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vierteljährlich, 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Erhobung, in allen Thalen der Preußischen Monarchie.

Ag 35.

für die

Expedition (Friedrichs-Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslande bei den Wohllöbl. Post - Aemtern.

Literatur des Auslandes.

Berlin, Freitag den 22. März

Frankreich.

Nantes während der Schreckenszeit. *)

Bon E. Souveßre.

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Wir waren einige Stunden geritten, ohne Jemand zu begegnen. Unser anfangs ziemlich munierer Führer war allmatig fehr ichweigiam geworden und blickte öfters seitwärte. Ich be fragte ihn nach dem Grunde. Er machte mich darauf aufmerk sam, daß auf dem Graje Pferdehufe abgedrückt seyen.,,Was that das?" fragte ich. -,,Sehr viel", erwiederte er;,,die Royas tisten lauern den Reisenden wie der Jäger dem Wilde auf, und fie müssen diese Rubung eingeschlagen haben!" - Wir waren unterdeß bei einem Kreuzwege angelangt. ,,Sich' nur, Barger!" fuhr von fort, indem er auf ein zerbrochenes Kreus hinwies, das man augenscheinlich wieder zusammenzus feßen versucht hatte;,,das ist ihr Wert." Kaum hatte er diese Worte gesprochen, als er plöglich starr auf eine Eiche hins blickte und einen Schrei ausstiek.,,Was giebr's?" fragte ich. „Siehst Du nicht, daß die untersten Zweige des Baumes alle nach derselben Richtung hin geknickt find? Das ist das Signal der Royalisten.” ,,Und was bedeutet es?" -,,Daß sie schon angekommen find oder ankommen werden.“ Was ist aber da zu thun?"" Jvon fann einige Augenblicke nach und machte dann den Vorschlag, den Weg fortzusehen, da wir eben so viel Aussicht hatten, die Royalisten auf dem Rückwege anzutreffen, als wenn wir unsere Reije fortseßten.,,Jeßt müssen wir unsere Ohren spißen", sagte unjer Führer,,,denn wir kommen durch ein Dickicht, in welchem wahrscheinlich mehr Aristokraten als Wölfe hausen."

Der Weg schlängelte sich in der That durch ein buschiges Gehölz. Jvon ritt voraus auf der Mitte des Weges. Ich folgre im Schrine, ohne die Bagel meines Pferdes je loszulassen. Weine Begleiterin war mir unterdes näher gerückt, und ich fühlte ihren Arm zittern; die Stille der Nacht, die Gefahr, der wir entgegengingen, der warme Athem, der in meine Haare hauchte, hatten mich in eine ungewöhnliche Stimmung verfeßt, der eine gewiffe zärtliche Aufregung nicht fremd war. Ich hatte die Gefährlichkeit unserer Lage fast ganz vergessen und fühlte nur den weichen Druck der schönen Hand, die den Schlag meines Herzens beflügelte. 3ch legte meine Hand auf die ihrige und fagte:,,Warum sittern Sie? Wenn wir den Royalisten wirklich in die hande fielen, so hätten Sie doch nichts zu fürchten. Ihre Brüder kämpfen ja in den Reihen derselben."

Sie war im Begriff zu antworten, als von einen lauten Schrei ausstieß und im gestreckten Galopy davonjagte. Plößlich fielen zwei Schüfse, und mein Pferd brach zufammen. Mehrere Männer seßten über den Graben, welcher das Gebújch vom Wege trennte, und wir wurden umringt. Obgleich ich mit einem Beine unter das Pferd gefallen war, so gelang, es mir doch, mich wieder aufzurichten; ich stellte mich vor das junge Mädchen hin, um sie mit meinem Körper zu vertheidigen. „Das ist Frðus lein von La Hunoterie!" rief ich aus. Kaum hatte ich diese Worte ausgestoßen, als ich einen Schlag gegen den Kopf erhielt. Jih fant betäubt zur Erde. An das, was mir ferner begegnete, Fann ich mich nur noch dunkel erinnern. Es kam mir vor, als ob man mich tiefer ins Gehölz schleppe, und als ob die Dornen meine Hände und mein Gesicht rigten. Aber mein Bewußtseyn verlor sich endlich ganz.

Das Gefühl einer durchdringenden Kålte brachte mich wieder zur Besinnung. Als ich meine Hand ausstreckte, fühlte ich Zweige und Blätter. Ich versuchte, mich auf den Ellbogen zu rasen, aber ich brauchte lange Zeit, um mich wieder zu sammeln. Mein Kopf schmerzie mich gewaltig, und vor meinen Augen schwamm Alles in einander wie die Gebilde eines wüsten Träumes. End: lich Pam mir die Erinnerung wieder, und ich blickte prüfend um mich. Ich lag auf einem Lager von Haidekraut in einer großen aus Zweigen und Laubwerk erbauten Hätte. In der Mitte ders felben brannte ein großes Feuer, um das ein Daßend Menschen hingestreckt waren und plauderten. Sie waren sämmtlich mit

* Vgl. den Artikel „Die Echreckenszeit in der Bretagne" in Kr. 85-87 des „Magazins“ von 1838, an welchen fich der gegenwartig: anschließt.

1839.

der Nationaltracht, einem Ziegenfelle, bekleidet und trugen lange Haare, außer einem Einzigen, welchen ich an dem Tuche, das um seinen Hut gewickelt war, an seiner Weste, die mit einem geweihten Kreuze und einem Rosenkranze geziert war, augenblicks lich für einen flüchtigen Vendeer erkannte.

