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Abends und kehrt Montag fråh zurück. Der Sergeant hatte auch einen Genserich, der in einer Entfernung von der Gans war; da hörte er auf einmal, wie fie ein außerordentliches Geschrei machte, sogleich lief er herbei, steckte den Kopf ins Rest und brachte alle Jungen, eines nach dem anderen, zur Mutter zurück, deren Trennung von ihrer Brut ihr Geschrei verursacht hatte; sodann fehrte er an den Ort zurück, von welchem ihr Geschrei ihn fortgerufen."

In Folgendem fucht Lord Brougham den feinen Unterschied zwischen Instinkt und Vernunft festzustellen.

Eine Handlung, die unter gewohnten oder natürlichen Vers hältnissen stattfindet, kann man dem Instinkt zuschreiben oder nicht, je nachdem sie etwas ist, was wir mit unserer Vernunft unter denselben Umständen ausführen könnten oder nicht, und je nachdem das Thier in einer Lage ist, die uns annehmen läßt, daß es wissentlich handelt oder nicht. Eine Biene, die ihre Zelle baut, handelt instinktmäßig, denn sie hat es nicht gelernt, und eben fo die einfame Wespe, die für ein Junges Gutter beforgt, das sie nie sehen fann und von dem sie nichts weiß. Wenn die Pferde aus Furcht vor Gefahr eine Schildwache aufstellen, so fann dies allerdings Instinkt seyn, aber auch eben so gut Vernunft, denn was sie thun, feßt eine Absicht voraus, und so unterscheiden fie sich von der Biene; fie kennen den Gegenstand, den sie be zwecken, und so unterscheiden sie sich von der Wespe. Doch diese Bemerkungen beziehen sich auf gewohnte, wiederkehrende Handlungen unter Umständen, die nichts Besonderes an sich has ben; solche Handlungen, gebe ich zu, können vom Instinkt geleis tet feyn oder nicht. Wenn dagegen das Thier in irgend kunsts liche Verhältnisse versezt ist und in diesen handelt, dann muß man schon Vernunft annehmen; denn hier sind die Mittel mans nigfaltig und massen sich nach der Verschiedenheit des Gegen standes richten: so 8. B. wenn das Pferd eine Stallthur, die Kabe eine Zimmerthur öffnet, oder die Dohle in einen Wasser trug Steine wirft. So erzählt Dupont de Nemours in Autun's Animaux Célèbres eine sonderbare Geschichte, die er selbst, wie er fagt, mit anfah. Eine Schwalbe hatte ihren Fuß in die Schlinge eines Stricks verwickelt, der an eine Rinne des College des Quatre Nations in Paris befestigt war, und durch ihr Stres ben, zu entfliehen, den Knoten fest zugezogen. Als sich ihre Kraft in vergeblichen Versuchen, zu fliegen, erschöpft hatte, stieß fie ein flagliches Geschrei aus, welches eine große Menge anderer Schwalben von dem Baffin zwischen den Tuilerieen und dem Pont Neuf herbeizog. Sie schienen erst sich zu versammeln und eine Weile fich zu berathen; dann flog eine von ihnen auf die Schnur zu und pickte danach mit dem Schnabel, die anderen thas ten rasch hinter einander daffelbe, bis es ihnen endlich gelang, nachdem sie diese kombinirte Operation eine halbe Stunde lang fortgefeßt, den Strick zu zerreißen und ihre Gefährtin zu befreien. Sie blieben alle bis zur Nacht zusammen, doch nicht mehr in der Unruhe und Aufregung, in der sie bei ihrem ersten Zusams menkommen gewesen waren, sondern sie zwitscherten, als sen alle Angst vorüber und als fenen sie sich bewußt, ihren Zweck erreicht zu haben."

In folgender Stelle wird die Gewandheit, mit der sich alle Geschöpfe in neue Umstände zurecht finden und aus Schwierig feiten aller Art herausziehen, sehr schön beschrieben.

