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Jm Augenblicke steht eine Jungfrau von so reizender Gestalt vor Milan, dergleichen es heute unter der Sonne nicht mehr giebt. Erröthend reicht sie dem Prinzen ihre Hand und spricht: Dank Dir, Prinz Milan, Du wirst es nicht bereuen, mir mein Hemd zurückgegeben zu haben. Ich bin Welena, die jüngste Lochter des Zauberers Czernuch, und habe noch neunundzwanzig Schwestern. Unser Vater herrscht in dem unterirdischen Reiche über tausend prachtvolle Paldste. Seit langer Zeit erwartet er Dich und ist gar boje, daß Du so lange nicht erscheinst. Ich werde Dich zu ihm führen. Doch wird er Dir nichts lebles anthun, wenn Du meinen Rath befolgst. Sobald Du nämlich meinem Vater unter die Augen trittst, wirf Dich auf die Kniee und rutsche also an ihn heran. Er wird anfangs mit den Zahnen knirschen und mit den Füßen auf den Boden stampfen, doch achte nicht darauf, Dein wunderliches Beginnen, das ich unter Euch Menschen gesehen habe, wird ihn besänftigen. Nun faffe Muth!'

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Bei diesen Worten stieß Welena mit dem Fuße auf den Erds boden, und Milan fühlte, wie er mitten in den Erdboden hineins geriffen wurde.

Im unterirdischen Reiche stand ein aus glåhenden Kohlen erbauter Palast, der_nach allen Seiten hin das Dunkel eben so erhellte, wie unsere Erde von der Sonne erleuchtet wird. Milan trat muthigen Sinnes in den Palast und erblickte alsbald den Zauberer, der mit einer glänzenden Krone geschmückt auf einem feurigen Throne faß. Er erkannte an den smaragdgrånen Augen sogleich jenen Alien wieder, der ihm einst in unheimlicher Ges gend des Waldes begegnet war. Sofort warf sich Milan, der Weisung seiner Beschüßerin Welena gedenkend, auf die Kniee und schleppte sich zum Könige hin.

Csernuch begann, sobald er des Prinzen ansichtig wurde, wuthentbrannt mit den Füßen zu stampfen, daß der Palast ers dröhnte. Als Milan jedoch immer ndher an ihn heran rückte, wich plößlich der Zorn des Zauberers, und er brach in ein schallendes Gelächter aus.

einem Strohhalme leuchten, und ehe er herabgebrannt ist, müssen die Dinger fertig fenn!"

Als Milan wieder auf sein Zimmer gebracht worden war, ging er mit großen Schritten auf und ab und rief ein Mal um das andere: Wie? Ich, ein Königsohn, foll wie ein Schuster Stiefeln zusammenkleben? Nimmermehr! Niemals werde ich meine Abkunft also beschmußen; lieber den Tod, als die Schande!"

Indem flog das Bienchen wieder herzu. „Nun, Milan!" fagte die vor dem Prinzen stehende Welena,,,ich komme, um Dir bei Deinem neuen Kunststücke zu helfen." ,,Diesmal bes darf ich Deiner Hülfe nicht“, erwiederte Milan, denn ich will lieber sterben, als mich vor den Augen der Welt zum Schuster erniedrigen. Nie, nie erfülle ich Deines Vaters wunderliches Gelüst, und sollte es mir auch das Leben Posten!"

„D, mein Geliebter!" seufzte Welena erschreckt, ,,da_müßte ja Deine Welena mit Dir sterben. Willst Du aber Deinen Widerwillen nicht aufgeben, so kann Dich nichts retten, als die Flucht, und ich fliehe mit Dir aus meines Vaters Reiche."

Bei diesen Worten hauchte Welena ein klein wenig Speichel an das wiederverschlossene Fenster, führte den Prinzen aus dem Zimmer, schob die Riegel der Thür vor und gelangte an den Drt, an welchen sie mit Milan von der Erde herabgesunken war. Sie schlug mit dem Fuße an den Erdboden an, und wieder ging's gerades Weges nach oben, an die Ufer des Sees, wo Milan's Roß noch wohlgemuth weidete. Milan hob seine Ges liebte rasch auf den getreuen Rappen, seßte sich selbst auf, und das Ros eilte, als wenn es selbst die Gefahr ahnte, angestrengs testen Laufes davon.

Indessen wartet Csernuch auf den Königssohn; der kommt und kommt nicht. Er sendet seine Hofleute nach ihm aus. Sie pochen an die verschlossene Thür. Ich komme gleich!" ruft ihnen das am Fenster befindliche Tröpflein Speichel entgegen. Sie bringen diese Antwort dem Könige, der zum Warten sich bequemt. Doch bald sendet er zum zweiten Male hin; und abers mals vertröstet der Speichel die Hofleute mit den Worten: „Ich tomme sogleich!" Nun aber ist Czernuch's Geduld zu Ende. und schleppt ihn her zu mir!" ruft er entrüstet aus. Das Hofgesinde eilt fort, die Riegel fliegen auf, doch das Zimmer tft Leer und nirgends eine Spur des Prinzen zu finden. Zugleich tommt Kunde von der Flucht der Prinzessin Welena.

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,,hast gewonnen, wunderlicher Kaus!" rief er; „hast mich zum Lachen gebracht, denn ich hab' noch Niemanden also gehen gesehen. Gut, ich will Dich für Dein langes Ausbleiben nicht,,Denkt er, mich zum Narren zu machen? Brecher die Thür auf gleich bestrafen; drei Arbeiten nur sollen Deine Strafe feyn. Zum Ersten sollst Du mir in der heutigen Nacht einen Palast von Marmor erbauen, ganz nach dem Muster des meinigen. Steht der Palast morgen früh nicht fertig da, so nimm Deinen Kopf in Acht."

ich Euch!"

,,ha!" rief Csernuch voll Ingrimm seinem Hofgesinde zu, Csernuch winkte, awei Diener eilten herbei und führten Misfort! ihnen nach! bringt sie zurück, reichen Lohn verspreche lan in ein prachtvolles Gemach, in dem ein Bett in Bereitschaft stand. Doch spürte Milan kein Verlangen nach Ruhe; traurig und feiner fernen Aeltern gedenkend, die er nun nicht wiederzus sehen hoffen durfte, stand er, an das Fenster gelehnt, da und schaute hinaus nach dem wunderbar erleuchteten Lande.

Da flog ein Bienchen fummend heran, und deutlich vernahm Milan die Worte:,,Laß mich hinein! Laß mich hinein!" Er öffnete, und im Augenblicke stand die schöne Welena vor ihm mit freundlichem Gruße.

Sen gutes Muthes", sprach fie;,,ich kenne meines Vaters Verlangen, morgen früh soll der Palast an der bezeichneten Stelle stehen. Verlaß Dich auf mich, doch sen hübsch zeitig munter, nimm eine Art zur Hand und gehe um den neuen Palast umher, als wenn Du hier und da noch etwas auszubessern fändest."

Und so geschah's. Csernuch selbst war über die Schönheit des nächtlichen Werkes erstaunt.,,Bist ein tüchtiger Baumeister", rief er;,,hatt's nicht gedacht, daß Ihr da oben dergleichen vers ftandet. I bin zufrieden. Aber so leichten Kaufs kommst Du mir nicht davon. Sollst mir erst noch ein paar Nüsse knacken. Merk auf! Ich habe dreißig Töchter; morgen früh werde ich sie Dir vorstellen, und dann sollst Du mir sagen, welche meine jüngste, Welena, ist. Dreimal darfst Du sie Dir ansehen. Er rathe es ja, Du kennst Deine Strafe!"

