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Höhe, zu der kaum der Adler vom Eichenwipfel in den umgebens den Tiefen sich aufschwingt; Kühle durch den Schatten der vors Hiegenden Portilen; duftige Pflanzen ringsum, und zwischen diesen und über sie hinaus dieser Blick in die großartige Umgebung, auf das feelenerhebende Meer!

Der Hof des Palastes hier umher, zwischen den Portilen, die ihn einschließen, und dem Kunsttempel, ist zu einem anmuthis gen Garten benußt. Durch die Gebäude hat dieser Garten so, viel Schatten, als das südliche Klima wünschen last. Aber wie geistreich sind auch hier eigenthümliche poetische Gedanken noch ausgedrückt! Schmale Wasserbecken, von Weinlauben beschattet, mit Marmorstegen an den Seiten, laufen vor den beiden Längens fronten der Portilen hin, so zur Kühlung wie zur Erfrischung von blüthentragenden orientalischen Pflanzen. In vollen Strös mungen ergießen sich die Wasser in diese Becken; zwei Reihen von ersenen Thiergestalten aber stehen an den Seiten eines jeden Mahnungen an ditere und neuere Hieroglyphe, wie sie hier am Drt schicklich ist – und phantastische Wächter der ges heimnißvollen Quellen des Lebendigen. Mit guter Ueberlegung find jene zweiten. Nebenzimmer mit den Säulenerkern, in der Kette der Raume, für Recreation so geordnet, daß ihre Mittelachse und ihre Deffnung gegen den Hof gerade in diese anziehenden Laubengange, auf diese Wasserbecken trifft.

Auch in dem vordersten Eingangs-Atrium ist in dem offenen Mittelraum zwischen den Säulen im Impluvium ein Wasser: becken angenommen, welches den schönen Portikus gar lieblich wiederspiegelt.

Sicherlich, die hier entwickelten allgemeinen Gedanken und Formen bei der Anordnung dieses edlen Casarischen Luftfißes werden schon hinreichend seyn, jeden Empfänglichen mit dem Ges fühl einer edleren Freude zu erfüllen. Eine ndhere Theilnahme erweckt das schöne Werk noch bei der Betrachtung der Einzelne heiten seiner Auffassung. Hier firirt es, wie mit einem Zaubers schlag in lebendigem Bild, einen der bedeutungsvollsten und ans ziehendsten Momente der Kunstgeschichte, so wie der Kulturges schichte des Menschengeschlechts überhaupt.

bisDer Künstler in einer großartigen Auffassung giebt hier das Bild eines Griechischen Wohnhauses. Dahin lautet die Kaiserliche Verordnung. Ein Boden, der einst Hellenische Städte trug, ein Klima, das fie emporwachsen ließ, natürlich und duftig wie seine Pflanzen, soll in diesem Palast eine Blüthe treiben in jenem heimischen Geist. Blick empor! Schweben nicht jeßt noch solche Bilder über Dir in jener glücklichen Zone? Fata Morgana malt fie dem Sehenden in die glänzende Luft. Es ist ein Pataft Seleulidischer, Ptolomdischer Fürsten, würdig Alerans der's des Großen.

Und sogleich drängt dem Betrachtenden sich ins Gefühl, wie der Künstler jenes Stammes gedacht hat, der Hellenischen Kolo: nieen am Ufer des Schwarzen Meeres: des Städte gebährenden Miletos, der Kunst der Griechen im vorderen Aften; jenes leb haft kolorirten Jonischen Geistes: leicht beweglich, vertraulich im Umgang mit dem benachbarten Orient. Perfer, Phönizier, Phrygier, Inder, Aegypter, alle sind ihm befreundet. Was ihm gefällt, das nimmt er und zwingt es, in seinen Armen bei ihm heimisch zu werden und mit ihm Eines. Dies ist Baukunft der Jonischen Griechen; Geist der Auffassung in Construction und Form bei der vorliegenden Erfindung.

Aber für den Geißt der Form im Einzelnen ist der würdigste Standpunkt angenommen, der im Entwickelungsgange Griechis scher Kunft hat gewählt werden können; Peritieische Zeit: Mabigkeit in der Zusammenfeßung der Theile, forgfältiges Abs wagen der Verhältnisse, strenge Zeichnung, jenes glückliche Treffen des Schönsten; fener großartige und edle Charakter, welchen Ueberreste der Baukunft flüchtig andeuten, der aber lebhafter vor uns emporsteigt, wenn wir mit langen und sorgfältigen Studien, mühsam und voll Sammlung uns festhalten an den gesammten Umfang der Erscheinungen, die aus jener glücklichen Zeit noch auf die unsere gekommen sind, und uns gegenüber befinden dem Kunstwerk, das wir betrachten.

Ueberall stellt sich der Ausdruck dieses edlen, großartigen Charakters dar. Die Jonische Säulen Ordnung, im Attischen Geschmack dieser Perikleischen Zeit, ist durch den ganzen Bau vorherrschend, zumal am Aeußeren. Nirgend ist Architektur, wo eine innere Nothwendigkeit sie nicht fordert; Kranzgefimse, Gürs tungen, die kleineren Fensteröffnungen einfach umrahmt, die größes ren mit Sdulen › Einfassungen; große Mauerflächen durch Schichten, Bänder und Rahmen eines dunkleren Steines sanft und anmuthig belebt: dazwischen sparsam eingestreute Medaillons und Nischen; Skulpturen in diesen und den Giebelfeldern; Akros terien oben auf. Die Ordnung vom vorderen Eingangs Portis Pus und dem großen Atrium von Dorischer Auffaffung in jenen fchlankeren Verhältnissen, die ihr bei einer Anwendung außers halb des Tempelbaues von altersher mögen gegeben worden seyn. Sehr originell und schön find die Säulen der Portilen des Kaisers hofes von achteckiger Form, mit einfachem Schmiegen Kapitdt, traftiger Proportion, auf der Mitte ihrer Höhe mit einem breis ten Gurt plastischer bacchischer Figuren; im übrigen ganz und gar mit mufivischer Verzierung bedeckt: mit Palmenzweigen, chuppenartigem Blattwerk, Aegyptischen Zacken, gitterartigen Mustern: farbig schillernd im Glang natürlichen Gesteines und metallischer Glasflüsse. Eine Auffassung der Säule, die ein júns

gerer Blick in das Griechische Alterthum mit Beispiel belegt. Die Pfeiler der großen Kunsthalle haben in drei vorgetreppten Steinschichten, jede an der Unterkante durch ein einfaches Glied gebrochen, alle mit einfachem Griechischem Ornament bedeckt, Kapitale, die so ganz zu ihrer Form passen, während sie die Construction der Decke aus großen Steinplatten erleichtern. An diefer leßteren macht eine einfache Kette von großen Sternen, viereckig gefaßt, einen trefflichen Schmuck. Durch sammliche innere Raume des Palastes, bei wenig getheilten Wänden, bleibt Malern und Bildnern ein weites Feld. Ueberall ist horizontale Ueberlage bei Maueröffnungen, Stüßenketten und Decken.