,,Als die Biene von Huber in ihren Arbeiten unterbrochen wurde, machte fie die Länge ihrer Zellen kürzer, verkleinerte ihren Diameter und richtete ihren ganzen Bau den neuen Umständen gemdf ein, in die sie verseßt worden, so daß er im Verhältniß du diefen das wurde, was er im Verhältniß zu den ursprüng lichen Umständen geworden ware, wenn diese unverändert forts gedauert hatten, und mit einem Wort der Justinkt sich der Zwecks mäßigkeit unterordnete. Die Ameise, die mit ihrem Instinkt fo wunderbare Arbeiten zu Stande bringt, hat die Lift, aphides (?) zu halten, die sie ernährt, um von ihnen den Honigthau su sies hen, der ihre Lieblingsnahrung bildet, gerade wie die Menschen Kahe um der Milch und Bienen um des Honigs willen halten."

Brougham. Gegen diese Entdeckung Huber's find neulich einige Zweifel erhoben worden, und da, wo der Text im Ganzen so groß und rein ist, wollen wir uns mit nichts Apokryphischem einlaffen. Doch die Raubfahrten, die mit einigen der drgften Verbrechen des Menschengeschlechts Aehnlichkeit haben, werden von Allen zugegeben. Die Ameisen unternehmen Züge zur Ges fangennehmung und Wegführung von Sklaven, die ihnen ihre Arbeit verrichten müssen, so daß das unbedeutendste und das höchfte aller Geschöpfe fich gleicherweise das größte aller Vers brechen zu Schulden kommen laffen Sllavenhandel.

Althorp. Doch ist hierbei der wesentliche Unterschied, daß die Ameise nicht pharisdermáßig mit Religion und Tugend prahlt, wahrend unsere widerliche Scheinheiligkeit mit Religion unsere Verbrechen bemantelt. Doch auch die Wespe seigt eben sowohl Klugheit als Kraft. Dr. Darwin erzählt von einem Fall, dem er selbst susah, wo eine Wespe eine Fliege fing, die fast ihre eigene Größe hatte; fie schnitt ihr Kopf und Schwanz ab und versuchte mit dem Körper wegzufliegen, doch als durch einen Wind, der gerade blies, die Flügel der Fliege fie im eigenen Flug hemmten und in der Luft umherdrehten, fam fie auf den Boden herab und schnitt mit dem Munde die Flügel der Fliege, einen nach dem anderen, ab; dann flog fie mit dem Körper das von, ohne durch den Wind gehindert zu werden.

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Was die Franzosen ehemals gute Gesellschaft (bonne com. pagnie) nannten, und was der Englander noch jest mit lächer licher Emphase ehrenwerthe Leute (respectable people), nette Leute (nice people), Vornehme (gentlemen), gewählte Gesellschaft (select people) nennt, das besteht in England noch immer, obgleich die Englische Aristokratie in Folge der revolutionnairen Bewegungen eine starke Beimischung aus dem Volke erhalten hat. London ist noch nicht so herabgefunken wie Paris, und die Whigs verdienen mehr den Namen vornehme Leute, als die Französischen Liberalen... Die gute Gesellschaft ist eigentlich sehr beschränkt, doch giebt es unadhlige Kandidaten zu derselben; jeder bestrebt sich, daran Theil zu haben, and tann auch mehr oder weniger dazu gezahlt werden; dennoch ist die gute Gesellschaft, man fann es mir aufs Wort glauben, nicht in allen Fällen etwas Vortheilhaftes und Gutes.

Du standest, o “mein ehrwürdiger Vater, noch unter dem Bauber eines alten Vorurtheiles, als Du mir so lebhaft ans empfahlst, meine Freunde nur aus der guten Gesellschaft zu wählen, und nur diese zu besuchen. Ist die alte Bedeutung dieses Wortes ganz von der Erde verschwunden, oder hat an meinen traurigen Abenteuern, die ich durch folgende Erzählung auf die Nachwelt übertragen will, allein meine Thorheit schuld? Mein Sohn Kart", sprach mein Vater in dem Augenblick zu mir, als ich das alterliche Haus verließ, um mich nach London su begeben,,,Du wirst jest Deinen Kursus der Rechtsgelahrtheit beginnen; der alte Advokat O'Meagher hat mir versprochen, Deine mir versprochen, Deine Studien gutem me Wege, denn Du widmen Vichtigen. Du bist auf einem herrlichen Stande; boch bedente, daß Alles von Deinem ersten Auftreten abhängt. Die beste Lebensweisheit eines jungen Mannes besteht darin, sich nur in guter Gesellschaft Ju bewegen; daran erinnere Dich kets. Nur keine gefährliche Verbindungen, teine verderbenbringende Vergnügungen. Wable unter Deinen Bekannten diejenigen zum Umgang aus, deren bes hagliches und regelmäßiges Leben ihnen das unantastbare Recht Derleibt, fich ur guten Gesellschaft zu rechnen.'

