Billeder på siden
PDF
ePub

Orleanssche Partei, deren Abgesandter er war, davontragen würde. Er hatte schon einen Mandats-Entwürf für die Gemeins den, vom Abbé Šienes verfaßt, vor sich her an alle diejenigen abgeschickt, deren Gutsherr der Herzog von Orleans war. Einen anderen Mandats-Entwurf für die Wahl-Versammlung, von dem felben Verfaffer, trug er noch bei sich, und um ihn in seinen Planen zu unterstüßen, hatte man ihm noch den Abbé von Linon zugefellt, einen Mann von Geist und Kühnheit, der zu Allem fähig war. Und damit diese Herren mit allem Nothwendigen gehörig versehen seyen, hatte man ihnen auch noch eine gute Anzahl Ordensbänder eines FrauensKapitels mitgegeben, welches zwar noch nicht bestand, das der Herzog von Drleans aber zu ftiften beabsichtigte und dessen Ordenskreuze er im Voraus an alle Damen vertheilen ließ, deren Einfluß ihm nüßlich seyn fonnte. Fügt man zu diesem ehrenvollen Gewinnungsmittel noch einige andere gebräuchlichere, wie Gasstmähler, Bälle, Fests lichkeiten und Versprechungen aller Art, hinju, und bedenkt man, daß dies Alles in einer kleinen, von armen Champagnefern bes völkerten Stadt aufgewendet wurde, so kann man es Herrn von Laval nicht verdenken, daß er gleich bei seinem ersten Auftreten nicht mehr an seinem Erfolge zweifelte. Dieser Edelmann besaß ohnehin eine große Portion von Selbstvertrauen. Er war in Potsdam gewesen, um den dortigen Manövern beizuwohnen und den Stiefel des großen Friederich zu küssen. Darauf that er sich nachher in Paris nicht wenig zu Gute. Von dieser Reise hatte er auch einen dauernden Enchuflasmus für das Preußische Milis tairwesen mitgebracht. Lange Zeit qualte er das schöne Regiment von Auvergne, dessen Oberst er war, mit seiner Neuerungssucht, feinen Launen und seiner Strenge, und da er dies Alles mit wenig Geist that, in dies Wenige auch noch viel Verkehrtes sichh mischte, er überdies ein regelloses Leben fährte, so hatte er sich Das entschiedene Miffallen Ludwig's XVI. zugezogen und sich von Rechtswegen der Orleansschen Partei in die Arme geworfen. Zwanzig Jahre spdter traf ich ihn in Deutschland in Diensten des Kaisers und an der Spiße eines neu gebildeten Corps, wels ches, glaube ich, die Ordonnanz, Gendarmen hieß. Zu der Zeit aber, von der ich hier spreche, war er noch ein großer Herr am Hofe von Frankreich, fein und geschliffen, aber geziert in seinem Benehmen.

Wahrscheinlich hatte man ihm Herrn Becquen und mich als ganz besonders zu gewinnende Personen bezeichnet. Unsere Bekanntschaft knüpfte sich bei seinen Festlichkeiten und Gasts mahlern an; eines Morgens ließ er uns aber ganz besonders zu fich einladen und las uns mit vieler Emphase und affektirtem Nachdruck den Mandats, Entwurf des Abbé Sienes vor. Der Inhalt dieses merkwürdigen Entwurfs war uns schon bekannt; wir interessirten uns also nur får die Declamation, die aber eine lebhafte, nur mit Mühe bekämpfte Lachluft in uns erweckte. Wir gewannen es über uns, Herrn von Laval für seine Mittheilung zu danken und den hochherzigen Ideen des Mandates unseren Beifall zu sollen; dann aber entfernten wir uns und lachten recht herzlich über den Vorleser, der sich einbildete, uns mit Erstaunen und Dankbarkeit erfüllt zu haben.

Troß aller Bemühungen des Vicomte von Laval und aller vft ans Unschickliche gränzenden Anstrengungen seiner Umgebung, konnte er doch in der Adels, Kammer zu feinem überwiegenden Einfluß gelangen, und nicht beffer erging es ihm, als er sich bemühte, vom dritten Stande gewählt zu werden; denn die Orleanssche Partei stand überall in Chaumont in Mißkredit, und das Benehmen des Vicomte von Laval war nicht geeignet, diesen zu besiegen. Seine Feten, seine Bälle, ja selbst seine Drdenss Treuse verhalfen ihm zu nichts; kurz vor seinem Rückzuge hatte er noch diese leßte Mine springen lassen und auf einem Ball zwei Stiftsdamen creirt; der Ort war in der That seltsam genug zur Ernennung von Nonnen gewählt, und diese Nonnen selbst waren in jeder Hinsicht lächerlich.

Bis dahin konnte man die Vorsicht der Adels, Kammer nur billigen, doch legte sie später, durch die Verschmähung des Grafen von Brienne, eine auffallende Probe von Undankbarkeit an den Lag. Dieser in jeder Hinsicht achtungswerthe Edelmann theilte nicht die Ungnade, in die sein Bruder gefallen; man wußte sehr wohl, daß er nur mit ihm am Ministerium Theil genommen hatte, weil er sich nicht davon lossagen konnte; übrigens war er ganz ohne persönlichen Ehrgeiz. Seine Gunstbezeigungen spendete er mit Warme und Eifer, und die Adels Kammer bestand fast gans aus Edelleuten, die er emporgehoben, angestellt und bes fchußt hatte. Man hätte daher glauben sollen, die Adels-Kammer würde mit Freuden eine Gelegenheit ergreifen, um ihm ihre Dankbarkeit zu beweisen und ihn ihrerseits dadurch über die Art von Ungnade zu trösten, in die er beim Publikum gefallen war. Dies geschah aber keinesweges, sondern es traten vielmehr ganz offen funge Leute gegen ihn auf, die dem Grafen ihre Beför derung zu den höchsten Stellen in der Armee verdankten, und als ich ihnen ganz unumwunden meine Mißbilligung über ihr Betragen aussprach, erwiederten sie kalt:,,Der Graf von Brienne ist ein ganz vortrefflicher Mann, aber es ist mit ihm vorbei; er follte gans ruhig daheim bleiben." Auch wurde nicht er, sondern ber Kavalleries Oberst Graf von Choiseuls Daillecourt gewählt, gewiß in jeder Hinsicht ein sehr ehrenwerther Mann, dem man aber Talente sutraute, die er in der Nationals Versammlung feinesweges seigte; sein Kollege war Herr Clermont d'Eeclaibes, ein bis dahin ganz unbekannter Edelmann, der sich auch später in der Versammlung durch nichts auszeichnete.

ter Geist. Die Wähler irrten meistentheils zwecklos in den Straßen umber oder füllten die Schenken und erwarteten, was man von ihnen verlangen würde; man berief sie zusammen, um das Bureau zu bilden oder vielmehr, um Secretaire zu ernennen, denn der Stellvertreter des Ober-Amtmanns war ihr bestimmter Präsident. Becquen und ich begingen darin den ersten Fehler, daß wir diese Ernennung nicht beachteten, die uns damals ges wiß nicht entgangen wäre; überhaupt ist es von Nugen, wenn sich noch keine Parteien gebildet haben, die Wähler durch diese erste Ernennung mit seinem Namen vertraut zu machen; auch find die Secretaire beständig der Versammlung vor Augen und bewerben sich stillschweigend um ihre Gunst, was keinesweges die schlechteste Weise ist. (Schluß folgt.)

Aegypten.

Aegypten und Mehmed Ali. (Schluß.)

