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Was hast Du gemacht?" fragt er den schrecklichen Gott, der noch einen Blick auf sein Opfer wirft. Eine Verwandlung", antwortet Saturn. Zephyr bringt den Todten nach der Insel der Glückseligkeit, taucht ihn in die Quelle der Jugend, um das Leben in ihm zurückzurufen, aber alle feine Anstrengungen sind vergeblich. Felicia nimmt die Leiche des Heißgeliebten wahr und stößt einen Schrei des Schmerzes aus, der die Laubgewölbe durchs dringt, die sonst nur von Freudengefangen und Liebesfeufzern ers tönten. Die Göttin der Glückseligkeit, bleichen Angesichts, ges brochenen Herzens, sest den Leichnam Astolpho's in eine dunkele Grotte bei und will mit ihm sterben. Bis hierher ist Alles Trauer und Klage. Plößlich erhellt ein Purpurstrahl die Gegend, die versunkene Natur erwacht, die Sterne stimmen einen Hymnus der Hoffnung an, das Kreuz strahlt durch die Wolken, und Felis cia geht aus dem Dunkel der Gräber hervor, um dem Tage der Auferstehung entgegenzusehen. Dies ist der wesentliche Inhalt eines Gedichtes, dessen Schönheit keine Bergliederung, dessen mus sikalischen Wohllaut keine Uebersehung anschaulich machen kann. Es besteht aus fünf Abtheilungen, wie die fünf Alte eines Dramas, von Scenen und Dialogen unterbrochen, aber es gleicht mehr einer prächtigen Ode als einem Drama. Es ist nach dem Ausspruche eines Schwedischen Kritikers ein Panorama splendidum lyricum. (Nicander: de indole poëseos hodiernae dissert.) Bleibt dies auch bis jest das Hauptwerk Atterbom's, so ist seine Phan tafie doch noch immer reich und frisch genug, um neue Früchte seiner Muse zu zeitigen. Als ich zu Upsala den Professor in seis ner Studirstube oder mitten in dem Kreise seiner Freunde sah, seine junge Gattin an seiner Seite und die artigen Kleinen auf feinen Knieen, so blickte ich mich um, weil ich Melpomene nicht fern von ihm wähnte.

Mannigfaltiges.

- Die Todesfälle in Ludwig's XIV. Familie. Als gegen das Ende einer langen fiegreichen und glänzenden Regies rung der vierzehnte Ludwig, den die Franzosen ihren großen König nennen, plößlich vom Glücke verlassen schien, als seine Macht den Anstrengungen des gegen ihn verbündeten Europa's erlag, follten feine leßten Lebensjahre ihm auch noch durch traus rige Familienschicksale verbittert werden. Er sah einen nach dem anderen von den Erben feines Reiches vor sich dahinsterben, bis zuleßt die Zukunft der Monarchie auf dem Haupte eines fünfidhs rigen Kindes, des nachmaligen Ludwig's XV., ruhte. Diese Tos desfälle folgten so rasch auf einander, daß der Argwohn im Volle entstand, sie fenen das Werk eines finsteren Verbrechens. Ob dieser Verdacht einen Grund hatte, darüber ist bis jest durch die Geschichtsforscher nichts Sicheres ermittelt worden. Es war das her ein brauchbarer Stoff für einen historischen Roman, und der schreiblustige Bibliophile Jacob, der die Lesewelt jährlich mit drei bis vier solcher Werke zu beschenken pflegt, hat auch nicht vers fehlt, sich desselben zu bemächtigen. Ein neuer Roman dieses Schriftstellers,,,das Giftzimmer" (la chambre aux poisons) bes titelt, folgt jenem Argwohn und läßt die Familie Ludwig's XIV. durch Gift dezimiren, nur wälzt er die furchtbare Anklage von dem ab, gegen welchen sie am lautesten sich erhob, von dem Herzoge Philipp von Orleans, der während der Minderjährigs feit Ludwig's XV. Regent von Frankreich war. Die Haupthands lung des Romans ist das Gewebe von Verleumdungen, welches jenen Fürsten umstrickt, und dessen Faden von einer gewissen Leor nore Pacheco, einer ebenfalls historischen Perfon, geleitet werden. Diese junge Spanierin bringt der Bibliophile in ein Liebesvers hältniß mit Philipp von Orleans und macht sie zur Urheberin der angeblichen Vergiftungen, die sie dann aus Rache für die ihr widerfahrene Zurückseßung auf den Herzog málst. Für die Wahrheit ist natürlich durch diese Darstellung nichts gewonnen, doch wird dem Buche, als einem intereffanten Beitrage zur Sit tengeschichte des damaligen Frankreichs, ein gewisser historischer Werth nicht abgesprochen.

Bibliothekonomie. Unter diesem Titel hat Hr. L. A. Constantin in Perliche Bibliothekens verausgegeben, wie man Privats und öffentliche fonferviren und bereichern foll.) Der Verfaffer hat, wie er sagt, die Erfahrung gemacht, daß die meisten Besißer von Bibliotheken, aus Mangel an einer folchen Anleitung, ihre Sammlungen vernachläffigen und diese täglich mehr zu einem bloßen Bücherhaufen, der ihnen teine Freude macht, anwachsen laffen. Nicht besser soll es mit mancher öffentlichen Bibliothek in der Französischen Provinz bes stellt seyn. In derselben Weise also, wie Echel, Mionnet, Heis necken, Huber, Blumenbach u. A. Anweisungen zur Classification und Aufstellung von Mang Kabinetten, Kupferstich Sammlungen, naturgeschichtlichen Museen c. gegeben, denkt Hr. Constantin durch seine Ansichten über das Material, den Mechanismus und die Verwaltung der Bibliotheken nicht bloß der gelehrten Welt, fondern allen Bücherfreunden überhaupt einen Dienst zu erweis sen. Da wir das Buch selbst noch nicht gesehen haben, so föns nen wir auch nicht beurtheilen, ob der Verfasser das hält, was er verspricht.

vierteljährlich, 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie.

für die

Expedition (Friedrichs-Straßte Nr. 72); in der Proving so wie im Auslande bei den Wohlöbl. Post - Aemtern,

Literatur des Auslandes.

No 44.

Berlin, Freitag den 12. April

Frankreich.

Aeußerungsweisen der Phantasie.

Bom Professor Adolph Garnier.")