"

Mein Vater hatte ich sehr wenig in der Welt umgefehen; er war Friedensrichter in der Proving und von seiner frühesten Kindheit an immer von der größten Ehrfurcht vor Allem durchs drungen gewesen, was nur irgend eine Beziehung zu Jum Richters flande hatte. Richt für eine Krone hatte er den schönen Titel ciues Advokaten hingegeben, den er fest vor meinen Ohren ers flingen ließ. Er bewunderte die Haarfülle der Verrüde unserer Gerichtspersonen; er fühlte Hochachtung für die Fleischmasse des Thürstehers, und ich glaube felbst, daß ihm der Fledermisch des Amtsdieners der Verehrung würdig schien. Seine Bibliothek bestand fast aus lauter juristischen Büchern, und die, welche er fich nicht hatte anschaffen können, wurden durch einen leeren mit dem Titel bemalten Einband erfest, was eine ganz vortreffliche und duschende Wirkung auf den Beschauer hervorbrachte, der auf diese Weise die kostbarsten Werke in höchster Ordnung vor fich aufgereiht fah.

Ich war von stillem und sanftem Charakter, liebre die Studien und benuste das erste Jahr meines Aufenthaltes in London so gut, daß mein Vater, bei dem mich der alte Advokat, unter deffen Bor mundschaft ich stand, wegen meines großen Fleißes belobte, mich in feinen Briefen an seine Abschieds Ermahnungen erinnerte und mich dringend die Welt kennen zu lernen und mir

Butritt in die But orderie oft zu verschaffen. Wo aber war die

aufzufinden, an welchem Unterscheidungszeichen sollte ich diese Race erkennen? Wenigstens bedurfte ich einiger Empfehlungs Briefe, und eben schrieb ich an meinen Vater, um mir ders gleichen auszubitten, als einer meiner Kollegen, ein junger Stus dent, Buttler genannt, in mein Zimmer trat. Die einzige Ers holung, die ich mir zuweilen gestattete, bestand im Rauchen einer Bigarre. Buttler nahm Maß, und wir hüllten uns bald mit Wonne in eine Wolke wohlriechenden Dampfes ein. Nachdem einige

mein

"Ich bejuche diesen Abend den Ball bei Willis, willst Du von ber Partie feyn? Ich kenne ja Willis nicht, wie Pönnte ich daher auf seinem Ball mich einfinden? Ei, Freundchen,

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"

1839.

das ist ja ein öffentlicher Ball; ich bin Mitglied und werde Dich einführen. Nan, schlag' ein." ,,Nein, in der That, ich habe teine Luft", entgegnete ich, cingedenk der väterlichen Ermahs mangen. Aber weshalb? Es ist dort eine glänzende Vers fammlung und ein sehr gutes Orchester; wir werden heute gewiß fehr gute Gesellschaft antreffen." -Gute Gesellschaft?" fragte ich, diese beiden Zauberworte stark betonend. Gans gewiß: die Figron, die Cavendish, die Burleigh werden da seyn; o, ich könnte Dir noch mehr als funfzig vornehme Herren herschien, denen ich Dich vorstellen werde, wenn Du es wünschen solltest. Was meinst Du dazu? Nan, entschließe Dich. Bann aber muß ich bereit seyn?",,Um halb eilf hole ich Dich in meinem Kabriolet ab."