Der Pascha sprach nur wenig; er schien mehr geneigt, zu hören, als zu reden. Auch wir spielten den Höfling, wie Herr Stephens, und rühmten die Sicherheit, welche seine Regierung den Reifenden biete, und die treffliche Polizei, die er errichtet. Er nahm unsere Komplimente freundlich und mit offenbarer Zufriedenheit auf, aber mit einer unbeweglichen Miene. Die Skandalkrämer des Tages schrieben seine ungewohnte Schweigsamkeit einer fonders baren Verfügung zu, welche die Umstände nothwendig gemacht hatten und die seine hdusliche Einrichtung aufgelöst hatte. Doch affisirte dies weder seine Höflichkeit, noch gab es seinem Gesicht einen Ausdruck der Unruhe. Nach einer mehr allgemeinen Unters haltung und nachdem er uns versichert, daß uns auf der Weiters reise durch seine Staaten jede gebührende Erleichterung und Zus vorkommenheit werden solle, entfernten wir uns.

Wir haben die vier großen Provinzen seines Reichs besucht: Aegypten, Kandien, Syrien und Palástina. Wir schließen Arabien aus, weil seine Herrschaft in diesem Lande so schwach und die Fortdauer derselben so zweifelhaft ist. Zwar hat er statt der rothen Flagge mit dem Halbmond, welche mit der Türkischen Flagge fast identisch ist, das grüne Banner von Mekka angenommen; aber er hat nur wenig Aussicht, seine Macht über das Geburtss Land des Propheten zu befestigen, wenn er auch die Fahne des Propheten aufzieht. Kandien berührten wir bloß, so daß uns keine Gelegenheit ward, mit dem Zustand des Volks oder dem Vers fahren der Regierung bekannt zu werden. In Aegypten, Syrien und Palästina waren wir glücklicher, und wir haben von den Ländern des Nachfolgers der Pharaonen mit der Ueberzeugung Abschied genommen, daß eine elendere und unterdrücktere Bevdis terung, als die seiner Macht unterworfenen Eingebornen, schwers lich auf dem Erdboden existirt. Das erste Element der Gesells schaft, das, was nach unseren Begriffen der einzige, vernünftige Zweck aller Regierung ist, das Glück der Regierten, gilt am Hofe zu Alexandrien für Nichts. Eine unbestimmte Vorstellung von Europäischer Eivilisation scheint den Vicekönig ergriffen zu haben; aber er sieht darin nur ein Mittel zur Herrschaft, nicht die Quelle und Wirkung des allgemeinen und individuellen Wohls standes. Die Ausdehnung und Befestigung dieser Herrschaft sind ihm Alles, das Gedeihen seines unglücklichen Volkes nichts.

Dieses System bringt es mit sich, daß er nach Europdischem Lobe begierig ist und seinen Namen mit der Einführung westlis cher Erfindungen zu verbinden wünscht. Eisenbahnen find projets tirt und angefangen worden, wo der Transport nicht die Kosten für die Erhaltung der Bahn decken würde. Man hat Zucker Raffi nerieen errichtet und wiederaufgegeben. Ein riesenhafter Plan, den Nil zu erheben, indem man über seine beiden Hauptarme, eine kurze Strecke unterhalb der oberen Spiße des Delia, Damme anlegt, ist günstig aufgenommen worden, und man hat schon einige Anstalten getroffen zur Herbeischaffung der Materialien, die für einen solchen Bau erforderlich sind. Man hatte sogar einmal die Absicht, die Pyramiden zu demoliren und ihr Material bei diesem Plan anzuwenden; Herr Stephens erzählt, daß ein Europäischer Ingenieur angewiesen worden, fie su untersuchen und zu bestimmen, welche demolirt werden sollten, und daß dies ser Offizier sich dahin entschied, daß es weniger losten würde, aus den Steinbrüchen die Steine zu nehmen. Wir hörten es noch auf eine andere Weise erzählen, wie diese Monumente den utilitarischen Plänen des großen Reformators entgingen. Es biek, der Französische Konsul habe sich so eifrig zu Gunsten der Pyras miden verwendet, daß der Plan aufgegeben wurde, wahrscheinlich, weil der Pascha fürchtete, eine solche Maßregel möchte auf den Ruf, den er fich in Europa zu gewinnen strebt, nachtheilig wirs ten. Ihr Schatten der Sesoftris, der Cheops und der Cephren! Wie wenig ahntet ihr, daß ihr einmal einem Barbaren des We: stens die Rettung eurer Grabmåler vor der zerstörenden Neues rung eines eurer Nachfolger verdanken werdet.

Der Pascha ift fast der einzige Grundbesißer und der erste Käufer der nüßlichen Produkte seines Landes. Wir glauben, nicht ein einziger Aegypter, einige von den bedeutendsten Personen feines Hofes ausgenommen, beißt einen Morgen Landes; und selbst die Lesteren, fagt ein neuerer Aegyptischer Reisender, bes sißen sie nur auf Lebenszeit. Derselbe Reisende, Capitain Scott, der gern die Fehler der Aegyptischen Regierung vertheidigen möchte, fagt: Das große Uebel, welches das Land nieders drückt und besonders auf den Schwung der Industrie lähmend

[ocr errors]

fich sum alleinigen Eigenthümer des Bodens au machen." Und worauf beruht diese Nothwendigkeit? Auf dem Charakter und der geistigen Bildungsstufe der Bewohner, von denen einige nicht aufgefldre genug sind, um Vertrauen zu verdienen", wäh rend diejenigen, welche die erforderlichen Kenntnisse bessen, nicht alt genug sind, um den nöthigen Einfluß beim Volle zu haben. Eine dritte Klaffe, die der Fellah's, würde, wenn sie Land hatte,,,nur so viel anbauen, als sie zu leben braucht." ,,Wer", also, sagt dieser Stifter einer neuen national stonos mischen Schule, welche beweisen will, daß der, welcher ein Land heben will, sich vor Allem das ganze Eigenthum des Volles aus eignen muß, und daß die Staaten im umgekehrten Verhältniß zum Erfolg ihrer Arbeiten industrids und unternehmend find, wer also könnte den ganzen Boden des Landes mit größerem Vortheil besigen, als Mehmed Ali?" Dieselben wohlwollenden Absichten haben ihn ohne Zweifel auch bewogen, sich zum Ges neral Pachter und alleinigen Kaufmann von Aegyten zu konstis tuiren." Und diese unerhörte Anmaßung wird mit den Worten vertheidigt: „Ich zweifle also, ob nicht Mehmed Ali's Mono pol System dem Lande so lange am vortheilhaftesten ist, bis Kenntnisse u. f. m."

Dieses Verwaltungs System bringt in Aegypten,,in den guten Niljahren“ gegen 22 Millionen Dollars ein, von einer Bes völkerung, die wenig mehr als 3 Millionen Seelen stark ist und deren Ausfuhr sich höchstens auf 8,500,000 Dollars belduft, und von einem Lande, das keine Manufakturen hat und dessen Bewoh ner auf der niedrigsten Stufe menschlichen Elends stehen. Die Folgen dieser Ordnung der Dinge zeigen sich überall an der ab fchreckenden Noth der Bevölkerung. 3m leßten Jahre war Aegypten von einer Hungersnoth bedroht, und wenn wir nicht irren, wurde aus Odessa Korn eingeführt; die Aussichten dieses Jahres erscheinen nach neueren Berichten nicht viel besser. Der große Befruchter von Aegypten, der Nil, war weder über noch unter feinem segensreichen Stand, und nur in den unterdrückenden, unverständigen Maßregeln der Regierung sind die Ursachen zu suchen, welche die Kornkammer der alten Welt in eine unfruchts bare Wüste zu verwandeln drohen.