Aber bei aller Schönheit, bei dieser freien und reichen Ers gießung der Phantasie, wie ist doch diese edle Erfindung so ganz gedacht, wirklich zu seyn, ohne irgend eine Uebertreibung oder eine Schwierigkeit für die Ausführung! Alles leicht zu bes werkstelligen unter den obwaltenden Umständen; Alles ruhige Ueberlegung, fast nur Erfüllung der Nothdurft. Der Maßstab fo angehalten, in den räumlichen Ausdehnungen und den Vers hältniffen der Construction, daß Umfang und Aufwand des Ges baudes an und für sich nicht größer sind, als an vielen Wohns häusern und Landsißen Florentinischer, Genuesischer, Römischer Patrizier. Es ist mehr der Geist der ganzen Anordnung, Auf faffung und Bedeutung des Einzelnen, Gedanke eines mehr zu fälligen Schmuckes, die hier sogleich in eine höhere Lebenssphäre uns hinauftragen.

Sehr erfreulich ist es, daß Zufälligkeiten des Lokales die Ausführung begünstigen und erleichtern. Die umliegenden Ges birge geben trefflichen Baustein in großen Blöcken: Sandstein und mannigfache Arten von Marmor: blaßröthlichen und grünen. Außerdem läßt die Lage am Schwarzen Meer Italien benachbart seyn, und dies kann beisteuern, wenn es nöthig ist, mit noch ans derem Material und mit Künstlern. So möge denn Luchesischer Marmor mit Taurischem sich verbinden.

Aber bei so streng gewogenem Werke wünschen wir nur, daß die Techniker, denen die Ausführung anvertraut werden dürfte, mit uns gleich gestimmte Hochachtung fühlen mögen vor dieser Erfindung. Der Meister allein nur vermag dieser fein ges stimmten Tonleiter andere Bewegung zu geben, wenn es ihm gefiele oder geboten würde: - nicht leicht ein Anderer.

Du aber, junge Kunst, im fernen Süden dort drüben, junge Kultur der Mufen da hinaus, halte dich an den Edsarischen Fels, schieße junge Zweige und Blüthen aus dem frischen Stamm, der ihn krönt, von seinem Saft und seiner würdig. Und du, Erde des Alterthumes rings umher, öffne deinen Schooß Schaa ren beuteluftiger Reiter, Krämer der mittleren Zeiten, deiner Schäße nicht lundig, haben ihn unberührt gelassen — öffne deinen Schooß den schöneren Tagen, die jest dir fommen, und gieb heraus die Kinder. Hellenischer Abkunft, die annoch du verschlossen hältst: die Augen edler Herrscher zu erfreuen und die schönen Hallen ihrer wärdig zu schmücken mit Olympischen Kränzen! Wilh. Stier.

Mannigfaltiges.

Ein Orangen; Wald in Sardinien.*) Es war am ersten Mai, beim herrlichsten Wetter, als ich die Garten oder vielmehr den Orangen Wald von Milis, Sardiniens Paradies, besuchte, wo man über 500,000 Bäume zählt, deren Rähe sich mir bereits durch eine Atmosphäre von Wohlgerächen angefündigt hatte. Dieser Hain, der von grünen Hügeln umgürtet wird und dessen köstliche Laubgange und reisende Windungen ich mehrere Stunden lang durchzog, war von dem Gesang unzähliger Vögel und von dem Murmeln einer Masse kleiner Bäche belebt, welche den Fuß jener fortwahrend in üppiger Vegetation befindlichen Bdume beneßen. Eine dichte Decke von Orangenblüthe lag als Teppich über den Boden ausgebreitet; ich schritt, ich gleitete gleichsam fort über diesen duftenden Schnee. Bog ich einen Zweig zurück, um bequemer durchschreiten zu können, so flogen von allen Seiten die Blüthen empor, die mir bald das Gesicht bedeckten. Diese köstliche Blüthe, die in den reichen Orangerieen unserer Schlösser zugeschlt und verkauft wird, duftet hier unnüße Wohlgerüche aus, fällt zu Boden und wird unbeachtet von jedem Wanderer mit Füßen getreten. Hohe aromatische Sträucher und ein üppiger Graswuchs vermischten ihren etwas herberen, aber nicht minder angenehmen Geruch mit dem feinen Duft der Orangenbäume. Der Reichthum an Früchten ist zum Erstaunen; sehr häufig find hohe Stüßen von starkem Holze nöthig, damit die Zweige unter der Last von Apfelsinen und Citronen nicht brechen, deren Zahl im jährlichen Durchschnitte niemals weniger als zehn Millionen beträgt. Man ist wie geblendet von allen jenen rothen oder goldfarbigen Kugeln, einer glühenden Pflan zenwelt, die hier in Festons und Guirlanden sich windet. Ó, du liebe Orangerie von Versailles, Denkmal eines großen Jahrhuns derts, wie schrumpfst du zusammen mit deinen Marmor Bassins, deinen prachtigen hundertanddrei Alleen, deinen wundervollen Laubgewölben, deinen Meisterstücken der Baukunft, wie kleinlich erscheinst du neben der großartigen Natur des einsamen Thales von Milis!

*) Aus den so eben erschienenen Voyages en Corse, à Pile d'Elbe et en Sardaigne, par M. Valery, bibliothécaire du Roi aux palais de Versailles et

de Trianon.

vierteljährlich, 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Er. höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie.

No 54.

für die

Expedition (Friedrichs-Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslande bei den Wobusbl. Poft - Aemtern.

Literatur des Auslandes.

Berlin, Montag den 6. Mai

Frankreich.

Die letzten Augenblicke des Fürsten von Talleyrand.

(Nach dem United Service Journal.)

Am 17. Mai 1838 vor 6 Uhr des Morgens begab ich mich voll düsterer Ahnungen nach dem alten Hotel in der Straße St. Florentin; denn als ich dieses Hotel spat am vergangenen Abend verließ, war mir nur wenig Hoffnung geblieben, daß sein hochs begabter Wirth noch einen Tag erleben würde. Ein blasfer Morgenschimmer erhob sich, mit den Schatten der Nacht ringend, über die mächtigen Kastanienbäume der Tuilerieen. Alles war noch in Schlummer versunken; und als ich die schwere Glocke anzog, hatte ihr Nachklang in dem weiten Hofraume etwas Uebers irdisches. Ich verweilte nicht an der Loge des Portiers, um zu erfahren, wie der Fürst geschlafen habe; denn der erste Gegens stand, der mir ins Auge fiel, war die Equipage des Arztes. Ich eilte ohne Weiteres der großen Treppe zu, die ich so oft mit ganz anderen Gefühlen bestiegen hatte. Die beiden steinernen Embleme des Schweigens, welche, feucht vom Morgen, Nebet, an beiden Seiten des gigantischen Portales stehen, erfüllten mich mit eisigem Schauer. Jene ungeheuren Löwen, die so oft mit den Löwen Venedigs verglichen worden, erinnerten mich an die stummen und reglosen Wächter, welche die marmornen Eingänge antiker Grabmåler zieren. Es war, als hätte die Atmosphäre des Todes schon jeden Gegenstand umhüllt, und in dem alten Gebäude, zu jeder Zeit melancholisch und düfter, schien Grabes Luft zu wehen.

Das Vorzimmer war dde und verlassen; denn die ganze Dies nerschaft hatte sich mit angstvoller Neugier in demjenigen Raume versammelt, welcher dem Zimmer ihres geliebten Herrn zunächst lag, um über den Fortgang der Krankheit möglichst frühe Kunde au erhalten. Es hat vielleicht nie Jemand eristirt, der mit wes niger scheinbarer Anstrengung in so hohem Grade die Zuneigung feiner Untergebenen zu gewinnen wußte, als Fürst von Talleys rand. Alle Bedienten, die er in seinen leßten Augenblicken um sich hatte, waren in feinem Dienste ergraut, und von denen, welche ihn seit dem Beginn seiner glänzenden Laufbahn bedient hatten, war keiner mehr übrig; er hatte sie Alle überlebt. Der Fürst schenkte seinen vornehmsten Domestilen immer einen hohen Grad von Vertrauen, und mancher höchst wichtige diplomatische Gegenstand ist in Gegenwart seines Kammerdieners ohne alle Zurückhaltung besprochen worden. Schon viele Jahre vor seinem Lode pflegte Talleyrand in der Stunde, wenn er Toilette machte, die bedeutendsten_politischen Fragen zu verhandeln, und man weiß kein Beispiel, daß er bei solcher Gelegenheit einen Kammerdiener hinausgeschickt hätte.