1) Die musikalische Phantasie.

Das Wort Phantasie ist eines der weitschichtigsten und wird in den verschiedensten Bedeutungen gebraucht. Uns soll es die Fähigkeit bedeuten, Gegenstande, die uns weder die Erfahrung gegeben, noch das Gedächtniß reproduzirt hat, vorzustellen. Eine folche selbstschöpferische Thätigkeit muß auch in Bezug auf die Mufit angenommen werden. Die Sensualisten, welche den Menschen zu einer Maschine und einem Echo der dußeren Natur machen wollten, lehrten freilich, daß die Menschen die ersten Gesänge dem Murmeln der Bäche, dem Rauschen des Windes in den Blumen und den Melodieen der geflügelten Sänger abs gelauscht hätten. Warum sollte aber der Mensch allein der fchöpferischen Kraft und der unmittelbaren Eingebung entbehren? Es heißt, auch die Vögel waren nur Nachahmer in ihren Ges fangen, und die Nachtigallen würden in der Kunst des Gesanges von ihren Aeltern unterwiesen. Wäre diese Thatsache begründet, so würde der Trieb der Nachahmung allerdings mächtiger als der Trieb der Phantasie seyn, aber die Lösung der Aufgabe würde nur hinausgerückt und nicht erledigt werden, und man würde immer fragen, wie der erste Vogel zu feinen Gefangen geloms men sen? Uebrigens wird auch die hier mitgetheilte Behaups tung durch eine Beobachtung Spursheim's widerlegt.,,Wenn man", sagt derselbe,,,die Eier eines Singvogels nimmt und fie durch einen nicht fingenden Vogel ausbrüten idßt, die Jungen dann in der Einsamkeit aufzieht, so fingen die Männchen, Tos bald fie ausgewachsen sind, wie alle andere Männchen ihrer Gattung."

Vielleicht wird man sagen, die Vögel haben kein Bewußtseyn über das, was sie fingen; es ist hier keine Intelligens vorhanden, fondern eine blinde bewegende Kraft, welche auf die Muskeln der Bruft und der Kehle einwirkt; es sind Orgeln, deren Balge der Schopfer in Bewegung feßt. Darauf kann man antworten, daß, da die Menschen nicht fingen, ohne vorher die Note, welche sie auss führen, gefaßt zu haben, die Wahrscheinlichkeit dafür spricht, daß es mit den Bögeln dieselbe Bewandtniß habe, und daß die Thdtigkeit des Kehlkopfes, allem Anschein nach, dem Gebote der Intelligena folgt. Der erste menschliche Sänger hat feinesweges den Ges fang der Vogel nachgebildet, denn bei musikalischen Völkern treffen wir noch jest die Erscheinung, daß Bauern, Ziegenhirten u. f. m., denen jede musikalische Bildung abgeht, Gefange erfins den, welche mit denen der Vögel durchaus nichts gemein haben. In Bezug auf musikalische Erfindungskraft gehen die Italianer allen anderen Völkern voran. Bei ihnen haben weder die uns bekannten Dorfs Komponisten, noch die berühmten Meister der großen Städte nöthig, in Gedanken alle Roten, welche fie schon gehört haben, durchzugehen, um mühsam die gefälligste Reihens folge zu finden. In ihrer Phantasie ruft eine Note die andere hervor, nicht in der Stufenfolge, wie fie dieselbe früher gefaßt haben, sondern in einer ganz neuen Ordnung, und das begrün det wesentlich die musikalische Einbildungskraft. Die Deutschen finden beim Anhören eines Gesanges alsobald harmonische Töne und fallen tiefer oder höher ein, je nachdem es fich fcbidt, rodhrend ihre überrheinischen Nachbarn dieses Vorzuges gang entbehren.

schickt,

Zu der Vorbildung der Töne muß noch die der Rhythmen gerechnet werden. Wie sollte es dem ersten Sänger möglich ges wesen seyn, feine Tone beim Singen abzumeffen, wenn er dies nicht schon vorher im Geifte gethan hatte? Sollte es ftatthaft feyn, mit mehreren Dichtern anzunehmen, daß das Schwanken der Wellen oder irgend eine andere regelmäßig wiederkehrende Naturerscheinung auf den Gedanken geführt habe, die Töne abs sumeffen? Die Laubstummen, welchen das Gehör nicht zu Hülfe tommen kann, schwenken sich nach dem Lalie; fie faffen also einen Rhythmus oder eine Abtheilung in gleiche Beitabschnitte, die fle nicht dußerlich wahrgenommen haben.

) Aus einem Werke deffelben, das fo eben unter dem Eitel,,La Payoologie et la Phronologie comparées" in Paris erschienen ist.

2) Die räumliche Phantasiz.

1839.

Wie zur Reproduction der Töne eine musikalische Einbil dungskraft hinzutritt, so steht auch der Reproduction der Formen eine formschaffende Thätigkeit der Einbildungskraft zur Seite. Wie die Singvogel den Ton schon vor der Ausführung bilden, fo scheinen auch die werkthätigen Thiere die Linien und Umriffe, welche sie in ihren Bauten ausführen, schon vorher entworfen zu haben. Wie würde die Biene Wachsstücke quadratförmig bil den und sie zu einem Heragon aufschichten, wenn diese Raums figurationen nicht schon vorher in ihrem Innern vorhanden ges wesen wären? Wie würde die Spinne ihre Fäden strahlenförmig und in Ponzentrischen Kreisen ausspannen, wie würde der Vogel die Halbkugel feines Nestes bauen, wie der Biber seine Hütte aufrichten und sie in Zellen und Gänge abtheilen, wenn alle diese Thiere nicht eine formbildende ursprüngliche Anlage bes saßen? Und der Mensch sollte keine solche formbildende Anlage haben? Wie könnte er anders die rohen Formen der Natur ver beffern? Wober hat er das Muster der geraden Linie, des gleich fcbentligen Dreiecks, des Kreises genommen? Hatte er sich etwa bei der Biene, der Spinne oder bei dem Biber in die Lehre ges geben, oder wäre die Regelmäßigkeit, mit welcher er Figuren ausführt, die den Thieren nur unvollkommen gelingen, nicht ein Beweis, daß eine vorgängige Wirkung der Einbildungskraft ans genommen werden muß? Die Entwerfung der architektonischen Grundlinien scheint das Resultat einer besonderen Thätigkeit der Einbildungskraft zu seyn. Bei den Thieren ist die Bildung der Raumfiguren von einem besonderen Instinkte geleitet, welcher ihnen ohne Beihülfe der Erfahrung die geeigneten Materialien zuführe