Von gefeßlichem Schuß, wie wir dies Wort verstehen, ist in Aegypten durchaus nichts zu finden. Keines Menschen Person oder Eigenthum ist auf einen Tag ficher, wie überhaupt im gans aen Türkischen Reich die Theorie feiner Regierung und bis vor Pursem noch feine praktische Verwaltung es mit sich brachten, daß das Leben und Eigenthum der Christen so unsicher war, als es bei ungestrafter Raubsucht von der einen und ungeschüßter Schwäche von der anderen Seite nur seyn konnte. Der siegreiche Muhammed und seine Nachfolger nach dem Fall von Konstantis nopel stellten früh den Grundsaß auf, daß das Leben aller bes fiegten Einwohner verwirkt sen, und daraus zogen sie mit logis scher Konfequens und barbarischer Grausamkeit den Schluß, daß, da das Größere des Kleinere in fich schließe, alle Dinge der Regierung gehörten, daß aber die christlichen Rajah's ihr Leben und Vermögen von einem Jahr aufs andere um einen bestimms ten Preis auslösen könnten. Dies war aber immer nur eine semporaire Verfügung, welche der Regierung die Freiheit ließ, über ihre neu erworbenen Unterthanen nach Belieben zu schalten. Und diese Grundsäße sind getreulich in Anwendung gebracht worden.

In Nikosia, der Hauptstadt von Cyprus, wurden wir gasts freundlich aufgenommen in einem Griechischen Kloster, der Resis dens des Erzbischofs, eines ehrwürdigen Mannes, der in der Insel fehr geachtet ist. Wir plauderten viel mit ihm und unter Andes rem auch über die Ausführung der Türkischen Geseze und die Lage der Türkischen Bevölkeruug. Er erzählte uns, daß die Auss fage eines Christen gegen einen Türken nicht angenommen werde, und daß ihre Sicherheit ganz von dem persönlichen Charakter des Befehlhabers abhänge. Die hohen Gerichts. Beamten der Türken, die Kadis, werden in Konstantinopel aus den Ulemahs, dem Corps der Rechtsgelehrten, gewählt und in alle Theile des Reichs gesandt. Ihre Aussprüche lassen in Fällen, wo Christen betheiligt sind, keine Appellation zu, und als wollte man sie durchaus zu ungerechten Aussprüchen anspornen, sind ihuen zehn Prosent für ihre Urtheile bewilligt. Wir fragten den Erabischof, ob für die Griechen keine Hülfe wäre, wenn der Kadi ein offens bar ungerechtes Urtheil fällte, für welches kein Vorwand da sey? Er antwortete:,,Keine."

Selbst in Konstantinopel tann man leicht die Mangel_ents decken, die dem Türkischen System ankleben, obwohl dasselbe hier durch den Einfluß, den die Ansichten der Christenheit gegens martig auf die muselmannischen Institutionen ausüben, und viels leicht auch durch den persönlichen Charakter des Sultans kons trollirt wird.

Der Kaiserliche Todtschläger" ist einer von den Titeln des Großherrn, und in früheren Seiten war es fein bloßer Titel. Doch allmálig wurde der Königliche Schlächter auf 40 Opfer taglich beschränkt. Eben so hat der Kapudan Pascha das Recht, die Personen seines Gefolges, und vielleicht auch die Seeleute feiner Flotte, tödten au laffen. Wir hörten in Konstantinopel, daß dieser Beamte türlich einen Lieblingsschmuck von Diamant ten verloren batte, den ihm der Sultan geschenkt, und daß er in einem Augenblick, wo er seinen Herrn zu besuchen wünschte und das Geschenk nicht finden konnte, in einem Wuthanfall einen von seinen Dienern in den Bosporus warf und dem anderen eine Kugel ins Gehirn schoß. Als einen Beweis, daß, wo nicht die Civilisation, doch die Menschlichkeit Fortschritte macht, fügen

wir hinzu, daß man prophezeite, der Wütherich würde bald sein Ame verlieren, wie er auch schon die Gunst seines Herrn vers loren haue, der sich über diese Barbarei sehr emport zeigte. Ob die Prophezeiung in Erfüllung ging, wiffen wir nicht.

Auch das Benehmen der Aegyptischen Regierung bei der Grabung des Mahmudich-Kanals zeigt uns, wie wenig hier menschliches Leben und menschliche Rechte geachtet werden. Dies fer Kanal ist zwar eines der nüglichsten Denkmäler der Regies rung Mehmed Ali's, aber auch ein Denkmal der Willkür und · Unterdrückung. Statt daß man eine gerechte und systematische Anordnung traf zur Beschäftigung und Ernährung der nothwens digen Arbeiter, wurden die elenden Fellahs buchstäblich aus ihren Dörfern zusammengetrieben und gezwungen, an diesem Kanal au arbeiten. Man hat berechnet, daß nicht weniger als dreihun dert Tausend auf diese Weise ergriffen wurden, von welchen wenigstens 25,000 durch Hunger und Strapazen umkamen. Ein glaubwürdiger Augenzeuge erzählte uns, daß diese elenden Ges schöpfe keine Werkzeuge zu ihrer Arbeit bekommen, sondern daß die Erde von ihren Handen aufgegraben und in den elenden Lumpen, die faum ihre Nacktheit bedeckten, fortgeschafft wurde. Zum Glück für sie sowohl, als für den Erfolg des Werks, ist der Boden angeschwemmt und ohne einen Stein auf der ganzen Straße. Das Land ist fast eine todte Ebene, und auf dem Kas nal ist kein einziges Schleusenbrett. Es ist eine Schleuse an jedem Ende, um den Eins und Ausfluß des Waffers zu reguliren, aber für die Passage der Boote ist keine Anstalt. Das Ganze ist eigentlich nichts als ein großer Graben, ohne Kunst im Plan oder in der Ausführung. Auch ist er so trumm, daß die Ents fernung gewiß um ein Drittel größer ist, obwohl Nichts diese Abweichung von der geraden Linie nothwendig gemacht hat und fie offenbar nur daher rührt, daß der Zufall den Arbeitern ihre Posten angewiesen hat.

Doch um dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist, wollen wir auch Mehmed Ali Gerechtigkeit widerfahren lassen. Seine Regierung hat überall die Lage der Europder verbessert. Sie sind in der That die privilegirte Kaste des Landes, und ein Hut ist in allen seinen Provinzen ein besserer Schuß als ein Turban. Der muhammedanische Fanatismus ist vor dem Schrecken, den fein Name einflößt, surückgewichen, und seit der Zeit einiger alteren und berühmteren Sultane hat gewiß fein orientalischer Herrscher so großen persönlichen Einfluß ausgeübt, als dieser tas lentvolle energische Mann. Die Polizei ist trefflich und das Reis fen vollkommen sicher. Zum unglück befißen die Regierung und ihre Agenten eine unumschränkte Gewalt, die sie auch zu Gunsten der Europder mißbrauchen. Und seitdem wir selbst in Bulah, dem Hafen von Kahira, sahen, wie Polizei Beamte für die Bôte, die man uns bestimmt hatte, Mannschaft preßten, indem fie mit einem Strick unter die Menge stürzten und Alle, die der Strick gefaßt hatte, ohne die geringste Rücksicht auf ihren Sold oder Unterhalt, an Bord trieben, hatten wir für die blinden Lobhudler des Vice-Königs alle Geduld verloren.

