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Château d'Aur!", wiederholte ich. Ich lomme von dort und habe feine Gefangene gesehen." Ein allgemeines Gelächter erhob sich. Das ist fönlich!" rief Pinard; er hat das Calems bour nicht verstanden. Die Loire ist das Château d'Aur."

Bei diesen Worten fonnte ich eine Geberde des Abscheus nicht zurückhalten. Pinard hielt dieselbe für ein Zeichen der Uns geduld und sagte:,,Werde nicht ärgerlich, Cincinnatus; das ist ein Wig, den man mit den Gefangenen macht, wenn man sie aus dem Gefängnisse in das Nationalbad führt. Zuerst glaubten fie, wenn man sie einschiffte, sie würden nach England gebracht. Carrier nennt diese Badeweise auch die vertikalen Deportationen. Gieb doch Dein Glas her. Aber zum Teufel! Lamberty, was liest Du denn in den Wischen, statt zu trinken?“ Ich sehe nach, wen ich heute Abend zu befördern habe.",,Du hast eine Liste der Verdächtigen?",,Freilich; der Ausschuß hat ja eine Vers ordnung gegen diejenigen erlassen, welche den Lauf der revolus tionnairen Justiz durch Fürbitten für ihre Verwandten zu unters brechen suchen." ,,Sind's viele?" Eine Menge Namen, die ich nicht kenne Jeanne Papin, Pierre Fourant, die Bürgerin Benoist." Ich hatte mich erhoben, um wegzus gehen; dieser Name hielt mich fest. ,,Das ist ein Wild, welches entwischen kann", sagte Lamberty,,,ich muß mich gleich aufmachen.“ – „Zum Teufel!" schrie Pinard,,,wenn Du die nicht mehr findest, nimmst Du Andere. Seße Dich, tausend Donnerwetter!.... Du sollst die Bekanntschaft des Bürgers Cincinnatus machen." Als Lamberty einwendete, daß ich mich ebenfalls zu gehen anschicke, erklärte ich, bleiben zu wollen.

Lamberty machte zwar noch einige Einwendungen, aber er ließ sich endlich überreden. Ich sah ein, daß es fein anderes Mittel gab, die Bürgerin Benoist zu retten, als daß ich sie von der ihr drohenden Gefahr in Kenntniß seße, während ich die mit ihrer Festnehmung beauftragten Menschen am Tische fest hielt. Ich beschloß daher, zu bleiben, und schüßte nur noch vor, daß ich Jemand zu einem Geschäftsgespräch nach meinem Gasts hause bestellt habe. Pinard schlug mir selbst vor, einige Worte au schreiben, damit man nicht auf mich warte. Ich gab nach und schrieb auf einer Tischecke folgende Worte mit Bleistift: ,,Verbergen Sie sich ohne Zeitverlust an einem sicheren Orte. Ihre Freunde wachen über Ihr und Ihres Mannes Schicksal, aber bedenken Sie, daß Ihre Gefangennehmung denselben auch deffen Befreiung erschweren würde. Sie würden für zwei Köpfe au fürchten haben." Ich unterzeichnete nicht, denn die Bürges rin Benoist fannte meine Schrift. Ich fiegelte hierauf das Billet und übergab es einem kleinen Bettelmädchen, welches an der Thür des Kaffeehauses stand. Als dasselbe sich entfernt hatte, feste ich mich wieder zu Pinard. Seit wann bist Du hier, Bürger?" fragte mich Gouillin. „Erst seit einigen Stunden." Dann weißt Du also noch nicht, wie die Sachen stehen. Die wahren Männer des Berges sind überall Herren, und wir fchreiten über Leichen und schöne Frauen dahin." ,,Wir müssen boch dem Bürger bie Honneurs des Landes machen" fagte der Pleine Wann mit dem ero, camit er fich eine Rauberin nach fete Bart. Lamberty, Du fannst ihn ja ins Gefangniß führen, nem Geschmack aussuche." Wenn nicht anders", fagte Gouillin, der Bürger, wie Pinard, ein Weiberfeind ist und glaubt, daß die Weiber bloß zum Tödten gut senen."

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Pinard schickte fich eben an, auf diese Worte zu antworten, als die Thür sich öffnete und noch sechs Sans Culotten eintraten. ,,Ah! das ist ja Chaur und die Anderen", sagte Lamberty. ,,Endlich", rief Ducon,,,das trifft sich gut, ich glaubte Euch auf einer außerordentlichen Mission.“ Der verfluchte Auss schuß hat uns hingehalten", antwortete Chaur;,,ich wurde toll, wenn ich daran dachte, daß Ihr hier wäret. Is hätte den Kopf meines Vaters hingegeben, um bald fertig zu werden.“ → „Sie haben nicht einmal gesagt", schrie ein Riese, der mit den neuen Ankömmlingen eingetreten war,,daß man ihnen acht Gefangene übergeben hatte, um fie ins Gefängniß zurückzuführen."

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Nun?!! ,,Nun' Es war wahrhaftig zu weit. Ich habe ihnen daher auch gerathen, die Lumpenhunde niederzuschlagen, und ich habe felbst geholfen. Wir haben Euch, meine Römer, eine Arbeit abgenommen.“ ,,Dieser Heron ist doch ein Teus felstert!" schrie Lamberty; „er weiß immer Rath.“ Ich habe mir bei dieser Gelegenheit noch einen Orden verdient", sagte der Riese. Sieh' nur!!! Was ist denn das?" ,,Das, mein Theurer, ist die wahre Kokarde eines Patrioten das Ohr eines Räubers habe ich an meinen Hut geheftet." "Ihr wer det noch erleben", rief Chaur,,daß er uns als Proviant Meister geräuchertes Vendeerfleisch aufuschen wird." ,,Warum nicht? Hat doch ein Chirurgus, den ich lenne, dem Konvent den Vor: fchlag gemacht, die Haute der Vaterlandsfeinde gerben und zu Hofen für unsere Grenadiere verarbeiten zu lassen. Ist denn aber kein Plag und kein Glas für mich da?" Es wurde zus fammengerückt, und die fpdter Gekommenen ließen sich neben ans nieder. place (Fortseßung folgt)

Bibliographie.

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L'Architecture du moyen-âge a Ratisbonne. · Herausgegeben von J. Vovv
und Th. Buleau. Fol. 80 Sr.
Des chemius de fer eu France. De la Grise qui paralyse toutes les com.
pagnies; des moyens de faire cesser. Par J. Milleret, ancien député.
Les deux frères, histoire intime. Von Mad. Nibonet. 7 Fr.
Les deux reines, roman historique. Bon A. Delille. 7 Fr.
Le Faubourg Saint-Honoré. Cecile de Vareil. Vom Grafen Horace von
Vieil-Castel. 2 Bde. 15 Fr.

Harpe des peuples, ou Paroles d'an croyant, de M. F. de Lamenuais, mises eu vers par M. Mercier. -71 Fr.

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Merito.

Zur Kenntniß von Californien.