Anfangs wurde es mir schwer, etwas von ihrer Unterhaltung zu erfassen. Sie lärmten Alle durch einander im Landesdialekte. Plößlich ertönte draußen ein gellendes Pfeifen, welches durch ein dhnliches erwiedert wurde. Jest ließen sich auch Tritte verneh men, und es traten mehrere Männer ein.,,Nun, Fine Oreille?" fragte der Vendeer. Herr von La Hunoterie war nicht in feiner Wohnung", erwiederte der junge Mann, welcher eingetres ten war, aber die alte Rose hat die Nichte des gnädigen Herrn erkannt, und ich habe sie dort gelassen." Für die Anderen hat man Dir nichts aufgetragen?" ,,Es war ja Niemand da. Ja, doch! das Fräulein läßt bitten, man möchte Keinem etwas zu Leide thun.” ,,Schon gut!" sagte der Vendeer. Man wird sie auch danach fragen; das nehme ich auf mich." Morgen wird sie mit ihrem Onkel hierher kommen und sie abr holen, fügte Fine: Oreille hinzu. ,,Sie foll sie finden, denn Menschenfleisch essen wir nicht. Ich werde sie ihr in Stücken aufbewahren, des besseren Transports wegen. Die Bretagner fahen sich unfólússig an. Endlich wagte Einer schüchtern zu daßern:,,Wenn aber der Capitain nicht will, daß man sic tödte." – „Der Capitain bin ich jezt, mein Junge!" sagte der Vendeer, „und man wird thun, was ich heiße. Aber erst wollen wir doch schen, was in dem Papiere steht, das man bei dem Kleinen ges funden hat. Lies, Fine Dreille, Du kömmt ja aus dem Seminar." Der junge Bretagner nahm das Papier und forderte eine Leuchte.

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Ich hatte geglaubt, daß Zvon entflohen sen; jest überzeugte ich mich vom Gegentheil. Ich spähte in allen Winkeln umher und bemerkte ihn am anderen Ende der Hütte mit gebeugtem Haupte auf der Erde fißen. Der junge Seminarist begann die Depesche zu lesen, welche man bei unserem Führer gefunden hatte. Ich horchie hin. Es war ein langer Brief, in welchem die National Reprájentanten den Gewalthabern in la Roche-Saus veur auftrugen, das flache Land zu durchsuchen, Garnisonen_in alle Gemeinden zu legen, welche sich weigern sollten, der Res publik ihre Getraidevorráthé oder ihr Vich auszuliefern, und ends lich diejenigen, welche die Waffen ergriffen hatten, der gerechten Wuth der Vaterlandsvertheidiger zu übergeben. Zaffet alle verfügbare Truppen gegen die aufrührerischen Bezirke ans rücken", hieß es am Schlusse;,,brennet nieder, was verbrannt werden fann, tödtet, was getödtet werden kann, und zerstöret alles Uebrige, damit man auf der wüsten Stätte der aufrühres rischen Dörfer einen Pfahl mit der Inschrift aufrichten könne: Hier war ein reiches und bevölkeries Land, welches die Oberges walt der Nation nicht anerkannte, und die Nation hat aus dem Lande eine Wüste gemacht."

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Das Ablejen des Briefes wurde mehrmals durch die Vers wünschungen der Royalisten unterbrochen; am Schlusse erhob sich ein einstimmiger Schrei des Unwillens und der Wuth.,,Sie sollen nur kommen, die Laffen!" shrieen Alle durch einander; ,,wir haben noch Pulver und Kugeln in den Gemeinden und wollen fie schon empfangen." Nur ruhig, meine Lammer!" fagte der Vendeer höhnend.,,Sie werden früh genug kommen. Da wir jezs nur noch niedergebrannte Häuser, unbebaute Felder und Brunnen haben, welche Modergeruch duften, werden die Blauen schon hierher kommen; die Reihe kömmt an einen Jeden. Bald werdet Ihr die Mainzer Grenadiere sehen, welche die Ohren Eurer Frauen statt Rosenkränze tragen und die Köpfe Eurer Kinder auf ihre Bajonnette gespießt haben. Wen Jhr nicht tödtet, der wird Einen der Eurigen tödten. Die Blauen und die Weißen find, Ihr wißt es ja, wie Wolf und Hund; wenn sie zusammenstoßen, muß Einer auf dem Plase bleiben.” Wir wollen über sie herfallen", riefen die Bretagner. Schön; Jhr könnt gleich ans Werk gehen." Bei diesen Worten wandten sich alle Augen auf Joon.,,Es ist_wahr“, fagte ein Bauer, er hat den Befehl überbracht, uns Alle nieders Jumeßeln."

