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ner Schöpfungen. Jenes göttliche Weib, mit der jugendlichen Gestalt, das auf einer Muschel, von Göttern und Tritonen ums ringt, fich auf den Wellen schaufelt; es ist weder Thetis, noch Amphitrite, es ist Galathea, welcher Fornarina ihre schlanken herrlichen Körperformen und ihre kindlichen Züge lich, auf des nen ein leichter Hauch der Wollust schwebt. Wer die unbegränzte Glaubensbegeisterung, die glühendste Andacht schauen will, deren das weibliche Herz nur immer fähig ist, der betrachte die Trans figuration. Jene im Vordergrund knieende Frauengestalt, welche einem Kinde das Wunder zeigt, das sich vor ihnen zus trägt, diese Frau ist Fornarina. Ueber den Altären, wie in den Paldßten seiner pdpflichen oder fürstlichen Beschayer, überall malte Raphael das Bild feiner heißgeliebten Fornarina. In dem Garten Pavillon des Palastes Borghese sieht man das Fresko: Portrait der Fornarina, und in der Gemälde Galerie desselben Palastes wird noch ein anderes von ihr aufbewahrt; doch das getreuefte und echteste Abbild der Geliebten Raphael's sieht man im Palast Barbarini; es ist in halber Figur und in einem etwas seltsamen Style gemalt. Bis zum Gürtel nackt, verhüllt Fornas rina ihren Bufen mit einem leichten durchsichtigen Schleier; mitten unter Blumen sißt sie in einem Gebüsch; um ihr Haupt ist eine Art Turban geschlungen; am linken Arme trägt sie eine Spange, auf welcher,,Raphael Urbino" geschrieben steht. Die Nase ist ein wenig breit, und die Augen groß und lebhaft; ihre Haare waren hellbraun, sind aber etwas ausgeblaßt und mehr goldgelb geworden. Es scheint, als wären die Italiänischen Meister dem Geschmack ihrer Vorgänger, der Italidnischen Dich ter, treu geblieben, die eine große Vorliebe für das goldene Haar zeigten. Horas, Ovid, Propers, Catull, die in ihren unsterblichen Versen die Schönheit einer Lesbia, Porrha, Sagana und Canidia besingen, preisen stets die schöne Haarfarbe, flavam comam, ihrer Geliebten. Auf der Tribune der Galerie zu Florenz befindet sich noch ein anderes Portrait von Raphael, welches ebenfalls die Fornarina vorstellen soll.

Von der Geschichte der Fornarina ist uns nur wenig durch Sagen, die noch jest im Munde des Römischen Volles leben, aufbehalten worden. Ihr eigentlicher Name ist ganz unbekannt, denn Fornarina ist nur ein Diminutiv von Fornaja (Bäckerin); doch heißt noch jezt ein kleines, altes Haus, in dem sich ein Backerladen befindet, und das an einer Brücke nahe am Ein gange der Straße Balbi liegt, Casa Fornarina. Auf einer kleinen Marmortafel in der Mauer des Häuschens sind diese beiden Italias nischen Worte eingegraben und sollen Zeugniß davon geben, daß es einft von der Geliebten Raphael's erbaut wurde. Dieses Haus steht in einer dden, abgelegenen Straße, in einem der wenig besuchten Viertel von Rom. Selten verirren sich Reisende, welche die Denks måler und Alterthümer der ewigen Stadt besuchen, bis hierher zu diefer Ruine, von deren Daseyn man kaum etwas weiß, und nur zus weilen begegnet man daselbst irgend einem ernsten, nachdenklichen Deutschen Wanderer, der diesen Ort aus Ehrfurcht vor dem Ans denfen des großen Römischen Meisters aufsucht. Hier erblickte Raphael Sanzio di Urbino im Jahre 1508, als er sich nach dem Palaste des reichen Banquiers Agostini Chigi begab, dessen Fas milien Kapelle er mit Gemdiden ausschmückte, zuerst seine Fors narina, die im Laden ihres Vaters kleine Brodte verkaufte. Da vergaß er, troß aller freundlichen Erinnerungen seines Gönners, feine angefangenen Fresten und entworfenen Gemälde; seine Morgenbesuche im Bäckerladen waren so häufig und dauerten so lange, daß fie dem Fortschreiten seines später unter dem Na men der Raphaelischen Stanzen so berühmten Werkes sehr nach, theilig wurden. Da nun aber der alte reiche Banquier gern die herrlichen Entwürfe des jungen Künstlers vollendet sehen wollte, fo entschloß er sich, die schöne Bäckerstochter in seinen Palast einzuladen, um dadurch den Flüchtling zu seinen verlassenen Werken zurückzuführen. Sie folgte dieser Einladung, und der junge verliebte Meister arbeitete nun wieder ununterbrochen an feinen Gemälden.

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Von dieser Zeit an blieb Fornarina bis zu Raphael's Tode seine, unzertrennliche Gefährtin; er konnte ohne feine Geliebte gar nicht mehr leben, und als er die berühmten Vatikanischen Logen malte, nahm er sie selbst mit in den päpstlichen Palast. Dem Papste war die beständige Anwesenheit der Geliebten Ras phael's ein Mergerniß, denn jedes Mal, wenn er den Künstler besuchte, um feine neuen Entwürfe und die Fortschritte seiner Arbiten zu betrachten, fand er zu seinem Verdrußfe die schöne Fornarina bei ihm. Wer ist eigentlich dieses Mädchen, das ich hier beständig febe?" fragte Seine Heiligkeit einft mit unverstells ter übler Laune und Bitterkeit.,,Ew. Heiligkeit werden entschul digen, sie ist mein Augapfel", antwortete der liebeerfüllte Raphael. Mit Unrecht flucht die Welt dem Andenken Fornarina's und mißt ihr allein die Schuld des Unglückes bei, das Raphael in der Blüthe des Lebens und der Kung dem Grabe zuführte. Die übers máßigen Ausschweifungen, denen sich der Künstler hingegeben, follen, so fagt man, seine Krafie aufgerieben und die Welt aller der herrlichen Kunstwerke beraubt haben, die man noch von dem Urbinischen Maler zu erwarten berechtigt war, der schon im Früb ling feines Lebens so stolze und große Hoffnungen für die Zukunft erweckte. Eines Tages tam er ganz erschöpft nach Hause und wurde von einem heftigen Fieber, deffen Ursache er verbarg, ers griffen; man ließ ihm zu Ader, doch verschlimmerte sich fein Zus Hand immer mehr. Als er sein Ende herannahen fühlte, wünschte

er die Entfernung seiner Geliebten und sicherte ihr in seinem Testamente ein anständiges Auskommen für die Zukunft. Sein Tod wurde allgemein betrauert, und selbst der Papst Leo X. bes weinte den Verlust des Malers der,,Logen."