Californien, das jezt einen Theil der Republik Mexiko bilder, hat vermuthlich die Bestimmung, in einer kürzeren oder entfern teren Periode politisch wichtiger zu werden, als es bis auf diesen Tag gewefen, und ist aus diesem Grunde wohl werth, näher ges fannt zu werden. Herr Aler. Forbes, dessen jüngst erschienene interessante Geschichte des Landes *) diesem Artikel zum Grunde liegt, hatte eigentlich nur den Zweck, die Schicksale der Oberen Provinz zu erzählen; aber auch der Anhang zu seinem Werke, welcher Unter Californien betrifft, verdient unsere Beachtung. Entdeckt wurde das Land durch Grijalva, den Cortes im Jahre 1534 dahin abschickte; aber der Boden zeigte sich so unfruchtbar, daß nur sein vorgeblicher Reichthum an Gold und Silber die Spanier bewegen fonnte, häufige Expeditionen nach Californien auszurüsten, die jedoch von geringem Erfolge waren. Endlich erreichte die Gesellschaft Jesu, die in Amerika eben so viel Segen stiftete, als sie in Europa Unheil_verbreitete, einen Zweck, an welchem der Spanische Krieger gescheitert war. So wollte es Gott", sagt Pater Venegas,,,daß die Sanftmuth und Demuth feiner Boten und die Macht seines Wortes den Triumph herbeis führten. Gott schien nur darauf zu warten, bis der Mensch seine Schwäche erkannt hatte, um dann die Kraft seines allmächtigen Armes zu zeigen und durch die schwächsten Werkzeuge den Hoch muth der Welt zu Schanden zu machen." Wirklich haben die frommen Bemühungen des Pater Vino und seiner geistlichen Amtsbrüder, Salvatierra, Ugarte und Piccolo, auf dem Wege der Wilde ein Werk vollendet, das die rohe Kraft nicht zu vollens den im Stande gewesen. Fünf Soldaten und ihr Befehlshaber bildeten die ganze bewaffnete Macht, die Salvatierra auf seiner Expedition im Oktober 1697 begleitete.

An dem Mislingen aller früheren Versuche war nicht sowohl der kriegerische Sinn der Eingebornen, als die ungaftliche Natur des Landes Schuld. Die Ergiebigkeit des Meeres mußte den neuen Kolonisten für die Undankbarkeit des Bodens schadlos halten. Salvatierra erlernte die Sprache der Eingebornen und suchte ihre Zuneigung dadurch zu gewinnen, daß er manchem ihrer weltlichen Bedürfnisse abhalf; aber seine Wohlthdtigkeit ers regte nur ihre Habgier: sie wünschten Alles zu besigen, was dem Geber angehörte, und machten endlich einen Angriff auf sein Leben. Fünfhundert Wilde stürmten Salvatierra's kleine Verschanzung. Die Vertheidiger, im Ganzen nur zehn Mann, durften nicht eher feuern, bis sie hart bedrängt waren und kein gütliches Mittel mehr fruchten wollte; aber die Wilden entseßten sich dermaßen vor dem Knall der Gewehre, daß sie flohen und um Frieden baten.

Nach dieser ihnen abgenöthigten Demonstration verfolgten die Jesuiten den friedlichen Zweck ihrer Niederlassung mit vielem Glücke, und der Muth, die Kenntniß und der bewundernswürdige Taft des Paters Ugarte förderten dieses Ergebnis in hohem Grade. Die folgende von Vinegas mitgetheilte Schilderung seines tág lichen Wirkens ist eben so malerisch als rührend.

,,Am Morgen, wenn er Messe gelesen hatte (der sie mit Ordnung und Ehrerbietung beiwohnen mußten), gab er denjeni gen, die an ihre Arbeit gingen, ein Frühstück aus Puzoli's. Er ließ sie die Kirche und die Häuser für sich und seine Indianer bauen, das zum Anbau bestimmte Erdreich sdubern, Wassergrdben anlegen und andere Feldarbeiten thun. Bei den zu errichtenden Gebäuden mußte der Pater abwechselnd die Rolle des Aufsehers, Zimmermanns, Ziegeldeckers und Maurers übernehmen. Tros seines guten Beispiels, konnten die Indianer ihrer natürlichen Faulheit nicht entsagen und feierten immer, wenn sie nicht sahen, daß der Pater noch mehr als Einer von ihnen sich plagte. Er war der Erste, wenn es Steine zu fahren, Lehm zu bereiten und das Zimmerhols zu behauen galt. Eben so thatig zeigte er sich bei anderen Beschäftigungen: bald fällte er Bäume mit seiner Art, bald grub er mit dem Syaten die Erde auf oder sprengte die Felsen mit Brechstangen. Die Indianer, deren Beschränkes heit und Stumpffinn anfänglich den Nußen dieser Plackerei nicht einzusehen vermochten, präften die Geduld des Paters auf alle erdenkliche Weise: sie kamen zu spät, liefen von der Arbeit, vers höhnten ihn und schmiedeten zuweilen sogar Anschläge auf sein Leben. Am Abend hielt der Pater zum zweiten Male Gottes dienst, wobei der Rosenkrans gebetet und der Katechismus erklärt wurde. Nach dem religiösen Akte empfingen die Arbeiter ihr Abendbrod. Während der Predigt waren fie in der ersten Zeit sehr unruhig; sie lachten und bespöttelten Alles, was der Pater fagte. Er duldete dies eine Weile und verwies ihnen dann ihr Betragen; da aber der Verweis nichts fruchtete, so entschloß er fich eines Tages zu einem gefährlichen Experimente, um ihnen Furcht einzuflösen. Ganz in seiner Nähe stand ein wegen seiner Leibeskraft berühmter Indianer, der sich im Vertrauen auf diesen natürlichen Vortheil noch mehr herausnahm, als die Uebrigen. Pater Ugarte, selbst ein Mann von ungewöhnlicher Stärke, faßte den unverschämten, ehe er sich's versah, bei den Haaren, hob ihn vom Boden auf und schwang ihn wie einen Vendel hin und her. Diese Demonstration flößte den Uebrigen solchen Schrecken ein, daß sie fammt und fonders davonliefen und in Zukunft sich anständiger betrugen."

A History of Upper and Lower California ete. (Geschichte von Oberund Nieder-Californien, von der ersten Entdeckung bis auf unsere Zeit.) Londen, 1839.

Pater Kias erwarb sich kein geringeres Verdienst als 'Ugarte, wie denn überhaupt die Menschlichkeit der Missionnaire zu dem Verfahren der Entdecker und Eroberer Amerika's in schneidendem Kontraste stand. Die frommen Väter untersagten dem Volke jeden Antheil an der Perlenfischerei und dem Perlenhandel, das mit es von seinen religiösen Pflichten so wenig als möglich ab, gezogen würde; und so blieb dieser Industrie Zweig eine Zeit ang faft ganz in den Händen kecker Abenteurer, die von jener Seite des Golfes herkamen.

Die Beschreibung der Perlenfischerei in Californien, wie sie unter der Spanischen Herrschaft getrieben wurde, dürfte wohl für manchen Leser den Reis der Neuheit haben.

,,Wenn das Schiff vor Anker lag und alle Zurüstungen ges troffen waren, tauchte eine Anzahl Personen in allen Richtungen in die Tiefe, wo sie mit scharf gespizten Stäben so viele Pers lenmuscheln ablösten, als ihnen möglich war, ehe das Bedürfniß des Athemholens zu dringend wurde. Dann tauchten sie wieder auf, schöpften Athem und steckten die Muscheln in Beutel, welche an den Wänden des Schiffes hingen. Dieses abwechselnde Nie ders und Auftauchen wiederholten sie so lange, bis sämmtliche Beutel gefüllt waren. Hierauf wurden dieselben in einem Kreise um den Rheder (armador) gelegt, der sie der Reihe nach öffnete und den Inhalt so vertheilte, daß je zwei Muscheln ihm selber, je awei den Tauchern und je eine dem Könige zufielen. Vom Vertheilen der Muscheln schritt man zum Deffnen derselben; diese Operation erheischte aber von Seiten des Armador's die strengste Wachsamkeit; denn die Taucher verstanden es, die werthvollsten Perlen nebst der lebendigen Auster mit wahrer Taschenspielers Kunst aus der Muschel in ihren Mund zu fördern. Der ihnen von Rechts wegen zukommende Antheil wurde gleichmäßig unter fie vertheilt und gewöhnlich sofort an den Armador verkauft; doch vertauschten sie auch einen Theil der Perlen bei herumzie: henden Verkäufern gegen geistige Getränke, Chokolade, Zuckers waaren, Cigarro's und andere wohlfeile Artikel, denen der In dianer leidenschaftlich zugethan ist. Die Periode der Perlens fischerei fällt zwischen den ersten Juli und den ersten Oktober. Es läßt sich nicht mit Sicherheit bestimmen, wie viel der Gesammts Werth der jährlich gewonnenen Perlen betrug, als dieser Erwerbs Zweig noch blühend war. Hardy sagt in seiner,,Reise nach Meriko", auf die Autorität des Don Jose Maria Retes gestigt, daß alle Jahr sechs bis acht Schiffe zur Perlenfischerei bei Loreto abgefegelt senen, und daß man die Summe der gewonnenen Perlen, vier bis fünf Pfund an Gewicht, auf acht: bis zehntaus send Dollars geschäßt habe."