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Milan lachte in seinem Herzen und lehrte freudig in fein Zimmer zurück. Diesmal hast Du Dich in Deinen eigenen Neßen gefangen, Herr Herenmeister", sagte er;,,ich sollte meine Welena nicht kennen?"

,,Wer weiß, ob Du sie ohne meine Hålfe herausfinden wirst“, rief das Bienchen, das unvermerkt wieder hereingeflogen war. ,,Wir Schwestern gleichen einander, wie ein Tropfen Wasser dem anderen. Darum höre! Auf meine Stirn wird sich eine kleine Fliege feßen, daran wirst Du mich erkennen. Merk' daher wohl auf, und bis dahin _lebe wohl!“

Czernuch's Diener eilten in Haft von dannen und fanden die Spur der Entflohenen.

,,Wir werden verfolgt", begann auf einmal Welena;,,ich höre deutlich unsere Verfolger. Steig' ab, mein Geliebter, hier gilt schnelles Besinnen." Sie murmelte einige Worte, und im Nu war sie selbst in einen Bach, ihr Geliebter in eine Brücke, die darüber führte, und das Pferd in einen Raben verwandelt.

Die Verfolger waren der Spur der Flüchtlinge bis an die Bruce gefolgt, nun aber suchten sie vergeblich nach weiteren Zeichen; verwirrt und unschlüssig ritten sie eine Weile umher, dann aber wandten sie ihre Roffe und eilten zu ihrem König zurück, um neue Befehle einzuholen. Sogleich löste Welena die Wandlung, und in höchster Eil ward die Flucht fortgefeßt.

Czernuch brach über den Bericht in die höchste Entrüstung aus. hat die Dirne Euch durch ihre Künste bethört! Der Bach war sie ja selbst. Fort! Ihnen nochmals nach, und wehe Euch, laßt Ihr Euch wieder berücken und bringt Ihr sie diesmal nicht wieder."

Wieder vernahm Welena ihres Vaters Knechte, als diese noch eine weite Strecke entfernt waren. Im Augenblick stand auf ihr Geheiß eine dichte Haide mit vielen gewundenen Wegen da, und zugleich hatte sie sich selbst, den Prinzen und das Pferd in drei Baume verwandelt, die an der dichtesten Stelle sich ber fanden. Als die Verfolger an die Haide gelangten, da schien es ihnen, als wenn sie auf mehreren Wegen zwei Reiter in der Ferne erblickten. Sie jagten hinter ihnen her, verirrten sich aber in den engen Windungen und kamen zulest an den Ort zurück, von dem aus sie die Haide betreten hatten. Sie mußten mißs muthig den Rückweg antreten.

Granzenlos war Czernuch's Wuth über das abermalige Fehle schlagen der Verfolgung. Er ließ sich sein eigenes Rok vorfüh; ren, um den Entflohenen selbst nachzusehen.

Welena erbleichte, als sie diesmal die Verfolgenden vernahm. "Weh!" rief fie, es ist mein Vater, der uns verfolgt. Gegen den vermag ich nichts.' Da erblickte sie an dem Halse Wilan's das Kreuz, das dieser von seiner Mutter erhalten hatte.

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Am anderen Tage mußte Milan wieder vor dem Könige erscheinen. Dreißig Madchen in weißen Gewandern standen mit gesenkten Augen vor dem staunenden Königssohne. Czernuch selbst faß hohnlächelnd da. Milan ging einmal die Reihe hinanter, er erblaßte, denn auf keiner Stirn war eine Fliege zu schauen. Er,,Das Kreuz kann uns retten", rief fie, das wird meines Vas ging wieder zurück, das verheißene Abzeichen fehlte, und schon entstand ein dumpfes Gemurmel unter dem Hofgesinde des unters irdischen Königs. Da trat Milan feine Wanderung zum dritten Male an, und nun erfah er plößlich eine Fliege, flein wie ein Mohnlörnchen, auf Welena's Stirn. Er ergriff die Errschende bei der Hand und sagte:,,Diese ist Welena, Deine jüngste Tochter!!!

Hm! dachte Csernuch, der hat's Rathen gelernt. Werd' Dich aber doch noch fangen, Patron. Gut", sagte er laut. „In drei Stunden follst Du die leßte Probe bestehen. Haft da fo eigene Dinger an den Füßen, mocht wohl ein Paar ders gleichen machen sehen.

ters Sinne verwirren!" Welena erfaßte das Kreus, sofort stand ein Kloster da, sie selbst war in eine Statue, das Pferd in einen Glockenthurm und Milan in einen Mönch verwandelt.

Als Csernuch die Spur bei dem Kloster verschwunden sah, fragte er den Mönch, der in der Thür stand, ob nicht ein Ritter und ein Mädchen auf einem Pferde hier vorübergekommen wären. „D ja", antwortete der vermeintliche Mönch, „die sind aber schon weit voraus."

So mag fie mit dem Landstreicher ziehen, wohin fie will!" rief Csernuch, wandte sein Pferd`und kehrte in sein unterirdisches Reich aurud.

Könige Kojata, und dieser vergaß beim frohen Hochzeitsmahle des alten Ezernuch und seiner Lücke. (Prz. lud.)

Franfrei

Nantes während der Schreckenszeit.
(Fortseßung.)

Unterdes waren auch die anderen Bauern näher getreten. ,,Und weiter willst Du nichts?" sagte Salaiin, der seine Bestürz jung kaum noch verbergen konnte." ,,Nichts, als ein Gebet, meine Jugendfreunde." Er kniete nieder, faltete die Hände mit frommer Ergebung und sagte mit erhobener Stimme:,,Ges fegnet sen jeßt die Dreieinigkeit. Jest bin ich rein, ich hoffe es aum wenigsten; mein Muth ist befestigt. Möge der Sohn Gots tes mich schüßen! Ich werde mein Gebet mit aufrichtigem und liebendem Herzen verrichten."

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Die Wirkung dieser Verse war zauberähnlich; alle Bres tagner waren bis ins Innerste erschüttert, ihre Blicke trafen funs Peind auf einander, und sie riefen aus:,,Das ist das Gebet aus der Tragödie." -,,Woher kennt er es?" fragte Guïader. " Er spielte die heilige Nona", erwiederte Salatin. Und ich Gott den Vater", sagte Menès. Ich den Priester", sagte Ledu. · „Ich den Tod", sagte Leguern. Bei Allen flammie die Erinnerung wieder lebendig auf. ,,Wir spielten das Stück zuerst in der Tenne Oliér Moreau's." Hinter dem Theater war eine Fliederhecke." -,,Erinnerst Du Dich noch, welchen Beifall man uns schenkte?” — „Und was für schöne Mädchen uns zuschauten?" Alle Jugenderinnerungen tauchten wieder in ihnen auf, and Jeder fing an, seine Rolle herzusagen. Da fiel Jvon wieder ein, und seine Stimme übertönte die der Andes ren: Herr Gott, der Du die Sterne geschaffen haft, meine Stunde ift gekommen. Heilige Jungfrau, zu Dir Alehe ich, bes freie mich von Schmerz und Qual!" Menès fuhr fort: I, Gott der Vater, befehle Dir, kalter Tod, unverzüglich zur Erde niederzufteigen; führe mir Nona zu, die mein Gefeß geachtet hat, damit ich sie von allem Schmerz befreie, wie sie es verdient." Jvon fuhr fort: „D, mein Gott! Ich muß duls den und sterben. Es ist die Zeit, daß ich die Erde, ihren Schmerz und ihre Täuschungen verlasse. Meine Stunde ist ges kommen, und ich muß an die Zukunft denken. Ihr weißen Priester, gebt mir die teßte Delung, denn ich muß von hinnen scheiden. Dir Gott, Du wahrer König der Welt, befehle ich meine Seele; möge mein Körper einen Plaß in geweihter Erde finden. Helfer den Armen, und der Friede sen mit Euch. Kein Krieg mehr! Das bitte ich von einem Jeden." - Leguern fuhr fort: 3ch bin's, der Tod; in diefem Thale tödte ich alles Ges borne ohne Erbarmen. Junge Nonne, Deine Zeit ist abgelaus fen. Ich berühre zuerst Deine Stirn, und dann treffe ich sicher in's Herz." Alle, außer Jvon, fielen im Chor ein:,,Zwischen diesen beiden großen Steinen wollen wir einen angenehmen und schönen Plaß suchen. Er ist im Lande Rivelon gelegen, so fags ten die Alten. Dort wollen wir den reinen Körper der Nonne begraben, am Meere von Armorika, wo er Allen sichtbar seyn wird. An diesem einsamen Orte hat sie die Trennung vom Körs per vollbracht. Ihre keusche Seele ist zu Gott heimgegangen, und ihr Körper ruht unter dem Grase zwischen der Stätte Erné und der Stätte der beiden Morde."