Welche Folgen Mehmed Ali's Tod für das Reich, das er errichtet hat, haben wird, ist eine der interessantesten politischen Fragen des Tages. Seine wiederholten Bemühungen, von der Pforte einen Ferman zu erlangen, der Ibrahim Pascha zu seinem Nachfolger ernennt, waren fruchtlos, und die Absicht, die er hatte, feine nominelle Abhängigkeit von dem Sultan abzuwers fen, ist durch die Gegenvorstellungen der politischen Agenten Franks reichs und Englands vereitelt worden. Sein ganzes Streben ist jest darauf gerichtet, seinem Sohn die friedliche Nachfolge zu fichern.

Die verschiedenen Länder, die unter Mehmed Ali stehen, has ben unter sich kein natürliches Band. Nur seine Macht und Kraft hat sie vereinigt und hält sie zusammen. Sein Thron stüßt fich weder auf eine lange erbliche Succession, noch auf jene Verehrung, welche das Religions Oberhaupt bei den Muhammes danern genießt. In diesen wichtigen Stücken hat sein nomineller Herr, der aber in der That sein Nebenbuhler ist, der Sultan, unendliche Vortheile vor ihm voraus, welchen, so lange Mehs med Ali lebt, der persönliche Einfluß desselben und die Fortdauer feiner Politik wahrscheinlich das Gleichgewicht halten werden. Aber im ganzen Türkischen Reich wird keine politische Erblichs feit anerkannt, außer in der Familie Othman's. Ibrahim Pascha würde auf etwas Unerhörtes Ansprüche machen und alte Vorure theile umstoßen, wenn er versuchte, feinem Vater als der Erbe feiner Macht zu folgen. Viele von den Türkischen Pascha's was ren Rebellen und behaupteten ihre Provinzen, tros jeder offenen oder heimlichen Anstrengung von Seiten der Obers Regierung, fie zu unterwerfen oder aus dem Wege zu schaffen. Die Türs fische Geschichte ist reich an solchen Kampfen. Aber der Tod des glücklichen Pascha's hat fast jedes Mal seinem politischen Gebäude den Garaus gemacht und seinen Roßschweif aus den Händen seis ner Familie in die eines Fremden gebracht.

Sind Ibrahim's persönliche Eigenschaften von der Art, daß er mit Erfolg diesem Heimfall widerstehen kann? Wir zweifeln; fein Aeußeres ist nicht geeignet, einen günstigen Eindruck hervors zubringen. Als wir ihn besuchten, merkten wir ihm deutlich die Spuren eines ausschweifenden Lebens an. Es ist bekannt, daß er das Gebot des Propheten wenig beachtet und sich oft berauscht. In Morea und Syrien hat er allerdings militairisches Talent bewiesen, obwohl er es besonders in dem erfgenannten Lande durch die furchtbarsten Grausamkeiten besudelte. Aber als Staats mann hat er sich nicht sehr fähig gezeigt, und sein Vater hielt es nicht für gut, ihm die Verwaltung in einer seiner großen

Provinzen anzuvertrauen. Er hält sich viel in Syrien auf, aber der Generals Gouverneur dieser Proving ist Scheriff Pafcha in Damaskas. Doch wir haben weder die Zeit, feinen Charakter zu untersuchen, noch die Anmaßung, sein Schicksal vorherzusagen.

Eines ist gewiß, nämlich daß die Begebenheiten, die mit Mehmed Ali's Namen in Verbindung stehen, bei dem Sultan Mahmud den tiefsten Eindruck zurückgelaffen haben. Der Mann und der Herrscher ist gleich sehr verlegt worden. Die Familie des Vice Königs hat von seiner Schonung nichts zu hoffen. Wir erfahren in Damaskus durch einen politischen Agenten einer Europdijchen Macht, daß ein Persischer Imaum auf seiner Pilgers fahrt nach Mekka kürzlich durch Damaskus gekommen. Er war ein heiliger Mann und genoß große Verehrung. Er war oft der Gast des Agenten, und ihre Bekanntschaft wurde sehr intim. Seine heilige Würde hatte ihm oft Zutritt zu der Person und dem Vertrauen des Sultans verschafft. Unter Anderem erzählte er, der Sultan habe Mehmed Ali's Namen mit großer Erbittes rung genannt und die Hoffnung ausgesprochen, daß die Vors sehung ihn (den Sultan) so lange würde leben lassen, bis er sich geracht habe.

England.

Die Englische Literatur der Gegenwart.

(Schluß.)

Sheridan, Burke die Rednerbühne bestiegen. Die beiden eingi gen großen Redner der Gegenwart find die Vertreter der ents gegengeseßtesten Ansichten: Robert Peel, ein besonnener Staate mann, welcher einen Theil der Beredsamkeit Pit's geerbt hat, und O'Connell, dem Anschein nach, der Führer der radikalen Pars tei, während er doch nur der Vertreter des katholischen Irlands ist. In dieser Aufgabe liegt die ganze Stärke O'Connell's; immer erkämpft er Vortheile für sein Vaterland, indem er die Englische Partei, für deren Anführer er gift, aufopfert. Unters ftüßt von seinem Jrischen Anhange und von seinem Landsmanne, dem Dichter Shiel, nimmt er im Parlament eine vermittelnde Stellung ein; ie nach den Umständen fliegt er mit seiner bewegs lichen Partei bald hierhin, bald dorthin und entscheidet durch diese Schwenkungen die wichtigsten Fragen.

Eine literarische und geistige Macht, welche die neue Rich tung Großbritaniens noch nicht erschüttert hat, ist die periodische Presse. Ein großer Theil selbst der Vierteljahrsschriften dient Parteizwecken. Die Quarterly Review und die Edinburgh Review find Vorkampfer der Tories und Whigs; in dem ersteren vers fechten Crofton Croker, ein scharfer und ironischer Geist, der alie Southen, Lockhart die Ansichten ihrer Partei, in diesem Macaulay, ein ausgezeichneter Schriftsteller, der zur philosophischen Ges schichtschreibung berufen ist. Das Panier der konservativen Pars tet hat,,Blackword's Magazine", welches Wilson leitet, und in welchem sich der alte Schottische Geist in seiner ganzen Schärfe und Rauhheit abspiegelt, aufgepflanzt; eben so,,Fraser's Magazine", du dem Carlyle, der selbst in seinen Thorheiten und Absprüngen geistreich ist, vortreffliche Beiträge beigesteuert hat; auch Mar ginn, Gleig, Egerton, Lockhart, Hogg, Ainsworth follen Mitar beiter an Fraser's Magazine fenn. Der,,Metropolitan" und das ,,New-Monthly Magazine" repräsentiren zwei Abstufungen der Whigistischen Partei.,,Tait's Magazine" ist das Organ der Nas dikalen und die Dublin Quarterly Review das der Grischen Kathos lifen, während die Protestanten dieses Landes ihre Interessen in der Dublin University Review vertheidigen. Die Westminster Review, eine Verfechterin der Utilitats: Theorieen, hat den Sprung aus dem idealen in's praktische Leben gewagt und den Namen

IV. Geschichtschreibung, Philosophie und Politik. Seit den Arbeiten von Hallam, Mackintosh, Lingard und Southey hat nur ein Schriftsteller ein gründliches Vers ständniß der Geschichte bewiesen; das ist Carlyle, der Biograph Schiller's. Er gehört zu den Denkern oder gar zu den Mystikern, die in den Annalen der Geschichte nur eine Reihe von metaphy fischen Problemen sehen. Man kann übrigens nicht verkennen, daß der gleichzeitige Verfall der Poesie, des Drama's und der Geschichte aus ähnlichen Gründen abzuleiten ist. Man zicht die Einzelheit dem Gesammt Eindrucke vor und die interessante Analyse eines Fragments einer fruchtbaren Synthese. Diese Richtung,,London and Westminster Review" angenommen. Betrachtet schreibt sich von Locke her und hängt mit dem ganzen Entwicke lungsgange unserer Bildung zusammen. Im Gebiet des Romans hat sie mehrere angenehme und belehrende Monographieen hervors gebracht: die Ayrshire Legatees, den Subaltern, Pickwick u. f. r. Da aber in der Geschichte dieser Detail: Malerei die Phantasie nicht zu Hülfe kömmt, so ergiebt sich ein fümmerliches und dürf tiges Resultat. Tritt nun noch die Eigenliebe und Anmaßung hinzu, so wuchern die Selbstbiographieën in üppiger Fülle hers vor. Die Fragmente aus den Papieren von Coleridge, das Leben Walter Scott's von Lockhart, das Crabbe's von seinem Sohne, das Comper's von Southen verdienen jedoch eine auszeichnende Erwähnung.