Die Lebensgeschichte der meisten großen Geister, deren Haupt schon in der Blüthe der Jugend die Glorie des Ruhmes umstrahlte, hinterläßt einen traurigen Eindruck. Sie blenden die Welt durd ihren plößlich auflodernden Glanz, wie jene Meteore, die von Zeit zu Zeit über die Erde dahineilen; aber dieser kurze Glanz verlöscht nur zu bald auf ewig. Wenn man auf die Annalen der Musik, dieser Schwester der Malerei, einen Blick wirft, fo fieht man Mozart und Weber aufleuchten und sterben wie Raphael. Und wie viel berühmte Manner, die einem traurigen Geschick zum Opfer fielen, trifft man nicht in der Geschichte der Literatur. Wie manchen berühmten Geist könnten wir nicht ans führen, der mit só mächtigen Fähigkeiten begabt war, daß er wie der Julius Stern des Römischen Dichters micat inter omnes Julium sidus alle neben ihm auftauchende Geister vers dunkelte. Die regen Gedanken, die gewaltigen Schöpfungen, die Arbeiten eines schaffenden, glühenden Geistes, welche ein langes Leben zu erfordern scheinen, füllen kaum den Raum einis ger, zwar ruhmvoller, doch fieberhaft aufgeregter, verzehrender Jahre. Der su feurige Geist erschöpft sich schnell zum Nachtheil seiner Körperkraft. Das unerläßliche Gleichgewicht zwischen den physischen und geistigen Fähigkeiten ist auf immer zerstört, und das Leben erlischt plößlich mitten in der erhabensten Thätigkeit; solche Menschen leben zu viel, um lange leben zu können.

So erlosch mancher große Genius, so starb auch Raphael. Wenn man seinen Tod anderen Ursachen, als den eben angeführs ten, zuschreiben will, so sollte man doch wenigstens das Andenken seiner vielgeliebten Fornarina nicht schmähen und sie nicht einzig und allein mit der Schuld feines frühen Dahinscheidens belasten. Empfindet auch der strenge Sittenrichter keine Sympathie für die Geliebte Raphael's, so sollte er doch wenigstens aus Achtung für den Mann, der sie so leidenschaftlich geliebt und mit seinem Ruhme umstrahlt hat, ihrem Namen nicht fluchen; und wenn er ein Abbild ihrer Reise in irgend einer reinen, keuschen Madonna des Weisters sieht, so follte er ihr mit der wohlwollenden Gesins. nung des Dichters verzeihen, der von ihr sagte:

Magt immer Mängel an ihr finden,

Schau thr ins Antlig, und sie schwinden.

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Mit dem Tode Raphael's verschwindet jede historische oder traditionelle Spur vom Geschick der Fornarina. Einer in Rom verbreiteten Sage nach, soll sie später bei Giulio Romano, dem Lieblingsschüler Raphael's, gelebt haben; wahrscheinlich hat die Aehnlichkeit, die zwischen den weiblichen Figuren des Meisters und Schülers vorwaltet, diese Vermuthung veranlaßt. Doch findet man diese Aehnlichkeit nicht bloß in den Werken des ges nannten Künstlers, sondern bei allen, die zur Schule Raphael's gehören, was also nur den Einfluß beweist, den das Vorbild des Meisters auf seine Schüler übte. Und dieser Einfluß ist ein durchaus natürlicher, der den Ruhm dieser Schüler durchaus nicht verkleinert. Man muß ihn nur nicht mit jener sllavischen Nachahmung verwechseln, die freilich nichts als ein Plagiat ist; er leitete nur alle auf denselben, einmal als vorzüglich anerkannten Weg, und daher sehen wir in mehreren Galerieen so viele weibs liche Portraits, die alle für die der Fornarina gehalten werden.

So wurde durch die Liebe eines großen Künstlers die Schöns heit eines einfachen Mädchens unsterblich; seltsame Laune des Schicksals, die mit dem Abbild einer namenlosen, aus der niedes ren Bollsklasse stammenden Frau die Mauern der Paläste und Papke, die Freude und den Stolz der Künstler machte. Wie Kirchen schmückte und daraus eine Augenweide der Fürsten und manche hochgeborene Schönheit mag das glänzende Loos der armen Fornarina beneiden, die von einem Raphael gemalt und von allen kommenden-Geschlechtern bewundert wurde. (New Monthly Magazine.)

England.

Bibliographie.

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Alfred Marcland, the would-be Traveller. - 51 Sh
America and the American Church. Bon dem Geistlichen H. Caswell..
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Von T. Rostoe.

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The Book of the Grand Junction Railway.
The Eight Watches. Bon J. Bruce.
Essays on some of the Dangers to Christian Faith. Von J. Whately.
Geometrical Theorems and Analytical Formulae. Von Dr. W. Wallace.
Lectures against Owenism. Von J. Beard.

Lives of Scottish Writers. Bon Dr. D. Jeving. 2 Bde.
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Principia Saxonica. Von T. Langley.

Town and Country Practice of the Court for relief of Insolvent Debtors-
Von R. Allen.
Treatise on Probabilities. Bon T. Galloway (from Encyclopedia Bri-
tamaica).

Das mit der heutigen Nummer zu Ende gehende Abonnes ment wird Denjenigen in Erinnerung gebracht, die in dem regelmäßigen Empfange dieser Blätter feine Unterbrechung erleiden wollen.

^vierteljährlich, 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie.

No 39.

für die

Expedition (Friedrichs-Straße Nr. 72); in der Proving so wie im Auslande bei den Wohlöbl. Bef - Aemtern.

Literatur des Ausland e s.

Schweden.

Berlin, Dienstag den 2. April

Laing's Reise durch Schweden. *)

Wer Herrn Laing's (auch in diesen Blättern_früher erwähnte) Norwegische Reise gelesen hat, dem wird es schwer werden, in dem vorliegenden Werke über Schweden denselben Verfasser zu erkennen. Man vermist hier ganz jene herzliche Sympathie mit der Natur und den Sitten des Nordens, welche den Zauber der erstgenannten Reisebeschreibung ausmacht. Ju Norwegen vers weilte der Verfasser einige Monate; er bejucite gesellige Zirkel und mischte sich unter das Volk, dessen Freimüthigkeit und haus backener Verstand ihm sehr zufagten. Das kräftige Freiheitsgefühl der Norweger fand in seinem Herzen vollen Anklang; aber auch ihre nationale Antipathie gegen Schweden scheint Herrn Laing angesteckt zu haben, und zwar in viel höherem Grade, als dies mit dem Geiste ruhiger Besbachtung verträglich ist. Herr Laing reift wie im Fluge durch das lezitgenannte Land er sieht von den meisten Dingen nur die Oberfläche, bringt die Eindrücke des Augenblicks, ohne fernere Prüfung, zu Papier und schreibt so ein Buch zusammen, das eine Menge voreiliger, auf Nichts be gründeter Urtheile enthält. Deffenungeachtet ist Herr Laing ein geistreicher Schriftsteller, immer scharf blickend und oft lebendig ausmalend. Er hat sehr gesunde, treffende Ansichten von deň Zwecken und Gegenständen politischer Einrichtungen; und aus dieser Ursache mag man es ihm zu Gute halten, daß neun Zehn theile seines Buches mit Politik angefüllt sind.