Diese Verse schienen wie eine Zauberformel auf die Bres tagner zu wirken. Ihre Bewegungen waren immer lebendiger geworden, und ein poetischer Enthusiasmus `hatte sich Aller bes mächtigt. Das Opfer und die Henker hatten die Verschiedenheit ihrer Meinungen und Stellungen vergeffen, um in Eine Empfin dung zusammenzufließen. Meine Gefühle bei diesem wunderbas ren Schauspiele lassen sich nicht beschreiben. Ich war aufgestans den und horchte mit einer Art von Entzücken, als der Schrei ers tonte, welcher den Schluß der Tragödie bezeichnet. Ich glaubte draußen Schritte zu vernehmen und stürzte mich auf Joon, der noch kniete. Da ist der Vendeer!" rief ich. Die Bauern schwiegen und lauschten. Ich ergriff die Hand des jungen Bauern. Wenn Ihr Christen send", sagte ich,,,fo seigt es; wollt Ihr unter Euren Augen ein Kind Eurer Gemeinde, welches mit Euch aufgewachsen und nie etwas Böses gethan hat, tödten laffen?" Sie fahen fich an. ,,Er ist ein Blauer", sagte Selaiin mit schwankender Stimme. ,,Er ist ein Bretagner", erwiederte ich,,,der Mehrere der Eurigen geretter hat. Ohne ihn wäre Fraulein von la Hunoterie nie aus Rennes entkommen. Thut ihm, was er Anderen gethan." „Der Herr Chevalier gebieter hier, und wir können keinen Gefangenen ohne seinen Befehl frei lassen." Warum soll denn der Vendeer den Bes fehl zum Morde geben?" fagte Jvon. Wenn also Herr von la Hunoterie", fuhr ich fort,,,allein das Recht, zu befreien, hat, fo hat er auch allein das Recht, zu strafen. Seine Nichte hat Euch anempfohlen, uns nichts Boses zu thun; wenn Ihr uns morden laffet, habet Ihr ihren Zorn zu fürchten. Ihr müßt wenigstens auf Befehle warten.' Die Bretagner schienen zu schwanken. Ich könnte nachsehen, ob der Herr Chevalier zurücks gekommen ist", fagte Fine Dreille; aber wenn die Anderen vor meiner Rückkunft heimkehrten, so wäre Alles vergeblich. Was ist da zu thun?" ,,Nimm uns mit Dir", sagte Jvon. "Das is wahr!" schticen die Bauern. Der Herr Chevalier mag thun, was ihm beliebt, aber schnell!"

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Die Bauern nahmen ihre Flinten und ließen uns in der Mitte gehen. Wir verloren uns bald im Dickicht, und die Hütte

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entschwand unseren Blicken. Jeßt find wir gerettet", fagte ich Leise zu Zvon. ,,Noch nicht", erwiederte diefer. Er war Rehen geblieben und horchte. ,,Vorwärts!" sagte Menès. „Still!" flüßterte der junge Bauer. Wir lauschten ebenfalls und hörten deutlich das Geräusch von Schritten. „Das sind die Anderen, die von dem Pachthofe zurückkommen", bemerkte Sas lain, sie haben den Fußpfad eingeschlagen; wir sind verloren!" ,,Sie gehen also bei uns vorüber?" ,,Auf der anderen Seite des Gebüsches." In der That konnten wir ihre Worte vernehmen. Unsere Führer standen still, aber das kleinste Ger rduich fonnte uns verrathen. Mein Herz schlug laut. Immer näher kamen die Schritte und die Stimmen, und wir fahen Storel und seine Gefährten deutlich durch das kahle Gebüsch ... Sie gingen vorüber, ohne uns gewahr zu werden.... Jeßt schritten wir wieder rascher zu und langten bald am Ziele an.

Herr von la Hunoterie war glücklicherweise angekommen. Er bemühte sich, uns zu beruhigen. Meine Reisegefährtin_trat zus gleich mit ihm ein und erzählte ihm alles Vorgefallene. Herr von la Hunoterie entschuldigte sich leichthin über das, was er ein Miss verständniß zu nennen beliebte, und dankte mir für den Dienst, den ich seiner Nichte geleistet. Er bat mich, seine Gastfreunds schaft bis zum Morgen in Anspruch zu nehmen. Am folgenden Tage brach ich mit Jvon nach la Roche-Sauveur auf, wo wir ungefährdet anlangten.

Asien.

Die Siahpuschen in Kjaferistan.

In Elphinstone's Beschreibung von Kabul und in Capitain Burnes' Reise nach Buchara erhalten wir einige unvollständige Notizen über die Siahspuschi's oder Schwarzröcke, ein Voll von Kjaferistan, das wegen seiner Bekleidung aus schwars sem Ziegenfell diesen Namen führt. *) Die Siahpuschen, von Sultan Baber und Ebul-Fasil für Nachkommen Griechischer Ans siedler (in Baltrien) erklärt, bewohnen ein gebirgiges Land und find vielleicht als Aboriginer zu betrachten, die bei Gelegenheit einer Völkerwanderung von den Eroberern der Ebenen in ihre jeßigen Wohnfiße gedrängt wurden.

Wilson, der berühmte Indische Sprachs und Alterthumsfors scher, hat in seinen Anmerkungen zu Kreslas scharfsinnig darges than, daß die Kalyftrioi oder Kyrostephaloi des Griechis schen Autors und die Siah puschen ein und dasselbe Volk sind. Schon Vans Kennedy erkannte in dem ersteren Namen sehr glücks lich die Sanskritischen Worte kala, schwarz, und wastri, Kleis dung; allein erst Herr Wilson identifizirt die Kalystrici mit den heutigen Siahpuschen und zeigt uns, daß sie ein Stamm dess jenigen Volkes waren, welches bei den Geographen der Hindu's Dárada's oder Derd's, bei Ptolemaus Daradrai und bei Strabo, Dardai heißt. Dáraða kommt von der Wurzel dri, in Stücke reißen (Englisch tear), daher ohne Zweifel die langen Hauschne und scharfen Klauen, welche der leichts gläubige teftas diesem Volle beilegt.

