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Nummern. PränumerationsPreis 22 Sgr. ( Thlr.) vierteljährlich, 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie.

No 55.

Magazin

für die

Beiblatt der Allg. Pr. StaatsZeitung in Berlin in der Expedition (Friedrichs-Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslande bei den Wohllöbl. Post - Aemtern.

Literatur des Auslandes.

Berlin, Mittwoch den 8. Mai'

Süd- Afrika.

Zur Geschichte der Holländischen Bauern in SüdAfrika. *)

Capitain Harris, der neueste Reisende in Süd- Afrika **), widmet die lesten Kapitel seines interessanten und lehrreichen Buches einer Geschichte der lezten Auswanderung der Holläns dischen Bauern (Boers, 1. Buhrs) aus der Kaps Kolonie.

Wir sind mit dem Verfasser darin einverstanden, daß die Auswanderung von beiläufig 7000 Holländischen Bauern seit Beendigung des Kaffern Krieges (1835) ein sehr merkwürdiges und wichtiges Ereigniß ist; allein wir können ihm durchaus nicht beipflichten, wenn er behauptet, dieses Ereignis habe,,in der Geschichte der Kolonial Beigungen gar nicht seines gleichen." Ist die ganze Geschichte der Kap Kolonie etwas Anderes, als eine fast ununterbrochene Reihe von Auswanderungen? Als die Holländische Regierung an den Küsten der Tafels Bai eine Kolos nie gründete, kam es ihr allerdings nicht in den Sinn, ein Terris torium damit zu verbinden, das sich fünf, bis sechshundert (Engl.) Meilen von dem Size der Regierung ins Binnenland erstreckt und zum Theil von Wüsten durchzogen wird. Allein die Pflans ser wanderten mit ihren großen Viehheerden beständig über die Gränzen, um neue Weidepläge zu suchen, und das Kolonial Gouvernement sah sich bald genöthigt, ihnen nachzurücken. So wurden die Gränsmarken unmerklich erweitert. Die Gründung der Kap-Kolonie fällt ins Jahr 1651, aber erst 1672 wurde das Gebiet, welches der Kap-Distrikt heißt, von den Eingebornen ans gekauft. Mit dem Systeme der Grund-Besignahme begann auch das der Usurpation, und kaum ein Jahrhundert spåter (1780) hatte der KapDistrikt die ungeheure Ausdehnung bis zum Großen Fisch Fluß und den Schneebergen erhalten. Wenn demnach die Kolonial Regierung, den Fußstapfen der Boers immer folgend, ihre Gränzen heutiges Tages 300 Engl. Meilen weiter bis Port Natal und bis zum Waals Flusse rückte, so würde sie nichts Ans deres thun, als der Methode ihrer Vorgänger treu bleiben. Aber Politik und Humanitɗt sind einem solchen Systeme_gleichmäßig entgegen. Die Bauern haben, während sie die Gränzen der Kolonie erweiter:en, auf einem Areal von 80,000 (Engl.) Quas dratmeilen die eingeborene Bevölkerung fast ganz ausgerottet denn das gemischte Volk, welches jest Hottentotten heißt, ist bis auf ein Zehntheil der ursprünglichen Bevölkerung eingeschmolzen. Daß aber der Wohlstand und die Stärke der Kolonie mit ihrer fchnellen räumlichen Vergrößerung niemals gleichen Schritt hiels ten, ist eine erwiesene und nicht mehr zu bezweifelnde Wahrheit. Das nomadische Leben der Kolonisten machte sie für alle Vors theile der Industrie, der Civilisation, des Zusammenwirkens der geistigen Kräfte unempfindlich, und sie lebten mit ihren Heerden, deren möglichste Vermehrung das vornehmste Ziel ihres Stres bens war, gedankenlos and thierisch in den Tag hinein.

Capitain Harris, dem die Geschichte der Kap Kolonie ziems lich unbekannt geblieben seyn muß, motivirt die neueste Auss wanderung der Boers in folgender Art: Zuerst dringt sich uns die Frage auf, was für Ursachen diefe außerordentliche Emigras tion herbeigeführt haben mögen? Ohne Zweifel waren es fols gende: der Schaden, den die Emancipation ihrer Sklaven den Boers gebracht der Mangel an Gefeßen, die sie gegen herums aiehende Abenteurer schüßen fonnten; vor Allem aber der unsichere Zustand der dflichen Gränze und die halben Maßregeln, welche die Britische Regierung gegen die immer unruhigen Kaffern ergriff, die auf ihren rauberischen Ueberfällen das schönste anges baute Land in eine Wüste verwandelten und viele hundert Grans Kolonisten um ihre ganze Habe brachten."

Was aundcht die Nachtheile der Sklaven Emancipation bes trifft, fo bemerken wir in dieser Beziehung nur, daß, wenn die Sklaven der Boers, wie Capitain Harris bemerkt, einen starken Hang zu Scurtenstreichen hatten, der Bauer sich glücklich schäßen konnte, wenn es ihm nicht mehr oblag, fie zu ernähren, und wenn

Wir geben nachstehende Darstellung nach dem Londoner „Athenäum“, welches etwas parteiiich gegen die Holländischen Auswanderer ift. Capitain Harris, deffen Buch diefer Darstellung zum Grunde liegt, läßt den Boers (Bubes) mehr Gerechtigkeit zu Theil werden, die sie auch, nach anderen Be richten, vollkommen verdienen, indem sie nicht bloß von den Kaffern, sondern auch von den Engländern vielfach feindlich behandelt worden. **) Vgl. Nr. 48 des Magazins.

1839.

das System der freien Arbeit ihn mit den blühendsten Nationen der Erde auf gleiche Stufe stellte. Der Kolonials Pflanzer trieb feine Heerden ursprünglich in eine Gegend, wo das Vieh zahl reicher Hottentotten Stämme grafte und wo das Holländische Fort in der Kapstadt ihm keinen Schuß gewähren konnte. Er lag in beständigem Kriege mit den Eingebornen, die er durch die Ueberlegenheit seiner Waffen allmälig aufrieb. Jest ist nur noch ein schwaches Häuflein dieser Ur-Einwohner des Landes übrig, und dieses Hauflein wird durch Gefeß und Autorität im Zügel gehalten; wär' es also nicht sonderbar, wenn der Pflanzer nun erst anfinge, an seiner Sicherheit zu zweifeln, und deshalb neue Wohnplage aufsuchte, wo er viel weiter aus dem Bereiche des Gefeßes ist und wo ihm von Seiten Afrikanischer Stamme, die noch frei und ungeschwächt sind, wirkliche Gefahren drohen? Die bedeutendsten Emigrationen der Boers find von der Nords grange, besonders von den Schneebergen ausgegangen, welche Gegend dem Schauplas der Kaffern Ueberfälle sehr fern tegt und, obschon weit gefährlicheren Feinden ausgefeßt, immer in fröhlichem Gedeihen war. Die Ueberfälle der wilden Nachbarn hatten sich in der leßten Zeit sehr vermindert, und nie genoß die Nordgranze so ungestörter Ruhe, wie eben in der Periode, als das Fieber der Auswanderung ihre Bewohner ergriff. Damit aber, unsere Leser-beffer in den Stand gefeßt werden, den Zustand der Kolonial Granze und den Charakter der Leute, die unser Reisender über gefährdete Sicherheit sich beschweren läßt, zu bes urtheilen, so wollen wir hier in einige die Verhaltnisse der Holländischen Bauern zu den angränzenden Stämmen beleuch tende Details eingehen. (Fortseßung folgt.)