Der Gebrauch, den die civilisirten Spanier unserer Zeit von ihrer höheren religiösen und wissenschaftlichen Aufklärung machen, fann für jeden Staatsmann eine wichtige Lehre seyn. Wir finden keine Beispiele mehr von jener empörenden Grausamkeit, die in Cortes' Zeitalter mit der Ausbreitung des Glaubens Hand_in Hand ging; aber noch heutiges Tages unterjocht man die In dianer unter dem scheinheiligen Vorwande, ihre ewige Wohlfährt begründen zu wollen. Die Art und Weise der Bekehrung lehrt dies unwidersprechlich.

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von weit längerer Dauer. Jeder Indianer muß bei Strafe der Peitsche in die Kirche gehen; und man bemerkt an den Zugängen jeder Kirche eifrige Büttel, die jederzeit bereit sind, den Neus bekehrten Zucht und Sitte einzuprügeln."

Bis zur Zeit der Süd- Amerikanischen Revolution war Calis fornien Spanisch. Nach dieser Katastrophe wurde es in zwei von dem General Gouvernement zu Merito abhängige Provinzen getheilt. Jede Proving erhielt das Privilegium, ein Mitglied zu der General › Versammlung zu schicken, aber von den drei Deputirten, welche nach einander zu verschiedenen Kongreffen kamen, stand der Eine immer tiefer im Range als der Andere. Man darf also annehmen, daß Leute von Rang und Vermögen eben nicht nach dieser Ehre geizen mochten. Die Bewohner vers schiedener Theile Englands hielten in früherer Zeit öfter darum an, daß man ihnen die Kosten einer Stellvertretung beim Parlas mente erlaffen möchte. In Californien hat der Leste von den drei Deputirten höchst wahrscheinlich sein Amt nicht eher antres ten können, bis man ihn bezahlte; denn er soll Unter Offizier ges wesen seyn. Der Erste war Hauptmann gewesen, der Zweite Lieutenant. Wenn es bei dieser fallenden Progression bleibt, so wird auf dem nächsten Kongresse vielleicht ein Tambour ers scheinen.

Merito's eigenes Schicksal ist in diesem Augenblicke so pres cair, daß die erfahrensten Politiker im Zweifel darüber sind, ob es ein unabhängiger Staat bleiben, oder bei der Nord-Amerikas nischen Union Schuß suchen, oder endlich, in Uebereinstimmung mit dem neuesten Plane zur Beruhigung Spaniens, an Don Carlos übergeben werden dürfte. Mexiko's Schicksal muß auf Californien zurückwirken, im guten oder übeln Sinne. Obgleich aber die beiden Californien eine große Seemacht werden könnten, so würde es doch gegenwärtig keinem größeren Europäischen Staate schwer werden, sich dieses Landes zu bemeistern. Rußs lands Niederlassung zu Bodego befindet sich schon auf Mexikanis schem Boden; doch haben die Bewohner dieser Kolonie den Merikanern bis jeßt eine so harmlose Seite gezeigt, daß Lestere kaum einem leisen Verdachte gegen Erftere Raum zu geben scheinen.

Mannigfaltiges.

Ein neues Drama von Bulwer. Der beliebte Ros mandichter scheint sich dem Genre, dem er so viele Triumphe zu verdanken hat, ganz ab und dagegen der Bühne zuwenden zu wollen, die ihm bisher noch keine glänzende Erfolge vers schaffte. Troß der Kälte, mit der die,,Herzogin von Lavallière", und troß der kurzen Theilnahme, mit der die,,Dame von Lyon" aufgenommen worden, hat er vor kurzem ein drittes Schauspiel, einen,,Richelieu", auf das Drurylane Theater gebracht, und dies fes Drama ist jeßt im Druck erschienen. Der Verfasser wußte fehr wohl, was er jeßt dem verwöhnten Theater-Publikum bieten dürfe, und darum wurden bei der Aufführung gerade die poetischs ften Stellen, die glänzendsten Monologe, weggelassen. Sein Bühnen Richelieu war ein bloßes Melodrama in Versen; das ges druckte Buch dagegen ist nicht ohne den Anspruch, ein dramas

des Dichters, den leßten Tagen der Königin Elifabeth, Oliver Cromwell und dem Tode Nelson's gewidmet, drei Gegenständen, die das National, Gefühl der Engländer auf mannigfache Weise berühren.

Shakespeare's Jugend. Der Verfasser des bereits ins Deutsche überfesten Werkes,,Shakespeare und seine Freunde" hat jeßt ein Seitenstück zu diesem Buche unter dem Titel Shakespeare's Jugend") herausgegeben, das der Zeit nach dem ersteren vorangeht, in Bezug aber auf Originalitat und durchgeführte Charakteristik gegen dasselbe sehr zurücksteht. Der Stoff mußte fich ja auch, wenngleich er an einen der außers ordentlichsten Menschen sich knüpfte, endlich erschöpfen. Nicht zus frieden damit, das,,Dichterleben", das Ludwig Tied früher schon zu einer trefflichen Novelle verarbeitet hatte, in einen Roman von drei Banden ausgesponnen zu haben, liefert uns derselbe Eng lische Autor abermals drei Bände voll erfundener Scenen aus der Jugendzeit Shakespeare's, und zwar nicht bloß in Stratford, sondern wieder in London, wo die Geister Spenser's, Marlowe's und Greene's neuerdings heraufbeschworen werden, um als Stafs fage zu dem Gemälde zu dienen, in welchem der junge Shales fpeare den Vordergrund einnimmt. Es mag allerdings eine captatio benevolentiae bei dem größeren Publikum seyn, populaire Namen zum Gegenstande romantischer Darstellungen zu machen; mit Recht machen jedoch Englische Kritiker darauf aufmerksam, daß solche Behandlung literarischer Charaktere ganz dazu geeignet ist, von ihnen selbst und ihren Werken einen ihrer unwürdigen Begriff zu verbreiten.