"

Wozu noch länger schwanken? Die gute Gesellschaft war gefunden. Ich machte glänzende Toilette und erwartete mit uns geduld das Kabriolet meines Freundes. In Zeit von zehn Minuten befand ich mich mitten unter der glänzenden Versammlung; die strahlenden Kronenleuchter, der reizende Puz der Damen machten ganz den Eindruck auf mich, den der Zauber eines Balls immer auf Einen aus der Proving ausübt. Mein Freund, der mir zum Führer diente, steuerte auf eine Gruppe von vier Pers fonen zu, die aus einem großen, schmachtenden, blonden Fräulein, ihrer jüngeren und kleineren Schwester, einer nach der neuesten Mode ganz mit Bändern bewimpelten Mutter und einem bleichen jungen Stußer bestand, dessen sarter Teint und leichter Gang ihn eigentlich dem anderen Geschlechte anndherten. Wer hatte an diefen untrüglichen Merkmalen nicht die gute Gesellschaft ers kannt? Der Vater war ein Graufopf, der durch seine schlaue und satyrische Physiognomie auffiel; feine Spur von Idealität war darin aufzufinden. Doch war es kein gemeines Geficht; die Züge waren nur durch Weltkenntniß und durch die Verstellungs, funt, su velcher uns der gesellschaftliche Verkehr zwingt, etwas abgeschliffen. Uebrigens gehörte er, dem Schnitte seines Kleides, der Feinheit und Weiße seiner Halsbinde nach, unfehlbar zur guten Gesellschaft, _die_mir_von meinem Vater so dringend ans empfohlen war. Battler, der diese Familie sehr genau kannte, stellte mich allen Mitgliedern derfelben vor und machte mich nachher auch mit ihren Verhältnissen bekannt. Ich war ein wenig erstaunt, als ich erfuhr, Herr Pringle sey nur ein ein facher Geschäftsmann und wohne in Brunswick Square. Aber er ist sehr reich", fuhr Buttler fort,,,und ein Mann, der überall Zutritt bat; er giebt selbst prachtige Gesellschaften, hat eine lies benswürdige Frau, die ihre Töchter anbetet, und diese Töchter, o, das find köstliche Mädchen! Doch: Du wirst Dich davon selbst überzeugen." Und übrigens war denn doch wohl ein reicher Londoner Geschäftsmann eine hinreichend gute Gesellschaft für den Sohn eines armen Rechtsgelehrten aus der Provinz.

"

Mein lieber Friedrich", sprach Buttler zu dem bleichen, röthlich blonden Jüngling, deffen nachlässiger Blick die Verzierun gen der Decke zu überzahlen schien,,,mein lieber Friedrich, ers Lauben Sie mir, Ihnen einen meiner guten Freunde, Herrn Valentin Fleming, vorzustellen." - Der Dandy geruhte, seine schmachtenden Wimpern niederzuschlagen und mich anzusehen, wobei er ein parfümirtes Batist: Schnupftuch an seinen Mund. drückte. Das war nun eine ganz regelrechte Präsentation. Um zu zeigen, daß ich ein Weltmann fey, forderte ich die älteste Mis Pringle zum Tanze auf. Meine Tänzerin hatte schon seit langer Zeit alle jugendliche Schüchternheit bei Seite gefeht; sie war für eine Jungfrau bereits ziemlich bei Jahren, lachte, scherzte und schwaste mit einer Ungezwungenheit, die ihr manche vers heirathete Frau hätte beneiden können. Während der Pause zwischen den Touren stockte die Unterhaltung auch nicht einen Augenblick; ich verglich sie mit den kargen Erwiederungen der jungen Damen in der Provinz, die während eines Balles kaum eine oder zwei Silben stotternd hervorbringen; welch' ein Unters schied war das! Ich erhielt sogar zwei leichte Fächer Schläge, als Wisbilligungs und Erinnerungszeichen, denn so etwas ist Ten in der guten Gesellschaft. Beim Schlusse des Eté war ich mit meiner Länzerin sehr zufrieden, nach dem Ende der Poule aber war ich über mich selbst entzückt. ,,Die Mutter spielt dort anten Whist", sagte sie plöslich zu mir,,,ich dachte, wir gingen zu ihr sogleich nahm sie ohne Umstände meinen Arm und schritt rasch mit mir durch den mit Tánzern und Tanzerinnen angefüllten Saal. Mit der Matter saß an demselben Whifttische

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eine alte Stiftsbame mit gekrümmten langen Nägeln und bers vorstehender Nase. Die Mutter maß mich aufmerksam mit den Augen, und als fie die Art von improvisirter Vertraulichkeit bes merkte, deren die Tochter mich würdig befunden, beehrte sie mich mit ihrem_anmuthigsten Lächeln.

ein.