Frankreich.

Zur Geschichte des Théâtre - Français.

Ludwig XIV. errichtete das,,Französische Theater", welches diesen Namen, als das Theater par excellence, noch heutiges Tages führt, aus den Gesellschafts- Trümmern des Hotel de Bourgogne und denen des Hotel d'Argent und des Palais Royal, welche sich schon zu der Theater Gesellschaft in der Straße Mas sarin vereinigt hatten. Die Entstehung des ,,Théâtre-Français" fällt ins Jahr 1680. Zwei Jahre später erhielt diese Gesellschaft, welche aus sämmtlichen dramatischen Elementen der damaligen Zeit gebildet war, eine Schenkung von 12,000 Livres jährlich, die auf die Privat-Kasse des Königs angewiesen wurden; jedem Mitgliede wurde zugleich eine Pension von 1000 Livres aus der Theaters Kaffe bewilligt. In derselben Zeit unterwarf sich die Gesellschaft einer Constitution, deren Grundlagen Ludwig XIV. selbst bestimmt hatte.

An ihrem ersten Aufenthaltsorte gelangte die Gesellschaft zu feiner befonderen Blüthe. Es wurde ihr nicht die Zeit dazu ges lassen. Schon im Jahre 1687 wurde sie durch die Niederlassung des Collège des Quatre-Nations in ihrer Nähe gezwungen, fich einen anderen Zufluchtsort zu suchen. Sie wählte den Ballfaal in der rue des Fossés Saint-Germain-des-Prés. Indeß gelang es ihr nur nach manchen Stürmen, sich hier festzusehen. Die Profefforen der Sorbonne hatten fie aus der Straße Mazarin vertrieben; der Pfarrer von St. Germain l'Auxerrois wollte sie nicht im Hotel de Sourdis dulden, das sie zuerst erwählt hatte. Der Balliaal der Etoile, deffen Eigenthum sie erwarb, loftete ihr nicht weniger als 200,816 Livres 16 Sous 6 Deniers, eine für die damaligen Zeiten sehr bedeutende Summe. Dieses Kas pital, welchem ein imaginairer Werth von 302,007 Livres beiges legt wurde, theilte man in 23 gleiche Theile von 13,130 Livres 15 Sous.

François d'Orban, ein berühmter Baulünstler dieser Zeit, ging fogleich ans Wert. Die Eröffnung des neuen Saals, der suerst mit einiger Pracht ausgestattet war, fand am Montage den 18. April 1689 statt; er wurde mit Racine's,,Phádra“ und mit Molière's,,Médecin malgré lui" eingeweiht. Die Einnahme betrug 1889 Livres. Am 30. April 1693 erging an die Schaus fpieler des Königs, auf Lully's Ansuchen, der Befehl, die Zahl der Sanger, welche sich auf sechs belief, auf zwei, und die der Violinen, die zwölf betrug, auf sechs herabzufeßen. Am 1. Mai 1699 wurde den Armen ein Antheil, und zwar der sechste Theil der Einnahme, bewilligt. Der Preis des Parterre wurde das

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mals von 13 auf 18 Sous erhöht; die übrigen Eintrittspreise in demselben Verhältnisse. Am 10. Februar 1716 erlitt der Eintrittss preis des Parterre einen neuen Aufschlag von 5 Sous. Die Sige auf der Bühne und im Orchester kosteten damals 4 Livres, das Amphitheater und die zweiten Plaße 2 Livres; es gab nur drei verschiedene Preise.

Am 16. Dezember 1716 ertheilte der Regent dem,,ThéâtreFrançais" die Erlaubniß, Bälle zu veranstalten; aber die Königs liche Akademie der Musik bewirkte die Zurücknahme dieser Er laubniß. Im Oktober erhielten Mademoiselle Quinault, Quinaults Dufrêne und Duchemin eine Gratification von 3000 Livres. Im Jahre 1743 wurden der Gesellschaft aus der Privat: Kaffe des Königs 60,000 Livres, im folgenden Jahre 10,000, im Jahre 1745 2000 und im Jahre 1748 9000 Livres bewilligt. Am 15. April 1753 beschenkte sie die Freigebigkeit des Königs wiederum mit einer Summe von 20,000 Livres. In demselben Jahre_wollte der König das Ballet abgeschafft wissen, aber da das Theater wohl einfah, wie sehr das Wegfallen desselben der Abwechselung der Schauspiele schaden würde, so bot es Alles auf, das Ballet zu bewahren, und es gelang.

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Eine Verordnung vom 17. Juni 1758 in vierzig Artikeln, welche am 22. August 1761 bestätigt und am 7. September dessels ben Jahres vom Parlament einregistrirt wurde, dnderte die Vers fassung des Théâtre-Français". Diese Verordnung unterwarf das,,Théâtre - Français" in Allem, was die Verwaltung betraf, der Kammer des Königs und seßte jeden der dreiundzwanzig Gesellschafts Antheile von 13,130 Livres 14 Sous auf 8730 Livres 15 Sous 6 Deniers herab, indem sie einem jeden Mitgliede unter dem Namen einer Belohnung 4400 Livres, die bei dem jedes maligen Abgange eines Mitgliedes ausgezahlt werden sollten, anrechnete. Dieselbe Verordnung hob die Entschädigung auf, welche jedes abgehende Mitglied, zufolge der Abkunft vom Jahre 1735, erhielt. Diese Entschädigung belief sich auf 1200 Livres und hieß Entschädigung für Unterhaltungskosten der Decorationen. Die Pensionen blieben auf 1000 Livres festgefeßt und fielen eben so wohl der Gesellschaft zur Last wie die Auszahlung des Gesells schaftss Antheils, den jedes Mitglied bei seinem Eintritt durch Zurückhaltung von jährlich 1000 Livres, bis die Summe von 8730 Livres 15 Sous 5 Deniers gedeckt war, zubrachte. Die Unterstüßung, welche die Privat: Kaffe des Königs der Gesells fchaft gewährte, überstieg auch damals nicht die Summe von 12,000 Livres; dieselbe wurde an die Mitglieder je nach dem Gesellschafts Antheil eines Jeden vertheilt. Die Gesellschaft mußte sich übrigens den Abzug des neunten Theils der Brutto: Einnahme zum Besten des großen Hospitals und des zehnten Theils zum Besten des Hotel-Dieu nach Abzug der Tageskosten, welche ungefähr auf 300 Livres angeschlagen wurden, gefallen lassen.