Als Herr Laing um die Mitte des Mai in Norwegen ankam, war der Boden noch mit Schnee bedeckt. Im Anfang des Juni betrat er Schweden, wo ihm alsbald neben der größeren Fruchts barkeit des Erdreichs größere Aermlichkeit der Bewohner und Verwahrlosung an allen Ecken auffiel. Schweden ist im Vers gleiche mit Norwegen ein durchaus ebenes Land; aber seine fachsten Strecken erhalten-durch die Ueberreste physischer Revolus tionen, welche man daselbst vorfindet, einen eigenthümlichen Reiz.

,,Das Merkwürdigste in diesen Gegenden sind die zahllosen Blöcke von Granit, Gneis und anderem Urgeßtein, mit welchen die Oberfläche bedeckt ist. Auch auf der ganzen Dänischen Halbs infel und in einem Theile des nördlichen Deutschlands findet man solche erratische Blöcke, wie die Geologen fie nennen. Es ist schwer au fagen, woher diese Steinmaffen gekommen find und welches Agens ihnen den Impuls zur Wanderung gegeben hat.**) Die im Norden des Wener befindlichen Blöcke haben abgerundete Formen, als wären sie einer bedeutenden Friction ausgefeßt ges wesen, wogegen man an denen, welche zwischen dem Wener und Hielmare liegen, scharfe Kanten wahrnimmt. Die leßteren müssen also von dem nagenden Einflusse der Gewässer mehr verschont geblieben feyn. Diese charakteristische Verschiedenheit wird immer merklicher, je weiter man nach Osten vorrückt."

,,Von der Gränze aus ist das ganze Land so flach, wie die mittleren Grafschaften Englands. Nar sanfte, wellenartige An höhen begränzen den fernen Horizont. Die erratischen Blöcke find hier nicht, wie höher im Norden, regellos über die Ebene verstreut; fie gruppiren sich wie Kiestörner, die ein Kind auf einem Tische zusammenfegt, und bilden längliche, schmale Reihen, wie Felsen Eilande in der grünen Ebene. Selten ragen sie mehr als 30 bis 40 Fuß über den Boden empor; aber die Straße windet sich doch um sie herum, wie um Gebirge, da es nicht möglich ist, darüber hinweg zu fommen."

Herr Laing befpöttelt mit Unrecht die in Schweden herrs schende Sucht, Inschriften in Runen Charakteren abzufassen und an der Landstraße aufzupflanzen. Nationale Liebhabereien ers scheinen dem Fremden sehr leicht seltsam und lächerlich; wenn aber irgend eine derselben vorzugsweise Nachsicht verdient, so ist es gewiß diejenige, welche einen warmen Sinn für die Ueberreste einer alten Literatur bekundet. Viel tadelnswerther noch, als sein Sport über die Runen, ist sein absprechendes Urtheil über Islands Sprache und Literatur, die ihm beide ein fremdes Gebiet sind.

A Tour in Sweden ete. (Wanderung in Schweden im Jahre 1838. Enthaltend Beobachtungen über den moralischen, volitischen und ökonomischen Zustand der Schwedischen Nation.) Von Samuet Laing. London, 1839.

Neueren Beobachtungen zufolge, die man in Finnland gemacht, scheint es das Eis gewesen zu senn das diese vereinzelten Steinblöcke in Bewegung gefeßt und nach entfernten Gegenden getragen hat.

1839.

Er läßt die Edda's und Saga's ohne vernünftigen Grund im vierzehnten Jahrhundert entstehen, statt im zwölften, und behaup tet am Ende gar (wie einige Stock Philologen vom Sanskrit angenommen), die Jsländische Sprache sen eine moderne Erfindung. Von der Scenerie auf dem MålarıSee, der jest mit Dampf befahren wird, giebt Herr Laing folgende Beschreibung: Die Umgebungen dieses Sees haben einen lieblich malerischen Chas rafter. Schon bewaldete Landspigen kreuzen einander schön bewaldere Eilande steigen hinter einander empor. Die Bäume stehen dem Wasser so nahe, daß der Uferrand verschwindet; und dieje Häume und nicht etwa dûstere, lanzenarug zum Himmel hinanstarrende Tannen, wie an den Seen Norwegens, sondern wohlgerundete, in üppigem Laubwerk prangende Buchen, Mass holder und Birnbaume. Zehn Stunden lang glaubst Du, zwischen bezauberten Inseln dahin zu gleiten, und endlich landest Du in der komfortioseften, profaischsten Wirklichkeit, in Stockholm! Hier giebt es weder große noch Pleine Gasthöfe, weder Lastträger noch Lohnkutscher, die auf dem Kai des Fremden warten, ihre Karten in seine Hand drücken und ihn auf den ersten Wink nach dem gewählten Logis fördern. Der Reisende muß sich selbst um eine Nachtherberge und um alle Bequemlichkeiten des Lebens bemühen."

Diese komfortlose Stadt besißt nach Herrn Laing nur ein wahrhaft schönes Gebäude.,,Das Königliche Schloß ist der erste und zugleich leste Gegenstand, welcher das Auge des Fremden fesselt. Die edle Einfalt seines Baues, der nicht mit Annlosen Schnörkeleien überladen ist, die Großartigkeit seiner Dimensionen und der Eindruck, den er auf jeden Zuschauer von geläutertem Sinn für das Schöne hervorbringt, sichern diesem Palaste einen ehrenvollen Rang unter den trefflichsten architektonischen_Kunsts werken der neueren Zeit. Er hat den ungemischten Charakter des einfach Erhabenen."