Coleridge hat auf die vorangegangene Epoche einen sehr bedeutenden Einfluß geübt. Seine philofophifchen Orakelsprüche ertheilte er wie die Priesterin der Vorzeit in abgerissenen Säßen und glänzenden Improvisationen. Mackintosh, Wordsworth und Coleridge waren nebst Dugald Stewart und Reid die Glanz punkte der Britischen Philosophie, aber Nachfolger haben sie nicht gehabt. Carlyle, welcher die Ideal Philosophie Fichte's nach England zu verpflanzen bemüht ist, verdient, nach ihnen erwähnt zu werden. Ein berühmter Advokat und politischer Redner, Lord Brougham, har manche Berührungspunkte mit der Philosophie wie mit der Literatur überhaupt und weiß, in welcher Form er auch auftritt, durch sein Talent, seine Ausdauer und seine Leidens schaftlichkeit Achtung und Furcht zu erregen. Niemand versteht einen befferen Gebrauch von seiner Zeit und seinen geistigen Fähigkeiten zu machen. Aus seinen Werken kann man ihn indes nicht ganz erkennen; der praktische Mensch bringt den Umständen, der Nothwendigkeit, den Anforderungen der Gegenwart immer große Opfer. In Brougham's Leben nehmen die politischen und gerichtlichen Kampfe einen so großen Raum ein, daß die Nach welt ihn nur unvollständig wird beurtheilen können. Er ist zum Kampfe geboren, und aus seinen Reden, seinen philofophischen Versuchen, seinen Journal-Artikeln, feinen Pamphlets bricht die athlenjche Kraft eines raftlosen Geistes hervor. Sein Stil hat Muskelkraft, seine Dialektik Feuer, sein Angriff kennt kein Ers barmen. Da er, wie Sir Robert Peel, einer früheren Epoche angehört, so fallen seine schönsten Triumphe in die Zeit von 1810 bis 1830. Fügt man zu diesen Namen noch den O'Connell's hinzu, so hat man alle parlamentarische Berühmtheiten Englands beijammen.

Seit der Parlaments -Reform ist die Gewalt und der Glanz der parlamentarischen Beredsamkeit gefunken. Ein großer Theil der neu eintretenden Mitglieder war mit den parlamentarischen Gebrauchen onbekannt und konnte sich nicht an dieses Gemisch von Ueberlegung und plöglichen Antworten, in denen der Reis, die Gewalt, die dramatische Kraft der politischen Debatte gesucht werden muß, finden. Die großen Erschütterungen begünstigen die Beredsamkeit. Die Unterhandlungen, Zugeständnisse, Uebers gänge schwachen die Energie und Einfachheit der Rede. Das neue Parlament hat nicht die Glanspunkte des Unterhauses zur Zeit Napoleon's, der Französischen Republik, des Krieges gegen die Vereinigten Staaten erreicht, als Canning, Burdett, For,

man die Englische periodische Presse in ihrer Totalität, so findet man, daß eine außerordentliche Masse von Talent sich in dersels ben zersplittert, und daß die ausgezeichneten Artikel in dem Grade feltener werden, als die Zahl der erträglichen oder interessanten anwächst.

Dies ist der Eindruck, den ein Ueberblick der Englischen Lites ratur der Gegenwart macht. In einer Zeit des Uebergangs-und der Gährung hat sie sich dennoch eine große Lebenskraft bewahrt. Vergleicht man sie mit der vorangegangenen Epoche, welche über England so reiche Schäße der Poesie ausgeschüttet hat, so kann man sie derselben nur nachstellen. Fragt man nach ihren Fehi lern, fo muß man ihr den Mißbrauch der Analyse, übermaßige Detailmalerei und Nachahmungssucht vorwerfen. Einen Byron oder Scott, einen Beherrscher der geistigen Welt, einen Gedans Penfürsten findet man nicht, aber eine Menge Talente zweitent Ranges. England hat keinen Dichter, keinen Geschichtschreiber, der das Höchste in seiner Kunst erreicht hätte; aber in ihrer Gesammtheit aufgefaßt, ist die Englische Literatur praktischer als die Deutsche, gedrungener, strenger und mannigfaltiger als die Französische. Ein ausgedehnter Handel kommt ihr zu Hülfe; in ihr vereinigen sich die verschiedensten Gegenfäge; ste sammelt die werthvollsten Thatsachen, und troß ihrer verhältnißmaßigen Erniedrigung, achter fie die Errungenschaften der Vergangenheit am meisten und ist am besten für die Zukunft gerüstet. Philarete Chasles.

Mannigfaltiges.

Türkische Akademieen. Der Sultan geht in der Europdifirung seines Landes immer weiter und, was das Beste ist, er will es nicht bloß bei der Nachahmung von Aeußerlichs feiten bewenden lassen. Nachdem er erkannt hat, daß vor Allem ein besserer Unterricht erforderlich sey, um die heranwachsende Generation zu seinen Zwecken zu erziehen, hat der Großherr die Errichtung von sieben Schulen angeordnet, denen der stolze Name Akademieen beigelegt ist und wo unter anderen Wissenschaften besonders auch Mathematik, Physik und Chemie gelehrt werden follen. Konstantinopel, Adrianopel, Salonichi, Brüssa, Smyrna, Bagdad und Trebifonde sind die sieben Städte, welche vorläufig die Begünstigung solcher Unterrichts, Anstalten erhalten sollen. Die Lehrvortrage sollen zum Theil in Französischer und zum Theil in Türkischer Sprache gehalten werden; Ersteres haupts sächlich der Lehrer halber, die man aus Frankreich und Deutsch land will kommen lassen und von denen natürlich nicht erwartet werden kann, daß sie sich so bald auch in Türkischer Sprache verständlich machen können. Die Pariser Akademie ist bereits aufgefordert worden, einige junge Männer ais Profefforen der neuen Hochschulen zu empfehlen. Auf den Akademieen von Kons stantinopel, Smyrna und Salonichi sollen Grammatik, Geogra phie und Geschichte ganz nach Europdischer Art in Französischer Sprache gelehrt werden. Den Professoren wird ein ziemlich anfchnliches fires Gehalt und eine Pension bei ihrer Enilassung, zugesichert.

[blocks in formation]

Expedition (Friedrichs-Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslande bei den Wobusbl. Post - Aemtern.

Literatur des Auslandes.