,,Eine dieser Belehrungs-Expeditionen in das Indianische Gestisches Gedicht zu seyn. Dem Drama angehängt sind drei Oden biet, welche 1826 erfolgte, endeie damit, daß 34 getaufte Indias ner in einer Schlacht auf dem Plaße blieben und 40 Frauen und Kinder gefangen fortgeschleppt wurden. Man verzeichnete diese Individuen sogleich in der Missions Liste und verwandelte fie beinahe eben so schnell in Christen. Ein Augenzeuge ihrer ersten Lection im Christenthum, Capitain Beechen, giebt uns fol gende Beschreibung derselben: Die gefangenen Individuey (Weiber und Kinder) standen vor einem Alkalde, wie zur Mustes rung, in Reihe und Glied. Ihr geistlicher Lehrer war ein blinder Indianer, der ihren Dialekt verstand. Dieser befahl ihnen, nie dersuknieen, mit dem Bemerken, er wolle ihnen die Namen der heiligen Dreifaltigkeit vorsagen, die sie ihm auf Spanisch nach. fprechen müßten. Dann sprach er hinter einander die Worte: Santísima Trinidad Dios Jesu Cristo Espíritu Santo", und pausirte nach jedem Namen, um zu hören, ob seine unges schlachten Schäflein die hehren Worte bei der Wiederholung nicht verstümmelten. Darauf machte er sie noch mit einer Wenge Namen von Heiligen bekannt, und hiermit endigte die erste Lection."" Ein paar Tage darauf wurden diese vielver sprechenden Katechumenen getauft und erlangten alle Privilegien chriftlicher und vernünftiger Personen (gente cristiana y de razon). Ich glaube wirklich, daß Bekreuzungen und Kniebeugungen zur vorgeschriebenen Zeit und andere mechanische Gebräuche ähnlicher Art keinen geringen Bestandtheil der Religion dieses armen Volkes ausmachen. Uebrigens beschleunigt man die Belehrung oft durch ein Verfahren, das mit dem Menschenraube, der in früheren Zeiten Sitte war, große Aehnlichkeit hat. Wenn, was nicht selten der Fall ist, ein gefangener Indianer keine Lust hat, sich befehren zu lassen, so sperrt man ihn wohl ein paar Tage ein, und läßt ihn dann auf einem Spaziergang um die Missions Anstalt etwas frische Luft schöpfen, damit er bei dieser Gelegenheit fehe, wie gut seine bekehrten Landsleute daran sind. Dann wird er von neuem eingesperrt und bleibt so lange im Gefängniß, bis er sich bereit erklärt, dem Glauben seiner Väter zu entsagen. Das Rituale der Römisch-katholischen Kirche nimmt den bekehrten Indianern viele Zeit weg. An Werktagen wird zweimal täglich Weffe gelesen; an Sonus und Feiertagen ist der Gottesdienst

*) Richelieu, or the Conspiracy; a play in five acts. The Youth of Shakespeare. By the Author of,,Shakespeare and his friends". 3 vols. London, 1839.

Das mit dem 31sten d. M. zu Ende gehende Abonne ment wird Denjenigen in Erinnerung gebracht, die in dem regelmäßigen Empfange dieser Blåtter keine Unterbrechung

erleiden wollen.

Nummern. PranumerationsPreis 221 Sgr. († Thlr.) vierteljährlich, 3 Thlr. für. das ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilender Preußischen Monarchie.

No 38.

M a g a z in

für die

Beiblatt der Aug. Pr. StaatsZeitung in Berlin in der Expedition (Friedrichs-Straße Nr. 72); in der Provinz se wie im Auslande bei den Wohlöbl. Poft - Aemtern,

Literatur des Auslandes.

Berlin, Sonnabend den 30. März

Nord - Amerika.

Amerika's Aussichten auf eine National Literatur. ,,Wenn die Nationen sterben, so bekommen sie die Sucht, zu bauen", sagt Herr Nisard etwas präziós, indem er von Rom spricht. Wenn man irgendwo baut, so geschieht dies in Amerika: Pann man nun auf diesen jungen Staat Nisard's Saz umgekehrt anwenden? Allerdings würde man ein Recht dazu haben, wenn man die Vereinigten Staaten nur nach den dußeren Erscheinun gen ihrer Civilijätton beurtheilte. So lange der Bewohner eines neuen Landes die ganze Energie feines Geistes nur zur Uebers windung und Unterwerfung der Materie braucht; so lange er, um seine Industrie und einen Handel auszudehnen, Kanále grabt und den Boden der Urwälder und die fumpfigen Ufer der Flüsse austrocknet, um seine Hütte darauf zu bauen; so lange der muthige Kolonist sich mit seiner Familie in eine måste Steppe wagt, um daselbst einen Anbau zu beginnen, der das Centrum einer großen ackerbauenden Gegend werden wird, thut er nur das, was sein natürliches Werk ist; er stellt einen `nüßlichen, thätigen Bürger dar, und fein Volk ist im Forschritt. So wird es Jedem erscheinen, der diese unablässige Arbeit mit Bewundes. rung betrachtet. Wenn aber in großen und reichen Städten der Bewohner sich ausschließlich damit beschäftigt, durch Speculation Reichthümer zu erwerben, die jest sein einziger Stolz sind; wenn es für ihn nichts Höheres giebt, als die Genusse eines finnlichen Lurus und eines reichen Lebens; wenn sein Ehrgeiz und die Kräfte seiner Seele darauf und nur darauf gerichtet sind, so sind ein solcher Bürger und eine solche Nation innerlich frank, und mit Wehmuth sieht der Beobachter mitten unter den Zeichen der blühendsten Civilisation diesen Verfall zunehmen.

Die Civilisation in Nord-Amerika ist glänzend, aber es ist eine Civilisation, wie sie in den Straßen von London und Paris schimmert, ein Produkt der triumphirenden Industrie. Eine Polis til, die jeden Tag engherziger wird und sich auf den immer brus taleren Kampf egoistischer und materieller Interessen beschränkt, und die Leidenschaft, zu spekuliren — darin besteht die einzige geistige Thatigkeit, die man auf den ersten Blick an der städtischen Ber völkerung der Vereinigten Staaten entdeckt. Nun wird in diesem Lande bald Alles Stadt seyn, und wenn dieses Fieber nicht inne halt, so wird es allmälig dahin kommen, daß die aufmunternden Arbeiten des Ansiedlers dem ausschließlichen Jagen nach Reich thum durch Speculation nicht mehr das Gleichgewicht_halten werden. Zum Glück für die Zukunft der Vereinigten Staaten erheben sich neben den Keimen der Auflösung andere, deren Ents wickelung vielleicht diese Nation retten kann.

Man fangt dort an, die Leere der Gegenwart zu fühlen und die Armuth dieses von den Europäern erborgten Civilisations Lurus; es erheben sich Stimmen, welche darauf dringen, daß das Land Institutionen bekomme, die im Stande ind, höhere Intelligenzen hervorzubringen; der NationalStolz fühlt sich beleir digt, wenn er den großartigen Unterricht, welcher in den Euro päischen Staaten den befferen Geistern einen so hohen Schwung giebt, mit den drmlichen Resultaten der im Bunde herrschenden Erziehung vergleicht, die so lange ein Gegenstand seines Stolzes war. Das Erwachen ist merkwürdig; Patrioten träumen fich mit Begeisterung eine glorreiche Zukunft für ihr Land, das auch einmal eine originelle, schöne und geachtete Literatur besigen wird. Ihnen ist der beredte Apostel einer reineren Moral, wenn nicht eines rechigläubigen Christenthums, der Doktor Ellery Chan ning, ein auch in England geachteter Schriftsteller und Moralist.")