Die Umrisse, welche der Mensch in seiner Phantaste vorbits det und den rohen Figuren der unorganischen Natur anpast, überträgt er auch auf die beiden anderen Naturreiche. In seinen Zeichnungen berichtigt er die Formen der Pflanzen, fest hinzu und last weg, vereinigt oder trennt die einzelnen Partieen einer Landschaft. Indem er den Hals des Schwans bewundert, wünscht er die unteren Ertremitäten dieses Vogels hinweg und würde fie weglassen, wenn es von ihm abhinge, die Gestalt desselben zu bestimmen. Der Natur entnimmt der Künstler nicht die Formen seiner Venus oder feines Apollo, denn hier findet er immer Ents tellungen und Mangel, und die Linie, welche er wählt, hält teinesweges bloß die Mitte zwischen den nach beiden Seiten hin auseinanderlaufenden Formen der Wirklichkeit, dem Zuviel und dem Zuwenig. Doch hören wir Raphael; dieser sagt in einem Briefe an Balthazar Castiglione: Ich weiß fehr wohl, daß, um die Schönheit zu malen, ich mehrer Ideale sehen müßte, unter der Bedingung, daß Ihr mir zur Seite ståndet, am meine Wahl zu leiten. In Ermangelung guter Muster und lundiger Führer, folge ich dem Zuge der Begeisterung, welche über mich tómmt. Trifft sie das Wahre? Ich weiß es nicht, obgleich ich demselben nachstrebe."

Der Komponist begnügt sich nicht, eine Reihenfolge anges nehmer Löne zu erfinden; eben so wenig ist der Maler mit einer bloß architektonischen oder geometrischen Regelmäßigkeit zufrieden. Beide müssen noch den Ausdruck, das Leben hinzuthun; der Bildhauer verleiht dem Marmor Leidenschaft und Bewegung, und aus den Tönen der Musik muß uns ein gewiffes Seelenleben entgegentönen. Die Deutungsfähigkeit hat die Aufgabe, die Bes deutung der Zeichen, welche in der Erfahrung gegeben sind, der Physiognomie, der Gesten, des Accents zu erkennen; sollte sie bei dem Künstler nicht mit einer entsprechenden Thätigkeit der Eins bildungskraft verbunden seyn, welche das Zeichen vorbildet oder es vervollkommnet, wenn es in der Natur nicht in seiner ganzen Reinheit oder Deutlichkeit ausgeprägt ist? Bestände nicht gerade hierin das Geheimniß des großen Schauspielers, wie überhaupt jedes wahrhaften Künstlers?

3) Die Phantasie der Farben.

Menschen zu einem gegebenen Tone die entsprechende Tonfolge Eben so wie bei der Anhörung eines Gefanges manche finden, so haben andere die Gabe, zu einer Farbe die passende au wahlen. Wenn ein geschickter Kolorist nur in seinem Gedächt niffe die Farben musterte, welche er schon gesehen und sie nur in der Ordnung musterte, in der er sie gesehen, bis er zu einer ges

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gebenen Farbe die passende gefunden hatte, so könnte man nur fagen, daß er ein Farbengedächtniß habe; wenn er dagegen zu einer gegebenen Farbe, ohne Hülfe des Gedächtnisses und ohne lange umherzusuchen, die passende findet, so ist er im Befiße einer Fähigkeit, welche der musikalischen Phantasie entspricht. Spurs heim erzählte von gewissen Mosaikkünstlern, welche zu zwei Steinen, die jedem Beobachter gleichfarbig zu seyn schienen, noch 'einen mittleren Farbenton fanden.

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Also die musikalische Phantasie, die räumliche Phantasie, die farbenerfindende Phantasie sind Fähigkeiten, welche außerhalb des Bereiches des Gedächtnisses liegen. Alle andere Thätigkeiten, welche mit dem Namen der Einbildungskraft bezeichnet werden, find durch das Gedächtniß und die Induction gebildete Combinas tionen. Eine Sirene oder ein Centaur ist die Combination eines Frauenkopfes und eines Fischleibes, oder eines Menschenrumpfes und eines Pferdeförpers. Der Physiker, welcher in einem Körs per die Eigenthümlichkeiten eines anderen wiederzufinden glaubt, Induction an, und 16ten ein Arzt nich einbildere, der menschliche Körper fen nach dem Muster des Planeten Systems gebaut, folgte er einer falschen Induction. Die Leidenschaft leitet unsere Induction irre und läßt uns in dem geliebten oder gefürchteten Gegenstande Reise oder Gefahren ents decken, welche die Sprache eingebildet nennt.

Der Unterschied zwischen der Induction und schöpferischen Einbildungskraft besteht darin, daß die erstere die Elemente ihrer Combinationen in der Erfahrung vorfindet und sie nur anders verfeßt, während diese einen Gegenstand oder eine Reihe von Gegenstanden ohne Beihülfe der Erfahrung schafft.

Wenn es indeß eine schöpferische Einbildungskraft in der Musil, im Zeichnen, in der Malerei giebt, so ist damit noch nicht gesagt, daß diejelbe immer hervortreten müsse; und meißtentheils begnügen fich diejenigen, welche sich mit den schönen Künften ber fbdftigen, mit Combinationen der Erfahrung und der Induction.

Was die Poesie und die Beredsamkeit betrifft, so beruhen diese nicht auf einer besonderen Thätigkeit der Einbildungskraft. In der Beredsamkeit ist die Erfindung nur eine Auswahl von Beweisen, und diese Beweise find Deductionen oder Inductionen. Wenn es uns vergönnt ist, Tone, Linien, Farben ohne vorhers gehende Wahrnehmung darzustellen oder fe in einer anderen Ordnung als der der Wahrnehmungen darzustellen, so if es uns andererseits nicht möglich, eine einzige originelle menschliche Handlung zu erfinden, und wir verfahren hierbei ganz nach dem Gefeß der Ideen Associationen, d. h. wir stellen sie in der Ords nung unserer Wahrnehmungen zusammen. Um sie zu kombiniren, müssen wir in dem Schaße unserer Erinnerungen umhersuchen. Was den wunderbaren Theil der poetischen Fabel betrifft, so bies tet uns dieser entweder leblose Gegenstande, welche der Dichter mit Willenskraft, Verstand und Leidenschaften ausgestattet hat, oder unsichtbare Gottheiten, wie die Götter der Griechen oder die Zauberer und Feen der Araber; beide Vorstellungsweisen find eine falsche Anwendung der Induction oder des Schließens nach Analogie.