Die Verordnung vom Jahre 1758 enthält eine Uebersicht des Vermögenszustandes der Gesellschaft. Das Kapital belief sich am 1. April dieses Jahres auf 302,007 Livres 5 Sous. Die Mit glieder hatten aber nur 276,023 Livres Sous 5 Deniers ein geschoffen und blieben demnach der Gesellschaft noch mit 31,849 Livres 2 Sous 1 Denier verpflichtet. Diese schuldete indeß wieder den Mitgliedern und Beamten eine Summe von 486,930 Livres. Der König verpflichtete sich, aus seiner Kaffe den Gesammt Betrag der Einschüsse, welche die verschiedenen Mitglieder ges leistet hatten, zu bezahlen, und so wurden durch die Freigebig, keit des Königs die Schulden der Gesellschaft, welche das Doppelte sämmtlicher Einschüsse betrugen, das Doppelte der Summe, welche die neu eintretenden Mitglieder zu erlegen hatten, um die alten Mitglieder zu entschädigen, wieder ges tilgt. Die Rechnungs Ablegung ergab jezt nur noch eine Schuld von 179,057 Livres und ein Kapital von 200,807 Livres 16 Sous 6 Deniers, welches in dem Hotel, den Kostümen und Decorationen angelegt war. Das von den Herzogen von Aumont, Fleury, Duras und Richelieu unterzeichnete Verwaltungs-Regle ment erschien erst am 1. Juli 1766. Es blieb lange das Gefeßs buch des,,Théâtre - Français". Dieses Reglement, in welches alle wichtige Bestimmungen der früheren aufgenommen waren, ordnete eine wöchentliche General Versammlung an, Entscheidung nach Mehrheit der Stimmen und gemeinschaftliche Entwerfung des Repertoires. Dem Verwaltungs-Ausschuß, welcher aus sechs Mitgliedern bestand, wurde die Leitung der disziplinarischen, scenischen und finanziellen Angelegenheiten überlassen. Früher hatten drei Mitglieder abwechselnd die Woche gehabt. Diese Zahl wurde auf zwei beschränkt, welche die Verrichtungen der jeßigen Regisseurs übernahmen.

Das Reglement enthielt auch Bestimmungen über die Des buts und die Annahme der Stücke. Die Zulassung zu Debuts wurde von der Entscheidung eines Ausschusses abhängig gemacht; ein anderer prüfte die Stücke und beschloß deren Annahme. Früher wurden, in Gemäßheit des Reglements von 1697, die Stücke in einer General Versammlung vorgelesen, und nachdem der Verfasser sich entfernt, legte jedes Mitglied eine schwarze oder eine weiße Kugel in eine zu diesem Zwecke bestimmte Urne. Die Mehrheit entschied. Die neuen Stücke, welche in der Zeit vom Allerheiligenheite bis Diten aufgeführt wurden, hörten auf, das Eigenthum des Verfassers zu seyn, wenn zwei auf einander fols egende Einnahmen nicht mehr als 550 Livres einbrachten. Später fonnte ein solches Stück wieder hervorgesucht werden, aber der Berfasser hatte keine Ansprüche mehr an die Einnahme. Dasselbe Schicksal traf die neuen Stücke, welche in zwei auf einander folgenden Vorstellungen weniger als 350 Livres einbrachten.

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Theil der Netto Einnahme. Die dreiaftigen und einaktigen er hielten nur den achtzehnten Theil.

Das Reglement von 1766 war fast nach denselben Grunds fäßen entworfen. Nur wurde der Antheil der dreiaktigen Stücke auf den zwölften Theil erhöht. Damals wurde auch die Ans nahme der Stücke mit Veränderungen eingeführt. Die einfache Annahme wurde durch eine weiße Kugel, die Verwerfung durch eine schwarze, die bedingte Annahme durch eine gefleckte bezeich net. Nach dem neuen Reglement wurden die Stücke Eigenthum des Theaters, wenn die zwei oder drei ersten Vorstellungen 1200 Livres im Winter und 800 Livres im Sommer einbrachten, ältere Stücke, wenn sie einmal eine Einnahme von 1200 Livres im Winter und von 800 Livres im Sommer gewährten. Dasselbe Reglement räumte den Verfassern bis zum Verfall ihrer Stücke sechs, vier oder zwei Pläge im Amphitheater ein, je nach der Zahl der Akte. Dasjenige Mitglied, welches die Woche hatte, durfte ihnen selbst für ihre Rechnung nicht mehr als zwanzig Parterre Billets ablassen. Die Entreen ins Theater wurden auf drei, zwei und ein Jahr, je nach der Zahl der Akte, bewilligt. Ein neues Reglement wurde von den Mitgliedern am 18. November 1791 unterzeichnet. Dieses stellte die bedingte Ans nahme, welche in Vergessenheit gerathen war, wieder her und forderte von jedem Mitgliede des Lese: Ausschuffes, der aus dreis zehn Personen bestand, ein motivirtes Urtheil. Für die Schrifts steller, die nur ein Stück eingereicht hatten, blieb die Berechtis gung zum freien Entree wie früher. Zwei Stücke in fünf Alten, drei in dreien, vier in einem erwarben dies Recht auf Lebenszeit. Am Tage der Aufführung seines Stücks wurden dem Verfasser vier, drei oder zwei Plage in den Logen des ersten Ranges, je nach der Zahl der Alte, zur Verfügung gestellt. Für die drei ersten Vorstellungen konnte er vierzig Parterre: Billets, für die folgenden zwanzig kaufen. Von 1697 bis 1791 oder vielmehr bis 1802, in welchem Jahre das „,Théâtre - Français" eine neue Organisation erhielt, erfuhr der Antheil der Verfasser am Ers folge des Stücks nur wenige Veränderungen. Der berühmte Streit zwischen Beaumarchais und dem ,,Théâtre Français" hatte nicht die Feststellung seiner Rechte zum Gegenstand, sondern den Betrag der Summe, die ihm nach den bestehenden Regle ments sulam. Er griff auch nicht das Reglement an, sondern die Mittel, welche man anwendete, um dasselbe zu umgehen; er forderte nur die Ausführung desselben.

Die Vorstellung am 23. Mai 1759 zeigte eine große Neues rung: die Scene war zum ersten Male frei von Marquis und Chevaliers. Der Graf von Lauragnais bezeigte seine Freude dar über durch eine Gratification, welche er den Schauspielern bes willigte. Am 30. März 1778 wurde das „,Théâtre Français" der Schauplaß eines in ihren Annalen einzig dastehenden Triumphes: Voltaire's Büste wurde während der sechsten Vors stellung seiner Irene in Gegenwart des Dichters bekränzt. Es war damals das achte Jahr, seitdem die Königlichen Schauspieler in dem von Servandoni erbauten Saal der Tuilerieen spielten. Dort erwarteten sie die Vollendung des neuen Saals, den der Graf von Provence an der Stelle des früheren Condéschen Pas laftes auf seine Kosten erbauen ließ. Jest steht dort das Odéon. Das,,Théâtre-Français" bezog diefen prachtigen Saal im Jahre 1782. Also zwanzig Jahre, nachdem Ludwig XV. für dasselbe die Summe von 200,000 Livres bezahlt hatte, nahm es diesen Saal in Besiß, den es ebenfalls der Freigebigkeit eines Prinzen verdankte. In der Zwischenzeit glänzten Voltaire, Crébillon, Destouches, Régnard und Marivaur!