Ein Memoire des Capitains Burnes, welches unlängst im Druck erschienen, giebt uns einige interessante, obwohl zerstückelte Details über dieses merkwürdige Volk, die der berühmte Reisende auf seiner neuesten Wanderung in Kabul aus dem Wunde mehs rerer Individuen des Stammes und solcher Personen, die in Kjaferistan verweilt, gesammelt hat. Lassen wir den Verfasser selbst reden:

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Die Siahpuschi's geben sich selbst den Namen Kjafir, womit die Muhammedaner fie belegt haben, obschon dieses Wort, das bekanntlich so viel als Ungläubiger heißt, keine ehrenvolle Bedeutung hat. Sie befißen keine geschriebene Urkunden, wie denn die Schreibekunst_ihnen überhaupt unbekannt ist. Ihre geographischen Kenntnisse erstrecken sich nicht über die Gränzen des Landes hinaus, das sie feit undenklicher Zeit bewohnen. Dieses Land enthält viele Hochebenen; der Winter ist streng, allein im Sommer wuchert die Rebe üppig.“

Ein junger Kjafir von ungefähr 18 Jahren, dessen Bekannts schaft ich fürzlich in Kabul machte, hat mir über die Sitten seiner Nation viele Aufschlüsse gegeben. Dieser Jüngling verirrte sich vor anderthalb Jahren auf einer kleinen Fußreise und fiel bei dieser Gelegenheit den Muhammedanern in die Hände. Nach feinem gewaltsamen Uebertritt zum Islam vertauschte er seinen früheren Namen Dihnber mit Feriduhn. Er ist von ausges jeichnet schöner Gestalt, hat regelmäßige Gesichtszüge und ein lebhaftes blaues Auge. Zwei andere Kjafir Knaben, erst acht bis neun Jahre alt, die mit Feridun gefangen wurden, haben reh farbene Augen und nußbraunes Haar. Schon dem oberflächlichen Beobachter tunden sich diese Kjafir's als ein besonderes Volk an, das weder den Afghanen, noch den Kaschmiren gleicht"

,,Die Kjafir's haben, wie Feriduhn mir versicherte, fein ge meinschaftliches Oberhaupt; aber große Männer heißen bei ihnen Salmunasch. Sie unternehmen keine förmliche Kriegszüge gegen ihre Nachbarn, sondern begnügen fich mit Wiedervergels tung, wenn die Muhammedaner ihre Granzen feindlich übers schreiten. Sie sind ein sehr gewandtes, rühriges und verständiges Voll, aber graufam gegen Feinde, denen sie niemals Pardon ges ben. Das höchste Wesen heißt bei ihnen Doghan; sie opfern ihm Kühe und Ziegen, besonders an einem großen, sehnidgigen

*) Das Wort if Perfisch, von sijäb, schwar¡, und püschiden, eins hülfen, bekleiden.

Kente, das in den Anfang des April faut en obten verden weder verbrannt, noch begraben; man Leichnam in fchönes Gewand aus Ziegenfellen oder Wollenzeug von Kaschgar und trägt ihn dann auf einen benachbarten Hügel, wo er unter freiem Himmel vermodert. Bei der Mahlzeit figen die Männer von den Frauen getrennt. Tische giebt es nicht; man seßt die Schiffel mit der Speise auf einen eisernen Dreifuß. Die Kjafir's lieben besonders den Honig, den Wein und den Effig; Waizen und Gerste sind ihre Getraides Arten." Sie haben kein Hauss Geflügel, und im ganzen Lande giebt es keine Pferde. An Musik und Tanz finden sie großen Geschmack; wie aber bei der Mahls zeit beide Geschlechter sich absondern, so ist auch der Lanz der Manner von dem der Frauen verschieden; die Männer hopfen drei Mal auf Einem Fuße und stampfen dann mit dem anderen Fuße auf die Erde, wogegen die Frauen, mit beiden Füßen hüpfend und die Hände auf die Schultern legend, einen Kreis beschreiben. Ihre musikalischen Instrumente sind eine zweisaitige Zither oder Geige und eine Art von Trommel."

Die Kjafir's Leben gesellig und lieben fröhliche Gelage. Im Winter versammeln sie sich um das Feuer und plaudern von ihren Waffenthaten. Sie trinken aus silbernen Bechern, die größtentheils von Feinden erbeutet sind. Der Wein, von dem es eine weiße und eine rothe Sorte giebt, hält sich Jahre lang. Man Peltert die Trauben mit den Füßen in einem großen irdenen Gefäße, das gar zierlich gearbeitet seyn soll. Leute von jedem Alter trinken Wein, und dem Kinde an der Mutterbrust reicht man schon Traubensaft. Eine Sklavin von dieser Nation, die bald nach ihrer Ankunft in Kabul entbunden wurde, verlangte kurz nach der Entbindung Wein oder Effig als Erquickung. Man reiche ihr ein kleines Gefäß voll Essig; sie warf ein halbes Dußend gerösteter Nüsse hinein und trank den ganzen Jnhält mit großem Appetit."

Die Tochter ausgezeichneter Kriegsmänner haben das Pris vilegium, gewisse Ornamente aus Muscheln in ihrem Haar zu tragen, und die Krieger selbst winden sich so viele dünne Gürtel um die Hüften, als die Zahl der von ihnen erschlagenen Mus hammedaner ausmacht. Unter sich selbst liegen sie oft in Fehde; aber die tödtlichste Zwietracht kann versöhnt werden, wenn man die linke Brustwarze feines Gegners küßt, oder, wie die Siah, puschen sich ausdrücken,,,die Milch seiner Freundschaft trinki."

Ich fragte den ältesten Kjafir, ob er sich nach seiner Heimat aurücksehnte; und er antwortete ganz unbefangen: Unsere Ges brauche sind zwar sehr gut, allein hier in Kabul gefallen mir die Muhammedanischen Sitten besser." Der Islam schien ihm sehr gut zu behagen, denn er sagte öfter:,,Hier zu Lande giebt es doch wenigstens eine Religion; bei uns aber so gut als gar keine."

Die Sprache der Siahpuschi's wird von keinem Nachbar Volle verstanden. Einige gelinde Lippenbuchstaben, die ihr eigens thümlich sind, vermag wohl kein Europäer nachzubilden."

,,Andere Notizen über die Siahpuschi's verdanke ich einem Muhammedamer, der fürzere Zeit unter ihnen gewesen. Dieser nennt sie ein sehr fröhliches, wohlgemuthes Voll, dessen Gewohns heiten und außere Erscheinung gar sehr an die Europder ers innern. Sie tragen Alle knapp anliegende Kleider, fißen auf Stühlen mit ledernen Ueberzügen und sind außerordentlich gasts frei. Dem Fremden wird immer Wein gereicht; und oft steht ein Vorrath dieses Getränkes in Krügen auf öffentlichen Plaßen, mo dann jeder Vorübergehende nach Gefallen und ohne Zahlung fich gutlich thun kann. Dem allaufrühen Abschneiden der Wein trauben ist hier, wie in Europäischen Ländern, durch strenge Ges feße vorgebeugt. Mein Berichterstatter behauptet, jeder Reis fende könne in Kjaferistan unbesorgt herumwandern, sobald er fich des Schußes und der Bürgschaft eines Siahpuschen vers fichert habe. Die Nation ist nicht graufam, wie barbarisch auch einige ihrer Gebrauché erscheinen mögen; und hat ein Kjafir zehn Individuen eines Stammes getödtet, so darf er doch auf Gnade rechnen, wenn er sein Meffer im Angesicht des Feindes zu Boden wirft, dasselbe mit Füßen tritt und dann niederkniet."