Die merkwürdighe von allen Personen, die der Fürst jemals in seinem Dienste gehabt, war unbezweifelt der ehrliche Courtiade, dessen hausbackene Klugheit ihn oft sehr ergößte. Dieser Veteran haite lange vor Ausbruch der ersten Revolution bei Talleyrand Dienste genommen und starb erst vor vier Jahren während der Gesandtschaftsreise nach London. Man sagt, der Schmerz dars über, daß sein Herr ihn damals in Paris zurückließ, habe den Tod des gebrechlichen alten Mannes beschleunigt. Seine Ans Seine Ans hẳnglichkeit an den Fürsten hatte. wenn der unedle Vergleich erlaubt ist etwas von hündischer Natur. Er war seinem Herrn in allen Wechseln des Glückes treu zur Seite geblieben. Als Talleyrand den Brief empfing, der ihn zu seiner Flucht nach Amerika bestimmte, dußerte er gegen Courtiade vertrauensvoll seinen Entschluß und sagte ihm bei dieser Gelegenheit: Du haft Frau und Kinder, denen Du ohne Zweifel erst Lebewohl zu fagen wünschest, ehe Du eine so lange und gefährliche Reise unternimmst, von der vielleicht so bald keine Rückkehr zu hoffen ist. Darum laffe mich allein abreisen und folge mir in dem nächsten Postschiffe." Nein, nein"", verfeßte Courtiade in tieffter Bewegung;,,,,Sie sollen nicht ohne Begleitung abreifen ich muß mit Ihnen gehen; gestatten Sie mir nur eine Frist bis Morgen Abend."" Das geht in keinem Falle, Courtiade", entgegnete der Fürst;,,dieser Aufschub kann uns verderblich seyn and ware für Dich und Deine Frau doch nicht lang genug." Bah! c'est bien de ma femme dont il s'agit!"" rief der treue Diener; ich habe jest nur die vermaledeite Wäscherin im Sinne, die alle Ihre feinen Hemden und Muffelin Kravatten

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1839.

bekommen hat. Wie, ums Himmels willen, können Sie sich denn ohne gutes Weißzeug produziren, besonders in einem frem den Lande?!"

Ich werde nie meine erste Zusammenkunft mit dem Fürsten vergessen und den sonderbaren Eindruck, den eben dieser Cours tiade damals auf mich machte. Es war bald nach der Juli Revolution und kurz vor Talleyrand's Sendung nach London. 3 fand den berühmten Diplomaten ruhig an seinem Büreau sigend, das ihm zugleich als Toilette diente. Ein Bedienter war emsig beschäftigt, die reiche Fälle seines langen granen Haares su pudern, während ein anderer ihm knieend die Schnallen an die Schuhe befestigte. Sein neben ihm sißender Secretair hatte einen ungeheuren Pack Briefe vor sich liegen, die er, einen nach dem anderen, mit staunenswürdiger Schnelligkeit erbrach, durch las und, nach Maßgabe ihres Inhalts, entweder in den Mafus latur Korb warf oder dem Fürsten vorlegte. Ich mußte die Kaltblütigkeit bewundern, womit Letterer, während er meine Botschaft, die für ihn von größter persönlicher Wichtigkeit war, anhörte, seine Gala Uniform sich anlegen ließ. Als der Fürst vollständig angekleidet war, öffnete sich eine Thür und herein trat wankenden Schrittes der alte verwitterte Courtiade, mehrere Dosen von allerlei Form und Größe bringend. Diese Dosen waren mit den Bändern und Insignien der vielen Orden feines Herrn gefüllt. Die vollkommene Gleichgültigkeit, womit Talleys rand die Orden an seine Brust heften ließ, stand in seltsamem Kontraste zu dem zappelnden Eifer Courtiade's, der die ger wissenhafte Erfüllung dieser Pflicht — der einzigen, die ihm in feinem Alter noch oblag aur höchsten Aufgabe seines Lebens machte.

Die Erinnerung an die Gefühle, womit ich am Sterbetage des großen Mannes das jeßt stille und verlassene Vorzimmer durchschritt, hat mir vorstehende Digression gleichsam abgenöthigt. Der Leser möge sie mir zu Gute halten!

Als ich in das Zimmer trat, wo der greife Staatsmann lag, fand ich ihn in tiefem Schlummer. Dieser Schlummer mag zum Theil eine Folge der großen Aufregung gewesen seyn, welche den legten Akt seines Lebens feinen Widerruf bes

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gleitete, einen Akt, welcher eben so viel Lob als Tadel, eben so viel Sport als Bewunderung gedrndtet hat und immer räthsels haft bleiben wird. Dieser Widerruf muß ihm viel gekostet haben; denn er wußte recht gut, daß die Augen aller Parteien auf ibn gerichtet seyn, und daß Alle, nach Maßgabe ihrer subjektiven Meinungen oder Intereffen, seine Motive beurtheilen würden. Die lobende Bewunderung vieler Personen mußte ihm bitterer fenn, als der Tadel, ja selbst der Spott Anderer; und gewiß sah er vorher, daß Niemand diesen Schritt in seinem wahren Lichte betrachten würde. Man will wissen, daß Talleyrand_noch auf seinem Sterbebette durch große innere Kampfe und Gewissenss qualen zu feinem Widerruf angetrieben worden sey - aber dieses muthmaßlich durch Priester ausgesprengte Gerücht ist gar weit von der Wahrheit entfernt. Eine Zeit lang hatte der Fürst aller dings, wie schon aus Fragmenten einer Korrespondenz mit dem Papste, die unter seinen Papieren sich vorfanden, erhellt, über den Gegenstand nachgedacht; allein es geschah nur, um seiner Familie Kummer und Seelenpein zu ersparen. Er wußte, daß er seine Verwandten hart mitnehmen würde, wenn er sich auf dem Sterbebette weigerte, gewisse religiöse Formalitäten zu volls ziehen, auf die er selbst nicht den geringsten Werth legte; und was auch seine Feinde von der kalten berechnenden Politik sagen mögen, die alle seine Handlungen leitete, so kann man doch nicht in Abrede stellen, daß ihm stets an dem Wohl und der Erhebung seiner Familie viel gelegen war. Weder Unfähigkeit, noch Uns dankbarkeit gewisser Mitglieder hatten ihn jemals von diesem Ziele abgelenkt. Da seine starke und leidenschaftslofe Seele alle die kleinlichen Bedenken zurückwies, welche Leute von gemeinem Schlage erschüttern können, so blieb die Vernunft seine einzige Führerin.