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,,Sie sind zum erstenmal hier, Herr Fleming." ,,Mistres", rief ihre Partnerin ihr zu,,,Sie geben einen Pique für einen Cars reau, fenen Sie auf Ihrer Hut." ,,Ein ganz vortreffliches Orchester!" fuhr sie fort, ohne auf ihren Mißgriff zu achten; ,,ein herrlicher Abend, nicht wahr, Herr Fleming?" Ein zart: licher Blick der Miß Pringle bewies mir, daß sie dies als ein auf fle bezügliches Kompliment anfah. Aber die Partie war vers loren, und die feindliche Stiftsdame scharrte mit ihren raube rischen Fingern schon das von Mistres Pringle verlorene Geld „Ich habe schlecht gespielt", rief diese Lestere aus,,,ich muß es nur eingestehen." ,,Man achtet hübsch auf sein Spiel", bruminte die unzufriedene Partnerin. Mik Pringle stieß mich leicht an den Arm, und sich zu mir neigend, flüsterte sie mir leife au:,,Wir haben das Spiel dieser Damen gestöri, man stellt sich schon wieder zur Quadrille." Wenn ein weibliches Wesen sich des Wörtchens,,wir" bedient, so zieht die Hoffnung selbst in das bescheidenste Hera ein; und ich muß gestehen, daß mich die Gewißheit, eine Eroberung gemacht zu haben, mit einem gewissen Stolz beseelte; nach drei oder vier Contretanzen, welche Mit Zephyra und Mik Georgina, ihre jüngere Schwester, fo gütig waren, mit mir zu tanzen, erblickte ich endlich auch die dritte Tochter der Mistreß Pringle, Miß Emilie, die klein, aber schön gebaut, weniger fühn und zutraulich, als ihre älteste Schwester Zephyra, und weniger satorisch und streng als Mit Georgina war. Ihre großen schwarzen, zugleich sinnigen und flugen Augen, die Grazie und Leichtigkeit ihres Ganges, thr feines Lächeln und eine gewisse Offenheit des Charakters, wodurch sich alle ihre inneren Bewegungen mit anziehender Lebhaftigkeit offenbarten, nahmen meine ganze Seele für sie ein. Ich führte Emilie zu ihrer Mutter zurück, die auf einer Ottomane neben einer großen blaffen, von einem ganzen Waide von Dahlias be schatteten Dame saß. Sie ließen die Ednzer und Tänzerinnen Revde pasfiren und rächten sich durch ein wenig Spottsucht für die Langeweile des Zusehens. Die Wißeleien wurden nicht gespart, da aber selbst die Satyre langweilig wird, wenn man jie zu sehr abnußt, so flechten die Mütter in ihre spättischen Bes mertungen zdrtliche und rührende Phrasen über ihre eigenen Töchter ein. -,,Wer ist nur", fragte Mistres Pringle,,,jenės Fräulein dort mit der kurzen Taille, das nach unten so dünn, nach oben zu so dick und dadurch einem umgekehrten Ausrufungss zeichen so dhnlich ist?" -,,Das ist meine Tochter, Mistres", rief die andere Dame aus, stand wüthend auf und empfahl sich mit einem niederschmetternden Blick. Ich blieb bei der glücks lichen Mutter zurück, die sich abwechselnd in Lobeserhebungen über die interessante Zephyra, die geistreiche Georgina und die lebhafte Emilie gegen mich ergos; fie drückte mir ihre Karte in die Hand und lispelte mit fanfiem, anmuthigem Ton: „Erwarten Sie von uns keine förmliche Einladungen, wir lieben die Ums ftande nicht. Meine Tochter find musikalisch, Sie ebenfalls; man spielt bei uns Sonaten, man schwagt, kurz, wir werden erfreut fenn, Sie zu sehen.“ Ich verbeugte mich und dankte. Alles ging vortrefflich, und auf meinen Lippen schwebte jenes Lächeln innerer Befriedigung, welches uns dann eigen ist, wenn wir mit dem Schicksal und mit uns zufrieden sind. Ein Glück kömmt nie allein, und so erhielt ich denn auch noch denselben Abend einen Brief von meinem Vater, in welchem er mir schrieb, daß ihm die Baronetwürde zu Theil geworden sey. Acht Tage darauf starb mein dierer Stiefbruder, der in Indien diente, und den ich nie gesehen hatte, bei seiner Ausschiffung in Plymouth, wo durch ich Erbe des väterlichen Titels ward, was mich immer mehr zur guten Gesellschaft befähigte. Ich sollte ihm den Tri but der Thränen, welchen der Anstand erforderte, traf Vorkeh rungen, um zu meinem Vater zu reisen, erhielt aber von diesem die Nachricht, daß er sich nach Windsor begeben wolle, und so blieb ich denn in London.