Ungeachtet der Unfähigkeit des Wortes, die Umrisse des Grifs fels, die Farbenabstufungen des Pinsels, die Modulationen der Stimme darzustellen, kann der Dichter doch in seinen Schöpfuns gen durchschimmern lassent, daß er die Formen einer vollkoms menen Schönheit, einen prächtigen Tempel oder eine bezaubernde Musik in sich aufgenommen hat. Dann verbindet er mit der poetischen Phantasie die des Dichters, Architekten und Musikers ; die Lesteren führen ihn über den Vorstellungskreis der Erfahrung hinaus, aber als Dichter bleibt er innerhalb der Gränzen des Gedächtnissses und der Induction.

4) Phantasie, Wahrnehmung und Gedächtniß in ihren Unterschieden.

Wir wollen jest sehen, was die Schädellehre zu der schöpfes rischen Einbildungskraft sagt.

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Gall war der Meinung, daß die Einbildungskraft, wie wir fle definirt haben, den dritten Grad jeder Thätigkeit bilde. Spursheim machte mit Recht darauf aufmerksam, daß die rezeps tiven Fähigkeiten nicht die Kraft haben, etwas einzubilden, weil sie erst durch die intellektuellen Fähigkeiten angeregt werden müssen. Auf die leßteren beschränkte er die Fdhigkeit, einzubilden. Die drei Grade der Thätigkeit oder Aeußerungsweisen der intels lektuellen Fähigkeiten sind: die Wahrnehmung, das Gedächtniß und die Einbildungskraft.

Es ist schon gezeigt worden, daß das Gedächtniß nicht bloß ein höherer Grad der Wahrnehmung oder die Einbildungskraft bloß ein höherer Grad des Geddchtnisses sey. Spursheim legt hierauf ein großes Gewicht; er sagt: Das Gehör bringt nicht den Gesang der Vögel hervor; viele Vögel hören, ohne zu fins gen. Die Weibchen der Singvogel haben ein eben so gutes Ge hör als die Männchen, und dennoch fehlt ihnen die Gabe des Gefanges. Die Männchen wiederholen auch nicht Gesange, die fie schon gehört hatten." Wenn Vögel fingen, ohne einen Ges fang gehört zu haben und ohne im Besige eines musikalischen Geddceniffes su finn hoberer Grad der Wahrnehmung oder des wie will man dann behaupten, daß die Einbildungskraft Gedächtnisses sen? Wenn die Wahrnehmung und das Gedächts niß ohne die Einbildungskraft bestehen, und die Einbildungskraft ohne das Gedächtniß und die Wahrnehmung, so muß man doch unterschiedene natürliche Fähigkeiten anerkennen und nicht bloß quantitative Verschiedenheiten. Wenn also die Wahrnehmung,

dere Grade einer und derselben Thätigkeit sind und nicht von demselben Organe ausgehen, so ist es die Aufgabe der Schädels lehre, zu erforschen, welcher Theil des Organs der Tone . B. der Wahrnehmung und welcher andere der Einbildungskraft zus gewiesen ist.

Es fragt sich nun, durch welche Gegenstände eine Thätigkeit der Einbildungskraft, die nicht bloß eine Reproduction der Wahrs nehmung oder des Gedächtnisses sen, hervorgerufen werde. In dem Spursheim die Einbildungskraft als den dritten Grad aller intellektuellen Fähigkeiten hinstellt, nimmt er eine Einbildungskraft des Gefühls, des Geschmacks, des Geruchs, des Gehörs, des Ges fichts, der Individualität, der Räumlichkeit, der Ausdehnung, der Schwere, der Farbe, der Berechnung, der Ordnung, der Evens tualitát, der Zeit, der Tóne, der Sprache, der Vergleichung und der Kaufalitat an. Diese verschiedenen Abtheilungen dürften ins deß auf die räumliche Einbildungskraft, die farbenerfindende, die melodische oder die der Zeit und die der Zeichen oder der Sprache Was bedeutet Einbildungskraft hörs, des Gefichts und des Gefühls anderes, als die der Melodie, der Farben und der Räumlichkeit? Alle anderen von Spurzheim angenommenen Arten der Einbildungskraft müssen wir aber vers werfen. Oder hätte sich wohl schon Jemand in der Einbildungss fraft etwas Berührbares vorgestellt, was er nicht vorher berührt hätte, einen Geruch, den er nicht vorher eingeathmet, einen Ges schmack, den er nicht vorher geschmeckt, ein Gewicht, das er nicht schon getragen hatte?

Die Jrren glauben freilich allerlei Dinge wahrzunehmen, die sie nicht wirklich wahrnehmen, aber sie erhalten doch diese Wahrnehmung durch eine vorhergehende Erfahrung. Ihre Eins bildungen find wesentlich von denen des Künstlers verschieden, fie sind eine Folge der Wahrnehmung, und man fönnte sie als eine Krankheit des Gedächtnisses betrachten. Dem Künstler das gegen scheint der Gegenstand, den seine Phantasie verarbeitet, nicht wirklich gegenwärtig zu feyn. Die Phrenologen scheinen der Linie, welche die Einbildungskraft der Geistesverwirrten von der des gefunden Menschen trennt, noch nicht die gehörige Bes achtung geschenkt au haben. Die zu rege Individualitat", sagt Spursheim, personifizirt alle Erscheinungen, wie z. B. die Be wegung, das Leben, das Fieber, die Narrbeit u. f. m.“ Der Irrthum, vermöge dessen wir das Leben, das Fieber u. f. m. personifiairen, fließt aus der gemeinsamen Quelle aller Irrthümer, aus der Gabe der Induction oder dem Schließen nach Analogie. Was die Induction von der Einbildungskraft scheidet, ist, daß die erftere ihre Elemente der Erfahrung entnimmt und ihnen nur einen anderen Plaz anweist, während diese einen Gegenstand oder eine Reihe von Gegenständen auffaßt, die ihr nicht durch das Gedächtniß gegeben werden.