,,Außer dem erwähnten Muhammedaner traf ich in Peschas wer einen Hindu, der im Hochlande von Kjaferistan eilf Lage verweilt hatte. Er stand unter dem Schuße eines vielvermögens ben Kjafir's und erduldete keine Art von Bedrückung; doch würde ihm eine Exkursion zu den entfernteren Stämmen nicht erlaubt gewesen seyn: ein Versuch dieser Art hatte ihn das Le ben oder die Freiheit geloftet. Er wurde freundlich behandelt, wo er hinkam, und durfte jedes Haus betreten. Auch dieser Mann beschreibt die Siahpuschen als ein Voll von ausgezeichneter Schönheit, mit hochgewölbten Augenbrauen und regelmäßigen Gesichtszügen. Von Waffen bemerkte er bei ihnen nur Bogen und Pfeile; die Spisen ihrer Pfeile nehmen sich wie Lilien aus, und den Bogen spannten sie mit den Füßen. Ihr Land ist sehr fchattig und reich an Blumenflor. Man findet in demselben eine Menge-antiker Münzen, zum Theil mit Griechischen Inschriften." „Noch muß ich eines merkwürdigen Individuums gedenken, das ums Jahr 1829 von Kabul aus Kiaferistan besuchte. Dieser Mann tam von Kandahar; er gab sich für einen Gebern oder Feuer Anbeter aus, der gekommen sen, um in dem Lande der Kjafir's Denkmäler seiner Vorfahren zu suchen. In Kabul nahm er bei den Armeniern Quartier und nannte fich Schrijar, welcher Name bei den heutigen Parsi's gar häufig vorkommt. Seine Birthe boten ihre ganze Ueberredungskunst auf, um ihn

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von dieser gefährlichen Reife abzuhalten; er aber ließ sich nicht bedeuten und wanderte über Dibelalabad und Eughman, wo er seinen Klepper und seine Baarschaft zurückließ, als ein gemeiner Bettler in das Land der Siahpuschen, wo er mehrere Monate verweilte. Auf feiner Heimkehr wurde Schehrijar von den bes nachbarten Hajára's vom Stamme AlisPereßt barbarischer Weise überfallen und ermordet. Das Oberhaupt des erwähnten Stam mes, ein gewisser Melik Usman, empörte fich dergestalt über dieses Betragen seiner Untergebenen, daß er eine bedeutende Geldbuße von ihnen erpreßte. Alle diese Thatsachen habe ich aus dem Munde der Armenier in Kabul. Ob der unglückliche Schehrijar ein Geber aus Bombay oder aus Persien gewesen sen, fann ich nicht ermitteln; doch ist mir das Lestere wahrscheins licher, da er ein Rekem oder Dokument von den Schach mit sich fährte. Der Tod dieses Mannes ist sehr zu beklagen, da er ohne Zweifel schäßbare Notizen über Kjaferistan gesammelt hat; doch sieht zu hoffen, daß irgend ein anderes unternehmendes Ins dividuum dem abenteuerlichen Beispiel dieses Schülers des Zo roafter folgen werde. Ich weiß nicht, warum Einige behauptet haben, die Siahpuschen seyen direkte und unvermischte Nachkoms men der alten Perser; denn der einzige Umstand, daß sie ihre Todien, wie Jene, unbegraben lassen, kann diese Vermuthung nicht begränden, und Alles, was ich sonst von ihren religiösen Begriffen und Ceremonien erfahren konnte, hat mit den Saguns gen und dem Rituale des Zend Avesta nichts gemein." (A. J.)

Mannigfaltiges.

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Matigkeits Gesellschaften in Nord-Amerika. Im Jahre 1813 wurde zu Boston die erste Mäkigkeits: Gesellschaft begrändet, die sich den Namen „Gesellschaft von Massachussets" belegte und aus Geistlichen, Aerzten und Advokaten bestand. Zweck derselben war die Unterdrückung der Unmäßigkeit unter ihren Mitbürgern, und zu diesem Behufe vertheilte man anfangs von Jahr zu Jahr gedruckte Abhandlungen, in welchen die übein Folgen, die aus der Gewöhnung an geistige Getränke entspringen, auseinandergefeßt wurden. In den ersten Jahren wurden die Bemühungen dieser Gesellschaft vielfach verspottet; nach und nach verbreiteten sich jedoch ihre Ansichten und Grundfäße mehr unter dem Volke, und so kam es, daß im Jahre 1826 ein viel ausges debuterer Verein unter dem Namen Amerikanische Mäßigkeuss Gesellschaft“ in Boston begründet werden konnte. Dieser Bercin haue gleich anfangs die glücklichsten Erfolge, und der Krieg, den die zahlreichen Mitglieder desselben gegen alle Arten geistiger Ges tranke führten, konnte über die ausgedehntesten Mittel verfügen. Geistliche und Aerzte blieben auch in diesem Vereine die Seele des Ganzen. Von 1826 bis 1835 hatten sich nicht weniger als 8000 Lochier: Gesellschaften gebildet, die an 14 Mill. Mitglieder zahle ten. 4000 Branntweinbrennereien waren in diesem Zeitraume eins gegangen; mehr als 1200 Schiffe waren ohne spirituöse Getränke ausgerüstet worden, und die Assekuranz Prämie auf diese Schiffe hatte eben deshalb sehr herabgefeßt werden können. Ungefähr 12,000 Menschen, die als Trunkenbolde bekannt waren, hatten dem Laster des Eruntes ganz entsagt, und mehr als 200,000 Personen hatten den Gebrauch berauschender Getränke aufgegeben. Seit dem Jahre 1835 find diese Zahlen noch bedeutend angewachsen und andere wichtige Resultate erlangt worden. So haben in denjenigen Orten, wo die neue Sitten Reform Wurzel faßte, die Sterblichkeits-Listen sich bedeutend vermindert; ferner hat, unges achtet der Bevölkerungs, Zunahme, die Zahl der Bewohner von Armenhäusern und Hospitalern sehr abgenommen; Verbrechen, kommen viel weniger vor, und zuweilen liest man in den Zeituns gen, daß das Gefängniß in dieser oder jener Grafschaft leer stehe. Verschwendungen, wie sie sonst häufig bei Familenvdtern vorkamen, die dem Trunke ergeben waren, find viel feltener geworden. Auch das Weintrinken in den wohlhabenderen Familien hat sich vermindert, und statt der starken hißigen Weine von Spanien und vom Kap trinkt man jest mehr die leichten Sorten von Frank reich und Deutschland. Eine chronische Krankheit des Magens, die unter dem Namen Dyspepsie" bekannt ist und sonst in Amerika sehr verbreitet war, ist jeßt gänzlich verschwunden, und auch die Gicht kommt nicht mehr so häufig vor. Man nimmt an, in den nördlichen Staaten habe die größere Nüchternheit die physische Kraft der Einwohner mindestens um den sechsten Theil verstärkt, so daß eine Bevölkerung von fünf Millionen jeßt fo viel zu Stande bringt, als früher sechs Millionen. So entschiess den hat sich jest dort die öffentliche Meinung zu Gunsten der Mäßigkeits Gesellschaften erklärt, daß die Legislatur von Massas chussetts im Jahre 1837 veranlaßt worden, ein Gefeß zu erlaffen, wodurch am Sonntage der Verkauf geistiger Getränke gänzlich verboten wurde. Dieses Gefeß hat so günstige Resultate gelies fert, daß im Jahre 1838 eine andere Verordnung erlassen wers den fonnte, wodurch festgefeßt wird, daß von solchen Getränken Peine geringere Quantitat als funfzehn Gallonen auf einmal vers kauft werden darf. In Folge dieses Gefeßes haben alle Brannts weinschanken (grog-shops) ihr Geschäft eingestellt. Dies hat jes doch so wenig unzufriedenheit errege, daß sich vielmehr der Staat Tennessee veranlaßt gesehen, dem Beispiele von Maffar chussetts zu folgen, das bald auch noch von anderen Staaten der Union nachgeahmt werden dürfte.

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(Aus einem Schreiben des Dr. Warren, Profeffors in Boston.)

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vierteljährlich, 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie.

No 37.

für die

Expedition (Friedrichs-Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslande bei den Wohllöbl. Post - Aemtern.

Literatur des Auslande s.

Berlin, Mittwoch den 27. März

Frankreich.

Die Kleinkinder - Bewahr - Anstalten.