Rußland. Drianda. *)

Berlin, Mittwoch den 1. Mai

Orianda, diese Benennung führt eine Gegend vom Taurischen Chersonnesos: dicht am Ufer des Schwarzen Meeres, mitteninne gelegen in jenem Alpengebirg (Jaila), das, aus der Mitte der Halbinsel allmálig aufsteigend, nahe an ihrer südwestlichen Küste, zwischen Kaffa und Baltichisarai ausgebreitet, seinen Kamm emporhebt und hier schnell in stetteren Abhängen sich in das Meer fenkt. In dem milden Breitengrade und Kuma von Genua gelegen, bietet sich hier eine Landstrecke voll Anmuth und Fruchts barkeit dar. Wir erblicken darin schöne lebendig bewegte Ges birgsformationen von der Höhe des Riesengebirges, Felsen von Sandstein und Marmor, dichte Waldungen von Buchen und Eichen, von Ulmen, Kastanien, und Wallnußbäumen, Pinien und Cypressen, Abhänge und Thäler bedeckt mit Korn und Reben, voll Delpflanzungen und Gärten mit jeglichem Obst, auch Feigen, Mandeln und Granaten, grünende Wiesen von Heerden beweidet, überall aber in den Tiefen und von den Höhen herab glänzende rauschende Bäche und durch das ganze Gebirge zahlreiche und fleißige Bewohner in heiteren Dörfern. In diesem Landstriche liegi Orianda. Hier springt das Gebirge in größeren Stufen, in kleineren Brüchen und Hügeln zum Meer hinab, quer durch schnitten von Thälern und Erdrissen und schäumenden Bächen. Ringsumber hochstämmige kühle Waldung, einzelne freie Hochs ebenen mitteninne, ein großer Weinberg, vom Kaiser Alerander gepflanzt, und auf dem Felsenriff daneben, im Angesichte des Meeres, ein Landhaus dieses edeln Fürsten. Er schon liebte die Gegend.

Dies ist die Stelle, die Ihre Majestät die Kaiserin Alexandra Feodorowna auserwählt hat, einen Palast aufzunehmen von lands lichem Charakter, der geeignet wäre, der Kaiserlichen Familie zum Sommer Aufenthalt zu dienen. Herr Obers Landess Baus Direktor Schinkel in Berlin, mit dem Entwurf des Planes bes auftragt, hat diesen gegenwärtig vollendet und der Ansicht eines Eleineren Kreises von Kunstfreunden geöffnet. Indem wir uns bemühten, die Beschreibung einer Arbeit zu geben, welche den edelsten Erfindungen des trefflichen Meisters beizuzahlen ist, hoffen wir hierdurch, allen jenen Freunden der Kunst und Poesie, die selber des schönen Werkes nicht ansichtig wurden, einen Genuß zu bereiten.

Jenes Felsenriff, das den Bauplas abgiebt, liegt mit der Ebene, die seinen Scheitel bildet, etwa 1300 Fuß über dem Spiegel des Meeres und nur 2000 Fuß von seinem Ufer entfernt. An drei Seiten sind steile, unzugängliche Abhänge. Ueber die ganze mäßig große Kuppe des Felsens dehnt der neue Palast sich aus. Er erhebt sich in der mäßigen Höhe von zwei Geschoffen. Born, wo die Hochebene dem übrigen Gebirge sich anschließt und weiter rechts die große Landstraße vorbeizieht, sind drei quadrate Massen, getrennt, doch nahe bei einander, als Eingangsfronte. Dann dicht dahinter der länglich viereckige Hauptkörper des Ges baudes, start überwiegend im Plan und gegen das Meer hin ausgestreckt. Vier Massen bilden das Ganze, ruhig zusammens schmelzend für den Anblick: nur in der Mitte des Hauptgebäudes überragt von einem Tempel, einem sechssduligen Peripteros, der von zarteren südlichen Pflanzen umblüht ist. Der ganze Palast aber wird getragen von einem Unterbau, der die Unebenheiten des Felsengipfels ausgleicht und, gesichert durch eine zierliche Brüstung an seinem oberen Rande, eine gewisse Vertraulichkeit zuläßt mit dem schön belebten Abgrund rings umher und der frischen Luft hier oben. Das tiefblaue Meer, wie schwingt es fich so prächtig hoch empor, wie schmilzt es in gedämpften Lönen in unendlicher Ferne so sanft zusammen mit dem Himmel, von diefem hohen Orte aus angesehen, der das Gebäude trägt. Und der Palast, wie hebt ihn der Fels so leicht und frei in den stillen Aether hinauf, ist's doch, als war er von Anbeginn für diesen Zweck nur geschaffen! Nur sparsam sind die ruhigen Massen des Gebäudes durchbrochen. Vorn am Eingang erblicken wir einen

*) Wenn wir hier ausnahmsweise der detaillirten Beschreibung eines architektonischen Kunstwerkes Raum gönnen, jo bedürfen wir wohl bei der Großartigkeit des Gegenstandes kaum einer Rechtfertigung bei unseren Lesern. Micht bloß Kunstfreunde und Techniker dürften die Einzelnheiten eines fo majestätischen Planes mit Interese kennen lernen. D. R.

1839.

Portilus, andere kleinere hier und dort als Erker, anmuthige flache Dächer überall bligend von der goldigen Bedeckung, In einiger Entfernung vor dem Palast sind zwei Thürme und längere Flügel: wirthschaftliche Nebengebäude, Stallungen, durch einen Cirkus dem Palast organisch verknüpft. Rückwärts dieser Vors. gebäude erhebt sich weiter das bewaldete Gebirge.

Doch wir beschauen näher, treten in das Innere der mittleren jener drei Massen, welche die Eingangs Fronte bilden: durch eine tiefe sechsfäulige Halle, leichten Dorischen Styles, die weit hervorspringt. Und hier im Innern ist ein Atrium wie in den Häusern der Alten, jenes reizende Mittelding zwischen Hof und Saal, so ganz hervorgeschoffen aus der Natur eines südlichen Klima. Das Ganze hat eine quadratische Form von 80 Fuß Ausdehnung; ein bedeckter Gang von 18 Fuß Breite läuft rings umher, vorn durch schlanke granitene Säulen begränzt, durch vier an jeder Seite, und dazwischen der kleine offene Hof (Impluvium), welcher die Mitte ausmacht, Luft und Sonne bringt und gemilderte Beleuchtung in den Portiken ringsum. Eine Felderdecke schmückt diese Ümgänge und ein breiter gemalter Fries, ein festlicher Zug dicht darunter und rings umber, woran sich ein Getafel von grünem Marmor in der Höhe der Thüren reiht. Die Thüren gehen in die umliegenden Gemächer für Wachen und Diener; größere Durchgänge aber rechts und links stehen mit kurzen Gängen in Verbindung, welche die Nebenges bäude mit dieser Mittelmasse und feinem Atrium in Zusammen. hang bringen. Auch in jedem dieser Nebenhäuser ist ein Atrium, dem ersten dhnlich, nur kleineren Maßstabes (4-5 Fuß in der Breite). Das eine dieser Häuser ist für die Hofdamen, das ans dere für die Kammerherren bestimmt. Sämmtliche drei Vorges baude haben zwei Geschosse. Doch jene Wand des großen mitt leren Atriums, die dem Haupteingang gegenüber liegt, ist freier geöffnet durch fünf Zwischenweiten von Saulen, wie man gleich fühlt, zum Eingang in die Hauptmasse des Gebdades; dahinter eine zweite Sdulenstellung, dann ein schmaler Zwischenhof, der in diesen Durchgang helles Licht von oben einfallen läßt, dann wiederum zwei Ketten von Säulen hinter einander - doch enger gestellt als die ersten, daß hier auf dieselbe Breite fieben Zwischenweiten sich öffnen und eine andere Auffassung auch in der Form sich darstellt. Man fühlt sogleich, daß hier der Chas rakter der Anlage fich andere durch eine glänzendere, bedeutungs vollere Auffassung. Und siehe da, ein großer länglich viereckiger Hof, der nach der Tiefe der Anlage sich erstreckt: glänzende Portiken, die ihn umgeben; ein blühender Garten; spiegelnde Wasserbecken, rauschende Fontainen; in der Mitte des Plases ein Unterbau phantastischer Anordnung, so hoch wie die umges benden Gebäude: Pfeiler, frei emporgetragene Treppen, spielens des Pflanzenleben um seine Zinne und mitten daraus empor jener schöne Tempel, der schon früher als Krone des ganzen Palastes wahrgenommen wurde. Ueberall, wohin wir blicken, gewahren wir größere Sorgfalt, edleren Styl in Anordnung und Material, mannigfaltige feingefühlte Form, einen Aufwand von Erfindung, mufivisch gefügtes Gemduer, überall Marmor, vers goldetes Ers, Verzierung auf Wänden, Säulen und Fußböden, unvergänglich aus glänzenden bunten Steinen gefugt. Dies ist jene feltenere Pracht, die den Fürsten gebührt, echter poetischer Duft, Casarische Würde. Hier umher ist die Wohnung des Kaisers und der Kaiserin. (Schluß folgt.)