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Bei diesen Worten überlief mich ein Palter Schauder. Ich wußte, welche grausame Foltern die Revalißten über ihre Gefans genen verhängten, und ich jah in allen Augen eine düßtere Wuth

erglänzen. Die Erbitterung der Royalisten war mit ihren Dros hungen gewachsen, die Graujamkeit schwebte nicht mehr bloß auf ihrer Bunge, sondern sie war in ihre Herzen übergegangen. Sie umringten den Vendeer, welcher kaltblutig seine Pfeife stopfte. ,,Was wollt Ihr mit dem Laffen machen, Herr Store!" fragie der Keckste. Der Angeredete blickte um sich und jagte: Ich sehe, 3hr send auf gutem Wege. Wenn Ihr wollt, werde ich ihn barfuß auf den Kohlen tanzen lassen, oder ich werde ihm die Ohren abschneiden und sie ihm zum Abendessen aufuschen.“

,,Ja! Ja!" schrieen Alle im Chor. —,,Aber davon stirbt er nichi", wandte Einer ein. ,,Nur Geduld!" erwiederte Storel, man muß sich nicht übereilen!.. Der Bürger soll schon die Qualen des Todes fühlen; aber vorher muß er zu unserer Unters haltung beitragen.. Wenn er müde ist, nageln wir ihn wie eine Fledermaus an die Thür unserer Hütte und heften ihm den Brief der Repræsentanten auf die Brust. Wie gefällt Euch das, meine Jungen?" Ja! Ja!" schrieen Alle.

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Man ware gleich zur Ausführung dieses höllischen Planes geschritten, wenn Nagel und Eiricke bei der Hand gewesen wäs ren. Da diese fehlten, so machten sich einige Bauern auf. Sto rel ging mit ihnen, um die Vorposten zu inspiziren. In der Hütte blieb Fine Oreille mit sechs oder acht Bauern zurück. Ich erhob mich, um Ivon zu beobachten. Als die Schritte Storet's und feiner Begleiter verhallt waren, richtete er seinen Kopf langs fam auf. Sein Gesicht war bleich, seine Augen weit geöffnet. Er blickte einige Augenblicke um sich, als ob er sich sammeln wolle; dann fielen seine Augen auf die Gruppe, welche am Heerde saß. Allmålig schien er Muth zu fassen; er richtete sich ganz auf seinem Siße auf und sagte mit einem Ausdruck der Ruhe, der mich überraschte: Guten Tag, Guillaume Salaiin.“ Alle wendeten sich ihm zu. Diefer Priesterjohn kennt Deinen Namen", sagte ein Bauer zu Fine Dreille. —,,Auch Deinen, Claude Menes", sagte Ivon;,,auch Deinen, Jean Guïader, Pierre Leguern, Louis Ledu." Alle standen auf und riefen: „Wer bist Du denn?" Die „Ein Mensch aus Eurer Gemeinde.“ Bauern traten näher. Mir ist's, als ob ich die Gestalt dieses Christenmenschen schon irgendwo gesehen hätte", sagte Fines Dreille. "Ift das nicht der kleine Jvon Guesno?" fragte Louis Ledu. ,,Richtig", riefen die Anderen, es ist der kleine Jvon, der mit uns zu Vannes Tragödie spielte." Es trat ein Augenblick der Ueberraschung und der Verlegenheit für Alle ein. Und warum haßt Du Dich zu den Blauen gesellt?" fragte Fines Dreille barsch. " Ein armer Junge wie ich", erwiederte dieser, wählt seinen Plaß nicht, sondern geht dahin, wohin ihn Gott gestellt hat." ,,Wenn Du in der Roche-Bernard angelangt warest, so würde man uns Alle niedergemeßelt haben." "Ich habe den Befehl nicht gegeben." „Aber Du überbrachtest ihn." Mein Pferd trug mich und den Befehl, und Ihr seyd ihm doch nicht böse.“

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Da die Bauern hierauf nichts zu antworten wußten, so trat eine augenblickliche Stille ein. Fine Oreille näherte sich wieder dem Feuer. Es ist schlimm, daß Du keinen anderen Weg eins geschlagen", fagte er endlich; Storel kennt kein Erbarmen ges gen die Blauen. Ich wußte nicht, daß die Leute aus dem Oberlande hier Herren sind“, sagte Jvon.,,Der Vendeer ist nicht unser Herr", erwiederte Fine Dreille rasd). ,,Dennoch achtet er auf Niemand." Die Bauern sahen sich verlegen an und fragten sich hinter den Ohren. Jvon hatte zwei empfindliche Saiten angeschlagen, den Nationalhaß gegen die Bewohner jens feits der Loire und die Abneigung gegen einen fremden Führer. Das Gespräch, welches sich zwischen ihnen erhob, wurde so leise geführt, daß Jvon es nicht verstehen konnte; er schien indeß den Inhalt desselben zu ahnen, denn nach einer Weile wendete er ich wieder zu Salaiin.,,Was willst Du?" fragte dieser barsch.

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Ich will Dir die Aufträge eines Sterbenden übergeben." Fine Dreille trat näher.,,Da der Mann aus dem Oberlande befehligt", fagte Ivon, so habe ich kein Erbarmen zu erwarten. Er wird gern sehen wollen, wie das Blut eines Bretagners auss fieht. Du aber, Guillaume, kannst die leßte Bitte eines Sters benden nicht abschlagen." ,,Sprich!" sagte Salaiin. —,,Du Fennst meine arme Muhme, welche die Blauen geplündert haben. Ich theilte mein Brod mit ihr und dem Priester, welchen fie verborgen hält. Sage ihnen, daß ich sie nicht verlassen habe."

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Ich werde es ihnen sagen", antwortete Fine Dreille mit fichtlicher Bewegung. Jvon war immer weicher geworden. Die Erinnerungen, die er hervorgesucht, um Salaiin zu rühren, schienen ihn selbst ergriffen zu haben, und er war ganz pathes tisch geworden. In seinem Auge spiegelte sich eine überspannte Begeisterung. Er war auf die Kniee gesunken und hatte seine Hände zu Guillaume erhoben.