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Die Französische Literatur des 17ten und des 18ten Jahrhunderts. (Forthegung.)

1.

Die Literaten und Dichter endlich, die von Franz I. bis Ludwig XIV., wie man damals fagte, meift domestiques eines Prinzen oder großen Herrn und von den übermüthigen Launen derer abhängig waren, von denen sie Wohlthaten und Gunßbes zeugungen erwarteten, brauchten die Poesie nur als Werkzeug der Verführung und Schmeichelei. Wenigstens macht ihnen Mes serai) diesen Vorwurf, der übrigens felbst ein Sleptiker war. Es hat zu allen Zeiten", sagt Labruyère,,,folche Schöngeister und Belletristen gegeben, welche die Freigeisterei der Großen ans nahmen und ihr Leben lang das Joch derselben trugen, ihren eiges nen Einsichten und ihrem Gewissen aum Troß. Solche Menschen lebten eigentlich nur Anderen au Gefallen, die sie als ihren legten Endawed betrachtet zu haben scheinen. Sie schamien sich, fich vor ihren Augen zu retten und so zu scheinen, wie sie vielleicht im Herzen waren; sie sind aus Mißtrauen oder Schwäche zu Grunde gegangen. Sind nun die Großen und Mächtigen der Erde groß und machtig genug, um uns bewegen zu können, daß wir glauben, was sie wollen, und leben nach ihrem Geschmack, und daß wir die Gefälligkeit so weit treiben, nicht so zu sterben, wie es uns am ficherßten bedünkt, sondern so, wie es ihnen am besten gefällt? Solche Menschen waren noch weniger als uns nube Flötenspieler, wie Malherbe die Dichter feiner Beit bezeichnet.

Der Hof und das Beispiel Franz des Ersten, die Züge nach Italien und die Religionskriege, das sind die Ursachen, durd welche jener tapfere Französische Adel so entfiulicht worden, dessen Wiedergeburt herbeizuführen Ludwig's XIV. Aufgabe war, wah rend er ihn nur an Anstand der Manieren und der Sprache zu gewöhnen wußte. In der That, so schön auch die Erinnerungen find, die sich an das Jahrhundert Ludwigs XIV. antnupfen, fo fann man doch nichts umbin, zuzugeben, daß der große König feine Mission verfehlt hat; er hat sie weder dem Umfang nach noch in Betreff der Mittel, durch welche sie zu erfüllen war, begriffen.

Er hatte vor Allem seine Macht dazu gebrauchen sollen, die frivolen und liederlichen Sitten des Adels zu beffern; aber gerade dieje Sitten behagten feiner Politif: er wollte die Edelleute zu teinen ernsten Geschäften brauchen, außer dem Strieg: übrigens hatte er selbst mit gutem Beispiel vorangehen müssen, und dazu

war er au schwach. Er begnügte sich, zur Partei der strengen Grundsäge überzugehen, was er aber auch erst sehr spät that, als der Zauber des Rahms zur Hälfte erblichen war. So leicht beffert man die Menschen nicht. So lange der König mit seis nen Liebesabenteuern beschäftigt war", fagt Ductos,,,war auch der Hof ritterlich; kaum hatte sich der Beichtwater seiner bemächs tigt, so ward auch der hof trübe und scheinheilig. Hatte man fich bisher zu den Festen und Schauspielen gedrängt, so lief man jest zur Kapelle; aber der Gott des neuen Kultus war immer der König. Er hatte es leicht bemerken können. Eines Tages, da der Monarch zur Abendandacht kommen sollte, waren die travées voll von frommen Höflingen und Hofdamen. Brissac, Major der Leibwache, kommt in die Kapelle, sagt den Garden gang laut, der König würde nicht kommen, und läßt sie abziehen. Sofort leeren sich die travées; nur die Marquise v. Drageau und drei oder vier andere Frauen bleiben zurück. Eine Viertels stunde später erscheint Brissac wieder mit den Garden. Als der König kommt, erstaunt er über diese ungewöhnliche Leere. Brissac nannte ihm den Grund, der König lachte, und vielleicht verzieh er die Gleichgültigkeit gegen die Abendandacht um der Achtung und Ehrfurcht willen, die man seiner Perfon bezeugte." Umsonst fühlen Lurembourg und Catinat, weil sie keine Religion haben, die Ungnade des Königs, der sich immer mehr von der Maintes non leiten läßt; mit diefer ungerechten Strenge schadet er sich und dem Staat, ohne dem Glauben, den er dadurch in Ansehen zu bringen glaubt, eine einzige Seele zu gewinnen.

Die schönen religiösen Charaktere der Zeit, die Beauvilliers und die Chevreuse, find nicht aus Ludwig's XIV. Einfluß hervors gegangen: fie gehörten einer anderen Sphdre an, als der des hofes: es waren die Schüler jener genialen Prälaten, welche die ewige Zierde dieser Regierung bilden, Bossuet's, Fénélon's, besonders des Leßteren, der am besten erkannte, was der Zeit Roth that, und zum Dank für seinen tiefen Blick und seine Bes mühungen mit Undant und Eril belohnt wurde. Viele folcher Manner hatte der Französische Klerus nicht, doch hatte dieser Stand viel Gutes gewirkt, wenn man ihn mit Weisheit unters Stüßt hätte. Was eigentlich den Adel so entnervte, war das Les ben, das er fast zu führen gezwungen war, aus Mangel an Earriere and paffender Beschäftigung. Keine Predigt, keine Schrift fonnte dieses Grundsbel heilen. Das Volf, das zur Arbeit und zum verurtheilt war, blieb moralisch;

zu zerreißen? Und was bewirkt fie, als daß die Völler weder frei, noch unterworfen leben, und daß, wie sie die Monarchie ans greifen, die Monarchie sie wiederum angreift und mishandelt, fle entwaffnet und beraubt und alle Streitkräfte und Finanzen an fich sieht, um das Blut und die Kraft der Rebellion ohnmachtig zu machen? Doch ich berufe mich nur auf das, was Sie, mein Herr, in dieser Stadt Paris gesehen haben, als die Unruhen in ihr wütheten; da empfand man recht, daß die Freiheit, nach. welcher man im Volk strebte, tausendmal schlimmer war als das Minifterium (Mazarin), mit dem man bei dem Glanz der Königs lichen Waffen und der inneren Ruhe des Staats feine Ursache hatte unzufrieden zu seyn, und unter dem man sich jest viel beffer befindet, als in jenem unnatürlichen Zustand, wo man mes der auf dem Lande noch in der Stadt lebte, weder einer höheren Gewalt zu gehorchen hatte, noch die gemeinsanien Rechte der Naturfreiheit genoß." (Schluß folgt.)