Nun brach die Revolution herein, und mit dieser begann eine Reihe von Wechselfällen. Die Zwietracht drang in das Heiligthum des,,Théâtre - Français". Es entstand ein Schisma. Geschüßt durch das Geseß der National Versammlung, welches die Freiheit der Theater proklamirt hatte, trennten sich Dugazon, Grandménil, Talma und die Damen Vestris, Lange und Dess gircins von der Gesellschaft. Dorfeuille und Guillard, die Direks toren einer im Palais Royal errichteten Bühne, wußten dieselben für sich zu gewinnen. Hier konnte sich Talma frei entwickeln ; aber das Theater in der rue Richelieu segte ganz die Kunst aus den Augen, um nur noch das Theater der Republik zu seyn. Im August 1793 gab die Vorstellung der Pamela den Vorwand zur Proscription der Schauspieler des Théâtre - Français" im Faubourg St. Germain ab, welches ungeachtet seines Namens eines National Theaters seine Aufführungen während der Schreckenszeit einstellte. So löfte sich in Folge der politischen Stürme die erste Gesellschaft des,,Théâtre-Français" nach einem mehr als hundertjährigen Bestehen auf. Die Namen der damas ligen Mitglieder sind folgende: Molé, Dazincourt, Defeffarts, Fleury, Bellemont, Vanhove, Dunant, Larochelle, Champville, Dupont und die Damen Lachaffaigne, Suin, Raucourt, Contat, Emilie Contat, Perrin, Thénard, Joln, Devienne, Fleury, Petit. Ein Ballet von dreiunddreißig Personen war damals mit dem Théâtre Français" verbunden.

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Einige Trümmer der Gesellschaft flüchteten sich in die rue de la Loi, wo Mademoiselle Montansier Opern, Ballets, komische Opern, Tragödien und Komödien aufführte. Aber das Unterneh men war keinem Bestande. Am 16. Juli 1794 zogen die Kunsts ler wieder in das; Theater des Faubourg St. Germain_ein. Zus gleich wurde eine tomische Oper errichtet, welche den Ertrag mit den Schauspielern theilte. Bald brachen indeß Zwiftigkeiten aus, und das Schauspiel wanderte aus. Diesmal flüchteten fie in die rue Feydeau und spielten unter Sagaret's Direction wöchentlich

In der rue de Louvois eröffnete Mademoiselle Raucourt am 27. Dezember 1796 der Komödie und Tragödie einen dritten Zus fluchtsort. Am 10. September 1797 befahl ein Beschluß des Direktoriums die Schließung dieses Theaters. Am 18. Januar ließen sich die Trümmer dieser Gesellschaft im Saal des Faubourg St. Germain nieder, welcher damals schon das Odéon genannt wurde, aber dieser Versuch scheiterte an der Lauheit des Publis Pums. In demselben Jahre wurde das Theater der Republik ges fchloffen und sendete seine Mitglieder nach der rue Feydeau. Am 5. September wurden die Vorstellungen unter Segaret's Direction eröffnet, der mit feiner Truppe beide Sale, sowohl den in der rue Richelieu als den des Odéons, inne hatte. Aber auch dieser Vers fuch nahm kein glückliches Ende. Das Theater der Republif wurde am 24. Januar 1799 wieder geschlossen. Das Nationals Theater feste seine Vorstellungen unter Picard's Direction fort. Das Odéon nahm zum Drama seine Zuflucht, als es mit der Tragödie und Komödie nicht gehen wollte. Aber nun brach eine Feuersbrunft aus. Das Konsulat stellte die Ordnung wieder her und bildete den Uebergang zum Kaiserreiche. Das ,,ThéâtreFrançais" organisirte sich wieder auf seiner ersten Grundlage, und das Theater in der rue Richelieu wurde der Schauplaß der wiederzufammengetretenen Gesellschaft. Dies war das dritte Mal, daß eine andere Vertheilung der Bevölkerung eine Vers feßung des Theaters nothwendig machte. Die Theater können ja nur da gedeihen, wo der Mittelpunkt des Lebens ist.

beworben. Aber die Kunst der Darstellung war immer gestiegen. Le Kain, Molé, Préville, Mademoiselle Clairon, Madame Duches min, Mademoiselle Raucourt, Mademoiselle Contat, Mademoiselle Duchesnois glänzten in dieser Periode. Mademoiselle Mars war schon aufgetreten. Neben diesen Talenten erhoben sich Larive, Monvel, Saints Phal, Saint Prir, Lafont, Michelot, Joanny, Monrose und Firmin. Nach dem Lode Talma's, welcher eine Revolution herbeiführte, wurde das,, Théâtre - Français" der Kampfplaß, auf welchem sich die klassische und romantische Schule heiße Schlachten lieferten. Jest hat derselbe so ziemlich ausges tobt, und es steht zu erwarten, daß aus demselben eine nationale, freie und ausdrucksvolle Schauspielerschule hervorgehen wird. Aber die Menge nimmt wenig Antheil an den Entwickelungen der Literatur; sie hat nur Sinn für das Fertige, Vollendete und will nicht das Stammeln einer sich heranbildenden Poesie hören. Das,,Théâtre-Français" wurde verlassen und hatte nach der Res volution von 1830, als fich das elegante und gebildete Publikum zurückzog, eine harte Prüfung zu bestehen.

Das Juli Königthum fam dieser alten dramatischen Gesells schaft, der einzigen, welche die Stürme der Zeit überdauert hatte, im Jahre 1833 zu Hülfe und brachte sie wieder in die Höhe zu einer Zeit, wo man schon an eine allgemeine Liquidation dachte. Seitdem hat die Kunst eines jungen Mädchens ihr wieder zur Gunst des Publikums verholfen, aber noch zeigt sich keine klare Aussicht in die Ferne. Die Menge ftrömt aus Neugierde hers bei; man betritt das Theater ohne Intereffe für die Kunst und verläßt es ohne Begeisterung, denn man will ja nur seine Zeit tödten. Das,,Théâtre-Francais" ist zwar jest den monatlichen Schwankungen zwischen einer guten und schlechten Einnahme enthoben, aber es hat doch noch in feiner Weise seine Aufgabe gelöst. Auch hier ist die Entscheidung nur vertagt. Und doch ist vielleicht das ganze Schicksal des Französischen Drama's dem Amédée de Cesena.