Der Schlummer, oder vielmehr die Lethargie, in welche der Fürft verfunken war, hatte wohl eine Stunde nach meiner Ane funft noch fortgedauert, und es nahte die Zeit, in welcher der König seinen Besuch verheißen hatte. Mit Unwillen bemerkte ich, wie selbst diejenigen Personen, die Talleyrand am innigsten anbingen, aus lebhafter Besorgnis, der erquickende Schlummer des Jurken tönne länger dauern, als schicklich sen, sich beeiferten,

ihn zu wecken. Es kostete einige Mühe, ihm ins Gedächtniß zu rufen, welche Ehre seiner noch wartete, und kaum hatte man ihn am Rande des Bettes aufrecht gefeßt fiehe, da trat Seine Majestät, begleitet von Madame Adelaide, ins Zimmer. Es wäre für Maler und Psychologen eine interessante Aufgabe gewesen, beide Individuen zu beobachten, als fie unter jenem alten grünen Bettvorhang dicht bei einander faßen: die breite, gewaltige Stirn, die ruhige stoische Braue und das lange, verworrene Lockenhaar, welches diese Braue beschattete, gaben dem großen Staasmanne noch in seiner Todesstunde jenen löwenartigen Ausdruck, den Dichter und Künstler so oft bewundert haben und womit das wohl arrangirte Toupée und die ganze sehr ausgesuchte Bekleis dung des Königs wunderbar kontrastirten. Schon der alte vers witterte Schlafrock des Ersteren und der braune Frack, die steife Halsbinde, die mit Glanzwichse bestrichenen Stiefeln des Anderen verkündeten, welcher von Beiden der,,leßte der Edelleute und welcher,,der erste Bürger" des Reiches war. Seine Majestät waren, wie die Etikette erheischt, der Erste, der das Schweigen brach. Ich kann den Ausdruck feiner Züge, als er so gleichsam den Niedergang feines leitenden Sternes sah, nicht beschreiben. Vielleicht hätte er sich selbst von dem, was jezt in feiner Seele vorging, keine Rechenschaft geben können.

Es schmerzt mich, Fürst, Sie so viel leiden zu sehen“, fprach der König mit gedämpfter und zitternder Stimme. "Sire," " entgegnete Talleyrand,,,,,Sie sind Zeuge der Leis den eines Sterbenden. Wer mich liebt, der kann nur wünschen, daß ich bald ausgekämpft habe." "

Diese Worte sprach der Fürst mit der ihm eigenthümlichen tiefen und starken Stimme, die bis an seinen Tod ungeschwächt blieb. Die Pause, welche voranging, und der ruhig bittere Ton des Vorwurfs, in welchem diese Worte gesprochen wurden, machsen einen unvergeßlichen Eindruck.

Der Besuch des Königs war, wie alle Besuche, die mit schwerem Herzen gemacht werden, von möglichst kurzer Dauer. Ludwig Philipp fühlte sich augenscheinlich beklommen und wußte nicht recht, welche Miene er annehmen sollte. Er sagte dem Sterbenden einige Worte des Troftes und erhob sich dann, um Abschied zu nehmen. Der Fürst stellte ihm die anwesenden Pers fonen vor und entließ ihn mit folgender hofmännischer Phrase: ,,Sire, unser Haus hat am heutigen Tage eine Ehre empfangen, die würdig ist, in unseren Annalen verzeichnet zu werden, und deren meine Nachfolger mit Stolz und Dankbarkeit sich erinnern sverden."

Ich muß gestehen, daß meine Erwartungen von diesem Bes fuche mich sehr getäuscht hatten. Ich hatte einem Lebewohl ents gegengesehen, wie es der unter Stürmen gelandete Reisende dem Flugen und sorglichen Piloten sagt, der ihn durch Felsen und Brandung geleitet hat und jeßt allein, bei finsterer Nacht, vom Strande abgestoßen ist, um nie wiederzukommen. Dem war aber nicht also. Ich sah nur die Haft und Ungeduld, die mit einer peinlichen Situation verbunden zu seyn pflegen, aber nicht die leiseste Spur von Freundschaft, Anhänglichkeit oder dankbarer Gesinnung. Ein sehr verständiger und einsichtsvoller Freund, dem ich meine Beobachtung mittheilte, entgegnete trocken: Es ist flar, daß Seine Majestät sich nicht scheute, ihn sterben zu sehen; aber gedulden Sie sich nur ein wenig: es wird ihm schon leid genug thun, wenn er gestorben ist.“

Eine umständliche Beschreibung dieser Scene wäre mir viels leicht kaum in den Sinn gekommen, hatte man nicht von einem anderen Standpunkte so viel darüber hin und her geredet. Mit staunender Bewunderung haben gewisse Leute dieser Königlichen Herablaffung gedacht, als ob Könige nicht gehalten wären, ihren Freunden dankbar zu feyn! Die meisten gekrönten Häupter würden sich wohl nicht geschämt haben, dem großen Staatsmanne an seinem Sterbebette ihre Hochachtung zu beweis fen, und doch sind nur die Wenigsten unter seiner Mitwirkung zum Throne gelangt! Selbst Napoleon, der Mann mit dem eisers nen Herzen, hatte kein Bedenken getragen, dies zu thun; denn er geftand unbedenklich, daß die weisen Rathschläge seines Ministers der auswärtigen Angelegenheiten an seinen politischen Erfolgen großen Antheil gehabt haben.

Bald nach der Entfernung des Königs bemerkten die Aerzte die ersten Symptome der Auflösung an dem Kranken. Alsbald versammelte sich die ganze Familie um sein Bette. Der Herzog von P. befand sich auch unter ihnen, und ich hatte Mühe, ein Lächeln zu unterdrücken, als ich der satirischen Bemerkung mich erinnerte, die Talleyrand kurz vor seiner leßten Krankheit bei Ges legenheit einer ziemlich feierlichen Visite_dieses Herrn gemacht. ,,Wenn man“, so sagte er,,,das melancholische Gesicht und die trauerartige Kleidung des Herzogs ins Auge faßt, so sollte man beinahe denken, irgend ein entrepreneur des pompes funèbres habe ihn hierher beordert."

Um die Mitte des Tages wurde der Fürst unruhiger und fieberhafter. Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, die dumpfige Atmosphäre des Krankenzimmers eine Zeitlang zu ver laffen und in das Gesellschaftszimmer zu treten. Hier fand ich die Elite der Pariser Gesellschaft versammelt. Eine Gruppe ges schaftiger Politiker, mit Bändern im Knopfloche - Einige tahts topfig, Andere gepudert hatte um das lustig lodernde Kamins feuer Plaß genommen; ihre lebhafte Unterhaltung füllte, obgleich man aus zarter Rücksicht nur halb laut sprach, das ganze Zims mer mit anhaltendem Gemurmel. Einige der dltesten Freunde des ergrauten Diplomaten, die aus wahrer Anhänglichkeit ges

tischen Kämpfer keinen Theil. Unter ihnen befand sich auch Graf M. Dieser ausgezeichnete Mann, ein Gesellschafter ohne Gleichen, dessen stechender Wig und beißender Sarkasmus das Schrecken aller Prahler und Windbeutel geworden das einzige Individuum, mit welchem Talleyrand selbst nicht bei jeder Ge legenheit in die Schranken treten wollte, saß jest still, bekümmert, in Gedanken versunken und beachtete nicht, was um ihn her verging, so reichen Stoff diese Scene bei jeder anderen Gelegen heit seinem Wis geboten hätte. Im anderen Winkel des Zimmers plauderte ein glänzender Damen Zirkel über Gegenstände der verschiedensten Art. Zuweilen hörte man ein leises Kichern, troß des verweisenden Pst! das vom anderen Ende des Zimmers öfter sich vernehmen ließ. Auf einem Sopha nahe dem Fenster lag die schöne und liebenswürdige Herzogin von V. nachläing ausgestreckt und umgeben von jungen Stusern, die vor ihr auf dem Teppich knieten oder in Polstern kauerten.