*) Channing's Werke bestehen aus Predigten und verschiedenen Abhandlungen über Gegenstände der Theologie, der Literatur und der praktischen Philofophie. Zu den ausgezeichnetsten dieser Stücke, die alle sehr ideenreich find, gehört eine Beurtheilung des Miltonschen Geistes und Charakters, eine Würdiguña Navoleon's von religiösem Gesichtspunkt aus, Bemerkungen über Fénelon's Werke und andere über den Associationsgeift. Diefer lezte Artikel in voll neuer und tiefer Betrachtungen über das in unseren Tagen fo vor herrschende Streben der Geister, zu jeder Unternehmung eine Association su bilden. Der Dr. Channing leugnet nicht, was für große Dinge die vereinig ten Kräfte der Menschen zu Stande bringen können, aber er seigt, daß die Entwickelung der Individuen darunter leidet, wenn diefe Combination schlecht oder auf Alles angewandt wird. Das Verdienst einer Affectation, fagt er, ist nach der Energie, der Freiheit, der Thätigkeit und der moralischen Kraft abzuschäßen, welche ke bervorruft und verbreitet. Biele Affociationen, die nach diesem Maßstab beurtheilt werden, find für sehr verdienßlich anerkannt, viele andere dagegen, die jeder Tag entstehen sieht, find die unreifen Proz

1839.

Channing hat bei aller Zurückhaltung, die seine Schriften charaks terisirt und vielleicht eine Folge des Volksschreckens ist, der in den Demokratieen die individuelle Intelligens gefangen hátt, doch mehr als einmal den Wunsch angedeutet, die Civilisation feines Vaterlandes, durch eine National Literatur getragen, einige Stufen höher steigen zu sehen. Aber ermuthigt von der wachsenden Sympathie der Geister, hat er in der Schrift über den gegens wärtigen Zustand der Literatur in Nord-Amerika und über die Wichtigkeit einer National Literatur" feinen ganzen Gedanken ausgesprochen. Der Doktor beschäftigt sich etwa nicht mit den Amerikanischen Schriftstellern und ihren Büchern: nicht zei Schriftsteller Namen findet man auf diesen kurzen Blättern; denn er behauptet ja, es gebe in den Vereinigten Staaten keine National Literatur. Der Romanschreiber Cooper, den wir in Europa nach dem Titel seiner Werke und den Namen seiner Helden für ein echtes Kind der Amerikanischen Savannen gehalten haben, ist in seinen Augen nur ein glücklicher Schüler Walter Scott's, und eben so hat bei ihm nur das alte Mutterland Ans sprüche auf den Ruhm W. Jrving's, jenes geistreichen, ans muthigen Koloristen, der die Poesie der Englischen Heimat und die malerische Natur der inneren Landschaften Großbritaniens so trêu und glücklich aufgefaßt hat. Doch lassen wir den Doktor felbst sprechen: Besigen wir wirklich, was man eine Nationals Literatur nennen kann? Haben wir in den verschiedenen Kreifen, in welchen der Geist produziren kann, ausgezeichnete Schrifts Heller? Verdanken wir nur uns selbst die Hauptmittel literarischer Belehrung und Unterhaltung? Es ist ein Unglück für uns, daß die Antwort auf diese Fragen so einfach und leicht ist. Die wenigen verdienstlichen Werke, die unter uns entstanden sind und ein langeres Leben versprechen, And kaum als National Werke anzusehen. Die Beweise, wie es mit uns steht, liegen gerade in den Gründen, womit man unsere Armuth rechtfertigen will. Mögen diese Gründe haltbar seyn oder nicht, sie zeigen wenigs stens, daß wir uns wohl bewust find, wie wenig wir unserers seits zu den Fortschritten des Geistes beitragen. Wie wenige Namen können wir den in Wissenschaft und Literatur berühmten Namen gegenüberstellen, die von jenseits des Oceans herüber strahlen? Solche Leuchtthürme, die ein Land in die Ferne hin glanzen laffen, fehlen uns. Man fage nicht, das neidische, eifers füchtige Europa mache uns unsere gerechten Ansprüche streitig. In einem Jahrhundert, wie das gegenwärtige, wo die geistige Welt eine große Familie bildet und die Produkte des Geistes sich schneller verbr.iten, als die der Maschinen, ist es lediglich die eigene Schuld eines Volkes, wenn sein Name draußen nicht mit Ehre genannt wird."

Channing will also eine einflußreiche Literatur, eine Literatur, die gewissermaßen dem Boden des Vaterlandes entsproffen ist, welche die Tugenden und die Schönheit deffelben befißt, und die, auf die Bürger zurückwirkend und ihrem Leben einen edlen Aufs fchwung mittheilend, jene Klasse höherer Geister unter ihnen fchafft, die den größten Ruhm eines Landes bilden. So Großes von der Literatur verlangen, heißt, ihr einen hohen Plaz unter dukte einer wohlwollenden Gesinnung, die an sich sehr lobenswerth, aber we nig philofopbisch und für menschenfreundliche Zwecke wenig forderlich ist. Man muß Channing bei dieser Musterung der verschiedenen Associations: arten folgen; natürlich kommen dabei die meisten unserer gegenwärtigen Aufichten über den Zustand und die Zukunft der Gesellschaft zur Svrache; ein Furzes Citat mag genügen, von dem vhilosophischen Gesichtspunkt und dem Interene seiner Betrachtungen einen Begriff zu geben: Wir wiederholen es", sagt er,,,die Thatigkeit des Individuums ist der große Ausgangsvunkt, den man festhalten muß. Derjenige allein erkennt den wahren Nußen der Gesellschaft, welcher in dieser Schule lernt, stets mehr nach seiner vernünftigen Ueberzeugung zu handeln, mehr selbst zu denken, weniger von der Masse geleitet zu werden und sich mehr auf seine eigenen Kräfte zu füßen. Eine gute Handlung, die durch ein inseres Prinzip in uns hervorgerufen und ohne die Aufmunterung und den Beifall der öffentlichen Meinung ausgeführt wird, is verdienklicher als Alles, was wir maschinenmäßig nachahmen oder von der Menge fortgezogen thun. Alle große Handlungen sind von Einzelnen ausgegangen. Die herrlichen Produite des Genies find die Frucht lan gen und tiefen Nachdenkens. Die Schriften, die den menschlichen Geist er weckt und erleuchtet haben, find nie das Werk einer Association. Das Indis viduelle, was den eigenthümlichen Charakter seines Urhebers an fich trägt, ist immer das Bekke. Die Affociationen find darum besonders nüglich, weil fre den glücklich begabten Individuen Mittel und Gelegenheit schaffen, zu wirken. Wir heben dies besonders bervor, weil wir fühlen, daß wir Alle in Gefahr find, unsere Individualität und unabhängigkeit unseren socialen Verbindun gen au opfern. Wir fürchten, die Gesellschaft beschwert uns mit neuen Ketten; die, welche wir tragen, find schon zahlreich genug" Eines der neuesten Berke des Dr. Channing führt den Titel: Adresse an Aeltern und Erzieher über die öffentliche und bausliche Religionserziehung.

den Dingen dieser Welt einrdumen; man sieht, der Amerikanische Philofoph theilt nicht die bitteren Declamationen gegen alle Kunste, wie fie der Genfer Philofoph, Rousseau, vor achtzig. Jahren aussprach.

Die Literatur bildet nach dem Doktor Channing eine Macht der Staaten; alle Werke der höheren Geister, welches auch sonst ihr Inhalt seyn mag, gehören ihr an, gerade wie alle Menschen von Genie nur ein Volk bilden,,,mögen fie fich den exakten Wissenschaften, der Philosophie, der Geschichte, der Gefeßgebung, der Poesie widmen." Alle sind, vom moralischen Standpunkt aus betrachtet, Handlanger derselben Arbeit, der National Bils 'dung. Die Vorzüge, die ein Land von Natur hat, sind wichtig, aber in der Reihe der Reichthümer jedes Volks stehen sie nicht oberan.,,Welches Thiergeschlecht der Boden ernährt, darauf Pommt es nicht so sehr an, als daß er von einem edlen Menschen stamme bewohnt wird. Ein rauhes Klima ist mir ganz willkoms men, wenn es die Kraft des Gedankens, den Muth der Tugend stahlt! Das sind Früchte, die ein Volk achtungswerth machen. Man hat gesagt, die großen Genies kommen da am besten fort, wo nichts Anderes gedeihen will; wir glauben das nicht, denn der Geist hängt weder vom Boden, noch vom Klima ab. Aber wenn es wahr wäre, so würden wir sagen, daß es besser sen, unter Felsen und Sand zu leben, als in den fruchtbarsten, vom Himmel begünstigtsten Gegenden."