Herr von Gerando, Französischer Pair, besuchte auf seinen Reisen durch Frankreich und durch verschiedene andere Länder Europa's die Hospitaler und Barmherzigkeits- Anstalten. Er hat interessante Dokumente gesammelt, die noch durch einen bedeus tenden Briefwechsel vermehrt sind, und so eben legt er die leßte Hand an eine Abhandlung über die öffentliche Wohlthätigkeit; dieses Werk beschäftigte ihn schon seit sehr langer Zeit, er nennt es selbst das Werk seines Lebens. Seine Gelehrsamkeit, seine hohe Stellung, seine früheren Beschäftigungen, so wie der Rang, den er bei der Verwaltung des öffentlichen Armenwesens ein; nimmt, befähigen ihn vorzugsweise zur ausführlichen Behandlung eines so weit umfassenden Gegenstandes. Wir entlehnen daher diesem Werke folgenden interessanten Abschnitt:

,,Unter allen Schöpfungen, welche der Geist der christlichen Barmherzigkeit ins Leben gerufen, giebt es gewiß keine liebes vollere und erfreulichere, als jene Anstalten, wo unter schüßender Aufsicht eine Menge kleiner Kinder versammelt sind, die spielend mit der zartesten Sorgfalt geleitet und, ohne daß sie es wissen, auf eine ernstere Erziehung vorbereitet werden. Dort wird das Auge nicht durch das Bild des Elends, der Leiden und der uns heilbaren Uebel getrübt, welche die Wohlthätigkeit sonst überall antrifft, wo sie rettend und tröstend herbeieilt. Dort wird der Menschenfreund nicht durch den Anblick der schrecklichsten Laster beleidigt, die nur zu oft mit dem Elend Hand in Hand gehen. Hier fließen keine Thränen, hier ertönt nicht der Seufzer des Kummers, das Geschrei der Verzweiflung. Hier giebt es für die Wohlthätigkeit keinen Zweifel, kein Vorurtheil zu überwinden, fie ist nicht in Gefahr, über die Anwendung ihrer Gaben getäuscht zu werden, es wird kein Mißbrauch damit getrieben, und uns dank ist nicht ihr Lohn. Besuchet solche Anstalten, schon ihr bloßer Anblick verursacht ein angenehmes Erstaunen; Alles macht einen freundlichen Eindruck auf den Beschauenden; die Gegen wart so vieler Kinder vom zartesten Alter, ihre Fröhlichkeit, ihr gesundes Aussehen, die Ordnung und die Reinlichkeit, die überall herrschen; die Uebungen, welche mit so großer Genauigkeit und Uebereinstimmung vollzogen werden, und wobei die Geisteskräfte und die Gefühle dieser kleinen Wesen sich unter der liebevollsten Leitung ausbilden. Die Spuren des Elends verschwinden und machen den heiteren Bildern des Glücks Play; Religion und Moral walten im Kreise dieser kindlichen Versammlungen und laffen dort ihre erhabene Stimme in rührenden und anmuthigen Tönen erklingen. Ein günstiges Morgenroth umgiebt die jugends lichen Wesen mit den Strahlen der Hoffnung; es ist ein Blumens beet, das unter den Schritten der Wohlthätigkeit die duftenden Kelche erschließt. Hätte die Malerei es sich zur Aufgabe gemacht, uns die Geschichte der Werke der Barmherzigkeit aufzubewahren, so wäre dies ein würdiger Gegenstand für Albano gewesen.

Eine solche Anstalt mußte durch das Wirken der Mutterliebe ins Daseyn gerufen und erhalten werden; sie mußte ein Werk der Frauen seyn, und sie sind es auch in der That, die den ersten Gedanken dazu faßten und ausführten; sie waren es vorzüglich, die bis jest diese Einrichtungen leiteten und förderten.

Doch müssen wir nicht vergessen, daß die erste dieser Ans stalten vom würdigen Pfarrer Oberlin im Steinthale, schon im vorigen Jahrhundert, in Verein mit seiner Gattin gestiftet wurde; auf jenen Höhen der Vogesen sammelten sie unter der Obhut von Aufseherinnen eine Menge Kinder um sich, und ihre Magd, Louise Scheppler, stand ihnen bei ihrer neuen Schöpfung treu und helfend sur Seite; doch blieb diese segensreiche Stiftung fast ganz unbekannt. Erst später, zu Anfang dieses Jahrhunderts, machte eine wohlthätige Dame, die Marquise von Pastoret, cinen folchen Versuch in Paris. Einige Jahre nachher entstanden in England, unter dem Namen Kleinkinderschulen, eine gewisse Ans zahl dhnlicher Schöpfungen, an deren Leitung die Englischen Damen thatigen Antheil nahmen. Die erste Musterschule wurde in New Lanark von Herrn Robert Buchannan im Jahre 1819 ge stifter. Man berief ihn das Jahr darauf nach London, um dort Kleinkinderschulen auf Kosten von zwölf Subskribenten einzurich ten, an deren Spiße Herr Brougham, der Marquis von Lans: downe und Andere standen. Französische Philanthropen rühmten

1839.

diese glücklichen Versuche, eine Dame besuchte die Kinderschulen in London und brachte den Plan derselben nach Paris, den sie noch vervollkommnete und unseren Sitten anpaßte. Ein Damens Comité richtete die erste Anstalt nach diesem neuen Vorbilde in Paris ein und beaufsichtigte zehn Jahre hindurch alle die Schus len, die unter ihrem Schuße fast täglich in allen Theilen der Hauptstadt entstanden und den Namen,,Zufluchtsfäle für die Kindheit" führten. Bald fanden sie würdige Nacheiferung in allen Provinzen. Man muß diesen Damen um so lebhafteren Dank für alle ihre Aufopferungen wissen, weil es hauptsächlich ihrem Geschlechte zukömmt, solchen Anstalten vorzustehen, den wahren Geist derselben zu beleben und alle die kleinen Bedürf nisse derselben anzuordnen. In allen Ländern Europa's haben die Frauen mit rührendem Eifer diese neue Gelegenheit aufges faßt, um jene Wilde auszuüben, die ihnen so eigen ist; sie haben sich über diese Einrichtungen gefreut, wie über eine neue Erobes rung, die das Gebiet ihres Wirkens vergrößerte. Die kleinen Wesen jauchzen bei ihrem Erscheinen, und ihr Lächeln scheint ihren Wohlthäterinnen zuzurufen: Wir sind glücklich, so liebevolle Pflegemütter zu haben.

leber England, wie wir schon erwähnten, verbreiteten sich diese herrlichen Einrichtungen zuerst und am schnellsten, Dank dem Associationsgeist, der hier allen Werken der Wohlthätigkeit ein fo merkwürdig reges Leben verleiht. Im Jahre 1834 traten in London zu diesem Behufe zwei Gesellschaften zusammen, und schon im folgenden waren funfzig Englische Städte und Flecken mit ähnlichen Anstalten versehen. Im Jahre 1837 bestanden in London bereits mehr als hundert folcher Schulen, die von wenigs stens 20,000 Kindern besucht waren. England, Schottland und Irland_haben__deren_zusammen mehr als tausend. Auf diese Weise haben sich diese Einrichtungen über die Vereinigten Königs reiche verbreitet, obgleich sie dort nicht den Charakter gefeßlich geordneter Anstalten tragen, weil die öffentliche Verwaltung sich weder um ihre Einrichtung, noch um ihre Beaufsichtigung tam mert; es giebt freilich überhaupt eigentlich gar kein öffentliches Verwaltungs-System für den Unterricht in England. Die Masters schule für kleine Kinder in Glasgow wurde von der Erziehungs Gesellschaft dieser Stadt gestiftet, und seit ihrem Entstehen im Jahre 1832 hat sie über hundert Lehrer für die verschiedenen Theile Schottlands gebildet; fie hat folche Männer auch nach Irland, ja selbst nach Ostindien geschickt.