Die ganze Scene paßte in ein anderes Zeitalter. Es war mir, als hatte mich ein Zauberschlag in das Jahrhundert Luds wig's XIV. und an Mazarin's Sterbebett zurückverseßt. Dies felbe Ungenirtheit, dieselbe ungeduldige Erwartung war auch hier bemerklich. Einige hatten aus bloßer Konvenienz, Andere aus Rücksicht für Talleyrand's Familie, Viele aus bloßer Neus gier und nur Wenige aus wahrer Freundschaft sich eingefunden. Die Meisten schienen vergessen zu haben, daß ein gewaltiger Geist von der Erde schied, oder daß sie versammelt waren, um einen großen Mann sterben zu sehen. Aber plößlich stockte die Unterhaltung; es entstand eine feierliche Pause, und jedes Auge war der langsam aufgehenden Thür des Krankenzimmers zuges wendet. Ein Bedienter trat mit gesenktem Blick und geschwolles nem Auge herein, näherte sich dem Dr. C., der, gleich mir, ein paar Augenblicke im Gesellschaftszimmer sich erholte, und füsterte ihm etwas ins Ohr. Der Doktor stand sogleich auf und ging ins Krankenzimmer. Die Eile, womit er dies that, verkündete nur zu deutlich den Beweggrund. Die ganze Versammlung drängte dem Doktor nach. Augenscheinlich hatte der Tod allbes reits auf die marmorne Stirn des Fürsten sein Siegel gedrückt; dennoch bewahrte das Gesicht zu meinem Erstaunen den gewohn ten energischen Ausdruck. Alles Leben schien im Kopfe zusams mengedrängt. Von Zeit zu Zeit erhob er sein Haupt mit einer plöglichen Bewegung, die langen grauen Locken zurückschüttelnd, die über das Gesicht fielen, und schaute um sich. Ein triumphis rendes Lächeln über das günstige Ergebniß seiner Masterung des wohlbevölkerten Zimmers überflog dann seine Züge, und sein Haupt sank wieder auf den Bufen.

Mein Beruf hat es so mit sich gebracht, daß ich Zeuge von mancher Codes Scene gewesen bin; aber kein Individuum ist mir im Gedächtniß geblieben, deffen Charakter noch in den legs ten Augenblicken sein eigenthümliches Gepräge so treu bewahrt hatte, wie Talleyrand. Er sah den Tod ohne Furcht und Schaus der, aber auch ohne affektirten Troß herannahen, als einen würs digen Gegner, mit dem er lange und wacker gerungen und vor dem er jest ohne Beschämung die Waffen streckte. Wenn es wirklich ein wohlthuendes Gefühl ist, unter den Seufzern und Wehklagen zahlreicher Freunde und Verwandten zu sterben, so muß der sterbende Staatsmann die Welt sehr befriedigt vers lassen haben; denn er schied mit königlichen Ehren und königs lichem Pompe: Keiner fehlte von allen denen, die er selbst viels leicht zusammenberufen hätte. Der ergraute Freund seiner frühes ren Jahre und der schöne jugendliche Liebling seines Alters knieten vor seinem Lager; und wenn die Trostesworte, die ihm ein Priester murmelnd vorlas, nicht zu seinen Ohren drangen, so war die lautere Weheklage derer, die ihm bei seinen Lebzeiten so theuer gewesen, Schuld daran.

Kaum aber hatte das Auge, an dessen Blicken die Euros päische Welt so lange und mit so gespannter Aufmerksamkeit ges hangen, auf ewig sich geschlossen, als ein urplößlicher Wechsel der Scene erfolgte. Wie ein Schwarm Krähen, der mit einem Male auffliegt, fo stürzte die ganze schwarze Versammlung aus dem Hotel, und Jeder beeilte sich, die interessante Kunde balds möglichst seinem respektiven Zirkel zutragen zu können. Als ich das Zimmer am Abend wieder betrat, `fand ich den Armseffel, in welchem der Fürst so oft seine stechenden Wiße sprühen ließ, von einem Priester eingenommen, der für die Ruhe der abs geschiedenen Seele betete.

Nach Talleyrand's Hinscheiden wurde die Ehrerbietung, welche der Fürst seinem ganzen Haushalt eingeflößt hatte, recht offens kundig. Kein Bedienter verließ unter irgend einem Vorwande den ihm angewiesenen Posten, und jeder erschien pünktlich um die Zeit, wann er vor seinem lebenden Herrn zu erscheinen ge wohnt war. Ich felbft sah den Koch um dieselbe Morgenstunde, in welcher er bis dahin die Befehle seines Herrn zu empfangen gewohnt gewesen, von allen Küchenjungen begleitet, hereintreten. Der ganze schneeweiß gekleidete und mit langen Tranchir Messern bewehrte Trupp schritt feierlich dem Bette zu, worauf fie Alle niederknieten und ein kurzes Gebet murmelten. Jeder besprengte den Leichnam mit Weihwasser, und der Zug entfernte sich wieder so feierlich still, wie er gekommen war.

Der Französischen Sitte gemäß, erfolgt die Bestattung jeder Person 48 Stunden nach ihrem Ableben. Mit Talleyrand's ir dischen Ueberresten mußte man, theils wegen der Einbalsamirung, die nicht so schnell vor sich geht, und anderentheils auch, weil der Körper nach Valençan zu transportiren war, eine Ausnahme machen.

liftige follte mit seinem harmlosen und kaum an Mittelmäßig feit reichenden Bruder gemeinschaftlich in die Gruft sinken! Ein einsiger Todesstreich hatte den ganzen Stamm von der Erde vertilgt! Bei derfelben Gelegenheit öffnete man auch das kleine Grab des Kindes Volande, deffen zierliches Särglein den Sarg des Fürsten begleiten mußte. Der Leichenwagen, welcher die Körper weiter fördern sollte, war der nämliche, den man zur Fortschaffung des Körvers der Er Königin von Holland aus der Schweiz gezimmert hatte. Er glich einem Munitionswagen und war an der Vorderseite mit zwei bedeckten Sigen versehen, worin zwei Bediente des Fürsten saßen. Die Ausgrabung des Kindes auf dem einsamen Kirchhofe Mont-Parnasse das Aufladen des gewichtigen Sarges, der Talleyrand's Hülle barg, bei dem blut: rothen Scheine angezündeter Fackeln das eigenthümliche Ges polter des Leichenwagens, als er bei nächtlicher Weile und im sanften Lichte des Mondes, der jeden dunkeln Gegenstand noch dunkler erscheinen läßt, durch die menschenleeren Straßen fuhr - Alles machte einen unbeschreiblich dramatischen Effekt. Noch muß ich eines halbs komischen Wortspiels erwähnen. Als das Fuhrwerk von der Kapelle, wo Talleyrand's Leichnam ausgestellt gewesen, sich in Bewegung seßte und einer der Postillone nach gewohnter Weise fragte:,,Vers quelle barrière?" antwortete ihm eine Stimme vom Leichenwagen:,,Barrière d'Enfer!"

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Am dritten Tage nach unserer Abreise von Paris erreichten wir Valençay, und am Abende desselben Tages sah man den bes Raubten Leichenwagen durch die lange Allee von Kastanien Bau men dem Schloffe zufahren. Jede Ehre, die man dem Besizer bei seinen Lebzeiten angethan, wurde nun mit skrupelhafter Ge nauigkeit seinem Leichnam erwiesen. Der Neffe des Fürsten nahm in eigener Person auf dem Leichenwagen Plaß und lenkte ihn, begleitet von der ganzen zahlreichen Dienerschaft des Schloffes, bei Fackelschein nach der Kirche von Valençay, wo der Sarg für diese Nacht niedergestellt wurde.