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S ch we den.

Schwedens neuere Dichterschule.

IV. Stagnelius.

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aber was sollte aus der leit ehrgeiziger oder reicher Jungs auch ganz geeignet, bei längerem Leben sie zu erfüllen, aber er

linge werden, die keine andere Schule, keinen anderen Schauplas hatten, als Hof und Armee? Fenélon hatte das Uebel und das Mittel erkannt: er wollte eine politische Reform, die von einem frommen Manne geleitet wurde; auf dieses Ziel richtete er alle Gedanken des ihm anvertrauten Königlichen Böglings. Ob die Regierung des Herzogs von Bourgogne Alles gehalten hatte, was er versprach? Das last fich nicht behaupten; aber so viel ift gewiß, daß Ludwig's XIV. Syftem nicht im Stande war, biejenigen seiner Unterthanen au benern, die feinen Hof bildeten beach und der en Beispiel immer mehr auf die Stadt zurückwirken mußte.

Der Französische Adel war es vorzüglich, durch welchen die Philosophie des 18ten Jahrhunderts fo große Verbreitung und Macht gewann. Er hat fie aufgenommen, gepflegt und an alle Höfe Europa's verpflanzt; die Völker find erst durch sein Beis fpiel verführt worden. Dieser Punkt hat die Schwache des Res gierungs Systems Ludwig's recht ans Licht gestellt; das ist nicht au leugnen, daß diese Regierung die zerstörende Bewegung des 16ten Jahrhunderts aufgehalten hat; aber die Reaction ist nicht in die Sitten eingedrungen, und die Freigeisterei behielt bei dem Adel einen glimmenden Heerd, der später einen Brand erzeugte. Uebrigens ist die Bewegung des 17ten Jahrhunderts nicht durch Ludwig XIV. allein unterdrückt worden; durch die Noth und die Kampfe der Zeit haben ihre religiösen und politischen Theorieen am meisten gelitten. Montaigne schrieb schon 1870 an feine Frau: Lassen wir fie reden; ich halte mich an die einfache Weise der alten Zeit.... Und in der That loftet das Neue bis zu dieser Stunde dem armen Staat so viel, daß ich mich überall ganz davon abwende." Dieses Gefühl der Ermus dung ward immer allgemeiner, daher der Spott, der endlich die Fronde traf, das leßte Aufflackern des revolutionnairen Geistes der Beit.

Die wenig man im Laufe des 17ten Jahrhunderts auf Jbeen gab, zeigen Richelieu und Mazarin, indem sie die Revolus tionen in Schottland, Katalonien, Portugal, Neapel und Ungarn durch ihre Intriguen und Subsidien beförderten, ohne zu fürch ten, daß fie Frankreich dadurch Waffen gegen ihre eigene Macht in die hand gaben. Diese großen Minister wußten wohl, was fie thaten: der Parorysmus, der das Land erschüttert hatte, war vorüber und Alles vereinigte fich zur Befestigung der absoluten Gewalt, deren Theorie bald von Hobbes in eine Formet gebracht wurde. Man fah in den fremden Revolutionen nur die Verwir rungen, die fie nach sich sogen, und da man so eben erst aus dhnlichen Kampfen hervorgegangen war, fo fühlte man fich nicht aur Rachahmung versucht. All die Kriege", schrieb ein Zeitger noffe, die unser Europa verheert haben, und all' das Elend, das der Webermuth der Soldaten und der Geis der Parteiganger mits bringt, ist es nicht eine Folge des Widerstandes gegen die höchste Gewalt? Das Haupt kmielnisti's, Radziwil's, des Vice Kanglers und fünf oder sechs Anderer, hätte es nicht das Leben von hunderts tausend Menschen gerettet, welche durch die Landung des Schwes dischen Königs in Polen umgekommen find? Jene angebliche Freiheit der Staaten, wozu anders hat sie gedient, als das Land

Mitten unter den Sinnlichkeiten feines Lebens schuf er sich eine übersinnliche Philosophie und suchte Blumenduft in verdorrs tem Grafe, Goldkörner im Sande, eine Geister Herrschaft in einer verwahrloften Körper Herrschaft. Angezogen von dem System der Gnostiker, stellte er sich die Menschen als Wesen eines höheren Ursprungs vor, betrogen von dem Demiurgos, dem Damon des Bösen, losgeriffen von der Welt der Geister, ges feffelt an die Bande des Leibes und seufzend nach der Rückkehr in die Lichtregionen. Auf diesem Grunde führte er feine Schöpfuns gen auf; alle Charaktere, alle handlungen, die er schildert, gehen davon aus. Er hatte zu viel Subjektivität, um wahrhaft epischer und dramatischer Dichter zu seyn; er verstand es nicht, seine Persönlichkeit vor der zu schildernden zurücktreten zu lassen, und in den Darstellungen aus der Geschichte, in den Wesen seis ner Einbildung, in den Sagen seines Volkes, überall malte er sich selbst, erschlte er seine eigenen Gedanken. Wladimir, Blanda, Maria, Sigurd Ring, Wisbur sind nach gleichem Typus gebil det. Allen fehlt es nicht an herrlichen Gedanken, glänzenden Schilderungen und den Vorzügen seiner Schreibart. Aber seine Gemälde leiden an Unbestimmtheit und Zerfloffenheit, seine Pers spektive verschwimmen in eine dunfele, nebelige Ferne, feinen Fis guren fehle der feste Umriß. Wolke er in seine Schöpfungen mehr Plastik bringen, fo verfiel er in das Gegentheil. So hat er eine Tragödie,,der Ritterthurm" (Riddartornet) gefchries ben, die in der Seele des Lesers nur Empfindungen des Abscheus erweckt. Man findet hier eine Mutter, die zwanzig Jahre im Kerter schmachtet, weil sie ihren Gemahl betrogen, einen Dies ner, der die Tortur erleidet, weil er mit dieser Frau Mitleid ges habt, einen Bater, der in seine Tochter verliebt ist, und eine Tochter, die, um ihre Mutter zu retten, der unzuchtigen Leidens schaft ihres Vaters nachgiebt und sich dann tödtet, um der Schande Bu entgehen. Man findet leine Entwickelung der Charaktere, fons bern nur graufenerregende Auftritte, die das Parterre der Gaîté in Erstaunen sehen würden.")