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Die frühere Bildung ignorirte eine Reihe von Bedürfnissen und Ideen, welche erst in der gegenwärtigen Gestaltung unserer Gesellschaft Anerkennung gefunden haben, und die demnach auch erft von der Kunst der Gegenwart zur finnlichen Darstellung ges bracht werden konnten. Die Griechen, welche sich die Schönheit als legtes und höchstes Ziel vorsteckten, die christliche Malerei, welche die Freuden des Paradieses schildern wollte, schlossen eine Menge von Gegenständen aus, welche jest Eingang in das Ges biet der Kunst gefunden haben. Der Begriff des Ideals ift in unserer Zeit erweitert, die Gränzen der Kunst weiter hinausge rückt worden. Die Schule der Koloristen, deren natürlicher, ob gleich unabhängiger Führer Delacroir ist, hat wesentlich mit zu dieser Revolution beigetragen. Im ersten Stadium feines Künstlerlebens, als er das,,Blutbad auf Chios" und,,Dante in der Unterwelt" schuf, stellte er mit einer Gewalt, die Rubens' würdig war, einen Gesammtzustand heftiger und Pühner Empfins dungen dar, die Alles an Ausdruck übertrafen, was die moderne Kunst hervorgebracht hatte. Da er indeß zu sehr Künstler ist, um sich mit der Darstellung der aufwallenden Sinnlichkeit im Kampfe gegen Tod und Schrecken zu begnügen, so scheint er jest nach einem ruhigeren und gemäßigteren Ausdrucke zu suchen. Eine solche Krisis, deren Produkt die herrlichen Fresken in der Deputirten Kammer find, ist indeß mit manchen Gefahren vers bunden, und seine beiden Bilder auf der diesjährigen Ausstellung:

Ein neues Defret vom August 1805 gab dem,,ThéâtreFrançais" eine definitive Organisation und dehnte die Vollmacht des Präfekten des Palastes weiter aus; derselbe wurde bei dem Theater durch einen Kommissarius vertreten. Der erste Práfekt, dem diese Aufsicht übergeben wurde, war Rémusat, der erste Kommissarius Mahérault. Die General Intendanz der großen Theater wurde erst am 1. November 1807 eingeführt. Dem Rechte nach gebührte sie einem der Offiziere des Kaiserlichen Hofstaates. Durch dies Defret erlitt die Einrichtung des,,ThéâtreFrançais" feine wesentliche Veränderung. Das Machtgebiet des Ober Intendanten und des Kaiserlichen Kommissarius wurde durch das Dekret vom 15. Oktober 1812 noch weiter ausgedehnt. Auf den rauchenden Trümmern Moskau's, am Vorabend seines Falles, beschäftigte sich Napoleon mit den kleinsten Details des Théâtre-Français". Die Oberaufficht, die Verwaltung, die Pos,,Kleopatra" und,,Hamlet", scheinen dafür zu sprechen, daß er lizei, die Disziplin, die Debuts der Künstler, die Pensionen und die Benefiz Vorstellungen waren der Gegenstand seiner Vorsorge; nichts entging ihm, und er ordnete, Alles nach seinem unums schränkten Willen.

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noch nicht den angemessenen Ausdruck für seine neue Richtung gefunden hat. Sein,,Hamlet", in der Todtengráberscene, hat eine etwas theatralische Haltung. Drei andere Gemälde von Delacroir:,,Laffo im Narrenhause",,,Marokkanische Maulthiers treiber" und,,ein Arabisches Grabmal", waren vom Ausschuß zurückgewiesen worden.

Devéria and Johannot mögen bloß als Beweis der Wandelbarkeit der Gunst des Publikums erwähnt werden. Hers vorgegangen aus dem skeptischen und manierirten Geiste der Re: ftauration, der sie eine Zeit lang trug, find fie auch mit diesem außer Kredit gekommen. Ch. Müller ist ein kraftig aufftres bendes Talent. Sein,,Martyrer" auf der vorjährigen Ausstels lung zeigte von vieler Gewandtheit, Leichtigkeit der Zeichnung. und fester und Pähner Pinselführung. In seinen späteren Werken findet man dieselben Vorzüge. Sein bedeutendstes Werk ist,,die Ermordung Arthur's, Herzogs von Bretagne". Ziegler, der aus Ingres' Schule zu den Koloristen übergegangen ist, hat diese mal einen,,beiligen Lutas, der das Bild der Madonna malt", geliefert. Die Madonna erscheint nicht in heiterer, anmuthiger Haltung, wie bei den fpdteren Italianischen Matern, fondern ernst, würdevoll, göttlich. Außer diesem schönen Bilde hat Ziegler nur noch eine Studie geliefert; er ist indeß schon seit mehreren Jahren mit den großen Fresken in der Magdalenen Kirche beschäf tigt. Riefener hatte diesmal zwei Gemälde aufgestellt:,,eine junge Aegyptierin" und eine heilige Katharina". Riesener ist als einer der vorzüglichsten Fleischmaler bekannt; das Sammets weiche der Haut, die durchschimmernden Adern, den rosenfarbes nen Anhauch des Fleisches weiß Niemand besser als er zu malen. Riefener hat in seinem Atelier noch eine hinreißend schöne,,keda" und eine verlassene Angelika", die er gar nicht eingereicht hatte, weil er von der moralischen Befangenheit des Ausschusses

abgewiesen zu werden fürchtete. Chafferian, ein junges Las Chafferian, ein junges Ta lent, das erst jest festen Fuß au faffen beginnt, brachte mehrere Bilder: eine Susanna im Bade" und eine aus dem Meere aufsteigende Venus", die sich durch Eleganz und Einfachheit auss jeichneten. Brune hatte eine allegorische Figur,,,die Göttin des Neides", die einzige ganz nackte Figur von den zweitausend ausgestellten Bildern, gewählt. Er ist indeß nicht der gewöhnlis chen Tradition gefolgt und hat kein mageres, abgezehrtes Scheus fal, sondern eine große, frdfiige weibliche Gestalt, welche sich die Haare mit beiden Händen ausrauft und von einer Schlange in die Seite gebiffen wird, gewählt. Die Quelle der Tugend" von A. Boulanger leidet an unfertigkeit, doch hat der Künstler wenigstens Geschmack genug gebabt, um das hinzuströmende Alter in den Hintergrund zu drängen.