Die Hauptstadt Schwedens ist keinesweges eine reiche Stadt; fast alle Privathäuser verkünden, daß ihre Befißer nur in mittels mäßigen Glücksumständen sind. Das schlichte Ansehen der Häuser und der Mangel an Equipagen in den Straßen stehen mit den vielen wohlgekleideten Personen, denen man auf den Straßen begegnet, in lebhaftem Kontraste. ,,Man sieht hier", sagt der Verf.,,,den Einfluß des Hofes in einer kleinen Stadt. Wohl habend fcheinen ist ihre Lebensregel." Die große Sterblichkeit in Stockholm ist bereits von Forsell besprochen worden, einem schdßbaren Schriftsteller, dem Herr Laing Vieles verdankt. Allein der Lestere verweilte in Schwedens Hauptstadt zu kurze Zeit, als daß er jene verborgenen Ursachen der Abnahme ihrer Bevölker rung, welche sogar den einheimischen Statistikern entgangen sind, hatte erforschen können. Stockholm ist für eine Bevölkerung von 80,000 Seelen sehr gerðumig gebaut und außerdem eine reinlich gehaltene und gut mit Wasser versorgte Stadt. Herr Laing bes hauptet, auf diese Thatsachen geftüßt, daß jene große Sterblichs keit nur moralische oder politische Ursachen haben könne. Er ist im Allgemeinen auf ganz gutem Wege; allein der von Forsell angeführte Umstand, daß die Sterblichkeit Stockholms im Mars am größten und im September am kleinsten ist, hatte ihm eins leuchtend machen sollen, daß jene Ursachen in jedem Falle mit der Lebensweise der Bevölkerung während der Winter Monate in Verbindung stehen und also zur Sommers Zeit, in welche Herrn Laing's Besuch fällt, nicht wohl ermittelt werden können. Gleich mit Winters Anfang beginnt man in Stockholm, zu walzen, und man walat so lange, bis aller Schnee verschwunden ist. Dabei wers den die Fenster luftdicht gemacht, um die Kälte abzuwehren; und so athmen die Bewohner mehrere Monate lang in wohlbevölkerten Stuben eine angesteckte und verdorbene Atmosphäre. Ungezügels ter Hang zum finnlichen Lebensgenuß ist ohne Zweifel eine der vornehmsten Ursachen, warum der numerische Werth des Lebens in Stockholm um ein gutes Theil_tiefer_finkt, als in London; aber ohne Zweifel ist auch die unfinnige Gewohnheit, alle frische Luft aus den Gemächern entfernt zu halten, eine wesentliche physische Ingrediens, die dem moralischen Gifte sich beigefellt.

Der Verfaffer philofophirt mit besonderer Ausführlichkeit über die merkwürdige, jeden Statistiker verwirrende Thatsache, daß die Schweden, obgleich von dem übrigen Europa abgeschies den, größtentheils Landbau und Viehzucht treibend, im Bestse wohl organisirter und wohl vertheilter Schulen und einer soliden Kirchenverfassung, in welche Pein Sektirer oder Schismatiker vers derbliche Eingriffe thut, nichtsdestoweniger moralisch entarteter

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find, als jede andere Nation Europens, entarteter, als irgend ein der Bevölkerung Schwedens entsprechender Theil des dicht ges drängten, fabrittreibenden Britischen Volkes. Es ergiebt sich aus statistischen Tabellen, daß im Jahre 1835 auf 140 Bewohner Schwedens durchschnittlich ein Verbrecher kam. In England und Wales stellte sich das Verhältniß der überführten Verbrecher nach dem legten bekannt gewordenen Census (1831), wie 1 zu 1005, und in Irland (1834) wie 1 zu 723 der übrigen Bevölkes rung. Welch ein Unterschied!.

Herr Daumont, der im Jahre 1831 Schweden bereifte, spricht von dem langen Lebensalter der Bewohner und macht, angeblich auf die Autorität der Forsell'ichen Tabellen gestüßt, hinsichtlich der dortigen Sterblichkeit Berechnungen, die mit For sell's Angaben ganz unvereinbar sind. Auch giebt er uns ein sehr verdächtiges Zeugniß zu Gunsten der Schwedischen Morali: tát. Er sagt unter Anderem: ,,Solche Verbrechen, welche die Gesellschaft erschrecken und ihre Existenz bedrohen, sind hier beis nahe unbekannt. Kaum findet man ein Beispiel von Räuberei oder Mord auf den Landstraßen." Ganz anders urtheilt Herr Laing, dem die nämlichen Tabellen vorliegen; dieser summirt die in Schweden begangenen Wordthaten und Räubereien, und sein Ergebniß lautet, das die Schwedische Nation an Sittenlosigkeit alle Europäische Nationen übertreffe. Der Französische Reisende war in seinen Untersuchungen schwerlich genau, wogegen Herr Laing die numerischen Details der Schwedischen Grfuel mit der Schärfe und Strenge eines Rhadamanthus darlegt. Man kann ihm zwar einwenden, daß die Verschiedenheiten der polizeilichen Systeme, der Sprache des Kriminals Gefeßbuches und der Claffis fication der Verbrechen eine moralische Vergleichung mehrerer bürgerlicher Gesellschaften, die unter verschiedenen Geseßen leben, sehr erschweren müssen; aber dieser Einwurf ist doch zu allge meiner Natur, als das er die Ergebnisse des Herrn Laing von Grund aus erschüttern könnte.

Forsell erklärt die moralische Entartung des Schwedischen Volkes aus seinem leidenschaftlichen Hange zu berauschenden Ges ranken; wogegen Herr Laing behauptet, daß die Quantitat der in Schweden konsumirten Branmwein Sorten nicht unverhältniß másig groß und also nicht geeignet sen, ein solches Problem zu lösen. Er hatte jedoch bedenken sollen, daß die Zunahme der Comfumtion berauschender Getränke in Schweden unverhältniß maßig groß ist, wenn man dies auch nicht von der ganzen Quane titat fagen kann. Die Quantität Branntwein, welche auf jedes Individuum fomint, ist heutzutage um das Doppelte größer, als fie vor funfzig Jahren gewesen. Hören wir nun Herrn Laing's cigene Motivirung des sittlichen Ruins der einst so kräftigen, Schweden, die, troß ihrer numerischen Unbedeutendheit, den Europäischen Kontinent zwei Mal in Schrecken gesezt haben.

Ich für meinen Theil argwöhne, daß die bürgerliche Ver fafung des Landes ein tief wurzelndes Uebel in ihrem Schoße birgt. Die öffentliche Weinung zu Gunsten der Moralitat wird von dem allzu furchtbaren llebergewicht privilegirter Klassen solcher Personen, die jeden ihrer Wünsche und Lebenszwecke durch ganz andere Mittel, als öffentliche Achtung, die auf sittlichen Werth gegründet ist, erreichen - niedergedrückt und vernichtet. Zu den erwähnten Klassen gehören aber nicht bloß der erbliche Adel, das Militair und die Gelehrten, sondern auch der Schneider, der Schuster, der Schmied, der Material Handler — furz, jedes Individuum, das ein Gewerbe treibt, im weitesten Sinne des Wortes. Alle höhere und mittlere Stände bilden eine priviles girte Klasse oder Körperschaft, von der jedes Mitglied in seinem Bereiche auf gefeßlichen Schuß rechnen kann, wenn fremde Ein mischung seine Erwerbs Mittel gefährdet. Es ist in Schweden nicht wie bei uns, wo das tagliche Brod des Geschäftsmannes und die Werthschäßung, des Individuums, gleichviet, welchem Rang es angehöre, nur auf seine Thätigkeit und Geschicklichkeit, seinen Charakter und moralischen Werth sich gründen; diese Vors theile erwachsen bei den niederen und mittleren Klassen in Schwes den schon aus den Rechten und Privilegien der Körperschafts und bei den höheren bedarf es nur der Geburt und der Gunst des Hofes oder der Regierung, um sie ungestört zu genießen. Die öffentliche Meinung von einem Charakter und feinem Bes nehmen in den mannigfachen Verhältnissen des Lebens ist selbst für den Handarbeiter kein nothwendiges Element zu seinem Ges deihen und Fortkommen.