In Paris wurde diese Einrichtung 1826 durch eine wohl; thatige Gesellschaft un durch freiwillige Beiträge gefördert; auch erhielt sie bald bedeutende Unterstüßungen von der Verwaltungss Behörde der Hospitaler, von den Wohlthätigkeits Büreaus und von der städtischen Verwaltung; 21 folcher Anstalten sind nach und nach in der Hauptstadt entstanden.

Mehrere große Städte, wie Straßburg, Lyon, Bordeaux, Nantes, Toulouse, Rouen, Arras, Versailles, Angouleme, Brest, Nimes, Angers, folgten diesem Beispiele und nahmen Theil an der Wohlthat. Die erste Anregung dazu war gegeben, und so traten denn auch bald ähnliche freiwillige Anstalten, entweder durch Gesellschaften oder durch wohlthätige Privatleute, ins Les ben, welche häufig auf ihre Kosten Schulen einrichteten, die wahrlich zum Muster dienen konnten. Die Städte Verwaltungen belobten solche Unternehmungen und wirkten oft selbst thatig das bei mit; an vielen Orten interessirte sich auch die Geistlichkeit sehr dafür. In Bordeaux entstanden wie durch ein Wunder plögs lich 12 solcher Anstalten unter der Obhut cines würdigen Prálas ten und durch den unermüdlichen Eifer eines werkthängen Geists lichen. Doch gab es im Jahre 1834 erst 102 Anstalten der Art, die über 34 Departements vertheilt waren. Die öffentliche Stimme erklärte sich aber zu ihren Gunsten, alle wohlmeinende Leute waren ihres Lobes voll, und der heilsame Einfluß, den fie ausübten, ja schon der bloße Anblick, den sie dem Beobachter darboten, gewannen ihnen bald allgemeine Theilnahme. Die Regierung überzeugte sich von der Wichtigkeit dieser Anstalten, und da man gerade in jener Zeit sich mit löblichem Eifer der. Verbesserung des Elementar, Unterrichts in Frankreich widmete, so bedachte man, daß solche Einrichtungen ihrer Natur nach eigentlich zu den Elementarschulen gehörten, weil sie die Kinder zu diesen vorbereiteten. Die Zufluchtssäte der Kindheit" zer fielen in drei Kategorieen; einige waren nur Privat Unterneh mungen, andere hingegen öffentliche Anstalten und eine dritte

Klasse, welche die Mehrzahl in sich begriff, war gemischter Art, weil sie zu gleicher Beit durch jene beiden Quellen erhalten wurde. Sie gehörten auch sämmtlich, und zwar vermöge ihres Ursprungs, zu den milden Stiftungen, und vermöge ihres Zwecks zu den Lehr Anstalten. Im Jahre 1837 wurden sie durch das Ministerium auch den Geseßen und Anordnungen dieses leßteren unterworfen, und bald darauf ordnete ein Königliches Dekret das ganze Unterrichtswesen derselben, seste dafür bestimmte Gegens ftande und Gränzen fest, unterschied die öffentlichen und die Privat Anstalten von einander und bestimmte die Direction, die Privilegien und die Personen, welche mit der Verwaltung und der Beaufsichtigung derselben beauftragt seyn sollten. Mit weiser Umsicht wurde festgeseßt, daß jede dieser Schulen unter einer Directrice oder Aufseherin stehen sollte, obgleich auch die Beigefellung eines Direktors oder Aufsehers in gewissen Fällen gestattet war. Die Prüfung der Personen, welche sich zu diesen Aemtern meldeten, sollte einer Versammlung von Familiens Müttern anvertraut werden, und diesen Vorsteherinnen ward die Verpflichtung auferlegt, täglich die Anstalten zu besuchen und zu beaufsichtigen. Uebrigens wurden diese Zufluchissdle den all gemeinen Vorschriften für den Elementar Unterricht und der Oberaufsicht der gefeßlich bestellten Beamten für die Elementar Schulen unterworfen.

In Folge dieser Bestimmungen haben die Inspektoren der Elementarschulen alle Zufluchtssale besucht, die 1837 in Frank reich bestanden. Nach ihren Aussagen gab es damals 328 Ans stalten, in 62 Departements und 192 Städte vertheilt; 28,080 Kinder besuchten dieselben; die Gemeinden steuerten dazu die Totalsumme von 164,607 Franken bei, und das außerdem noch Erforderliche wurde durch Privats Geschenke gedeckt. In diesen Ueberschlag ist das Departement der Seine und Dise nicht mit einbegriffen, welches zu derselben Zeit 13 Zufluchtssdle besaß, worin sich 534 Knaben und 539 Mädchen, also im Ganzen 1073 Kinder befanden, von denen 831 Freischüler waren und 242 einen kleinen Beitrag entrichteten. Beinahe 30,000 Kinder genießen also jest in Frankreich, vermöge dieser neuen Einrichtung, von ihrer zarten Jugend an die Vorzüge einer guten Erziehung; 23 Departements hatten bis zu dem oben angeführten Zeitpunkt noch nichts für die Errichtung ähnlicher Anstalten gethan; doch haben Privatleute an den verschiedensten Punkten von Frankreich aus ihren eigenen Mitteln solche Zufluchissále eingerichtet und sie so reich beschenkt, daß ihnen dadurch eine feste Dauer ges sichert ist.

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Nantes während der Schreckenszeit.

II.

Meine beabsichtigte Reise nach Brest, die schon so viele Uns terbrechungen erlitten hatte, schien nicht gelingen zu sollen. In la Roche Sauveur wurde ich durch eine Krankheit festgehalten. Dann bekam ich Briefe, welche meinen Plan ånderten und mich nach Nantes zu reisen zwangen.

Es war der 20. Nivôje 1793, d. h. das von Carrier organis firte System des Schreckens hatte seinen Gipfel erreicht. In Rennes hatte man wohl von den energischen Maßregeln gespro chen, die der Repräsentant angeordnet, aber man wußte nicht, was es damit eigentlich für eine Bewandtniß habe. Die erste Wirkung der Gefahr ist, daß die Menschen sich fester an einander schließen; wenn dieselbe aber drohender wird, so zerreißen alle Bande, und es erwacht das Gefühl der Selbsterhaltung. Das mals war jede von Hunger, Krieg und der Proscription bes drängte Stadt einem Kranken ähnlich, welcher mit dem Tode ringt und kein Gefühl für die Außenwelt hat. Der Tod stand übrigens Allen fo nahe, daß man sich an ihn gewöhnt hatte. Alle entfernter Stehenden glauben daher auch, daß die Hinrich tungen in Nantes sich nicht von den übrigen unterschieden. Die Zahl der Hingerichteten erklärte man sich aus der Menge der ges fangenen Vendeer, und diesen gönnte man ihr Schicksal; es war ja nur gerechte Wiedervergeltung.