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England.

Die gute Gesellschaft.

(Schluß.)

Schon träumte mir von Equipage, von Hunden, Hähnen, Reitknechten zum Jagen, Kämpfen und Wettrennen. Eine Loge in der Oper, eine Geliebte, ein Duell, Schulden, ein Sturz beim Wettrennen, ein ausgerenkter Arm, dies folgte nun raich auf einander, kurz, ich weihte mich in alle Geheimnisse des fashionablen Lebens, in alle Mysterien der guten Gesellschaft ein. Und doch ging ich nur mit einem Geschäftsmanne um; welche Fortschritte würde ich erst durch den Umgang mit einem Lord gemacht haben? Dann hätte ich sicher meine Wohnung verans dert, denn bis jeßt hauste ich noch in metnem bescheidenen Stus dentenzimmer, das, weit von dem Modeviertel und dem Mineis punkte aller Vergnügungen entfernt, eigentlich nur eine für schlechte Gesellschaft passende Wohnung war. Nur außerhalb meiner vier Pfähle war ich ein Gentleman, nur auf der Straße, wo man nur für seine Person Lurus zu machen braucht. J gehörte zur guten Gesellschaft als Junggeselle, und das war eigentlich schon zu viel, mehr als ich ausführen konnte und sollte! Und doch hatten mich nur die weisen Rathschläge meines Vaters dazu verleitet; ja, ja so geht es immer, menn man sich veraltes ter Wörter bedient, die ihre Bedeutung geändert haben, daher geben die Váter, die nichts zulernen und nichts vergessen wollen, ihren Söhnen oft einen ganz verderblichen Rath, wenn sie wäh nen, einen recht guten zu ertheilen. Treuherzig dem Zureden des Greises nachgebend, suchte ich da mein Heil, wo ich mein Verderben finden sollte; ich war müßig und verschwenderisch ges worden, aber ich gehörte zur guten Gesellschaft.

Als ich meines kranken Armes wegen das Zimmer båten mußte, gab die ganze Familie Pringle ihre Karten bei mir ab; eine jarte und höfliche Aufmerksamkeit, die mich sehr rührte. Eines Sonnabends Morgens endlich wurde meine Thür durch einen mächtigen Faustschlag erschüttert; ich hatte meine Wohnung immer noch nicht verändert, und ich glaube, daß dies von den Studenten bewohnte Quartier noch nie eine so gewaltige Ers schütterung erlitten hatte; ich öffne, ein Bedienter, in Blau, Roth und Gold gekleidet, steht vor mir, strahlend von Treffen und Abs geschmacktheit, und ersucht mich, doch Herrn Fleming zu benachs richtigen, daß Mistreß Pringle und ihre Töchter ihn an der Eins gangstbur des Temple erwarteten. " 3ch werde sogleich_ers fcheinen", gab ich zur Antwort. Da merkte der Lakai, daß er sich geirrt habe, und nahm seinen Hut vor mir ab, aber diese gezwungene, eilige Verbeugung sah sehr ironisch aus. Eiligst ordnete ich meine Toilette, stieg hinunter und nahm mir vor, ein anderes Zimmer zu miethen, damit_man mich künftighin nicht mehr für meinen Bedienten halte. Die Kalesche der Dame fiel mir auf und blendete meine Augen; sie war von bedeutendem Umfange, strahlte von Lack, der die gelbe Farbe leuchtend hers vorhob, und über ihr hinaus ragten die Federn, Schleier und Blumen, mit welchen die ganze Pringlesche Familie sich diesen Tag so reich ausgeschmückt hatte. Man empfing mich überaus freundlich. Sie hatten schon von der Standeserhöhung meines Vaters und vom Tode meines Bruders gehört und berührten diese beide Begebenheiten mit zartem Talt und vollkommener Grazie. Ich mußte zu den Damen einsteigen, fie begleiten und mit ihnen zu Mittag speisen. Nun stand ich in jeder Hinsicht mit der guten Gesellschaft gleich; ich war felig und stols im Gefühl der Auszeichnung, die mir widerfuhr. Die satyrische Georgina, sonst so reich an Wißeleien, denen so leicht Niemand entging, lächelte mir zu und schonte meiner. Zephyra warf mir ihre freundlichsten Blicke zu, und die muntere Emilie behandelte mid) wie einen Bruder. Der alte Pringle spielte mit mir Schach und freute sich über meine Bekanntschaft, obgleich wir ganz ents gegengeseßter politischer Meinung waren. Er scien ein Mann von sehr gutem, nachgiebigem Charakter zu feyn, den Widerspruch gar nicht erzurnte, denn mit der größten Gelaffenheit hörte er alle die Argumente an, die ich seinen Tory-Raisonnements entges gen feste. Als ich versuchte, ihn zu überzeugen, stüßte er sich mit beiden Ellenbogen auf das mit den geschlagenen Bauern bes deckte Schachbrett, und mich mit einem langen und durchdrin genden Blicke anschauend, sprach er:,,Nun am Ende, könnten Sie doch Recht haben", fein Kopf, den er taktmäßig hin und herwiegte, schien noch seine Niederlage zu bekräftigen und das Bugestandniß zu bestätigen, das er mir eben gemacht; niemals fab ich einen höflicheren und leutseligeren alten Mann. Mit Nachgiebigkeit sich in die Meinung eines Anderen fügen, ist eine wahrhaft unwiderstehliche Schmeichelei, und nicht bloß der alte Pringle, sondern auch Mistres Pringle und ihre Tochter bediens ten sich dieser mächtigen Waffe mit der liebenswürdigsten Ges schicklichkeit. Wollte man einen Spaziergang nach Hyde Parkf machen, so sprach Mistrek Pringle,,,wir müssen doch erst Vas lentin um Rath fragen." War man über die Wahl des Theaters: unschlüssig, so fragie man wieder Valentin, ob Drury Lane oder Coventgarden vorzusieben sen; kurz, Valentin war das Hausoras fel, der Freund, der Liebling Aller, ein Muster von Geist und Eleganz. Niemand zog seine Urtheile in Zweifel, Niemand wi dersprach seiner Meinung. Was für ein herrliches Leben war das! Wie ist doch die gute Gesellschaft so nachgiebig in ihren. Ansichten, so liebenswürdig und gefällig im Umgange!"