Fragt man den Doktor, worin die geistige Vervollkommnung besteht, die er für den Bewohner seines Vaterlandes erwartet, so wird er antworten,,,sein Geist soll weiser, stärker, mehr vertrauend auf seine unvergänglichen Schäße, von seinen Bezies hungen zu Gott erfüllter seyn; er soll fähiger werden, Glück und Vergnügen weise zu genießen und Elend, Schmerz und Unglück siegreich zu bekämpfen. Das Werkzeug dieser großen Erziehung ist natürlich: die Literatur, und der Doktor weiß schon, welcher Vorwurf ihn hier erwartet. Man wird ihm sagen, in dem er die Kraft der Intelligenz so hoch schdße, stelle er sie über den Einfluß der Sittlichkeit und Religion; man wird ihm im Lande der Meetings noch andere Dinge fagen, und darauf ants wortet er: Der Religion steht es allerdings zu, die Menschheit fortzubilden, aber nicht der Religion, wie sie durch die beschrank ten Geißer aufgefaßt und dargestellt, durch die Blinden verfinstert, durch die Abergläubischen erniedrigt, von intoleranten Fanatikern mit Donnern und Drohungen bewaffnet und von den Phantasten in einen mystischen, unverständlichen Jargon verwandelt wird. Wie alle Wahrheiten, will auch sie, um sich ganz und herrlich zu offenbaren, einen freien, kräftigen Geist. Jede religiöse und fitliche Wahrheit läßt sich auf einen großen Gedanken zurück bringen, die Vervollkommnung der Seele, einen Gedanken, der die ganze Herrlichkeit der göttlichen Natur in sich faßt und uns Zweck und Ziel unseres eigenen Daseyns aufdeckt." Diese Re ligions Auffassung ist eine Lieblings Idee des Verfassers; sie strebt, wie man sieht, nach dem reinsten Spiritualismus und fällt in ihrem Wesen mit der ganzen Bildung und Entwickelung des Geistes zusammen.

Jene Literatur, die eine so schöne Aufgabe zu erfüllen hat, fehlt noch in dem Vaterlande des Philosophen, welcher mit Schmers gesteht:,,Es herrscht unter uns viel oberflächliches Wissen, aber wenig ernstes Forschen. Man kann nicht unges icheuter die National, Eitelkeit herausfordern, als hier der Moralist mit einer Kühnheit thut, die weniger seine Sitte, als eine Konsequenz seiner Gedanken ist; ja selbst jene Freiheit, deren sein Land sich mit Stolz rühmt, weiß er nach Verdienst zu schäßen. ,,Wenn sie in nichts den Fortschritt des Geistes beförderte, wenn die erblichen Regierungen dies beffer verstanden, so wdre es ges rathener, diese wieder herzustellen, als sich blind an eine uns fruchtbare Freiheit, anflammern."

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Unser Prediger geht weiter und weist auf die Ursachen hin, welche in seinem Lande den Fortschritt einer National Literatur unmöglich machen. Wir brauchen einen nüßlichen Unters richt!" das ist das einstimmige Geschrei, womit man in den Vereinigten Staaten die Entwickelung einer National: Literatur beseitigt. Nüglich!" erwiedert der Doktor.,, Aber was ist das für eine Nüglichkeit, die sich darauf beschränkt, die materiellen Bedürfnisse zu befriedigen, das äußere Leben leicht und bequem zu machen, während das höhere, das rein Geistige im Menschen vernachlässigt wird?" Channing vertheidigt eine eben so leichte als edle Sache; er zeigt, daß viele Dinge niglich sind, die weder au effen noch zu trinken geben, daß der Mensch, wie die heilige Schrift schon sagt, nicht bloß von Brod lebt, und daß er noch edlere Bedürfnisse zu befriedigen hatand

Doch das selbstzufriedene Bolt, mit dem er zu thun hat, macht hundert Einwendungen: Europa, heißt es, verficht uns mit Büchern und Wissen, Europa bringt Gelehrte hervor, die für unsere geistigen Bedürfnisse forgen; da haben wir mehr Wissenschaft und Literatur, als wir brauchen. Darauf antwortet der Doktor: Um die Früchte der edlen Literatur anderer Völker au genießen, müßt ihr mit ihnen auf gleicher Stufe stehen. Je Leichter ein Land eine fremde Literatur annimmt, desto wichtiger wird eine National Literatur.

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nur der Ausfluß der öffentlichen Meinung sind, muß diese Meis nung mit Eifersucht gegen jede fremde Diktatur schüßen."

Ein legtes Argument Channing's, wie er glaubt, das uns widerstehlichste, ist folgendes. Nach ssinen exaltirten Ansichten ist das Volk seines Landes in einer Lage, die es am fähigsten macht, die Menschheit, ihre Entwickelungen, ihre Geschichte zu verstehen und also auch durch eine Nationals Literatur der Sache der Wahrheit und der menschlichen Moralität zu dienen; unbes schränkt durch den mehr oder minder mächtigen Einfluß der Vers gangenheit und ihrer Erbschaft, ist es in seiner männlichen Jus gend der schönste Boden für das Gedeihen der persönlichen Freis heit und Würde, und durch kein Vorurtheil geblender, können seine Blicke ohne Gefahr der Täuschung erkennen, was an der Menschheit schwach und leidend und was an ihr echt und groß ist. - Man ist nicht umsonst Mensch und Patriot: der Landss mann Washington's läßt hier, troß seiner Philosophie, jenes stolze Ueberlegenheitsgefühl durchschimmern, von dem seine Mitbürger überfüllt find, indem sie alle die Ueberzeugung hegen, daß unter ihnen die große Göttin ihren Wohnfig aufgeschlagen und daß sie sum ersten Male, seitdem es auf der Erde Staaten giebt, die Aufgabe geldt haben, wie ein Volk zugleich frei und beherrscht ien. Aber welche Quelle von Irrthümern enthält dieser Pas triotismus für jene hohen Gedanken und Gesichtspunkte, die uns der Doktor von seiner Literatur verspricht. Man sieht, feine Historiker werden parteiisch seyn, so gut wie die der alten Welt, seine Philosophen werden ihre Lieblings Ideen auf Alles anwenden. Ich glaube, die Philosophie des Doktors läßt sich hier von seis nem Patriotismus überrumpeln. Es giebt eine Freiheit, die höher ist als alle politische Freiheit, und das ist die Freiheit uns seres Geistes; so lange der Mensch fähig ist, seinen Verstand durch Studium, seine Vernunft durch Denken zu üben, if seine Unabhängigkeit nicht durch Institutionen gefährdet. Der Mensch ist dem Zrrthum ausgefeßt, auf der anderen Seite des Oceans fo gut wie auf der unfrigen; aber kein Recht seiner Natur bee hauptet er so eifersüchtig als das, frei au irren: sein Geist bes figt eine unglaubliche Kraft des Widerstandes, die im Kampfe sich verzehnfacht und in hellen Zeiten nur einem Despotismus weicht, dem der Meinung. In Frankreich unter der absoluten Herrschaft Ludwig's XIV. finde ich, hinter den etwas servilen Formen des Herkommens, mehr wirkliche Unabhängigkeit, mehr wahrhaft freie Geister als im 18ten Jahrhundert, wo die Res gierung, wiewohl sie die Bastille für sich hatte, schwacher war als die intolerante, von fanatischen Dienern vertheidigte öffents liche Meinung Molière, Bossuet, La Fontaine, Boileau, Fenés, on waren viel kräftigere Geister und weit mehr Herren ihrer selbst, als die Encyklopædisten bei aller Kühnheit ihrer Angriffe, einer Kühnheit, die mehr scheinbar als reell und im Grunde nichts als ein Weihrauch auf dem Altar der öffentlichen Meinung ist, welche ihn mit Beifall und Gunst reichlich vergilt. Alle mehr oder weniger von derselben Bewegung, die sie verbreiten halfen, fortgeriffen, zwangen sich Jene, nach gewissen als unfebls bar aufgestellten Prinzipien zu denken, über deren Kreis fie nie hinausgingen, und verdammten Jeden, der sich davon entfernte und sich eigene Wege suchte. Die Schriftsteller des 17ten Jahrs hunderts waren, sobald sie dem großen König ihren Tribut an Schmeicheleien abgetragen, im Reiche