Sehr treffend sind Herrn Laing's Bemerkungen über die Zweckmäßigkeit einer unbejoldeten Magistratur, aus denen wir zugleich ersehen, in welchem Grade er den Geist einer Constitus tion au schdßen weiß, welche mehr auf den wachsenden Einfluß der öffentlichen Meinung und Gesittung zählt, als auf die Mög lichkeit, das Gute und Lachtige mit Geld zu erlaufen.

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Wenden wir uns nun zu der physischen Lage des Schwer dischen Volkes. Herr Laing versichert uns, auf die Autorität eines sehr verständigen und in der Statistik seines Vaterlandes wohlbewanderten Mannes, daß die Britischen Verbrecher und Armen besser leben, als eine gute Hälfte der Schwedischen Nas tien. Unter Armuth versteht man in Schweden absoluten Mangel a Speise, Kleidung und Breunmaterial. Der Tagelohn der arbeitenden Klassen hat sich in den lehten Jahren dergestalt vers ringert, daß ihre ganze Lage um Vieles schlechter geworden ist; und ein großer Theil des Landvolkes lebt von der gröbsten Kost und wohnt in Baracken, die kaum gegen das Wetter schüßen. ünter solchen Umständen glauben wir unbedenklich, daß die grajurende Armuth der Schweden eine wirksamere Ursache ihres

tischen Verfassung oder alle sumal. Herr Laing hat aber gerade den Zusammenhang der öffentlichen Noth mit dem sittlichen Vers derben unbegreifllcher Weise übersehen; er vergist, daß Menschen, die an jedem physischen Comfort Mangel leiden, nicht eben einen besonderen Impuls zu sittlicher Veredelung haben. Die erste und wesentlichste Bedingung gesellschaftlicher Lugend in jedem Staate, gleichviel, nach melchen Prinzipien er regiert wird, ist die burger: liche Wohlfahrt der niederen Stände."

Ein Dampfschiff, das von Stockholm aus nordwärts nach dem Botnischen Meerbusen fuhr, lockte Herrn Laing glücklicher Weise von dem Schauplaße seiner düsteren Betrachtungen ab. In wenigen Tagen erreichte er Umeå, ein Städtchen der Provinz Lappmarken, unter 63° 50 N. Breite, welches im Sommer eine Menge Besucher aus der Hauptstadt anzieht, die sämmtlich nach einem etwas nördlicher belegenen Berge cilen, von dessen Gipfel man im Sommer Solstiz die Sonne um Mitternacht über dem Horizonte sehen kann. Von Umeå spricht unser Reisender in fol genden Ausdrücken schmeichelhafter Vergleichung:

,,Dieses Städtchen, wie überhaupt alle Städte, bei denen ich vorbeigekommen, hat mit unseren Küstenstädten große Aehnlich Peit. Die Einwohner leben hier, wie dort, von Fischereien, Schiffbau und Waarens Spedition. Die Tracht der Bauern ist ungefähr wie die des Schottischen Landvolks. Der Unterschied zwischen den Städten an der Schwedischen und denen an der Britischen Küste neigt sich, meines Bedünkens, zu Gunsten der ersteren. Diese sind offener und luftiger gebaut, die Straßen reinlicher gehalten und beffer gepflastert, die Hauser gerdumiger und zierlicher. An jedem Hause bemerkt man Fenstergardinen, und jedes Fenster ist mit Blumentöpfen geschmückt. Die Gasts häuser sind vorzüglicher. Ich befinde mich hier in einem Hotel, wie es schwerlich eine der kleineren Städte Nord: Schottlands, Invernes etwa ausgenommen, aufweisen dürfte. Umeå, dessen Einwohnerzahl nur 1100 Individuen und dessen Entfernung von Stockholm 470 (Engl.) Meilen beträgt, hat zwei Buchhandlungen, in denen man eine schöne Auswahl neuerer Bücher vorfinder. Alle Bequemlichlichkeiten und selbst alle Lurus Artikel sind hier eben so reichlich zu haben, wie in unseren kleinen Städten, und viels leicht auch den niederen Klassen zugänglicher, da die tägliche Le bensweise hier weniger kostspielig ist. Weber das dußere Ans sehen, noch die Sitten des Volkes verkünden Rohheit, Unwissens heit oder Sittenverderben. Nichts erinnert an Lappland als etwa die Nahrungsmittel."

Herr Laing scheint die rasche Zunahme der Bevölkerung im nördlichen Schweden wenig beachtet zu haben, und doch ist es faktisch, daß in Lappmarken, in der Nche des Polarkreises, die Bevölkerung um das Fünffache mehr anwächst, als in dem Distrikte von Upsala. Zum Theil hat dies seinen Grund in den beständigen Wanderungen nach Norden. Warum aber, so kann man fragen, warum wandert der Schwedische Bauer näch Lapps land? Sind die weiten Ebenen des südlichen Schwedens weniger. fruchtbar, oder haben sie ein rauberes Klima als die Wälder und Einöden am Botnischen Meerbusen? Nein - wir müssen es mit Schmerz sagen das Schwedische Volk verläßt den weit früher kultivirten Theil seines Vaterlandes und flieht in minder wirths liche Gegenden, um nur außer dem Bereiche einer Aristokratie zu seyn, die das Volk in Armuth stürzt und es durch ihr Beis spiel zur gröbsten Sittenlosigkeit verführt. Dies ist ein Pankt den Herr Laing nur oberflächlich berührt. In seinem Eifer, die verborgeneren Ursachen des Sittenverderbens der Nation ans: Licht zu bringen, übersieht er diejenigen, welche hell am Tage. liegen. Selne Nachrichten von der kleinen Insel Gochland find nicht ohne Intereffe; und in seinen Betrachtungen über das wahrscheinliche Schicksal der in Schweden regierenden Dynastie zeigt sich uns wieder der kühne und selbstständige politische Denker. Wir können aber in die Schilderung der Gesinnungen einer Nas tion, welche von der Hand eines eilfertigen Reisenden entworfen ist, kein unbedingtes Vertrauen feßen. Unzufriedenheit und auf rührerischer Sinn des großen Haufens haben immer ein Heer kleinlicher Interessen im Hintergrunde, während diejenigen, denen : Glück und Wohlfahrt eines Staates wahrhaft am Herzen liegt, gern in Ruhe bleiben, und war es auch zum Nachtheil ihrer pers sönlichen Intereffen. (Athenaeum.)