Ich fahr fort, Emilien den Hof zu machen, die immer muns

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fchreibung meines sulünftigen einlegen mußte; durch die Schuld des Sohnes, der mich in die Hölle" einführte, verspielte ich Alles, was ich zur Verfügung hatte.... furs, ich war ganz auf dem Trocknen, als ich eines Tages zu Mittag bei den Prins gle's speiste, die ich noch liebenswürdiger fand. Wie wißig war Heute Georgina! Welcher Glanz und welches sanfte Schmachten in Emiliens Augen! Nach der Mittagstafel war mir eine Unters haltung mit Mistreß Pringle aufbehalten, und ich wollte die günstige Gelegenheit benugen, um endlich jene Eröffnungen zu wagen, die man von mir erwartete. Die Dame theilte mir gleich anfangs mit, daß Buttler fie um Georgina's Hand gebes ten habe; ich öffnete schon den Mund, um mit ihr von Emilien zu sprechen, da kam mit einem Mal der Afrikanische Verwandte zum Vorschein, der reich wie ein Nabob, schon wie ein Offizier, geliebt wie ein Cousin war, und raubte mir jede Hoffnung auf Ben Besit der jüngsten Miß Pringle. Freilich blieb mir noch die Aelteste übrig.... aber mir graute doch vor diesem Opfer zu Gunsten der guten Gesellschaft. Die gute Gesellschaft war schon an meinen falechten Angewöhnungen, an meinen schlechten Vers mögensumständen Schuld, fie sollte nicht auch noch das größte aller Mißgeschicke, eine schlechte Heirath, für mich herbeifähren, und da der Geist des Menschen stets dazu geneigt ist, von einem Extrem zum anderen überzugehen, so entschloß ich mich, eine ganz entgegengeseßte Handlungsweise anzunehmen und die Kehrseite meines bis jest geführten Lebens zu versuchen, kurz, mich unter die schlechte Gesellschaft zu begeben, von der ich in Zukunft meine Leser unterhalten werde.

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Tibet.

Schmidt's Libetische Sprachlehre. *)

Nachdem der gelehrte Ungar Ejoma Köröst im Jahre 1834 (zu Kalkutta) die ersie Grammatik der Tibetischen Spraché drucken laffen, welche diejes Namens wahrhaft würdig ist, erhalten wir in diesem Jahre aus den Händen des verdienstvollen Ostasiatischen Borichers J. J. Schmidt zu St. Petersburg eine zweckmäßigere Bes arbeitung desselben Werkes, mit vielen neuen, die grammatischen Regeln erläuternden Beispielen, welche Herr Schmidt seiner reichen Belesenheit in Tibetischen Originals Werken verdankt. Außerdem empfiehlt sich die Arbeit des Deutschen Gelehrten durch eine fehr schaßbare Zugabe, bestehend in zwei Abschnitten aus einer Buddhistischen Sutra (Tert und Ueberfeßung), welche die Stelle einer Tibetischen Chrestomathie vertreten können. Ungern vers missen wir aber die Alphabete der minder gewöhnlichen Tibes tischen Schriftarten, die Cioma Körößi auf lnhegraphirten Tas feln seiner Grammatik beigefügt hat.

Tibet hat seine Religion (die Buddhistische), feine Kultur und den größten Theil seiner fast unermeßlichen Literatur aus Indien empfangen, d. h. die meisten in Tibetischer Sprache vorhandenen Werke find Ueberjeßungen oder Nachbildungen verloren gegangener Indischer Originale Buddhistisch religiösen Inhalts und füllen dems nach in der alten Sanskrit Literatur, namentlich, sofern sie von den Anhängern des Buddhismus gepflegt wurde, eine bedeutende Lücke aus. Doch fehlt es auch nicht an sehr umfassenden, der Geschichte, Geographie und den Natur Produkten des zum Theil noch sehr unbekannten Tibet gewidmeten Werken, deren selbstständige Ab: faffung schon durch ihr Material verbürgt wird, die aber leider bis jest unberührt geblieben sind. In ihren Ueberseßungen haben die Tibeter, wie sehr auch der Genius ihrer Landessprache dem Genius des Sanskrit widerstrebte, Bewundernswürdiges geleistet: der kähne geistige Aufschwung und das tiefe Seelenleben Indiens schimmern uns aus der fremden Hülle, die ihnen auf Tiber's eisigen Hochebenen umgeihan worden, so treu und wahr entge; gen, daß wir den Untergang der Originale kaum zu beklagen brauchen.