um die Stadt und

und fümmerten sich weder um den des Gedankens unabhängig den großen Haufen. Channing kann dies nicht bestreiten, er, der selbst mit Feuer dargestellt hat, welch' eine tiefe Freiheit des Geistes bei Fénélon hervortritt. Sprechen wir es nur aus: die Eifersucht, mit welcher in den Demokratieen die Gleichheit bewacht wird, ist der Freiheit des Geistes gefährlicher, als die Hierarchie der Stande in den starken Monarchieen: die Gleichheit der Res di publiken hat die Wirkung, die Menschen auch geistig ganz gleich zu machen und zuleßt ihnen nur die Mittelmäßigkeit zu erlauben; denn die Intelligens des Haufens ist und bleibt mittelmäßig."

Doch kehren wir zu dem Amerikanischen Redner zurück; was er will, hat er gesagt: das Volk der Union foll sich selbst eine eigene Literatur schaffen. Hören wir nun, welchen Weg er dazu vorschlägt. Zuerst muß man in liberaler und großartiger Weise für die geistige Erziehung sorgen, man muß unsere wissenschafts lichen Institute veredeln, einen vielseitigen, tieferen Unterricht anordnen, die Talente unterstüßen, daß sie sich ganz den anhal tendsten Forschungen widmen fönnen, man mus Centralpunkte des Wissens gründen, d. h. Universitäten, wo die Manner der Wissenschaft sich alles Bekannten bemächtigen, sich durch den Verkehr mit gleichartigen Geistern gegenseitig ftdrlen und bes reichern können. Man wende uns nicht ein, daß dies unausführe bar sen. Für Pracht, Unmäßigkeit und Lurus find wir reich ges nug; wir verschwenden Millionen für Modeartikel, Möbel, Schmuck, Paldste, Genusse, und für den Geist sollten wir nichts übrig haben? Wo steckt nun unsere Armuth? In der Börse oder im Herzen?" (Schluß folgt.) Bibliographie.

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The revolutionary adventures of Ebenezer Fox, of Roxbury. Die wahren Häupter eines

Volkes sind die, welche seinen Geist leiten, fein Denken, seinen Geschmack, seine Prinzipien bestimmen, und dieses Amt fremden. Händen zu überlassen, dazu können wir uns nicht verstehen. Welches Geschrei hat man nicht gemacht, daß wir uns unsere Kleidungsstoffe felbst fabriziren müssen! Aber ob die Anderen für uns fpinnen und weben, fann uns gleich seyn, wenn sie nur nicht für uns denken.

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The life of George Washington. Written for the use of schools. Whi ladelphia. Introduction to the German Language, with Selections from the classical literature of Germany. ·Von David Fosdick. And over.

A history of the state of Ohio, natural and civil. — Von Caleb Atwater.
Cincinnati.
History of the controversy in the University of the city of New York. By
the Professors of the faculty of science and letters. -New-York.
Slavery in America; being a brief review of Miss Martineau on that subject.

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Bis jest hatte ich diesen Reden in einer Art von Erftarrung und Entfeßen zugehört. Ich wollte aufstehen und weggehen, aber ein Antrieb der Neugierde hielt mich wieder zurück. 3h glaubte in einer Höhle wilder Thiere zu seyn, welche laut aufs brüllten. Bald kam mir die Wirklichkeit wie ein wirrer Traum vor. Die Rückkehr des Kindes, das ich nach dem Gasthofe ger schickt hatte, entriß mich diesem traumerischen Hinbrüten. Mein Billet war übergeben worden. Das beruhigte mich wieder. In der allgemeinen Verwirrung und begünstigt von der immer wachsenden Trunkenheit meiner Gefährten, gelang es mir, unbes merkt zu entwischen. Was ich empfand, als ich allein war, läßt sich nicht beschreiben.

Am folgenden Morgen weckte mich die Wirthin, welche mir einen Brief übergab. Madame Benoist dankte mir für meine Warnung und zeigte mir an, daß sie sich in Sicherheit befinde. Sie beschwor mich, Alles zur Rettung ihres Mannes aufzubieten, und bezeichnete mir die Personen, welche fie schon gesprochen und auf die sie rechnen zu Pönnen glaubte. Dieser Brief kräftigte mich, indem er mir eine Pflicht zeigte, der ich nachzukommen hatte. Ich beschloß, das Vertrauen du verdienen, welches man mir geschenkt hatte, und keine Gefahr zu scheuen. Da ich nicht wußte, wie ich dies anzufangen habe, fo begab ich mich zu Dufour, dem ich unbedingt traute. Er sagte: Wie soll ich Ihnen einen Rath geben, wenn alle Vorsicht und Klugheit zu Schanden werden? Man wird jest durch das gerettet, was ins Verderben stürzen sollte, und durch das ins Verderben gestürzt, was retten sollte. Weiß der Bürger Benoist kein Mittel, den ihm drohenden Streich abzuwehren? Man müßte, ihn besuchen und befragen." ,,Aber wie das?"-3 lenne den Kerkers meister Lagueze, der uns vielleicht zu dem Gefangenen laffen wird."

Wir gingen aufammen nach dem Bouffai. Als wir auf dem Plaze anlangten, faben wir hier eine Menge Leute, welche aßen, arbeiteten oder plauderten. Wie in den Kirchen, waren hier Banke aufgerichtet, welche mit Namen versehen waren; andere wurden stundenweise vermiehet. In der Mitte stand das Schaffot über einer ungeheuren Kufe, welche mit einem getheers ten Tuche überdeckt war. Mein Gefährte fagte mir, daß diese Neuerung auf Ansuchen der Einwohner, deren Laden sonst in Blut geschwommen hatten, eingeführt worden sey.,,Du siehst", fagte er zu mir, daß dies der Sammelplay und allgemeine Vereinigungsort ist; man gruppire sich um die Guillotine und ist hier wie zu Hause. Die Frauen bringen ihre Arbeiten mit, wie zu einem Kaffeebesuche, und die Kinderwärterinnen führen die Kinder hier spazieren. Diejenigen, welche dem Tode muthig entgegengehen, werden applaudirt; wer zittert, wird ausgepfiffen." Mit wenigen Ausnahmen weiß der Haufe nichts von has und Zorn; es find weniger erbitterte Feinde, als Kenner, welche ein Urtheil fällen, oder Leute, die sich amüsiren wollen.