Nord Amerika.

Amerika's Aussichten auf eine National Literatur.

(Schluß.)

Doch die Institutionen allein reichen noch nicht hin, eine Lis teratur zu erzeugen, wie fle Channing meint: die Institute föns nen wohl das Genie der Individuen bilden, aber nicht schaffen. Um zu entstehen, braucht sie irgend einen großen Impuls von außen. Die dieren Schwestern der Amerikanischen Literatur. sind aus Einflüssen hervorgegangen, welche sich jezt erschöpft ha ben und die, wenn sie auch einen Rest von Leben behalten hätten, nicht jene saftigen Früchte liefern könnten, die der Moralist für sein Volk braucht. Von diesen also erwartet er nichts: seine ganze Hoffnung beruht auf einer neuen Entwickelung des relis gioien Prinzips, auf einer Reform des Christenthums.,,Die Herrschend gewordene Theologie, welche uns die finsteren Zeitalter vererbt haben, hat ihre Aufgabe erfüllt. Alles, was unter ihrem Schatten wachsen konnte, hat sich ausgebildet. Sie hulle die Nas

überladet das Christenthum mit willkürlichen Dogmen. Der wahre Glaube ist von anderem Gehalt." Dieser höhere Glaube, der eine neue Aera für die Literatur herbeiführen soll,,,ift durch aus ein rein geistiger, ein Glauben an die Realität und unvers anderlichkeit unserer Seele, ein unbeschränktes Vertrauen auf die echte Tugend, auf die herrlichkeit des Geistes als höchstes Gut, auf Gott, als die Quelle dieses höchsten Guts, auf Jesus Christus, als den, der gelebt hat und gestorben ist, um dieses Gut in den Seift einzupragen: ein Vertrauen auf die Macht dieses geistigen Glaubens, auf seine Siege, seine Unsterblichkeit, ein Vertrauen, das allen Wechseln, Hemmungen und Leiden trost oder vielmehr fie zu Mitteln der Vervollkommnung macht."

Wie dieser geistige Glaube eine Revolution in der Literatur bewirken wird, ist aus den unbestimmten und enthusiastischen Allgemeinheiten, in die sich der Reformator verliert, schwer zu entdecken. Man sieht wohl eine rein geistige Welt und in dieser Welt ein neues soziales Leben, welches durch das religiöse Prins sip eine neue Kraft bekommt, und endlich als Refler dieses all gemeinen höher entwickelten Geistes eine reinere und höhere Li teratur; aber diese Welt ist nicht die unfere, diefer allgemeine Spiritualismus nicht das Leben unserer Menschheit. Ich leugne nicht die große und fruchtbare Gewalt des religiösen Geiftes, aber seine höchste Kraft sehe ich darin, daß er die Völker sittlich macht; die allgemeine Intelligens dagegen wird nur indirekt durch ibn befördert. Einige unter uns, die herrlich begabt und durch die doppelte Schule der Studien und außerordentlicher Schicksale gegangen find, werden immer jene Höhen erreichen, wo der Geist des Menschen dem Himmel am nächsten ist. Aber die Wenge klebt am Boden, wie der Leibeigene an der Scholle; der Wahn wüthender Leidenschaft mischt sich unter ihre besten Res gungen, und ihre reinfen Glaubenslehren sind ihr leider immer darum theurer, weil sie die ihrigen, als weil sie schöner find.

Der Doktor Channing malt sich einen schönen Traum; seine Phantasie befreit die Vernunft von den tausend Schleiern, die nur schwachen Schein zu ihr dringen lassen: er denkt sich den Menschen frei von lugnerischen Tauschungen, frei von jener uns feligen Eitelkeit, die ihn fortwährend verleiter, sein Gold mit einem schlechten Gemisch zu verunreinigen. Auch ist sein Ges danke eben so sehr mit Tauschung behaftet, als zu unbestimmt und wesentos. Die religiöse Reform, die er erwartet, ist unmögs lich, wenigstens in dem Charakter und den Wirkungen, die er fich davon verspricht; denn sie seßt den Menschen schon so vor aus, wie sie ihn erst machen sollte, fie verläßt sich auf eine Kraft der Vernunft, die ihm fehlt, auf die Mängel seines ges mischten, endlichen Daseyns.

Diese verworrene Abstraction, welche mit Recht an der So lidität der Gedanken des Verfassers zweifeln läßt, findet sich schon in dem Abschnitt, wo Channing einen Blick auf den wirklichen Anbau des Literaturfeldes wirft. Indem der Doktor für sein Land eine ernste, geistige Literatur will, wehrt er sich gegen eine Absicht, die man ihm vielleicht unterschieben könnte. Er sagt, er wolle nicht in seinem Lande ein Geschlecht von

Bücherwürmern schaffen, die sich in Abhandl

Griechischen Accent oder eine verrostete Münze erschöpfen." Aber wir sind der Meinung, daß die Vereinigten Staaten dies Alles mitnehmen müssen, oder daß sie keine Literatur haben wers den; es ist dies eine von dem wissenschaftlichen Leben, das der Dottor ersehnt, unsertrennliche Bedingung. Es giebt allerdings edlere Aufgaben für den Geist, als die Münzen zu entziffern oder mit Ernst nach Kleinigkeiten zu forschen; aber erstens können sich nicht alle Geister zu den höhern Gebieten des Gedankens hinaufs schwingen, und zweitens ist es ganz natürlich, daß, wenn die Geifter im Laufe ihrer Studien auf Dinge stoßen, die ihren Ges schmack besonders lebhaft intereffiren, fich literarische Manier und Einseitigkeiten ausbilden. Das einzige Mittel, diesen kleinen Krankheiten, die in Form und Wesen mit der Zeit sich verändern, zuvorzukommen, wäre dies, gar keine Literatur zu haben. Ulebris gens it feine Arbeit des Geistes mit Verachtung zu behans deln, so unbedeutend ihr Inhalt und Resultat feyn mag. literarische Republik ist eine Stadt, die Menschen aus allen Ständen zählt: den niedrigen handlanger, den Arbeiter jeder Art, die Maurer neben den Baumeistern; Reiche, die prachtvolle Paldste errichten, Arme, welche den Marmor und die Ceder dazu bereiten und etwas gelten, weil sie an der Arbeit geholfen haben. Ein fo gereinigter Literaturgeift, wie sich Channing ihn denkt, wird auf das Volk der Vereinigten Staaten nicht herabsteigen. Die Amerikanische Literatur wird eine menschliche fenn, so gut wie die Republikaner Nord-Amerika's Menschen find.