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Wir gehen jest zu einer anderen Klasse von Künstlern über, zu denjenigen, die noch entfernter von einer idealen Kunstauffass fung sind und sich mit der Nachahmung der Natur begnügen. Hier ist H. Vernet obenan zu stellen. Die Französischen Kunsts richter behandeln denselben ziemlich streng, aber offenbar nicht gang mit Recht; sie werfen ihm seine Leichtigkeit oder gar Flüch tigkeit vor und sagen, er habe ein fertiges Schema für alle feine Schlachtenbilder, hier ein Bataillon Infanterie, dort eine Kas valleries Abtheilung, Kanonen, Pulverdampf und das Schlachtens bild ist fertig, oder so gut wie fertig, und er braucht nur noch die Uniformen blau, die Beinkleider roth zu koloriren und höch ftens hier und da noch einen Schnurrbart zuzuftußen. Und doch find alle seine Darstellungen voller Leben und Bewegung, die Gruppen gut geordnet, die Gesichter voll kriegerischen Ausdrucks. H. Vernet arbeitet auf den Effekt hin, aber er erreicht ihn auch. Uebrigens ist es wahr, daß er ein größeres Zeichner und Com positions: als Maler Talent hat; und er genügt daher auch wenis ger den Leuten von Fach als der Menge, die sich mehr an die Form halt und sich mit dem poetischen Ausdruck begnügt. Seine drei legten Schlachtengemälde, zu denen ihm die Einnahme von Konstantine den Stoff geliefert hatte, gefielen weniger, als die früheren. Außer diesen drei großen Bildern brachte H. Bernet noch mehrere kleine: eines, deffen Stoff ebenfalls der Einnahme Konstantine's entnommen ist, die Vertreibung Hagar's" und ,,die Löwenjagd", die bis in die kleinsten Details mit großer Sorgfalt ausgeführt ist; auch die Gruppirung ist schön, aber das Kolorit ist H. Verner's schwache Seite; die Löwen und Tiger find glatt geleckt und förmlich abgewaschen. Auf dem kleinen Gemälde,,Hagar" erscheinen einzelne Partieen in einer herrlichen Beleuchtung. Winterhalter hat nichts als mehrere Portraits der Königlichen Familie gemalt. Champmartin eine,,Chas ritas", Steuben eine ,,Esmeralda", welche oben eine Grisette, unten eine vornehme Dame zu seyn scheint. Gigour hat sich diesmal an biblische Stoffe gemacht und einen Christus auf dem Delberge" und eine,,Magdalena in der Wüste" geliefert. Auf dem ersteren Gemälde ist der Chriftuskopf von großer Schönheit, die übrigen Partieen aber schwächer.

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Der Uebergang zur Genremalerei ist nicht schwer. Die diess idhrige Ausstellung hatte manches Schöne auf diesem Gebiete aufzuweisen. Ein kleines Meisterwerk, welches den Schöpfungen

hältnismäßig war in diesem Jahre sogar recht Bedeutendes ges leistet worden. David erschien nach einer langen Abwesenheit wieder. Dieser Künstler repräsentirt die moderne Richtung der Kunst; er sucht sich so viel wie möglich der Naturwahrheit zu nähern, ohne die Schönheit aufzugeben. David hatte mehrere Büsten geliefert, die von einem außerordentlichen Studium zeig ten, und in denen die größte Sorgfalt und Genauigkeit der Aufs faffung fich mit einer idealen Auffassung der Persönlichkeit vers einigte. Sein kleiner republikanischer Tambour" ist ein aus gezeichnetes Werl voll tiefer Gefühlsinnigkeit, das man einem Gedichte Lord Byron's vergleichen kann. Die Formen sind aber etwas mager, und die trikolore Kokarde, welche das sterbende Kind an das Herz drückt, macht einen etwas wunderlichen Eins druck. Die,,Velleda" von Maindron zeichnet sich durch die Fülle der Formen aus. Die Gewandung ist geschickt geordnet, die Stellung poetisch, besonders die Haltung und die Verzierung des Kopfes glücklich getroffen, aber das Werk ist noch weiter vom idealen Ausdrucke entfernt. In dem jungen Mädchen, welches seine Geheimnisse der Venus anvertraut, von Joufs fron, tritt dieser Widerstreit zwischen dem Ideal und der Wirklichkeit weniger hervor. Freilich beseitigte der Künstler die meisten Schwierigkeiten dadurch, daß er seinen Stoff dem Alterthum entnahm, aber dennoch ist die Anmuth und die Schönheit der Formen zu bewundern. Die weiche und üppige Formenfülle, welche wir z. B. bei Canova finden, ist hier auf das glücklichste vermieden. Auch Pradier hat in dem ,,Grafen von Beaujolais" einen Beweis feines erfolgreichen Studiums der Antike gegeben und die Schwierigkeiten, welche ihm sein Stoff und die moderne Bekleidung entgegenseßten, übers wunden.,,Kain und seine Familie" von Eter ist ein grandioses Wert. Der Künstler hat, nach Canova's Vorgange, jeinem Werke durch einen Anstrich von Eisenord einen weicheren Ausdruck zu geben versucht. Alle einzelne Figuren Kain in sizender Stels lung, den Kopf auf die Brust gesenkt; die Frau liegend, das Haupt in den aufgelösten Haaren verborgen, sich dem Fluch getroffenen zuneigend; der Säugling, welcher die Brust der Mutter sucht; auf einer anderen Seite der ältere Sohn, welcher trauernd auf seinen Vater hinblickt find gelungen; aber der Tadel müßte die Anordnung der Gruppe treffen, welche nicht frei und kühn genug ist. Der Neapolitanische Improvisator" von Duret ist, wie alle frühere Arbeiten dieses Künstlers, ein elegantes und sierliches Werk, aber vielleicht eine zu gewiffens hafte Nachahmung der Natur, welche in der Skulptur noch weniger anzurathen ist als in der Malerei. Deban und Dess pres seigen in ihren Büsten dasselbe Streben. Dantan hat eine Buste der Schauspielerin Rachel" gemacht. Das wäre so ziemlich das Bedeutendste, wenn wir noch eines Basreliefs von Préault:,,die Anbetung der Magier", gedächten.“

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Mannigfaltiges.

Neue Nachrichten über Shakespeare. Diese bes finden sich in einem Buche, das so eben nach einem in der Bis bliothek der medizinischen Gesellschaft in London aufgefundenen worden ist, und wenn sie auch nur ganz

der Niederlander an die Seite gestellt werden kann, ist der unermendnde betreffen, so haben doch die wenigen

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Biard's Aufbruch von einem Maskenballe" be

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Englische Doktor" von Meiffonnier, ein Lebensbild Wahrheit. fammelte fortwährend viele Zuschauer, wahrend seine,,einges frorenen Seeleute" nicht denselben Beifall zu finden schienen. Schlachtengemelde hatten Beaume, Bellangé, Lecomte ges liefert. Unter den Portraitmalern zeichneten fich Boulanger, der in seinem,,Petrus Berel" an Murillo erinnert, Charpens tier, Léon Biardot, Eter, Dubuffe und Lépaulle aus. In der Landschaftsmalerei macht sich natürlich wieder dies felbe Verschiedenheit der Auffaffung und des Style wie in der Historienmalerei geltend. Italien und Helland haben auch hier wieder den Anstoß gegeben. In der idealen Landschaftsmalerei ist ein junger Künstler, Paul Flandrin, mit vielem Glücke aufgetreten und hat in seinen Darstellungen ein tiefes Verstands niß der Natur dokumentirt. In manchen Beziehungen scheint er sich Pouffin zum Muster genommen zu haben. Aligny hatte in feinen drei Landschaften, besonders in seiner,,Ansicht der Römis schen Campagne", herrliche Lichteffekte angebracht. Marithat hat su sehr nach Effekt gehascht und ist dadurch in Uebertreibung verfallen. jenigen, die den Niederländischen Meistern folgen, nimmt Calame bien ertin leistete wieder Ausgezeichnetes. Unter dens einen der ersten Pläge ein; er hatte eine Schweizerlandfchaft von dußerst geschickter Behandlung eingesandt. Neben ihm stehen Thuillier, Girour, Tanneur, Coignet, Mercen. Eine eigenthümliche Stellung nimmt 3. Dupré, der zwar der Nies derländischen Schule durch Sorgfalt und Genauigkeit der Auss führung so wie durch Auffassung der Dinge von ihrer wirklichen Seite angehört, aber sich doch wieder den Italianern durch seinen Farbenglang und einen gewiffen Schwung der Phantasie nähert. Unter den Seemalern haben Tanneur, Isabey, Gudin, Morel Fatio, fepoitevin, Couvelen mehr oder minder Bedeutendes geleistet.