In der neuen Lage, in die ich mich aus Gehorsam gegen meinen Vater versezt hatte, konnte ich Anstands halber unmögs lich die einfachen Gewohnheiten meines Studentenlebens beibes halten. Ich konnte unmöglich noch ferner arbeiten, das Nichts thun gehört zur guten Gesellschaft, die Neger und die Bauern arbeiten; dann durfte ich auch nicht mehr jene sparsamen schwarz zen Handschuhe tragen, die vermöge ihrer Farbe für die Ewigs feit zu brauchen sind; als Mitglied der guten Gesellschaft, als Pünftiger Baronet mußte ich jeden Abend ein Paar neue weiße Handschuhe anziehen, deren Glanz leider nur zu bald verschwin det und die darum sehr kostbar werden. Unmöglich konnte ich noch ferner gewöhnlich gewichste Stiefeln tragen; bei der Ber kleidung meiner Füße, wie bei der meiner Hände, mußte Alles aufgewendet werden, was der raffinirteste Lurus nur zu erdenken vermochte, und was der arme Mann unmöglich ausführen kann; das Leder mußte mit Gott weiß welcher chemischen Zubereitung, mit einem Lack überzogen werden, der zwei bis dreimal durch einen Kunstverständigen mit ganz besonderen Bürsten aufgetragen wurde, und das kostete für einen Tag bloß ein Geringes mehr als früher das Wichsen während eines ganzen Monats. Ich durfte keine abgetragene Kleider anlegen, meine Excellens konnte in feinem gewöhnlichen Fiaker einherkutschiren, ich war also ges nöthigt, mich der elegantesten und theuersten Miethswagen su

Frankreich.

Ein Besuch zu Port-Royal-des - Champs.

(Schluß.)

Ich schlug einen der Fußwege ein und befand mich bald am Fuße einer halb verfallenen, mit Epheu umrankten Bastion. Was bedeutete dieses Bild des Krieges an einem dies nur der Seelenruhe und dem Frieden geweihten Orte? Und Festungss werk ist nicht das einzige, das man hier findet; noch ans dere erheben sich an den verschiedenen Winkeln der äußeren Mauer; als nämlich 1653 die Unruhen der Fronde von neuem ausbrachen und die Nonnen zum zweiten Male nach Paris flohen, befestigten sich die Einsiedler, welche bis dahin eine Meierei auf der nördlichen Anhöhe bewohnt hatten, die noch jezt die Scheunen (les Granges) genannt wird, in Port Royal, mit dem Entschluß, fich tapfer gegen die Varteigånger zu vertheidigen, welche das Land durchzogen. Es befanden sich unter ihnen alie Haudegen, die manchen Krieg mit durchgemacht und ganz damit zufrieden waren, wieder einmal zur Muskete greifen zu können. Unter den Bauern der Umgegend hob man Fusiliere aus, die Einsiedler wurden einererzirt, und es gab nun festgeseßte Stunden zu den Kriegsübungen, wie sonst zum Gebet. Die Lage war nicht die günstigste, deswegen mußte man um so mehr auf Befestigung derfelben bedacht seyn. Der Herzog von Luines ließ sich dort sein Schloß Baumurier erbauen und übernahm den Oberbefehl des Plages; von jener Zeit her stammen die Thürme, deren Ruinen man noch jest sehen kann. Der Herzog von Luines ging beständig von Einem zum Anderen und feuerte die Arbeiter an; Lemaitre begleitete ihn überall und citirte mitunter eine Bibels telle, sum großen Trost de Sacy's, der sich, wie Fontaine ers adblt, gar nicht in die Neuheit dieser Vorgange finden fonnte, denn Alle waren so emsig bei der Arbeit beschäftigt, daß, um mit Fontaine zu sprechen, ihre Hände den Händen Esau's glichen, wenngleich ihre Stimme stets die Stimme Jakob's blieb. Fontaine giebt eine sehr anziehende Beschreibung von diesem zur Festung umgeschaffenen Kloster; im Mittelalter war dies etwas gans Gewöhnliches, aber im siebenten Jahrhundert war ders gleichen veraltet genug, um wieder als etwas ganz Reues ju erscheinen, und so kann dies gewiß mit als eine der denkwurs digsten Episoden dieses an sich schon so merkwürdigen Frondes frieges gelten. Der Prinz von Condé nahm jedoch gar keine Notis von allen diesen Anstalten, obgleich seine Feinde es sehr gern gesehen hatten, wenn er sein gewaltiges Schwert gegen ein Hauflein schwacher Mönche gefehrt hatte.