Zwei andere Tragödien von Stagnelius verdienen mehr Lob. Das Süjet war in Lebereinstimmung mit der beständigen Rich tung seines Denkens gewählt; die Entwickelung geht leicht von Statten, und der ganze Duft einer holden Poefte ist darüber auss gegoffen. ,,Die Martyrer" heißt die eine und ist die Geschichte des Polyeuftes nach der Bearbeitung Corneille's; aber Stagnes lius Werk hat weniger Handlung und dramatischen Effelt, als

Geboren zu Calmar 1793. Sein Vater war Prediger, fäter Bifchof. Stagnelius ftudirte zu Upsala und Lund; 1815 erhielt er eine kleine Stelle in der Kanzlet zu Stockholm und starb den 3. April 1823.

**Der Ritterthurm" wird von Sinderen für das vollendetste seiner Dramen gehalten.

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das des Französischen Dichters. Es ist, wenn man will, nicht sowohl ein Drama als ein Dithyrambus, aber ein gewaltiger, religiöser Dithyrambus, der die Seele wie das Brausen der Orgel in einer Kathedrale ergreift und schwebend erhält bei den feierlichen Klagen und Akkorden, die durch die Tiefen des Schiffs und die Wölbungen des Chores hallen. Die andere ist im Grunde die erste nach einer der mystischen Ideen Swedenborg's geschriebene Tragödie. Sie führt den Titel: Die Liebe nach dem Lode" (Kärleken efter Dod). In einer der Regionen der anderen Welt, in einer Art von Mittelregion zwischen der Erde und den himmlischen Sphären, fist ein junges Mädchen unter einer Cypresse und denkt an den Geliebten, den fie auf Erden zurückgelaffen hat. Der eisige Hauch des Todes hat die brennende Liebe, die sie während ihres Lebens zu ihm trug, in ihr nicht tilgen können, und abseits gelagert, fühlt sie nur einen Schmerz, fieht sie nur ein Bild, lispelt fie nur einen Namen. Ein Engel naht und fordert sie auf, des Himmels, dessen sie theilhaftig ges worden, nicht zu vergessen, sich ihrem Götte, der sie gerettet, ihrem himmlischen Bräutigam, der ihrer harre, zuzuwenden. Sie ant wortet: Ich habe Alles vergessen, was ich auf Erden gesehen, in meiner Kindheit gekannt habe, nur Eines habe ich nicht vers geffen können, den Kuß meines Albert, den Rasensiß, auf dem wir unter dem Schatten des Ahorns ruhten." ,,Komm“, spricht der Engel,,,lomm mit mir in den Himmel." ,,Ift Albert dort?" fragt das liebentbrannte Mädchen. ,,Nein, er ist noch auf Erden." Nun denn, so giebt es für mich keinen Himmel; ich will Albert hier nahe bei der Thränenquelle erwar ten." Ein Chor von Engeln läßt sich in den Lüften vernehmen, besingt die Freuden Gottes, die Wonnen des ewigen Lebens. Er fordert Julien auf, die Erinnerungen der Erde und das Bild aus einer vergänglichen Welt fahren zu lassen. Zu gleicher Zeit wird ein anderer Chor an ihrer Seite sichtbar, es ist der Chor der Dämonen. Er singt die Wollüste der Erde, das Geheimniß volle, die Trundenheit einer Liebesnacht, und Julie höre's, ihr Herz schlägt, ihr Blick wird feurig.,,Erinnerst Du Dich", fangen die bösen Genien,,,der Sommernacht, der buschreichen Haide, des krystallenen Waffers, bei welchem Du mit Albert saßest? Die Wolken breiteten einen Schleier über die lichte Scheibe des Mondes, und es fiel nur ein blasser Schein auf die Schatten des Thales. Albert drückte Dich an sein Herz, Deine Stimme zitterte unter seinen heißen Küssen, von seinen Armen umschlungen, fanlst Du unter dem Schweigen der Gegend auf den Rasen, die Sterne blickten lächelnd auf Dich nieder, und Nachtigallen fangen Dein Hochzeitslied." ,,, ihr lauen Sommernachte", ruft Julie aus,,,Gefang der Vögel, Duft der Veilchen, rieselnde Quellen im Mondenglanze, Blumenteppiche, wo die Tauben girrten, wo ich in Albert's Armen ruhte, ach, Pönnte ich euch nur noch einmal wiedersehen!" Julie erhalt von den Engeln die Vergünstigung, auf die Erde zurückzukehren, um den wiederzusehen, den sie nicht vergeffen kann. Während deß tödtet sich Albert aus Lebensüberdruß. Julie sieht ihn ihr entgegeneilen in dem Enpresen Thale; die begleitenden Engel zeigen ihr den Himmel, Albert die Hölle. Sie drückt ihren Ges liebten an ihr Herz und stürzt sich mit ihm in den Abgrund.