Ich machte die Reise nach Rantes ohne Widerstreben und ohne Furcht. Wie hätte ich auch ahnen können, welches Schaus fpiel mich hier erwartete! Aber Carrier war ein Auserwchtter unter so vielen Ungeheuern und vereinigte alle Laster der Zeit in fich. Was ich bei meiner Ankunft in Nantes gesehen, werde ich nie vergessen, und wenn ich tausend Jahre alt werden sollte. Es wat gegen Abend, als die Stadt vor mir aus den Nebeln der Loire auftauchte. Ich hörte ein lautes und anhaltendes Gewehrs feuer, in welches der Donner der Kanonen einfiel. Erstaunt blieb ich stehen, denn es wurde unfehlbar in der Stadt geschoffen. Ich fragte einen Volontair, der vorüberging, ob man sich in der Stadt schläge. Er sah mich erstaunt an, suckte die Achseln und die Kanonen? Das ist eine Idee des Repräsens schneller fertig zu werden." Der Volontair ging weiter, und ich feste meinen Weg fort. In den Vorstädten was ren die Hauser ohne Thüren und Fenster und meist von Kugeln durchlöchert. Als ich mich der Edre ndberte, begegnete ich einem Haufen Kinder, welche blutbefleckte Kleider trugen und sich um diefe ftritten. Es war Nacht geworden. Ich ritt, gedankenvolls weiter, als plöslich mein Pferd zur Seite sprang und laut aufs wicherte.. es hatte auf einen Leichnam getreten. Ich wollte es antreiben, aber es stieß gegen einen zweiten, dritten, vierten

d:,,Man läßt die Räuber ihr Abendgebet verrichten.“

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mußte absteigen; mein Fuß traf auf einen weichen Gegenstand es war der Körper eines Kindes. Der ganze Plag war mit Leichnamen bedeckt, und das Blut floß in Strömen. In der Luft war ein unbeschreiblicher Geruch verbreitet; es überlief mich ganz falt. Mein Pferd wollte noch immer nicht vorwärts. Plöglich ers tönte in der Ferne lautes Gebell. Ich wendete mich um und fah eine Meute hungriger Hunde herbeistürzen, welche nach allen Rich tungen auseinanderfuhren und sich unter den Leichen zerstreuten. Dann ward Alles ruhig, und man hörte nur noch ein dumpfes Ge schnupper, das gierige Wühlen im Fleische und Benagen der Knochen. Von Schrecken ergriffen, schwang ich mich aufs Pferd und seßte ihm die Sporen in die Seite. Jest jagte es davon, aber nicht ohne auf dem schlüpfrigen Wege öfter auszugleiten.

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Ich war endlich diesem scheußlichen Anblicke entflöhen und auf dem Plaß der Kathedrale angelangt, wo ich in meinem ge wöhnlichen Wirthshause abstieg. Als ich eintrat, sah ich mich der Bürgerin Benoist gegenüber; wir stießen Beide einen Schrei der Verwunderung aus. Als wir einige Worte gewechselt, jog fie mich zur Seite und sagte mir, daß ihr Mann eingeferkert fen, weil er seinen Unwillen über die Gräßlichkeiten, die an der Tagesordnung waren, nicht habe unterdrücken können. Ich fragte, ob sie Hoffnung habe, ihn zu retten. Ich weiß nicht", erwies derte fie. Schrecken hemmt die Feigen, und die Muthigen sind ermüdet. Es ist zu viel wahrend einiger Monate gewüthet wors den, und Erstarrung hat sich aller Gemüther bemächtigt. Jeder hat den Kampf aufgegeben und sieht ruhig dem Tode entgegen; man läßt sich hinschlachten und versucht nicht einmal, das Schlachtmesser abzuhalten. Indeß habe ich Philippe Tronjally und mehrere Andere besucht und will noch nicht alle Hoffnung aufgeben. Ein solcher Zustand kann nicht von Dauer seyn; und es giebt Schmerzen, welche selbst die Todten aufwecken müssen. Der Konvent muß endlich Gerechtigkeit üben, wenn sich von allen Seiten das Geschrei der Verzweiflung vernehmen läßt. Je rascher man vorwärts gegangen ist, desto rascher wird man auch umkehren måssen." Wir sprachen hierauf noch von den Mits teln, ihren Mann zu retten, und ich bot ihr meine Mitwirkung an; aber sie lehnte sie ab.,,Ich würde Sie ohne Nußen blogs stellen", sagte sie. Lassen Sie mich erst allein handeln und fehen, ob es mir gelingt. Wir leben in einer Zelt, wo man das Leben seiner Freunde nicht aufs Spiel seßen darf. Ich habe Verwandte, welche mir theuer find, aber ich habe sie nicht be suchen wollen, um nicht die Proscription auf sie herabzuziehen, und ich werde nur in der dußersten Noth meine Zuflucht zu ihnen nehmen. Entschuldigen Sie mich; Philippe erwartet mich.“

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Ich hatte selbst Geschäfte, und Alles, was ich vernommen, ließ mich wünschen, sie so bald wie möglich zu beenden. Ich begab mich also zu dem Bürger Dufour. Er war nicht zu Hause, aber man bezeichnete mir ein Wirthshaus, das „Café du vrai Sans-Culotte", wo ich ihn finden follte

Ich trat in einen niedrigen und durchräucherten Saal; auf den Fensterladen hatte die ungeschickte hand des Malers eine mit der phrygischen Müße und den Worten: Liberté Fraternité verzierte Guillotine hingefudelt. Gldfergeflirr, wildes Lachen und Flüche schallten mir entgegen. Ich suchte den Bürger Dufour, als ich plößlich meinen Namen hinter mir aussprechen hörte. Ich drehte mich um und fah einen

es war Pinard. Ich hatte

der mir beide Hände entgegenstre Menschen in einer Carmagnole, ihn feit meinem früheren Aufenthalt in Rennes nicht gesehen, und die Art, wie wir uns verlassen hatten, stimmte wenig zu feinem jebigen freundschaftlichen Entgegenkommen. Ich weiß nicht, ob es eine Folge der Trunkenheit oder der Zeit war, aber er schien Alles vergessen zu haben. Ich erwiederte seine Bes grüßung mit einiger Kalte. Er bemerkte es und sagte:,,Sind wir noch erzurnt? Friede! Donnerwetter! Friede! Und komm her zu Deinen Freunden." Ich wollte mich strduben, aber er rig mich fort und sagte, indem er sich zu seinen Trinkgefährten wen: dete: he! Ihr da! Einen Plaß für einen wahren Republikaner."

bes

Die Angeredeten rückten zusammen, und ich war gezwungen, mich zu seßen. Pinard ließ mir ein Glas reichen. Ich mußte trinken. Ich fühlte mich sehr unbehaglich, da ich nicht wußte, neben welchen Leuten ich hier faß, und, wenn ich sie nach Pinard beurtheilte, nicht sehr günstig von ihnen denken fonnte. Er ließ mich nicht lange in Ungewißheit darüber.",Du bist also herges tommen, um zu sehen, was wir hier für Geschäfte machen", gann er wieder, indem er sich ein Glas Bunsch eingof. - Ich fegte ihm furz aus einander, roas mich nach Nantes geführt hatte, aber er hörte nicht und war eigentlich nur mit seinem Glase bes schäftigt. Es find schwere Zeiten, Cincinnatus", fuhr er dann mit dem Ernste eines Trunkenen fort. Die wahren Patrioten haben furchtbare Anstrengungen zu erdulden. Wenn man auch Tag und Nacht arbeitet, so find doch so viele Räuber in den Gefängnissen, daß man ihnen gar nicht Gerechtigkeit widerfahren laffen kann. Es fehlt an Zeit." -,,Gewiß!" fagte rothem Barte, der fein Glas mit marrischer Miene leerte;,,es fehlt an Beit, fie zu entkleiden, sie niederzufchießen, fie todtsus schlagen. Es geht zu viel Zeit verloren. Pinard neigte sich ju mir. Das ist Ducou", flüsterte er mir ins Ohr. Wenn es bloß an Zeit fehlte", fagte ein Anderer,,,so könnte man rascher arbeiten; aber dieser Unglücks President, Tronfolly, will die Angeklagten vernehmen, als ob man noch Beweise brauchte, um die Aristokraten unter das Nationals Scheermesser zu liefern." ,,Das ist Gouillin", sagte Pinard leise;,,er ist der Beste von uns Allen.“,Weißt Du nicht, ob man die Räuber noch dies

Mann mit

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