Aber ach, zwölf Jahre später mußte Port Royal eine andere Belagerung aushalten, und diesmal nugten leider die Thürme dem Feinde. Im Jahre 1664 hatten sich die Nonnen geweigert, das Formular zu unterzeichnen, welches die fünf Sage Jansen's verdammte; der Erzbischof Perefire erschien an der Spiße einer Hascher Compagnie vor Port Royal de Paris; die ditesten Rons nen wurden fortgeschleppt, mit denen von PortsRoyal des Champs vereinigt und das Thal in Belagerungszustand erklärt. Tag und Nacht umsingelten die Häscher die Klostermauer und drangen oft selbst in den Garten ein, in welchen die Nonnen sich nicht mehr wagten, aus Furcht, jenen Männern bier zu begegnen. Die Eins fiedler waren alle auf der Flucht, aber die chriftliche Liebe machte fie erfinderis, fie täuschten die Wachsamkeit der Befaßung, und ihre Briefe gelangten mitten durch die Lanzen ins Kloster. Es fand sich auch, daß der Erzbischof statt eines einfachen Arztes einen gefährlichen Theologen im Kloster zurückgelaffen hatte. Hamon war einer jener wohlthätigen Sonderlinge, die ihre Kranken zwar mishandeln, sie aber doch herstellen, denen die Kenntniß des menschlichen Herzens von großem Gewicht für die Wissenschaft scheint, und die deshalb auch

Seele zu heilen verstehen. Ein solcher die Strankheiten der war ganz daju geeignet, die Nonnen in ihrem Widerstande zu bestärken, er konnte ihnen im Nothfall als Almosenier, ja selbst als Beichtiger dienen. Diese Gefangenschaft dauerte drei Jahre, und der Schmerz der Nonnen darüber war so granzenlos, daß fie in ihrer Verzweiflung eine Bittschrift an Jesus Christus richteten und sie einer eben gestorbenen Schwester in die hand gaben. Diese Schmerzenss tage gingen endlich auch vorüber, aber wenn man noch heute die Festungswerke fieht, die an die vergangenheit erinnern, fann man sich eines trüben Lächelns und düsteren Rückblic's in ienen Zeiten erwehren, wo die Nonnen zu zwins

dem Kerkermeerbündete, um einige armartheit sich mit

gen, Dinge zu bekennen, die sie in einem Lateinisch geschriebenen Buche nicht einmal lefen konnten.

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Wenn man den Garten verläßt, um nach dem Kloster der Kirche zu gehen, stößt man auf einen schönen Nusbaum, der noch für den legten Zeitgenossen der Einsiedler gilt; Nicole foll unter demselben einige feiner Abhandlungen gerchrieben haben, wie mir Herr Silvy lächelnd erzählte. Aus Dankbarkeit für diese interessante Mittheilung fagte ich ihm meinerseits, daß fich in Paris im Hofe eines ehemals von Racine bewohnten Hauses noch ein von der Hand des großen Dichters gepflanzter Weins stock befinde, der eine ganze Mauer bedecke und die Fenster des Zimmers umranke, in welchem vielleicht,,Mithridates" ges schrieben worden. Die Tragödie entstand ja an den Bacchuss festen, diese Anekdote pakt also nicht übel zu dem Andenken eines tragischen Dichters.