Sollen wir noch von der Skulptur sprechen? Es wirken hier dieselben Ursachen, welche diese Kunstgattung auch an anderen Orten verhindern, sich zu einer dhnlichen Blüthe wie die Males rei zu entfalten. An Talenten fehlt es auch hier nicht, und vers

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Beilen, die auf Shakespeare Bezug haben, dem ganzen Buche ein folches Relief gegeben, daß dasselbe mit großer Begierde gekauft und gelesen worden ist. Das Buch ist ein Diarium, ge führt von dem Magister John Ward, der in Stratford am Avon, der Vaterstadt des Dichters, die Aemter eines geistlichen Vilars, eines Apothekers und eines Wundarztes zugleich befleidete *). Sein Tagebuch beginnt im Jahre 1648, also etwa 32 Jahre nach Shakes speare's Tod, und reicht bis zum Jahre 1679. Alle Stadtgeschichten des kleinen Stratford werden darin mit Gewissenhaftigkeit bes richtet, wobei denn viel Uninteressantes vorkommt, aber auch Manches sur Kenntniß der damaligen Zeit und insbesondere des Standpunktes, den die Araneikunde in England im 17ten Jahrhuns dert einnahm. Die Stelle über Shakespeare lautet folgendermaßen:

Shakespeare hatte nur zwei Töchter, von welchen eine mit Herrn Hall, dem Arst, verheirathet wurde, der von ihr eine bereits verheirathete Tochter hat, nämlich die Lady Bernard von Abbingdon. Ich habe gehört, der Shakespeare fen ein Naturdichter ges wesen, ohne die mindeste Kunst. In seinen jüngeren Jahren war er viel auf dem Theater, später aber lebte er in Stratford, wo er in jedem Jahre zwei Stücke für die Bühne lieferte und dafür so gut bezahlt wurde, daß er, wie ich gehört habe, jährlich tausend Pfund ausgab. Shakespeare, Drapton und Ben Jonson hatten. eine luftige Gesellschaft und tranfen, wie es scheint, etwas zu stark, denn Shakespeare starb an einem Fieber, das er sich dabei zugezogen. Ich will nicht vergessen, die Stücke von Shakespeare au lesen und mich recht vertraut damit zu machen, damit ich nicht unwissend in dieser Sache erscheine. Ob Dr. Henlin wohl recht thut, wenn er bei der Aufzählung der dramatischen Dichter, die in England berühmt waren, den Shakespeare ausläßt? 3ch schrieb an meinen Bruder, daß er Mistres Queenn besuchen möge." Mistreß Queenn soll, nach einer Anmerkung des Hers ausgebers, Shakespeare's Tochter Judith gewesen seyn.

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Diary of the Rev. John Ward, A. M., Vicar of Stratford-upon-Avon. Arranged by Charles Severn M. D.- London, 1839.

vierteljährlich, 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie.

No 56.

für die

Expedition (Friedrichs-Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslande bei den Wohllöbl. Post- Aemtern.

Literatur des Auslandes.

Berlin, Freitag den 10. Mai

Frankreich.

Rückblicke, von J. Janin. °)

An Théodose Burette.

Da sind nun wieder sechs Bändchen, welche zu sehr unges Legener Zeit kommen dürften, inmitten zweier Emeuten, oder vielleicht gar zweier Revolutionen! Ich stelle sie, mein Freund, unter den Schuß Deiner Freundschaft und Deines Namens. Je näher wir den bösen Tagen rücken, desto mehr fühle ich das Bedürfniß, mich auf Deine Kraft und Deinen Muth zu stüßen. Standest Du nicht immer an meiner Seite, strahlend vor Freude, wenn Du Gelegenheit zu loben findest, so betrübt, wenn Du tadelst, wie sollte ich dann etwas thun, wie etwas sagen? Du bist mein alter Freund, Du mein fast immer beachteter Raths geber, Du mein Vertheidiger aus Ueberzeugung; Du bist mein treuer Wächter, und in Deiner Nähe fühle ich mich immer starf. Findest Du eine Idee, so giebst Du sie mir; entdeckst Du etwas Schönes, so theilst Du es mir mit. It es nöthig, einem vers Pannten Genius zu Hülfe zu kommen, so faßt Du meine Hand und führst mich zu ihm. Ist es an der Zeit, eine der glänzenden Berühmtheiten, welche nur die Kunst des Zerstörens kennen, mit aufgezogenem Visir anzugreifen, so sagst Du: „Vorwärts!“ zu mir und ich lege die Lanze ein. Wie oft auch haben wir, ohne uns ein Wort zu sagen, dasselbe Gefühl der Bewunderung, dasselbe Gefühl der Abneigung empfunden! An einem solchen Tage bin ich sehr glücklich, sehr stolz!

Die sechs Bändchen, welche ich jest unter den Schuß Deiner wohlwollenden und aufmerksamen Freundschaft seße, hast Du schon Seite vor Seite, wie sie aus meiner Feder hervorgingen, gelesen und mehr als einmal hast Du zu einem der abgeriffenen Kapitel gesagt: „Ich bin zufrieden!" Mit Ausnahme des ersten Kapitels, welches die Zeit unserer ersten Jugend schildert, als wir so glücklich und so arm waren, als Du noch der reichste dieses Schwarms von Singvögeln warst, ist alles Uebrige für das Bedürfniß des Tages seit der Julis Revolution geschrieben. Ich habe dies erste Kapitel darum wieder abdrucken lassen, weil es mich glücklich machte, mich in die Zeit zurückzuverfeßen, welche so reich war an Hoffnungen, an unschuldigen Freuden, ungesuch ten Vergnügungen und poetischen Entzückungen, welche aber bes fonders so ganz von unserer Freundschaft ausgefüllt wurde, denn unfere Generation hat das zum Voraus gehabt, daß Alle gute junge Leute ohne die mindeste Affectation waren; wir haben nis mit Byronscher Lebensverachtung und düsterer Schwermuth ges spielt, wir haben nie gefürchtet, unfere munteren und lebensfrohen Gefichter zu zeigen, nie von Revolutionen und Stürmen geträumt, fondern ganz einfach vom blüthenreichen Frühling, von sonnens erhellten Landschaften und Spaziergängen im schönen Thale von Montmorency. Du und ich, wir können uns Beide die Gerech tigkeit widerfahren lassen, daß wir allen unseren Jugendfreunds fchaften treu geblieben sind, welchen Weg auch unsere Freunde eingeschlagen haben. Wenn sie nach fernen Ländern reiften, ges leiteten wir fie aum offenen Weere und riefen ihnen:,,Lebewohl!" zu, indem wir die Stunde der Rückkehr herbeisehnten; wenn sie ihre erste Messe lasen, fanden fie uns am Fuße des Altars Inieend. Wir faßen unter der Kanzel und horchten auf ihre erfte Predigt, und mit welcher Bewegung und Theilnahme folg ten wir nicht ihrer ersten Vertheidigungsrede zu Gunsten irgend eines schrecklichen Räubers, der ihnen den ersten Anlaß gab, ihre Beredsamkeit zu üben. In der Deputirten Kammer folgten wir ihnen bis zur Rednerbühne und verloren uns in der Menge, mit dem Wunsche, ihnen die schönverschlungenen Perioden Cicero's, die uns noch aus der Schule im Gedächtnisse waren, zuflüstern zu fönnen. Wer von uns in den Stand der Ehe trat, der wählte uns zu Zeugen, und wir entfalteten immer den Ernst, den eine folche feierliche Handlung erfordert. In kurzem wirst Du der Pathe des dritten Kindes unseres Königlichen Prokurators seyn, und ich werde die erste Tochter unseres Notarius zu Villers Cotterets über die Taufe halten. Wenn Einer von uns den Doktorgrad erhielt, haben wir es dann jemals unterlassen, ihn zu unserem Leibarzte zu machen, damit er seine Kunst in anima