Die

Wer könnte jest vorhersagen, was diese Literatur seyn wird? Man fann es nicht einmal nach dem vermuthen, was wir gegen: wartig von diesem Volle wissen, denn der Befig einer Literatur ist schon das Resultat einer ungeheuren Umgestaltung des Nas tional Charakters: doch so viel läßt sich vorhersehen, daß sie auf awei Arten nicht entstehen kann. In den Vereinigten Staaten lieft Alles, aber was? Der thätige Theil dieses Volkes von vers wegenen Handelsleuten liest politische Zeitungen und Sammlun gennüßlicher" Thatsachen, die man får ihn alle Morgen in den kleinsten Flecken des Bundes druckt; die Reichen, die Muße haben und auch dies ist ein Prädikat, das ausschließlich den Frauen zukommt lesen, was die sogenannte elegante Welt in ganz Europa liest: Romane, Fabrik Memoiren, die frivole Lite: ratur der Revues, und, igiofen und eigentlich fer bwechselung, den empfindsam res profanen Jargon einer anderen Lites ratar, die nicht weniger stark bearbeitet, nicht weniger leer und

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steril ist. Wie diese doppelte Klasse von Lefern die Entstehung einer ernsten und originellen Literatur herbeiführen foll, kann i nicht finden. Der Staat selbst muß den Saamen dazu freuen, was Channing recht gut gefühlt hat, indem er den öffentlichen Unterricht seines Vaterlandes ungenügend nennt. Es müssen Universitäten gestiftet werden, wo die Jugend einen vielseitigen und gründlichen Unterricht empfangen wird; Bibliotheken müssen sich bilden, wo der Geist Materialien zu bearbeiten und der Forschungsfinn Schäße zu graben finden wird. Die verschiedes nen Klassen der Gesellschaft werden sich dann mit Menschen von reichem Wissen und gebildetem Geist füllen. So bildet sich ein Publikum, wo bisher nur ein Volk war. Aus diesem Publikum erheben sich die höherbegabten, die Dichter, die Historiker, die Philosophen, die Kritiker, die Redner und Gelehrte aus allen Ge bieten des Wissens. Dieses neue Leben wird sich an seiner Quelle immer aufs neue befruchten; so ist die National Literatur gegründet. Nan fragt es sich, wird diese Literatur ihr besonderes Leben führen, wird sie auf das öffentliche Leben wirken, ohne sich mit ihm zu verschmelzen, oder wird fie, mit der Politik zufammen gehend, manchen Zug der Griechischen Republiken ins Leben rus fen? Wird die Kunst den Handel und die Industrie von den hoben Stellungen, die sie in der Gesellschaft einnehmen, vers drängen? Diese Fragen lösen, hieße, noch viel tiefere und wichti gere für die Freistaaten von Nord Amerika entscheiden. Entwes der wird die Literatur durch und für sich leben, und dann wird sich in der Nation eine Art Aristokratie bilden, die start genug ist, der reinen Wissenschaft einen Theil der Geister wiederzugeben, indem sie dieselben über die politischen Intereffen erhebt, die uns ter der Demokratie alle Geifter beschafftigten; oder aus der übers mäßigen Zerstreuung der Gewalten werden der Nation Häupter erwachsen, die sie durch Genuß beherrschen und in der Entwicke lung der Künfte die Mittel suchen werden, sie zu tauschen und zu unterwerfen. An diese festere Alternative glaube ich nicht. Die Amerikanischen Republiken werden vielleicht ihre Tyrannen haben, aber keinen Perikles, wie die schon so oft angestellte Vers gleichung zwischen dem Alterthum und dem modernen Leben leicht ergiebt.

Die andere Alternative ist weniger unwahrscheinlich, und schon die Kühnheit einiger aus der hier angezeigten Schrift hers vorgehobenen Stellen ist ein merkwürdiges Symptom. Hátte der Amerikanische Doktor nicht gefühlt, daß er sich auf eine schon mächtige Meinungs, Sympathie stuge, so würde er es nicht ges wagt haben, die National Freiheit der Unfruchtbarkeit anzuflagen, und man fann Herrn Channing ansehen als den auserwählten Sprecher der geistigen Aristokratie feines Landes, die in ihrem Herzen entschlossen ist, den edlen Eifer, den sie von der Literatur verlangt, durch Opfer zu erkaufen, damit das Vaterland dem doppelten Verderben des Egoismus und des Materialismus ents rinne. Ja, die Vereinigten Staaten werden eine National Lites ratur haben, nur wird fe ihnen die allmalige Unterdrückung der ausschließlich demokratischen Tendenzen kosten, die noch gegen wärtig an ihren Institutionen arbeiten. Ob dies ein Fortschritt oder ein Rückschritt seyn wird, muß das neunzehnte Jahrhundert (schon?) entscheiden.

Franfreich.

Nantes während der Schreckenszeit.

III.

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Als ich den Bürger Dufour verlassen hatte, begegnete ich Pinard und Gouillin, welche mich anredeten. Sie wollten beim Bolksrepräsentanten speisen und forderten mich auf, mitzugehen. Ich lehnte es ab, aber fie drangen in mich. Ich bedachte, ich hier vielleicht Gelegenheit finden könnte, Benoist nüßlich zu werden, und das machte mich schwankend.,,Komm", sagte Gouillin;,,wenn wir Dich vorstellen, wird man Dich gut aufs nehmen, und Du wirst die Bürgerin Caron kennen lernen." ,,Carrier's Maitresse ?" ,,Ja, eine Sirene, der zu Liebe man auf dem Kopfe tanzen fönnte."

Ich entschloß mich. Carrier wohnte damals am dußersten Ende von Richebourg. Sein Haus wurde sorgfältig gehütet, und wir mußten uns zu erkennen geben, ehe uns die Schildwache einließ. Wir fanden den Representanten auf dem Treppenabsage mit einem jungen Mädchen, welches in Thränen zu ihm flehte. Du liebst die Aristokraten", sagte er,,,ich die hübschen Mädchen; ich habe Dir gesagt, unter welchen Bedingungen Dein Bruder die Freiheit erlangen fann; eine Gefälligkeit ist der anderen werth." Unter diesen Worten wollte er ihre Hände fassen; das junge Mädchen bebte zurück. Ich will nicht zu einem Unglück ein zweites fügen, fagte sie mit edler Verzweiflung. ,,Dann scheere Dich zum Teufel, schrie Carrier;,,die Blondis nen liebe ich überdies nicht." - Wir waren oben angelangt. ,Ah", rief Gouillin,,,das ist die kleine Brevet; will sie noch immer ihrem Bruder Brod bringen?" ,,Ach!" schluchste fie, ,,gewähret mir wenigftens diese Grade." ,,Das könnten wir wirklich thun", sagte Gouillin; da ihr Bruder gestern fo viel getrunken, so wäre es nicht mehr als billig." Das Mädchen fchrie laut auf: Gouillin und Pinard wußten sich vor Lachen nicht au laffen. Ist es wahr?" rief sie endlich; Michel, sie haben Dich getödtet!" ,,Dummes Madchen", sagte Carrier, würde ich Dir sonst seine Begnadigang angeboten haben?" Sie schrie laut auf und breitete die Arme aus, um eine Stüße zu