Wir gelangten zum Gefängniß, wo man uns ohne Schwies rigkeit den Eintritt in den Kerfer des Bürgers Benoist gestattete. Wir folgten dem Kerkermeister durch einen langen dunkeln Gang. Von beiden Seiten tönte uns das Geräusch von Stimmen und Seufzern entgegen. Endlich öffnete uns Lagueze eine Thür und fagte, hier it's. Ich wollte eintreten, aber es wehte mir einfo fauler Geruch entgegen, daß ich ohnmachtig zu werden fürchtete und mich gegen die Mauer lehnte. Ich ermannte mich indeß wieder und schritt weiter vor. Alles schwamm vor meinen Augen wie ein Traum; in der Ferne bemerkte ich in nebelhaften Umrissen Männer, Frauen und Kinder, welche mir unbeweglich schienen. Als ich indeß am Ende des Saals anlangte, fab ich einige derselben sich regen. Durch ein halbgeöffnetes Fenster wehte etwas frische Luft herein. In diesem Augenblicke sah ich auch Benoist und stürzte auf ihn zu.,,Kommt Ihr meinetwe gen?" fragte er. Ich bejahte es. Er erkundigte sich nach seiner Frau, und ich erzählte ihm, was sich begeben.,,Laß fie abreis fen", sagte er dann,,,beschwöre file im Namen des Himmels, Nantes zu verlassen. Sieh' nur", fuhr er fort, indem er auf die lange Reihe unbeweglicher Körper wies, die ich soon bemerkt hatte,,,es find nur noch vier Lebende hier. Das ganze Strohs lager if mit Todten bedeckt, und die, welche heute oder morgen den Leichen liegen und werden selbst in einigen Tagen den neuen Ankömmlingen als Unterlage dienen. So schichtet man die faulen Körper über einander, bis die Ges fangenwärter felbst es nicht mehr aushalten können. Die, welche sonst die Leichen fortschafften, wollen es nicht mehr thun, weil fie angesteckt zu werden fürchten. Vor einiger Zeit hatte man vierzig Gefangene bewogen, dies gefahrbringende Geschäft gegen Angelobung ihrer Freiheit zu übernehmen. Dreißig starben und die Uebrigen wurden guillotinirt. Du hast wahrscheinlich gehört, was man fich von u unferem Uebermuthe erzählt. Wenn man Marat und feinem Gelichter glauben wollte, so lebten wir hier uppig und in Freuden und wiesen die Nahrungsmittel, die man uns liefert, von uns, während doch in der That die wahren Pas trioten Hungers sterben. Unsere Nahrung besteht in einem halben Pfunde Brod, welches mit Stroh gemengt ist, und einem halben Pfunde Reis, den man uns nicht fochen will. Zwei Tage haben wir gar nichts erhalten. Das Wasser wird uns verkauft, und Kinder sind vor Hunger und Durst unter meinen Augen ges ftorben."

Ich fragte ihn, ob es gar keinen Weg zur Rettung gebe. Reinen", fagte er. Die Frauen, welche schön sind, glauben Dadurch dem Tode zu entgehen, daß fie fich Carrier bingeben; aber fein Lager vertraut feine Geheimnisse, wie das der Kleos patra, nur für eine Nacht, und die Loire verschlingt die Bes trogenen. Die Gefängnisse von Nantes find Sklaven Basare, wo einige alte Weiber für ihr schändliches Gewerbe Aushebun gen veranstalten. Es gelingt ihnen; denn die Furcht ist noch wirksamer als das Gold. Aber wozu hilft's, alle diese Gräßlich feiten aufzudecken?" sagte Benoist, als er unser Entfeßen bes merkte.,,Wenn die Menschen sich selbst aufgeben, verdienen fie fein besseres Schicksal. Jeder muß die Strafe der Feigheit für Alle tragen. Ich für meinen Theil erwarte den Streich, der mich niederstrecken foll."Ich hoffe", sagte ich,,,Dich zu retten. Der Zufall hat mich einem Manne zugeführt, der mit diesen Henkersknechten vertraut ist und der uns nüßlich werden fann."

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Wenig nur ist von Raphael's berühmter Geliebten, von dieser wunderbaren Schönheit, auf die Nachwelt gekommen, so groß auch der Einfluß war, den sie auf das Herz und den Genius jenes Fürsten der Maler ausübte; und dies Wenige ist so unzusams menhängend, daß man daraus nur eine sehr unvollständige Vors stellung von dem Leben des jungen Mädchens schöpfen kann, welchem ein Plas neben Petrarka's Laura und Dante's Beatrir gebührt. 11.00-130876

Mit dem Einflusse der Fornarina beginnt eigentlich eine neue Aera in der Malerei, vorzüglich in jenem Gebiete der Kunst, vielleicht dem wichtigsten von allen, in der Idealisirung der Wirks lichkeit. Der Auffchwung des religiösen und moralischen Gefühls, dem wir die Meisterwerke der Stalianischen Schule verdanken, nahm durch dieses Weib eine höhere und bestimmtere Gestalt an. Man erkennt das Streben nach dem Ideal freilich schon in den Gemdiden und Statuen der Schulen vor Raphael; aber es war mehr ein dunkles Suchen nach demselben. Der strenge und reize lose Ausdruck der heiligen Jungfrauen des Duccio, Cimabue und Masaccio veranschaulichte die Idee eines ascetischen, büßenden Lebens; die Madonnen Raphael's aber sind die Gebilde einer ers habeneren Inspiration. Er war ein zweiter Pygmalion, der im Geist die abstrakte und reine Schönheit der menschlichen Gestalt: schaute und fie auf der Leinemand wiedergab; er verstand es, dieser herrlichen Form eine reine göttliche Seele einzuhauchen und so irdische und himmlische Schönheit mit einander zu vers binden. Diese Idealisirung der Materie in der Mutter Gottes: war immer vergebens versucht worden, bis Raphael seine Fors narina fand; sie wurde der gute Genius des Malers, fie lieh seinen heiligen Jungfrauen ihre reizenden Formen, die zu gleicher Zeit so feusch und so uppig waren, und die uns zur höchsten Bes wunderung hinreißen. Jedesmal, wenn er eine Jungfrau in allem Glanze irdischer Schönheit darstellen wollte, war es nun eine Maria oder eine Galathea, schwebte Fornarina's herrliches feuiches Bild vor der glühenden Phantasie des Waters und führte seinen Pinsel. Um das Wesen dieser Liebe richtig aufzufaffen, muß man eine klare Vorstellung von dem Verhältniß Raphael's und Fornarina's haben. Als der Künstler die schöne Bäckerss tochter zuerst sah, war sein Ruf als einer der größten Maler Italiens schon begründet; die Schöpfungen seines Genius wurden allgemein bewundert, und er selbst, mit Ehrenbezeugungen und Reichthümern überschüttet, lebte in feinem Palaste wie ein Fürst; sein Name war in Aller Mund, und das Herz mancher vorneh men Romerin schlug für den edlen schönen Maler, deffen ruhige, fanfte Zuge die seltensten Eigenschaften des Geistes und bes Herzens widerstrahlten; denn Raphael besaß jene Bescheidenheit und Anmuth, jene wohlwollenden, freundlichen Manieren, die alle Herzen gewinnen und einen tiefen, unauslöschlichen Eindruck machen. Und Fornarina, das arme Mädchen aus niederem Stande, besaß nichts als ihre Schönheit; aber wie entzückend schön mußte sie fenn, um Raphael's Liebe zu gewinnen; sie hing an ihm mit der ausschließlichen und unbegränzten Hingebung, welche die Liebe der Römischen Frauen charakterifirt; Fornarina wurde Raphael's Idol, das Urbild aller seiner Träume und seis

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