Am frühen Morgen des anderen Tages war in dem kleinen Stadichen Alles munter. Die Bewohner hatten bis dahin etwas fo Interessantes noch nicht erlebt. Jedes Fenster war mit Zus fcbauern bevollert, wahrend Bauern aus allen benachbarten Dis ftriften in ihrer fefträglichen Kleidung auf den Fußwegen sich brangten. Die Nacionals Garde stand schon mit Tages: Anbruch inter Waffen, und der ganze Drt gewährte einen so lachenden Anblick, daß eine zufällig durchreisende Person annehmen konnte, es sey dies der Tag eines großen Volksfestes.

Die sterbliche Hülle des Bruders war in ganz anderer Weise angekommen. Kein Pomp, kein Gepränge war da zu fehen ein Posts Fuhrwerk mit zwei Pferden bespannt, und hins terher Niemand, als der Doktor, der den Herzog in feiner legten Krankheit hehandelt hatte. Kein Geld war an überflüssige Zier: rathen verschwendet; denn als der Sarg enthüllt wurde, sah man mit Erstaunen, daß er ganz schlicht und simpel aus Rüsternholz gezimmert war. Neben die Särge seiner begünstigteren Verwands ten gestellt, gewährte die leßte Behausung des Herzogs einen me lancholischen Anblick. Jegt aber bedeckt Ein Leichentuch das Ganze, den kostbaren Sammet und die schlichten unpolirten Bret ter. Eine gedehnte Melodie stieg zum Himmel empor, ein Gebet für die Ruhe Aller, welche unter jenem riesigen Katafalke schlies fen für den, welcher im Schoße des Reichthums und der Ehren gestorben war, deffen gewaltiger Geist bis zum leßten Augenblicke die übrigen Geister beherrscht hatte, und für den, der feine Augen in einsamer Vergessenheit schloß und dessen ohnehin schwacher Verstand am Ende fast in Aberwiß überging. Beide wurden nach der Kapelle der Andreas Schwestern transportirt, die von dem Fürsten selbst gegründet war und wohin er die Fas milien Gruft verlegt hatte. Sein Leichnam sank unter einer Salve aus Gewehren und den geräuschvollen Ehrenbezeugungen der Verz fammlung zuerst in die Gruft dann der des Herzogs in volls kommener Stille, die nur von dem Klirren des eisernen Gitters,

der Sarg hinabglitt, unterbrochen wurde. Zu aller

lest kam die Eleine Dolande an die Reihe, deren allerliebRes Sarglein mit feinen filbernen Einfassungen und mit der blendend weißen Sammerbekleidung viel eher einem Kästchen glich, das die Toilette einer fungendlichen Schönheit schmücken follte, als einem Behälter des Moders und der Verwesung.

Das Gewölbe wurde geschloffen, und Alles war vorüber. Wir verließen die Kapelle und begaben uns nach dem Schloffe, deffen neuer Befißer sämmtlichen Personen, die der Leichenfeier beigewohnt, ein wahrhaft fürstliches Frühstück vorseßen ließ. Ich verspürte einige Neugier, mich davon zu unterrichten, was für Leute es waren, die Ihm, der auf die Dankbarkeit jedes Individuums feiner Nation Anspruch hatte, die leßte Huldi gung bewiesen. Ich sah zur Rechten und zur Linken; allein es waren überhaupt nur Wenige, und alle diese Wenigen hatten bei feinen Lebzeiten ihm gedient; von den Großen dieser Erde, denen Er gedient hatte, die Ihm ihre Größe, ihre Macht vers dankten, war Steiner zugegen! (U. S. J.)

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heitssinn zu vereinigen. Zu der diesjährigen Ausstellung hatte fie ein Bild von Flandrin: Jesus, der die Kinder zu sich Laft", geliefert, welches mit Recht viele Bewunderung fand. Die Farbengebung ist etwas sehr diskret und blaß, und dies allein kann den Eindruck des schönen Bildes verringern. Die Zeichnung, die Stellung der Figuren, der Ausdruck der Köpfe find von hoher Vollendung. Von vorzüglicher Schönheit sind die Kinder, nur etwas zu kalt und zurückhaltend, aber davon trägt auch wohl wieder der Gesichtsausdruck des Herrn die Schuld, der etwas melancholisch darein schaut, statt ihnen freundlich und wohlwollend entgegenzusehen. Amaury Duval hatte das Bildniß eines jungen Mädchens geliefert, in welchem sich alle Vorzüge der Schule abspiegelten. Die Figur, in Weiß gekleidet, mit Rosen im Mieder und den Haaren, trug durchaus den Auss drack der Wahrheit und Einfachheit und war ein föstliches Bild jugendlicher Frische und Anmuth. Obgleich die Farbengebung der schwächste Theil der Schule ist, so zeigte doch das Kolorit dieses Bildes einen zarten geistigen Anhauch und eine gewisse. Durchsichtigkeit in der Hautfarbe. Man wurde unwillkürlich an Perugino's Manier und an die Raphael's in der ersten Zeit ers innert. Ohne schroffe Lichtgegenjase, waren die feinsten Schats tirungen ausgedrückt. Ein anderes Bildniß desselben Künstlers war weniger gelungen zu nennen; es war kalt und gesucht, ohne diese Mängel durch die anderweitigen Vorzüge der Schule aufs juwiegen. Unter dem, was diese sonst noch beisteuerte, verdienen Roulin's Moses" und die Verbannten“ von Menn ers wähnt zu werden. Ohne gerade zu der Schule von Ingres zu gehören, steht Cornu doch in einem gewissen Zusammens hange mit derselben: fein heiliger,Nicolaus und Vincens" hat archaistische Reminiscenzen. Douffault hat den Styl der alten Maler mit dem modernen verschmelzen wollen; es ist indeß nichts Gutes dabei herausgekommen, und feine,,Madonna mit den Engeln scheint ein von einem Vignettenzeichner retouchirter Beato Angelico zu seyn.

"