Frankr e ich.

Eine Wahl im Jahre 1789.
(Schluß.)

Als man die Secretaire ernannt hatte, theilte sich die Vers sammlung in verschiedene Kommissionen, um die Mandate der Gemeinden durchzusehen und einen Mandats, Entwurf aufzus seßen, welcher nachher der Versammlung vorgelegt werden follte. Herr Becquen und ich wurden von unseren respektiven Kommissionen gerade insbesondere zu dieser Arbeit ausersehen, und wir gaben uns derselben mit Eifer hin. Doch stieß uns unter der ganzen Masse dieser Mandate durchaus nichts Werks würdiges auf; zweifelsohne würde es von großem Interese gewesen seyn, darin die ungefünftelte Darstellung aller Bedürf nisse und Leiden des dritten Standes von einem Ende Frankreichs

[ocr errors]

bis zum anderen zu lesen; dies hätte die besten Elemente für die Geschichte dieser Zeit abgegeben; aber alle diese Mandate waren nach einem gedruckten Schema abgefaßt, welches damals übers all zirkulirte und nur mit wenigen Zufäßen von dem praktizirens den Advokaten jedes Ortes versehen wurde. So hatte man uns ter Anderem in allen Gemeinden, die unter der Herrschaft des Herzogs von Orleans standen, ganz getreu das vom Abbé Sienes aufgefeste Mandat abgeschrieben; das aber, was man an einzels nen Orten noch hinzugefügt hatte, stach seltsam gegen das Uebrige ab; denn nachdem man die strenge Scheidung der gefeßgebenden, vollziehenden und richterlichen Macht, Preßfreiheit, Geschworenen gerichte und Aufhebung der Leibeigenschaft verlangt hatte, bestans den die Bauern noch darauf, daß ihre Hofhunde vom Knüttel bes freit würden, den diese auf Befehl der Grundherren am Halse tras gen mußten, damit sie dadurch an der Verfolgung der Hafen gehins dert würden, obgleich Hunde folcher Gattung gar nicht zur Jagd geneigt sind und sich selten von ihrer Behausung entfernen; man orang so cifrig auf die Befreiung vom Knuttel, daß troß meiner Gegenvorstellungen diese Forderung in das Mandat des Justiz amies aufgenommen wurde. In einigen anderen verlangte man noch, nachdem man auf alle dem Gehirn des Abbé Sieyes ents sprungene Freiheiten angetragen hatte, daß es den Einwohnern erlaubt seyn solle, Flinten in ihren Häusern zu halten, um sich gegen die Wolfe vertheidigen zu können. Nur eines der Mandate schien mir ein besonderes Augenmerk zu verdienen; es war das einer Gemeinde in der Nähe von Chateauvillain; der Verfertiger deffelben hatte eine Masse mehr oder weniger übertriebener Wünsche aufgezeichnet und schloß mit folgender unverschämten Formel:,,Wir ertheilen unseren Deputirten die Vollmacht, vom König, unserem Herrn, die Gewährung vorstehender Bitten zu verlangen; willigt er ein, so sagen wir ihm dafür unseren Dank, verweigert er es aber, so wollen wir ihn entlonigen (de roiter). Das leste Wort war unterstrichen. Ich verfügte mich mit diesem Mandate zum Königlichen Prokurator, dem ich vors schlug, die Kammer darauf aufmerksam zu machen, damit es erstlich aus der Anzahl derjenigen, mit welchen man sich beschäfs tigen wollte, gestrichen würde, und damit man sodann auf ges richtlichem Wege Maßregeln zur Bestrafung der Verfasser deffels ben anordne. Der Königliche Prokurator schien sehr entrüßtet über diese Entdeckung und versprach mir, die Sache mit Strenge zu betreiben; doch fürchtete er, sich durch Erfüllung seiner Pflicht unpopular zu machen, und so blieb die Beleidigung der Königs lichen Majestät ungeahndet. Das Wort kam unter die Leute, wurde oft wiederholt und zuleßt sogar sehr spaßhaft gefunden. Der Verfasser hatte wahrscheinlich nur einen schlechten Wiß machen wollen und nicht geahnt, daß er eine Prophezeiung aussprach!

Während ich mich mit der Durchsicht der Mandatshefte be fchäftigte, schmiedete man gegen mich eine ziemlich arge Intri gue. Die Stadt Chaumont, ein ehemaliges Jagdschloß der Gras fen von Champagne, liegt auf einem ringsum von unfruchtbarem Lande umgebenen Felsen. Um diese unglückliche Lage durch etwas auszugleichen, hatte man hierher ein Landgericht verlegt, dessen Wirksamkeit sich weit hin åber Bar-sur- Aube und Joinville ers fireckie. Chaumont lebte nur von seiner Gerichtsbarkeit, denn nichts als ein Prozeß konnte irgend Jemand bewegen, sich nach diesem Felsenneste zu begeben,_und_man_trieb auch dort nur Handel mit Stempels Papier. Die ganze Stadt_wimmelte von Räthen, Advokaten, Prokuratoren, Haschern, Gerichtsdienern und Schenkwirthen. Barssur-Aube, in jeder Hinsicht besser als Chaus mont gelegen, versuchte schon seit längerer Zeit, sich dem Joche seiner Gerichtsbarkeit zu entziehen, und dies war ihm auch ends. lich unter dem günstigen Einflusse der Edikte vom Mai des Jahs res 1788 gelungen; Joinville, welches nach demselben Ziele ftrebte, würde sich auch eines ähnlichen Erfolges erfreut haben, wenn man nicht die Edikte plößlich zurückgenommen hatte. Es lag also im Intereffe Chaumonts, feine Deputirten aus Bar für Aube und aus Joinville in die Generalstaaten zu schicken, und überhaupt nicht solche, die für die Untergrabung seiner Eristenz thätig gewesen waren. Diese Vorsicht von seiner Seite war ganz billig, und wir, Herr Becquey und ich, hätten nur die Wähler von Bar und Joinville um fo fester mit einander vers binden und denen von Chaumont in geschlossener Reihe kühn entgegentreten sollen; die stärkste Partei würde den Sieg davons

getragen haben, wir vernachlässigten aber allereitungen

jum Kampfe. Der vornehmere Theil der

blieb uns

zwar treu, doch fiel täglich eine Anzahl aus der größeren Masse, die sich in den Schenken umhertrieb und um die wir uns gar nicht fümmerten, von uns ab. Ein unangenehmer Vorfall, der sich auf mich persönlich bezog, schwächte auch noch unsere Pars rei. Die Kommissarien für die Entwerfung der Mandate vers sammelten sich jeden Nachmittag in dem Refektorium des Kas puziner Klosters, um sich auf ihre Arbeit vorzubereiten, und diese Versammlung beehrte mich mit einigem Vertrauen. Man hatte die Artikel über die periodische Wiederkehr der Generalstaaten, über die Theilung der gefeßgebenden Macht zwischen dem Kö nige und dieser Versammlung und die Bewilligung der Abgaben, welche dem dritten Stande allein zukommen sollte, bereits ans gewöhnt, mich anzuhören, und ich fina

genommen. Manitat zu gewinnen; deshalb

aber, Staube ichihte man en as gegen mich im Schilde. man bis zur Ordnung fragte Mitglied der Versammlung, der einzige Publizist, der sich dabei befand, der Justiz Amtman von Chateauvillain: Was mit den