Die Tibetische Sprache bietet dem Forscher viele interessante Eigenthümlichkeiten. Die scharfe Abgränzung ihrer Wurzellaute,

*) Grammatik der Tibetischen Sprache, herausgegeben von der Kaisers lichen Akademie der Wissenschaften. St. Petersburg, 1839.

welche im Allgemeinen mit einer dem Chinesischen analogen Starrheit auseinandergehalten werden, bringt sie dem sogenann ten einfilbigen Sprachengebiet sehr nahe, während der regels mäßige Gebrauch vieler die grammatischen Kategorieen andeutens der Partikeln, deren selbstständige Bedeutung verloren gegangen, und einzelne Beispiele wahrer Lautverschmelzung ihr auf der anderen Seite einen der Tatarischen Sprachenklasse analogen Typus geben. Auch ihre Schrift, eine bloße Modification des Indischen Dewanagari, haben die Tibeter aus Indien empfans gen; vergleichen wir aber das heutige gesprochene Tibetische mit dem geschriebenen, so erscheint uns ersteres wie ein artis ger Schmetterling, der einer unförmlichen Puppe entkrochen ist. Sehr viele Tibetische Wurzelwörter sind mit schwer vertraglichen Konsonanten: Haufungen belastet, die in der lebenden Sprache durch Elision und Metamorphose beinahe spurlos verschwinden, 8. B. bsfgrag, bekannt machen (sprich dag); brngan, belohnen (iprich ngan); bsfngags, preisen (sprich ngag), u. f. w. Diese ungemeine Abschleifung und Ausglättung hat nun freilich in Verbindung mit einem zu einseitigen Lautwechsel*) die nachtheis lige Folge gehabt, daß Wörter von der verschiedensten Bedeutung nur noch in der Schrift sich unterscheiden. Dennoch scheint dieser Umstand dem gegenseitigen Verstehen nicht sehr hinderlich, obs schon die Tibeter keine den Sprachen China's und Hinter Indiens analoge Accente besigen.

Die Rangordnung der Wörter im Tibetischen ist beinahe das gerade Widerspiel der unsrigen, findet aber in den Sprachen Hoch Anens manchen Berührungspunkt. Als Beispiel diene fols gende Stelle aus einer Buddhistischen Sutra, die Herr Schmidt im fontaktischen Theile (S. 200) beibringt. In der ersten Zeile geben wir den Tert nach der Schrift, in der zweiten nach der Ausjprache, und in der dritten die wörtliche Ueberseßung: Ssangss-rgjass Od-ssrung-gi ts'he, dge-sslong tschig gang-sagSsang-dschai Od-rung-gi ts'he, ge-long tschig gang-sagVerklärtester Odrung des Zeit, Gelong ein, Laienbruder gi lass bjass - palass, 'brui khal tschig bkal-te, gi lai dschai-pa-lai, dui khal tschig kal-te, des Geschäft than während, Getraides Last eine aufgeladen, ssong - ssong-ba- lass, tschhar - pass ssongssong-ba- lai, gehen gehen während, bross - pai doi - pai Entlaufen des

lam - du

lain. du

Weg auf

gnass

med - pass,

nai

ined - pai,

Ort

tschhar - pai

non-te,

non-te,

Regen von überfallen,

Regen von

'bru dang ssnod-du

du dang nod - du

nicht wei!, Getraide auch Gefäß dem

btschass-pa thamss-tschad gscher-bar gjur-te. tham - tschad scher-war dschur-te.

tschai-pa

zugleich Alles zujammen Durchnässuug in überging.

Das heißt:,,Zur Zeit des Buddha Odrung (Kasjapa) hatte ein Gelong (Priener), welcher die inneren (ökonomischen) Geschäfte (der Geistlichkeit) besorgte, cine Last Getraide aufgeladen und sich auf den Weg gemacht. Unterweges wurde er vom Regen übers fallen, und da fein Ort vorhanden war, wohin er flüchten konnte, so wurde Alles, das Getraide fammt dem Behälter desselben, durchnáßt."

Die Tibetischen Typen der Schmidtschen Grammatik sind so schön, deutlich und elegant, als man sie nur wünschen kann. Ueberhaupt verdient die ganze dußere Ausstattung des Werkes großes Lob. W. S.

Mannigfaltiges.

Handschriften berühmter Manner. Gewöhnlich nimmt man an, daß geniale Leute eine schlechte, unleserliche, Hand schreiben. Dem ist jedoch nicht so, wie wir z. B. schon aus einer sehr interessanten Autographen Sammlung, die hier in Berlin durch den Steindruck veröffentlicht worden, entnehmen könnten. Shakespeare, Napoleon, Lord Byron hatten es freilich in der Kalligraphie nicht sehr weit gebracht; Schiller dagegen und Goethe schrieben nicht bloß für die Geister, sondern auch für die Augen ganz ausgezeichnet. In einem neueren Journal lesen wir:,,Canning's Handschrift hat ein keusches und klassisches Ans sehen; Brougham schreibt eine eilfertige hand, aber mit einer trefflichen Feder, getränkt von Dinte; Sir Robert Peel's Schrift hat einen etwas steifen Charakter, aber zugleich Festigkeit und Elegans; Washington schrieb eine schöne, gleichartige, männliche und entschiedene hand, bei der jeder Buchstabe lesbar und deuts lich war; in Jefferson's Schrift war seine Kühnheit und Manns lichkeit ausgedrückt; Washington Irving schreibt wie ein Advokat, d. h. als ob er die Absicht hätte, daß Niemand das Geschriebene foll lesen können, außer ihm selbst; Crabbe dagegen schrieb fein und sierlich; Jeremy Bentham's hand hatte das Ansehen, als ob er sich eines Stocks statt der Feder bedient hätte, und Sir Harcourt Lee's Manuskripte schen so aus, als ob eine Spinne mit ihren Beinen in Dinte getaucht und dann über das Papier gejagt worden wäre."