Diese Widmung an Théodose Burette, Profeffor der Geschichte an der Pariser Universitat, bildet die Vorrede zu den eben erscheinenden gesanimet ten Kritiken und Feuilleton Artikeln J. Janin's.

1839.

vili üben könne? Wir haben ihnen die Freundschaft bewahrt, selbst wenn sie reich, selbst wenn sie mächtige Männer wurden, am so mehr, wenn sie unglücklich oder arm waren. Wir haben uns ihren Besorgnissen, wir haben uns ihren ehrgeizigen Bestres bungen zugefellt, wir, die wir den Ehrgeiz doch selbst nicht Pannten. Wie oft haben wir nicht bei der Prüfung des Einen, bei der Preisbewerbung des Anderen gezittert! Schien es nicht oft, ich wolle Doktor werden, oder Du strebtest nach der Ehre, in der Rechtsschule der Kollege von Demante oder Ducaurron zu werden! Endlich unfere abgeschiedenen Freunde, der im Duell getödtet, Jener in sich selbst untergegangen, ein Anderer von Liebesgram verzehrt, haben uns immer an ihren Kiffen gefunden, um ihnen die Augen zu schließen. Erinnerst Du Dich noch des schönen Jünglings, von dem wir alle Tage sprechen, unferes Stolzes und unseres Ruhmes, der, obgleich junger an Jahren, wie ein Adoptiv Vater uns mit seinem Rathe beistand, uns mit feinem Beispiele voranging? Erinnerst Du Dich noch an Boitard, die Hoffnung der Schule, der plößlich eines Sonntags dahins starb, als wir aus dem Gehölz von Vincennes zurückkehrten, ohne eine Ahnung von dem unerfeßlichen Verluft zu haben, der uns bedrohte?

So hat, theurer Theodosius, im Laufe von funfzehn Jahren das Geschick, die Verbannung, der Ehrgeiz, der Tod uns voit unseren theuersten Freunden getrennt; allmälig ist unser heiterer Freundesbund gelichtet worden. Sie sind Einer nach dem Ander ren hinweggegangen, diese Feuerseelen, diese edlen Herzen, diese iungen Enthusiasten, diese fünfundzwanzigjährigen Gelehrten, diese jungen Thoren, welche Alles, selbst ihren mauerfarbigen Mantel, verpfändet hatten. Rafs ist auf Martinique, und schon Pennen die Sllaven den Namen des guten Doktors. Der junge, liebenswürdige Schölcher wurde in seinem zwanzigsten Jahre ers fchoffen. Und so viele Andere find weit weg. Dieser ist in seine Häuslichkeit gebannt, Jener vom Ehrgeiz verzehrt oder gar, der Unglückliche! den politischen Leidenschaften verfallen. Wir Beide find allein von allen diesen gelösten Freundesbündnissen übrig ges blieben, um als Zeugen so vieler schönen, hingeschwundenen Stunden zu dienen. In diesem Augenblicke sind wir fast ganj allein, Einer beim Anderen, ohne uns einen Tag aus den Augen zu verlieren, gleichsam ein gemeinschaftliches Leben führend, dier felben Bücher lesend, frei von denselben ehrgeizigen Befres bungen, mit Wenigem zufrieden, immer zufrieden. Unser Glück hat fich geändert; es ist weniger stürmisch geworden, unsere Hoffnungen find erstorben. In je weitere Ferne aber die alten Freundschaften gerückt sind, desto enger haben wir unseren Bund geschloffen, und wir begreifen jest gar nicht mehr, wie Einer ohne den Anderen leben könnte.

Von uns Beiden warst Du indeß doch der Weisefte, weil der Bescheidenste. Du fürchtetest das helle Tageslicht und wähltest den Wahlspruch:,,Verbirg Dein Leben" zur Richtschnur Deines Betragens. Du hast mit der größten Sorgfalt Deinen Geist und Dein Talent und diesen Schwung der Seele, um welchen Dich die Berühmtesten beneiden würden, verheimlicht. Du hast weder Aufsehen noch Ruf gesucht, ja, ich glaube, Du würdest sogar den Ruhm verschmäht haben. Mich würde es nicht wundern, wenn Du Dich ganz in den Schatten stelltest, um mir Plaß zu machen und mir den Weg zu bahnen. Du schreibst besser als ich und haft mich schreiben lassen. Dein Geschmack ist sicherer, geübter, aufgeklärter als der meinige, und Du hast mich die Anderen ber urtheilen lassen. Du hast Dich niedrig und klein gemacht und selbst mir die tiefen geschichtlichen Forschungen verborgen ge halten, aus denen so interessante Bücher hervorgegangen sind. Du bist so ein gelehrter Geschichtsschreiber geworden, ohne es mir zu sagen; Du standest Morgens frühe auf, um in den alten Chroniken umherzuwühlen, und ich schlief noch, wenn Du schon Deine Aufgabe beendet hatteft. Dann sah ich Dich kommen, fo frisch, als ob Du noch nichts gethan hättest, und wenn Du mich dann bei der Arbeit fandeft, fagteft Du, Heuchler! au mir: „Du arbeitest zu viel!" Wir sprachen hierauf von den Dingen, die mich interesserten und an denen Du nur meinetwegen Theil nahmest. Wir sprachen von den Weisterwerken des Tages ohne Leidenschaft, aber auch ohne Liebe. Wir gestanden uns, daß die berühmten Männer der Gegenwart, welche mit aller Gewalt fo viel produziren, fehr Unrecht hätten, und wir belächelten oft die Fruchtbarkeit unserer Zeitgenossen, wenn wir bedachten, daß Ho:

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