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wahres Stachelschwein. Wenn ich Carrier wäre, hatte ich fie mir schon längst vom Halse geschafft. Aber wo ist denn Carrier? Gewiß bei der Bürgerin Caron, ich weite! Sagte ich's nicht? Da Find fie Beide." Der Representant erschien in der That mit Angelika, welche er umschlungen hielt. Diese war mit einer einfachen Tunika bekleidet. In seine Arme hingegossen, schien e seine Küffe herauszufordern. Auf mich machte dieser Anblick einen ekelhaften und befremdenden Eindruck. Ihre Schönheit schien mir entweiht. Als ich sah, daß sie auf mich zufam, wich ich zur Seite, um ihr Play zu machen. Sie bemerkte es und erröthete. Hierauf entwand sie sich den Armen ihres Liebhabers, der ein Gespräch mit Lamberty anknüpfte, und drückte mir im Vorübergehen ein Papier in die Hand. ,,Nehmen Sie", fagte fie, aber er möge Nantes augenblicklich verlassen." - Weine Antwort wartete sie nicht ab.

Als ich in meinen Gasthof zurückkehrte, fagte man mir, daß mich Jemand auf meinem Zimmer erwarte. Es war Madame Benvist. Sie sagte mir, daß der Name ihres Mannes auf der Liste der Gefangenen stande, welche noch heute Abend hingerichs tet werden sollten. Wir machten uns sogleich auf. Die Thur des Bouffai war mit Bewaffneten beseßt, welche uns nicht durch). lassen wollten. Alle unsere Bemühungen waren vergeblich. Schon stiegen die Vordersten der Verurtheilten zwischen einer Doppelreihe von Soldaten die Treppe hernieder. Sie waren fast nacke und jede Frau an einen Mann gebunden. Unter ihnen befanden fich junge Mädchen, welche das Gefühl der Scham noch bewahrt hatten; fie senkten das Haupt. Alle schritten langsam mit er stickten Seufzern oder Gebete murmelnd die große Treppe herab. Die Fackeln, welche zwischen den Piken und Bajonnetten hin und her slackerten, erhellten das grauenvolle Schauspiel. Måtter erhoben ihre Kinder und riefen:,,Eine Mutter für mein armes Kind!" Zuweilen tauchten hande zwischen den Bajonnetten auf, und Mütter warfen ihre Kinder hin, ohne zu wissen, wem fie zufallen würden.

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Als der Zug vorüber war, stieß Madame Benoist einen Freudenschrei aus, denn ihr Mann befand sich nicht darunter. Wir traten in den Schauen, um nicht gesehen zu werden. Die Bewaffneten schlugen den Weg nach der Loire ein, und man sah die Fackeln auf dem Flusse gidnzen. Hierauf ertönten Artschläge, dann ein schmerzlicher Aufschrei, und Alles war wieder ruhig. Die Gefängnißtreppe war frei geworden. Wir stürzten hinauf, und ich überreichte dem Kerkermeister das Papier.,,Der Bürger Benoist ist wahrscheinlich schon tode", sagte dieser,,,denn man hat ihn eben aufgerufen, ohne daß er sich gemeldet hatte." Madame Benoist ließ sich indeß das Gefängniß öffnen und ers schien bald wieder mit ihrem Manne. Wir stürzten uns in die Arme.

Nach Verlauf einer Stunde hatten sie Nantes verlassen, und auch ich machte Anstalten, mich zu entfernen. E. Souvestre.

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Mannigfaltiges.

Die Kaifertrönung in Mailand. Als ein kompes tentes Zeugniß für den Werth der bei Creuzbauer in Karlsruhe erschienenen bildlichen Darstellungen der Mailänder Krönung, ju denen Herr Aug. Lewald den Tert geliefert, darf wohl das Urtheil der Gazzetta di Milano gelten. Diese erklärt in ihrem Blatte vom 21. März, daß es feine vollständigere und glansendere Beschreibung und feine auch in künstlerischer Hinsicht vollendetere Illustration geben könne, als die in Deutschland herausgekommene Darstellung jener Italianischen Feste und Feierlichkeiten. Wäh rend die prachts und schönheitliebenden Mailänder es den Frans sojen gar nicht vergeben können, daß fie in der legten Zeit so oberflächliche und lugenhafte Berichte über das Thun und Treis ben des nördlichen Italien verbreiteten, laffen sie Deutschem Kunsts fleiße und Deutscher von Schmeichelei weit entfernter Redlichkeit der Auffassung ihre vollste Anerkennug zu Theil werden.

- Die Julis Revolution. Eine vollständige Zusammens stellung alles deffen, was feit dem Jahre 1830 über die Geschichte der Französischen Juli-Revolution geschrieben worden, liefert die jo während des leßten Jahres der Restauration, von einem ehemas deben bei Desenne in Paris erschienene,,Geschichte von Frankreich ligen richterlichen Beamten.") In der Vorrede führt der Vers faffer nicht weniger als 91 Werke an, die er bei seiner Dars stellung benügt hat. Indessen ist Vollstendigkeit das geringere, für sich in Anspruch nimmt. Wir werden vielleicht durch Wits Unparteilichkeit dagegen das größere Verdienst, das das Buch theilung eines Kapitels aus demselben unsere Leser in den Stand feßen, ein eigenes Urtheil darüber zu fällen.

Ich fürchtete, daß meine Abwesenheit auffallen möchte, und begab mich wieder zu den Gästen. Die Zahl derselben hatte sich vermehrt. Man fah Generale mit wollenen Epaulettes nach der damaligen Sitte, Mitglieder der Departementals Verwaltung in Holzschuhen und Richter beim revolutionnairen Gerichtshofe ohne Weste und Halstuch. Die Meisten rauchten, fpielten oder tranfen. Einige liefen hinter den halbnackten Frauen her, welche ihnen lachend entschlüpften. Man hörte nichts als Gldfergellirr, Flüche, fchmusige Gesange und lautfchallende Küsse. Nur eine häßliche und murrisch aussehende Frau saß allein in einer Ecke des Zims mers und strickte. Ich erkundigte mich nach ihrem Namen. Es ist die Gattin des Repräsentanten", sagte Pinard,,,ein

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