*) So verwandeln sich dgra, bgra, sla und bala gleichmäßig in da — kjs, rkja und pja in tseha, u. f. w. Daneben giebt es noch ursprüngliche Wurzeln, wie da und tscha.

vierteljährlich, 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie.

No 36.

für die

Expedition (Friedrichs-Straße Nr. 72); in der Provinz (6 wie im Auslande bei den Wohliöbi. Post - Aemtern,

Literatur des Auslandes.

Polen. Kojata.

Berlin, Montag den 25. März

Eine Slawische Volkssage.

Es lebte einst ein König, Namens Kojata, dem der Bart bis an das Knie reichte. Er beherrschte ein großes herrliches Reich, feine Residens glänzte von Gold und prächtigen Palaßen, und boch fühlte er sich nicht glücklich, weil Gott ihm seinen liebsten Wunsch unerhört gelaffen und bisher keine Nachkommenschaft ges schenkt hatte.

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Einst faßte Kojata den Entschluß, das weite ihm unterthänige Land zu durchreifen und selbst nachzusehen, ob überall sein Wille erfüllt würde. Er riß sich mit Schmerzen von seiner geliebten Gemahlin los, besuchte fast alle Städie seines Reiches und vers stattete jedem der Unterthanen, sich ihm mit seinen Bitten zu nahen. So ging fast ein Jahr vorüber, bevor der König der Rückkehr gedachte.

Da trat eines Tages, als der König mit seinem Gefolge durch wußte Feldmarken reiste, eine unerträgliche Hise ein; vom Himmel schien Feuer herabzusprühen. Es war unmöglich, weiters zureifen, und der König mußte durch seine Hof Bedienten Zelte aufichlagen lassen, um unter diesen die Kühle des Abends abzus warten. Zugleich befahl er, Trinkwasser herbeizuschaffen. Die Hofleute durchstreiften die Gegend nach allen Seiten, doch nirs gends war ein Tropfen Waffers zu finden. Der König, unges duldig und vom Durste gepeinigt, bestieg endlich selbst sein Pferd, um eine Quelle oder einen Bach aufzusuchen.

Er hatte sich auch noch gar nicht weit von den Seinigen entfernt, als er einen Brunnen gewahrte, der bis oben an mit dem reinsten, durchsichtigsten Wasser angefüllt war. Kojata stieg freudig vom Pferde. Die Einladung, hier feinen Durst "zu ftillen, war für ihn um fo größer, da er oben auf dem Waffer einen goldenen Becher schwimmen fah. Er griff danach, doch, wunderbarer Weise, plätschernd wie ein Fisch duckte der Becher unter und kam darauf an einer anderen Stelle des Brunnens wieder hervor. So oft nun der König den Becher zu fassen glaubte, entwand er sich seinen Händen und erschien dann wieder auf der Oberfläche des Brunnens.

Ei, dachte der König, wozu das Gespaße! und legte sich, ohne fich lange zu befinnen, so lang er war, auf die Erde, hielt. den Mund über den Brunnen und trank nach Herzenslust, nicht beachtend, daß sein langer Bart in den Brunnen hinabhing.

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Nachdem Kojata seinen Durst gestillt hat, will er aufstehen, aber er vermag es nicht, denn es hält ihn Jemand in dem Wasser bei dem Barte fest. Erzürnt ruft er aus: Wer da? Laß mich los!" Doch statt der Antwort stiert ein gråßliches Geficht aus dem Waffer den König an. Zwei große grüne Augen ragen aus dem Kopfe hervor, der Mund ist zu einem widerwärtigen Lächeln verzogen und zwei Adlerklauen sind in des Königs Bart eingesenkt.

Dein Zerren und Ziehen ist vergeblich, Herr König!" ruft das Gespenst;,,ich lasse Dich nicht los, bevor Du mir versprichst, mir das aus Deinem Hause zu schenken, wovon Du bis jest noch nichts weißt."

Das wird auch was Rechtes seyn! denkt der König, wenn ich nicht einmal davon weiß. "1 „Gut!“ spricht er,,,das föllst Du ́ haben!“

In dem Augenblicke fühlt der König sich frei und vernimmt den Ruf:,,Wehe! Wehe Dir, wenn Du wortbrüchig wirst!" Er erhebt sich, trocknet den Bart, besteigt sein Roß und eilt wieder feinem Gefolge zu.

In Eil reiste er nun geraden Weges nach Hause. Als der Ruf in der Hauptstadt erschallte, daß der König sich nahe, ging ihm das ganze Volk entgegen, jubelnd und ihm heil und Segen wünschend. Vor dem Palaste stand die schöne Königin und hielt ein reisendes Kndblein in ihren Armen. Bei diesem Anblicke ers blaßte der König; er ließ das Haupt auf die Brust sinken und sprach mit dumpfer Stimme:,,Also mein Kind war's, von dem ich noch nichts wußte." Zwei große Thránen fielen ihm in feinen grauen Bart hinab.