Einen vollkommenen Gegenfas zu dieser Schule bildet Ary Scheffer, der romantische und moderne Maler. Die zarten und schwermüthigen Empfindungen, die weichen Herzensregungen weiß Niemand besser als er darzustellen; er ist der Repræsentant der Deutschen Kunst in Frankreich nach ihrer sentimentalen Seite hin. In allen Werken Scheffer's spricht sich ein tiefes Gemüth, ein hoher Gefühlsreichthum aus. Er ist eben so sehr Dichter als Maler, vermag aber nicht immer das ganz adäquat auszudrücken, was er in sich herumgetragen hat. Da das Gefühl sich vorzugs lich im Gesichte ausspricht, so muß bei ihm der Ausdruck der Köpfe und Gesichtszüge auch besonders beachtet werden. Blickt man durch die etwas graue und trübe Atmosphäre, in welcher sein Christus athmet, hindurch, so findet man eine Gestalt, auf welcher sich unaussprechliche Seelenleiden abspiegeln. Der Ers löser hat den Schmerzensleich bis auf den Boden geleert. Seine Züge sind abgespannt, und seine Augenlieder fenken sich. In der Beugung des Hauptes, in der Bewegung der Lippen spricht sich ein unendliches Seelenteiden aus. Vielleicht kann man Scheffer vorwerfen, seinen Christus zu menschlich gefaßt zu haben; "in diefe dumpfe Verzweiflung leuchtet in der That kein Hoffnungss strahl hinein, und man sieht nur das Leiden Gottes, nicht die Ueberwindung desselben und seine künftige Erhöhung, die hier schon hindurchschimmern mußte. Was man vorzüglich noch an Scheffer aussehen könnte, ist die öftere Wiederkehr derselben Fis guren. Sein diesjähriger König von Thule" erinnert etwas an den Grafen Eberhard auf einer der vorigen Ausstellungen, obgleich derselbe vollendeter und ausdrucksvoller ist. Auch seine beiden,,Mignons sind keine ganz neue Erscheinungen. Faust, im Anblicke Gretchens verloren ist ebenfalls schon im Gefolge des tröstenden Christus auf der Ausstellung von 1837 dagewesen. Auf diesem Bilde ist der Gefichtsausdruck vielleicht nicht ganz im Geiste des Götheschen Faust, aber dasselbe ist darum nicht minder ein Werk von hoher Vortrefflichkeit. Gretchen macht durch ihre Unschuld und Jungfräulichkeit einen bezaubernden Eindruck auch ist der Totaleindruck wohl berechnet und von uns widerstehlicher Wirkung; der Ladel föunte nur Kleinigkeiten treffen. Einige Verzeichnungen abgerechnet, ist seine sich nach der Heimat sehnende Mignon" ein herrliches Werk voll tiefer Gefühlspoesie und entzückender Jnnigkeit, vielleicht das beste, was er in diesem Jahre geliefert hat. Die Gewandung ist einfach und anmuthig, aber hinreißend schön ist das Gesicht. In den Augen erglänzt eine tiefe Schwermuth, und der Ausdruck des Gefichts scheint alle Bewegungen des Herzens abzuspiegeln. Die zum Himmel aufblickende Mignon" scheint schon von den Fesseln der Körperlichkeit befreit zu seyn. Ary Scheffer übt einen bedeutenden und heilsamen Einfluß auf die Französische Kunst aus; denn während ein Theil derselben sich nur um die Form bemüht, ohne nach dem Wesen der Kunst zu fragen, während ein anderer sich zur Vergangenheit zurückwendet, um diese wies deraufzuerwecken, sucht er den Ausdruck der Empfindungen und Gemüthsbewegungen darzustellen und die Außengestalt zum Spies gel des Innern zu machen.

Der Kunst stehen_indeß auch noch andere Wege zu Gebote; es giebt auch eine Darstellungsweise, welche unmittelbar aus dem Gedanken entspringt und fich durch eine gewisse Kühnheit. der Composition verráth. Hiernach haben besonders die Engs lischen Künstler gestrebt. Martin wirkt durch die Großartigkeit und den freien Schwung feiner Linien; Turner durch seine magische Beleuchtung und Farbengebung, welche alle Gegens stande einer Landschaft in eine Empfindung verschmilzt und alle

Wesen dieselbe Sprache reden läßt, so daß sie Theile desselben Organismus zu seyn scheinen. Diese beiden Weisen der Dars stellung, welche man pitorest nennen könnte, finden sich bei mehreren Französischen Künstlern.

Ein junger Künstler, Leullier, ist auf diesem Gebiete mit großer Kühnheit und vielem Glücke aufgetreten. Seine,,den Thieren vorgeworfene Christen" sind eine merkwürdige und groß artige Composition. Man sieht das Innere des Cirkus, wo sechzigtausend Zuschauer versammelt sind und sich an der Mezes lei, die eben im besten Gange ist, weiden. Das Blut fließt in Strömen, und die Römer applaudiren. Wenn sie niederblicken, sehen sie überall offene Rachen, gezückte Krallen, klaffende Wun: den, rothes Blut und Lodesqual in allen Abstufungen. Ein größeres Gewirre von Elephanten, Rhinoceroffen, Nilpferden, Büffeln, Auerocbsen, Löwen, Tigern, Panthern, Hyánen, Mans nern und Weibern kann man sich nicht denken, und Einer fällt immer wieder über einen Anderen her, Menschen und Thiere zerfleischen sich unter einander. Nirgends ist ein Ruhepunkt, nir gends findet man etwas Menschliches, außer in zwei Martyrern, deren Haupt schon mit einem Heiligenschein umgeben ist. Die Thiere, welche hier vorzüglich in Betracht kommen, denn die Menschen sind nur Nebenfiguren, find vortrefflich gezeichnet und zeugen für das Studium des Künstlers. Der etwas zu dunkele Grund schadet dem Eindruce.

Wir wenden uns jest zu einem der bedeutendsten Künstler, der wenigstens in feinem Genre unerreicht dasteht, zu Decamp s. Derselbe ist ein vollendeter Künstler, ein Meister, der mit den Schwierigkeiten der Ausführung spielend fertig wird. Er ist originell; wollte man ihn aber mit einem anderen Künstler vers gleichen, so könnte es nur mit Salvator Rosa geschehen, dem er an Kahnheit und Seltsamkeit der Composition gleichfömmt, aber an kraftiger Pinfelführung überlegen ist. Die diesjährige Ausstels lung brachte eilf Gemälde von ihm. Zuerst zwei biblische Stoffe: Joseph, von seinen Brüdern verkauft und,,Simson und die Philister". Decamps verlegt am liebsten die Scenerie seiner Gemälde nach dem Orient, denn hier ist er ganz zu Hause, und die Gluth und Gewalt seiner Phantasie und der üppige Reichs thum seines Kolorits befähigen ihn auch am meisten zu solchen Schilderungen. Der landschaftliche Theil der beiden Gemälde ift unübertrefflich schön, nicht minder die Gruppirung und der Ausdruck der Figuren, die sich alle als echte Kinder des Orients bekunden. Man glaubt die Sonne auf dem Sande scheinen und die Erde vor Hiße bersten zu fehen; darüber ist ein klarer durch; fichtiger Himmel ausgespannt, auf dem einige weiße Wölkchen auf und abwogen. Der Kampf Simson's und der Philister" erinnert durch die Wildheit des Ausdrucks an,,die Cimberns schlacht". Hier ist es eine steinige und rauhe Landschaft, nackte Felsen, tahle Hügel, vertrocknete, staubige Vegetation, eine Nas tur, welche an die schrecklichsten selve selvaggie Salvator Rosa's erinnert. Und diese Figuren! der bärtige, behaarte, wüthige Simson mit der Eselskinnbacke in der Hand, gegen welche die Keule des Herkules nur eine Reitgerte ist, und der Schwarm der Philister, Fußgänger und Reiter, Menschen und Pferde, die sich in wilder Unordnung überstürzen und durcheinanderwalzen. (Schluß folgt.)

Bibliographie.

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La comtesse de Salisbury. Bon A. Dumas. 2 Bde. 15 Fr.
Histoire, antiquités et architectonique de l'église de Lodève. 4. 6 Fr.
Histoire de France pendant la république, le consulat, l'empire et la restau-
ration, jusqu'à la révolution de 1830. Von M. de Norvins. 10 Fr.
Le journaliste. - Von E. Sonvestre. 2 Bde. 15 Fr.
M. Chipard, député, ou les Inconvéniens de la grandeur.
Cabuchet. 7 Sr.

Von Toussaint

Ma petite soeur. - Bon A. Ricard. 2 Bde. 15 Fr. Précis élémentaire de physique et de chimio. Von A. S. de Montferrier. 5 Sr. Le Limousin historique, recueil pouvant servir à l'Histoire de l'ancienne province de Limousin. Von A. Leymarie. Erster Theil. 10 Fr.