Ein Schwedischer Kritiker hat gesagt, daß, wenn Stagnelius am Leben geblieben wäre, er die dramatische Kunst in Schweden hätte gründen können. Nach meiner Ansicht würde er zwar eine Gattung des Drama's geschaffen haben, die noch nicht existire, nämlich das ideale Drama; aber das wahre Drama, den Spies gel des menschlichen Lebens, wie Shakespeare, Gothe, Schiller es uns enthüllt haben, würde er nie erreicht haben. Stagnelius' Genie ist ein rein lyrisches, die schönsten Stellen seiner Tragödien haben einen lyrischen Schwung, und seine verbreitetsten und bes liebtesten Dichtungen gehören der Lyril an. Der Rhythmus ift. Der Rhythmus ift mannigfaltig, der Stil biegsam und geschickt behandelt, der Verse bau wohlflingend. Seine Elegieen, die er geschrieben, erinnern zuweilen an Göthe's Römische Elegieen; seine Sonnette haben eine strengere Form und mehr Korrektheit als die Schlegelschen. Aber der Grund seiner Seele ist düster, seine Oden, feine Elegieen und Sonnette find mit einem Trauerschleier überkleidet. Er singt nicht, er seufat und weint nur; Alles, was er sieht, erweckt in ihm schwermüthige Gedanken. Wandelt er über einen Gottess acer, fo beneidet er das Glück derer, die in den Grabern schlas fen; denkt er an seine Liebe, so ruft er aus:,,Meine langgehegs ten Wünsche, ihr werdet doch nicht befriedigt; mein Leben ist nur den Thränen und der Trauer geweiht; Du wirst, Geliebte, für mich ewig den hohen Sternen gleich seyn, die mir lächeln, die ich aber nicht berühren kann." Allenthalben, wohin er seinen Blick auf die ihn umgebende Natur wirft, sucht er ein Asnl, wie ein dem Schiffbruch entronnener Matrofe nach dem Hafen spdht. Dann geht er weit weg von den Menschen und ruft aus:3 bin allein! Der Genius des Schmerses mit feiner bleichen Stirn, feinem thrdnenbeneßten Angesicht begleitet mich in die Einsam feit und in die Dämmerungen des Abends; die Schwdne der Erinnerung erheben ihre Stimme auf dem Ocean der Zeit." Buweilen gefällt er sich dann in feinen Schmerzen, fegner die qudlenden Wünsche, die ihn verfolgen, und die Thränen, die er vergießt. Aber eine Düfterkeit, von der ihn nichts zerstreut, bringt ihn fast beständig zu seinem mystischen Glauben zurück. Die Seele ist ihm eine Königstochter des Himmels, die auf diese jammerbelastete Erde verbannt worden; der rieselnde Strom, der

fächelnde Wind unterhält ihn von den verlorenen Freuden einer anderen Welt. Er hört in des Abends Stille einen harmonischen Gesang wie Sternenmusik, der ihm die Dornenbahn, wohin er sich verirrt, zu verlassen und in die Regionen des Lichtes sich zu schwingen einladet; da erhebt er sich zu Gott und feiert mit Ins brunst die heilige Jungfrau, Christus, die Kirche und die ewige Seligkeit. Seine Lyrik ist mystisch wie die von Novalis, mit dem Unterschiede, daß die des Deutschen sich auf Natur grün det, die des Stagnelius einem luftigen Wolkenbilde gleicht. Die Sammlung seiner religiösen Oden, die den Titel, Lilien von Saron" fährt, wie die meisten seiner anderen lyrischen Com positionen, sind ein großartiger Wiederschein dieses idealen Traumes, der nur die Erde berührt, um mit neuer Schwungs Praft den himmlischen Sphären zuzufliegen. Aber sie haben den Fehler, daß immer dieselbe Saite ertönt, derselbe Gedanke in verschiedenen Formen immer wiederkehrt, das musikalische Thema in seinem Grunde unveränderlich ist und nur in seinen Variationen wechselt. Die Zugvögel" (Finitvoglarne), welche wir hier mittheilen, mögen als ein Beleg leichterer Art zu dem Gesagten dienen.

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Die Zugvogel.

Der Vögel Chor zieht raschen Fluges
Jest fort vom rauhen, kalten Nord,
Kein Riegel hemmt den Strom des Zuges,
Nicht unbekannter Meere Port.

Doch feufsen fie: Mein Gott, wohin?
Was ist des Schweifens Ziel und Sinn?

Wir scheiden bang von Schwedens Auen,
Der Jugend Land, der Heimat Grund,
Wo Nefer wir auf Linden bauen,
umspielt von Zephyrs lauem Mund.
Was ziehn und fliehn wir ängstlich fort,
Was drängt und treibt uns von dem Ort?

Da, wo die Nacht mit hellem Glanze
Im stillen Segensschooß uns fäugt',
Im Silberschmuck, im Blüthenkranze
Bon Blumenduft und Mond erzeugt?
Es floh der Schlaf, die Matennacht
Ward durchgekost, in Lieb' durchwacht.

Rund streckten sich des Baumes Zweige,
Es troff die Blüth', es troff das Kraut

Bon Thaues Perl'. Nun ist die Eiche para ano) sind
Entlaubt, der Rose Kelch ergraut,

Der Frühling todt. Bald virscht im Schnee
Des Wald's der Jäger auf das Reh.

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Mannigfaltiges.

Bur geographischen Kenntniß der Türkei. Der gegenwärtige Aufenthalt Preußischer Offisiere in der Europäischen und Asiatischen Türkei dürfte besonders auch für die geographische Wissenschaft von wesentlichem Nußen seyn. Es ist laum glaubs lich, wie sehr in diesen Gegenden, die doch in den frühesten auf uns gekommenen Urkunden schon erwähnt werden und zum Theil der Schauplas der ersten Menschenbildung waren, alle Karten und alle Darstellungen irre führen. Berge werden nach Ebenen verseßt und Flüffe angegeben, die entweder gar nicht existiren oder eine ganz andere Richtung nehmen. Während unsere Landsleute ihren früheren Aufenthalt im Ballan-Gebirge und in den Feftuns gen des Schwarzen Meeres au interessanten Karten Zeichnungen und Plateaus Aufnahmen benåßten, die über Bulgarien und Rumes lien die sichersten wissenschaftlichen Aufschlüsse versprechen, haben Privat-Nachrichten, die von dem Freiherrn von Moltke aus Maɛ latia und von Herrn von Vinde aus dem alten Angora einges gangen sind, dhnliche Untersuchungen in Bezug auf Klein, Assen in Aussicht gestellt. Namentlich hat Herr v. M. eine Karte des füdöstlichen Klein Asiens entworfen, welche das Land zwischen Mosul, Siwas, Konieh, den Eilicifchen Passen, Marsch und Urfa umfaßt. Sie wird daher eine Lücke ausfüllen zwischen der Arbeit des Englischen Konfuls zu Erzerum, Herrn Brand, und den von dem Britischen Oberst Chesney geleiteten Aufnahmen der Euphrats Erpedition. Herr Hauptmann Fischer hat seinerseits eine Karte von Karamanien und Jesch Ili entworfen, welche durch die Reife des Herrn Hauptmann von Vincke wahrscheinlich noch nördlich ausgedehnt werden wird, so daß dann in Verbindung mit der Guilleminot'schen Karte von West Klein Aften das Material vors handen seyn wird zu der ersten richtigen Karte von Klein-Aßten.

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