Die Königin und das ganze Voll wurden durch des Königs plögliche Trauer nicht wenig erschreckt, doch wagte Niemand, ben König nach der Ursache derselben zu fragen. Niemand ers fuhr das Geheimniß, doch war es Allen offenbar, daß ein Wurm

1839.

an des Königs Herzen nagte, denn seine Tage verlebte Kojata oft in trauriger Einsamkeit, und in den Nächten floh der Schlaf von seinem Lager.

So floffen Monate und Jahre hin. Milan, der Königssohn, wuchs heran, ward einer der schönsten und in den rinterlichen ebungen gewandtesten Jünglinge des Hofes, und dem Könige kam mit der Zeit jenes Ereigniß am Brunnen ganz aus dem Gedächtniß. Doch es gab Jemanden, der sich geleisteter Vers sprechen langer zu erinnern verstand!

Es geschah, das Milan mit mehreren anderen Jünglingen fich auf die Jagd begab. Indem er ein angeschoffenes Reh vers folgte, entfernte er sich von seinen Genossen und sah sich in dem wildesten Theile des Waldes allein. Ringsum lagen alte ges borstene Bäume, und eine tiefe Stille herrschte durch den Wald. Plöglich vernahm er neben sich in dem Gestrauch ein auffallens des Gerdasch, und auf einmal trat ein wunderlicher Alter hinter dem Gebüsche hervor, der den Prinzen mit feinen großen grünen Augen anstarrte.

,,Sieh da, Prinz Milan!" rief der Alte.,,Besuchst mich doch endlich einmal? Hab' lange genug auf Dich gewartet!" ,,Kennst Du mich denn, Alter?" fragte der Pring.

"Ha! ich wußte eher von Dir, als Dein Vater. Jeßt merk auf das, was ich Dir fage. Grüß' Deinen Vater, den König Kojata, von mir und erinnere ihn in meinem Namen an das Versprechen, das er vor zwanzig Jahren Jemanden am Brunnen gegeben hat. Nun, auf baldiges Wiedersehen!"

Nach diesen Worten verschwand der wunderliche Alte; dem Prinsen war unheimlich zu Muthe geworden, und nur mit Mühe wand er sich aus dem Dickicht wieder heraus. In dem Palaste angelangt, erzählte er seinem Vater von der auffallenden Ers scheinung. Bleich vor Schrecken rief Kojata:,,Wehe Dir, mein geliebter Sohn, binnen kurzem werden wir von einander scheiden massen!" Und nun erst theilte er seiner Gemahlin und seinem Sohne das furchtbare Geheimniß mit, das er so lange auf dem Herzen getragen hatte.

Weine nicht, geliebter Vater!" sagte heiteren Sinnes der Sohn;,,laß mir mein Rok satteln und mich ziehen, ich werde mir schon Rath zu schaffen wissen. Kehre ich jedoch in einem Jahre fieben Wochen und sieben Tagen nicht zurück, so siehst Du mich niemals wieder."

Es waren bald alle Vorbereitungen zu Milan's Abreise ges. troffen. Der König gab ihm ein stählernes Schwert und seinen Segen mit, die Königin hing ihm mit Thrdnen in den Augen ein goldenes Kreuz um den Hals und segnete ihn dreimal. So machte sich denn Prinz Milan eines Morgens auf den Weg, der Gegend zu, wo er nach des Vaters Beschreibung den vers hängnisvollen Brunnen zu suchen hatte.

Er reifte drei Tage hindurch ununterbrochen fort, ohne den Brunnen anzutreffen. Endlich gelangte er am vierten Tage, als die Sonne bereits hinter die Berge hinabsank, an einen großen im Abendroth herrlich glänzenden See, der bis auf den Grund durchsichtig schien und dessen spiegelglatte Oberfläche kein Lüftchen bewegte. Wit Verwunderung bemerkte er, als er sich dem See genähert hatte, dreißig Hemden, weiß wie Milch, die an dem üfer des Sees umherlagen. Zugleich sogen dreißig graue Enten, die auf dem See umherschwammen, feine Aufmerksamkeit auf fich. Neugierig ftieg er vom Pferde, nahm eines der Hemden vom Boden auf und verbarg sich in das nahe hohe Gesträuch, in Erwartung deffen, was es mit den Hemden für eine Bewandıniß haben möchte.

Eine Weile erlustigten sich die Enten in ihrem Elemente: bald suchten fie es einander im Schwimmen zuvorzuthun, bald tauchten fie unter, bald wieder flogen sie auf, ließen sich dann wieder auf das Wasser hinab und schaufelten sich fröhlich auf den Wellen. Endlich schwammen neunundzwanzig von ihnen an das Land; erstaunt fah Prins Milan eine jede, sobald sie mit den Füßen den Erdboden berührte, als eine liebreisende Jungfrau dastehen, sich das Hemd überwerfen und verschwinden. Eine Ente bleibt allein an dem Rande des Sees zurück, Engstlich schwimmt sie umber und stößt ein Plagendes Geichrei aus, fle reckt ihr hälschen in die Höhe, fle fliegt auf, läßt sich wieder auf den See nieder und dußert ihre Besorgniß auf fo uhrende Weise, daß Milan's Hers erweicht wird, er aus seinem Verstecke hervortritt und das Hemd auf das Gras legt.

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