? Ach, mit wie schwachen Banden feffelst Du uns, wenn nach Jahren voll Opfer, wenn nach der hälfte eines in heldenmüthigster Beharrlichkeit Dir geweihten Lebens wir noch so bitter die Schrecken der Einsamkeit und die

Die erste Karamane der wandernden Boers führte Louis Trechard, der 1835 mit dreizehn Familien aufbrach. Da er jes doch mit dem Pak über die Berge unbekannt war, so verfehlte

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