Ostindien.

Die Indische Methode der Stahlhärtung.

Das in Indien gebrduchliche Verfahren, Stahl zu härten, ist zu verwickelt und scheint zu sehr auf wissenschaftlichen Vers fuchen zu beruhen, als daß man die Erfindung desselben rein dem Zufall zuschreiben könnte. Dasselbe stimmt siemlich genau mit der in Europa gebräuchlichen Methode überein. Aber in Europa kam man nur nach vielen wissenschaftlichen Experimens ten darauf, nachdem es sich erwiesen, daß der Stahl eine Zus sammenseßung von Eisen und Kohlenstoff sey; während in Indien dies Verfahren seit undenklichen Zeiten angewendet wird, lange bevor es in Europa bekannt war. Die Geschichte erwähnt, daß Porus dem Alerander dreißig Pfund Stahl schenkte, und man weiß, daß im Alterthume die Waffen aus einem Gemisch von Kupfer und Zinn bereitet wurden. Die Instrumente, vermittelst welcher die Steinbrüche Aegyptens ausgebeutet und die Tempel und Obelisken aufgethärmt wurden, waren, wie sich kaum be zweifeln läßt, aus Indischem Stahl angefertigt worden.

Das in Indien übliche Verfahren besteht kurz in Folgendem: Das Ers, dessen man sich bedient, enthält Eisen-Oryd und Quarz, in dem Verhältnisse von 52 Theilen Oryd und 48 Cheilen Quarz.

In dem Bezirk von Salem, wo der Stahl bereitet wird, findet man dieses Erz in großer Menge. Es liegt dort in so großer Menge auf der Oberfläche des Bodens, daß man gar nicht nöthig hat, Nachgrabungen anzustellen. Dasselbe wird zerrieben und vermittelst der Auswaschungen oder durch ein anderes Mittel vom Quars getrennt. Der Schmelzofen wird aus Thon erbaut, drei oder vier Fuß hoch, und erhält eine konische Form. Der Blasebalg besteht aus zwei Hundefellen mit einem Bambus rohre. Als Brennmaterial gebraucht man die Holzkohle ohne weitere Beimischung. Der Blasebalg wird vier Stunden in Bewegung gefeßt, binnen welcher Zeit das Erz schmilzt. Man läßt es ausfließen, und wenn das festgewordene Metall noch roth ist, durchschneidet man es mit einer Art und übergiebt die Stücke den Schmieden, welche es in Stangen umformen und dann in Stahl verwandeln. Sie schmieden es bei Weißglähe hiße und schlägen mit dem Hammer darauf los, bis es die Form einer Stange angenommen hat, welche der Englische Kaufmann mit Verachtung zurückweisen würde, aus welcher aber die In dier den feinsten Stahl verfertigen. Zuerst schneiden sie es in kleine Stücke und legen ungefähr ein Pfund nebst dem trockenen Holze der Cassia auricalata und einigen grünen Zweigen der Asclepias gigantea in einen Schmelztiegel. Den Zutritt der Luft hindert eine feuchte Thondecke. Einige zwanzig dieser Schmelzs tiegel werden in einen kleinen Ofen gestellt, mit Kohlen bedeckt, und nach Verlauf zweier Stunden ist die ganze Operation beens det. Der Stahl, den man auf diese Weise gewinnt, ist vortreffe lich, aber das Verfahren so unvollkommen, daß von 72 Theilen des Metalls kaum 15 übrig bleiben.

Obgleich dieje Methode im Wesentlichen mit der in England seit kurzem gebräuchlichen übereinstimmt, so weicht sie doch darin von derselben ab, daß sie beide von den Englischen Fabrikanten angewendete Methoden vereinigt. angewendete Methoden vereinigt. Seit dem Anfange des neuns zehnten Jahrhunderts find nämlich in England zwei Patente für die Stahlbereitung ertheilt worden. Nach der einen Methode wird das Eisen vermittelst jeder kohlenhaltigen Substanz in Stahl verwandelt, nach der anderen wird dasselbe der Einwirkung des Wasserstoffes bei einem hohen Wärmegrade unterworfen. Indische Verfahren scheint beide Methoden zu vereinigen.

Mannigfaltiges.

Das

Für und wider die Phrenologie. Einige Auszüge, die wir in Nr. 12 u. 13 des,,Magazins" von d. 3. aus zweien Englischen Schriften über die Phrenologie mitgetheilt, haben in Deutschland eine kleine Gegenschrift veranlaßt, als deren Ver faffer sich herr Noel, Mitglied der phrenologischen Gesellschaft zu London, nennt. *) Da wir bei der Mittheilung jener Auszüge keinesweges die Absicht hatten, als Kampen gegen die Phrenos logie überhaupt aufzutreten; da wir vielmehr nur an die Konser quenzen dieser Lehre nicht glauben, die an sich eben so viel Wahres und Interessantes als die Physiognomik darbietet, aber eben so wenig wie diese die Geltung und die innere Nothwens tigkeit einer organisch gegliederten Wissenschaft sich zu vindiziren vermag, so machen wir auch gern auf die Widerlegungen aufs merkjam, die gegen die von uns citirten beiden Schriftsteller, Roger und Sewall, vorlängst schon in England und Nords Amerika erschienen sind und die Herr Noel seiner kleinen Abs Herr Roget ist namentlich handlung zum Grunde gelegt hat. von den Herren G. Combe und Dr. A. Combe in deren Schrift über die Functionen des Gehirns" bekämpft wor den, und der Amerikaner Sewall hat seinen Gegner in cinem anderen Amerikaner, Namens Caldwell, gefunden. Allers dings war es auch leicht, dem Spotte der Herren Roget und Sewall anderen Spott entgegenzuseßen; leugnen wollen, daß dem berühmten Gründer der Schädellehre, Dr. Gall, Vieles zur näheren Kenntniß des Baues und der Faserung des Gehirns zu verdanken sey, heißt das Kind mit dem Bade ausschütten; aber mit der Zurückführung auf die allgemeinen Grundsdge jener Lehre, wie es die Herren Combe und Caldwell thun, wird doch noch lange nicht bewiesen, daß, gleich den Verstandeskräften, auch unsere Gefühle ihren Siß und ihre maßgebende Anlage im Ge hirn haben, und daß jedes derfelben auf der Oberfläche der Hirnschale untrüglich angezeigt sey. Begnügt sich doch am Ende auch Herr Noel, auf allgemeine Beobachtungen hinzus weisen, die übereinstimmend einerseits an den Köpfen großer und ausgezeichneter Männer und andererseits an denen einiger berüchtigten Spißbuben und Mörder gemacht worden find. Die Richtigkeit solcher und dhnlicher Beobachtungen ist auch in Deutschland bereitwillig anerkannt worden; aber nur in Großbris tanien und Nord Amerika hat sich bisher die Phrenologie als Wissenschaft so zahlreiche Adépten zu erwerben gewußt, daß, wie der Verfasser sagt, in dem erstgenannten Lande jest an dreißig phrenologische Gesellschaften sich befinden, welche bedeutende Sammlungen von Schädeln und Abgüssen befißen, die bei öffents lichen Vorlesungen gebraucht werden, und dadurch wesentlich zur Verbreitung der phrenologischen Lehren beitragen. ga

*) Einige Worte über Phrenologie, hervorgerufen durch einen Auffas in dem Magazin für die Literatur des Auslandes, von R. R. Noel, Mits glied der vbrenologischen Gesellschaft zu London. Dresden und Leipzig, Arnoldische Buchhandlung, 1839.

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