"

ganz trocken: Man muß fie aufheben." Bei diesen Worten theilte fich der ganzen ehrenwerthen Versammlung eine wahrhaft elektrische Wuth mit, und ein Jeder bedrohte mich durch Geder den und Worte. Ein Advokat aus Montiérender, Namens Des lassire, verließ seinen Plaß und stürzte mit geballten Fduften auf mich zu, um mich zu schlagen. Ich sah mich schon als Opfer für den Ruhm der Parlamente fallen. Die Scene trug sich übris gens nach dem Mittagessen zu. Frau von Sevigné fagt irgend wo, daß der Bretagner nach Tische immer sehr unliebenswürdig sen; dasselbe ist auch der Fall bei dem Bewohner der Cham pagne. Alles, was die Gemäßigten bei dieser Aufregung gegen mich zu meinen Gunsten thun konnten, war, daß sie meine Flucht schüßten; bis auf die Straße aber verfolgten mich meine erzärnten Kollegen mit heftigem Geschrei und Schmähreden, und es wäre mir sicher übel mitgespielt worden, wenn nicht die Kampfs luftigsten ihrer Partei zu fest in den Schenken gesessen hätten.

Man kann leicht denken, daß dieser Auftritt mich gänzlich entmuthigte; er zeigte mir die Gefahr, oder doch wenigstens das Schwierige meiner Stellung, welches ich bis jest fast übersehen hatte, und ich hielt es für das Beste, der Entwerfung der Man date und meiner Kandidatur zu entsagen. Abends nach diesem unglückseligen Ereigniß besuchten mich der Richter von Chateaus villain, den es sehr schmerzte, die unschuldige Ursache des Tumuls tes gewesen zu seyn, und einige andere Mitglieder der Versamm lung, die sich der Vorgänge schämten; fie drangen in mich, doch den nächsten Tag wiederzukommen, um mich über meine Ansicht auss zusprechen, und gaben mir die Versicherung, die Majoritát werde dafür sorgen, daß man mich mit der Rücksicht anhöre, die meinen Grundfäßen und meiner Person gebühre. Ich hatte aber nicht den Muth, ihre Rathschläge zu befolgen, sondern zog mich ganz zurück und schmiedete allerhand lächerliche Rachepläne gegen den Advokaten Delaffire; ich wollte ihn fordern, aber man rieth mir ab, weil der Advokat ein Sechziger sen, der sein Lebelang nur mit der Feder oder mit Worten gekämpft habe und nur über meinen Vorschlag lachen würde. Dann wollte ich ihm wieder auf der Straße aufpassen, um ihm eine tüchtige Tracht Stocks schläge zu appliziren; doch man redete mir auch diesen Vorfah aus, weil ich bei einer wahrscheinlichen Erwiederung nur den Kürzeren ziehen könnte. Ich mußte also meinen Aerger in mich verschließen und ging nur aus, um mich der unumgänglichen Pflicht zu entledigen, meinen Wahlzettel in die Urne zu werfen; dadurch aber wurden meine Angelegenheiten nur um so troftloser.

Dupont von Nemours hat mir erzählt, daß er sich zur selben Zeit, der nämlichen Sache wegen, in einer ganz gleichen Lage befunden habe. Er war ebenfalls Kommissar bei der Entwerfung der Mandate feines Justizamtes, und als man zu dem Artikel über die Parlamente gelangte, ftimmte er ebenfalls für ihre Abs schaffung. Die Aufregung darüber war eben so heftig, wie in Chaumont, aber die Gefahr noch größer, denn die Versammlung befand sich im ersten Stockwerke, und man wollte Dupont aus dem Fenster stürzen. Schon war dieses geöffnet, und die Wüthens den schickten sich an, das Todesurtheil zu vollziehen, als Dupont fich an einen sehr korpulenten Mann anklammerte, der ganz ruhig stehen blieb und ihn verwundert fragte, was er eigentlich von ihm wolle. Ei, mein Herr", entgegnete

ergreife das leßte Rettungsmittel; man will michupont, „ich

dem Fens

fter stürzen, und Sie sollen mir bei meinem Falle als Matraze dienen. Dieses heitere und zugleich muthvolle Wigwort vers wandelte die Wuthausbrüche in Gelächter; Dupont war gerettet, ließ nicht von seinem Votum gegen die Parlamente ab und wurde dennoch zum Deputirten erwählt. Vielleicht hätte mich ein ähn licher Erfolg gekrönt, wenn ich mich eben so tapfer gegen Delafs fire und seine Partei zur Wehre gefeßt hatte; aber Dupont hatte an Gute wie an Muth nicht seines Gleichen.

Die Abfassung des Justizamts Mandates wurde in ihrer ganzen Herrlichkeit angenommen und zum ewigen Ruhme der Kommissarien gedruckt; dann schritt man zur Ernennung der vier Deputirten, die damals noch für einen Jeden besonders vorges nommen wurde. Der Königliche Prokurator ward zuerst gewählt. Bei dieser Wahl hatte Becquen noch eine Menge Stimmen von Joinville und ich von Bar: sur Aube; aber man ftellte uns Beide zugleich als Kandidaten auf, und so wurden wir vereinigt von Chaumont geschlagen, während wir jeder einzeln es vielleicht mit ihm hatten aufnehmen können. Bei der zweiten Ernennung fielen wir aus derselben Ursache wieder durch, und die Wahl traf einen gewiffen Laloi, welcher Arzt, Wundarzt, Apotheker und Weinhandler in Chaumont, übrigens auch ein gutmüthiger Mensch und nicht ohne natürlichen Verstand war, dem es aber ganz an Umficht und Bildung fehlte. Bei der dritten Ernennung versuchten wir es, unseren früheren Fehler gut zn machen, denn die Gefahr wurde durch die Chaumontschen Kabalen immer dringender.

Man war übereingefommen, die Wahl auf einen Landwirth zu lenken. Der Königliche Profurator und der stellvertretende Juftis Amtmann erschöpften fich um die Wette in Lobpreisungen des Landbaues; fie rühmten in verschiedenen Reden die Felder, die Vergnügungen des Landlebens und die Landbewohner. Für diefe Leßteren ganz besonders wären ja die Generalstaaten nur zafammenberufen, und Unglück müsse über das Land kommen, wenn es sich nicht durch Landwirthe in denselben vertreten laffe Dee. Ton diefer calmeten entzückte das Ohr der Mehrzaht unter den Wahlern, und sie warfen auf einen Gutsbesizer Morel, der sich Krankheits halber aus der Versamm: fung zurückgezogen hate. Als man ihn mit der ihm zugedach

« ForrigeFortsæt »