Ich ging halb überzeugt am Jansenißischen Nußbaume vors

benen und mit Pappeln beseßten Rasenplage. Die fleißige Hand, welche diese Bäume hier in Gestalt eines Kreuzes pflanzte, wollte so ein Abbild der Kirche bewahren, die sich in dieser Ger stalt einft auf derselben Stelle erhob. Hier hdufen sich die Er innerungen; in dieser Kirche hatte die berühmte Angelika im achten Jahre ihr Gelübde abgelegt; hier hatte d'Andilly das Herz des Abts von St. Cyran niedergelegt. Hierher brachte man bei Nacht und heftigem Schneegestöber heimlich die Leiche de Sacy's von Paris; die Nonnen wünschten ihn noch einmal zu sehen, sein Antlig wurde aufgedeckt, und sie näherten sich der Reihe nach, um diese noch nicht ganz erstarrten Ueberrefte su tüffen. Gegen Ende Oktober 1694 verlangte ein Fremder noch spát Abends die Aebtissin am Gitter zu sprechen; er kam aus Belgien, wo er dem großen Arnauld die Augen zugedrückt hatte, und überbrachte seinen geliebten Töchtern das Herz des Verbannten. Diese ganze Nacht durchwachte man im Gebete, und am nächsten Morgen wurde das Herz am heiligen Abends mahls, Gitter den Nonnen überreicht, die es unter Kerzenschein beiseßten. Da, wo einst der Gang hinter dem Hochaltar der Kirche war, ist jest ein kleines Heiligthum, eine Kapelle, deren Wande ganz mit Inschriften, Bildnissen und Gemälden bedeckt find, die noch alle vom alten Port Royal herstammen sollen; auch einige Bruchstücke von Grabmalern sind in der Mauer befestigt, und ich fand unter Anderem eine kleine halb zerbrochene Scule, auf der mit alten Buchstaben,,Thekla" eingegraben war; so hieß die Tante Racine's, die einst Acbtiffin von Port Royal war. Ükter den Bildnissen hatte ich mit Erstaunen das Pascal's vers mist; ich erfundigte mich laut danach, und eine Magd, die gerade in der Nähe war, antwortete, davon befände sich ein Kupferstich in dem Zimmer des Herrn Silvy. So bewahrt hier noch ein Jeder das Andenken der Vergangenheit, felbst eine Bauerin fennt Pascal's Namen und hat vielleicht sogar seine Provinzial, Briefe gelesen.

Wenn man die Stelle verläkt, wo früher das Kloster stand, von dem auch nicht die kleinste Spur mehr vorhanden ist, seigt der Boden etwas empor, man gelangt zu einem Gehölze, das zu den Gärten der Abtei gehörte und worin eine Quelle sprudelt, die noch den Namen der Mutter Angelika führt. Ehemals nahmen diese Garten die ganze eine Seite des Thales ein und gingen gegen Süden an der Terraffe vorbei, auf der sich die Herzogin von Longueville mit den Einsiedlern zu unterhalten pflegte. Jens feits der Klostermauer sind die schönen frischen Wiesen, auf des nen Racine fo gern verweilte und den Kämpfen der Ringer zus fab. Einige Arbeiter, die im Schatten der Bäume ruhten oder an ihr Tagewerk zurückkehrten, erinnerten mich an Lemaitre, der, wie Fontaine erzählt, mit den Tagelöhnern Korn um die Wette mahte und sie immer weit überholte. Da, wo das Thal sich erweitert, sieht man die Ruinen des Schloffes Chevreuse.,,Mein Bater", fagt Louis Racine in seinen Memoiren,,,mußte einige Zeit zu Chevreuse verweilen, wohin er gesandt wurde, um die Ausbesses rungen des Schloffes zu beaufsichtigen." Racine langweilte sich sehr Tzu Chevreuse, und alle Briefe, die er von dort schrieb, datirte er aus,,Babylon". Wenn man den schönen Ort sieht, fragt man fich, wie es möglich war, daß er ihm nicht gefallen fonnte; in einem gewissen Alter aber können ländliche Stille und Einfams keit das Herz des Menschen nicht befriedigen. Die Natur ist meist das, was wir aus ihr machen; der Jungling betrachtet sie im Spiegel seiner Leidenschaft, der Greis in dem seiner Erinnerungen.

Bei der Rückkehr schlug ich den Weg über Versailles ein, der sich um Port Royal herumzieht und nach langen Umwegen Yauf die Höhe des Berges führt. Von dort warf ich noch einen Blick auf das Thal zurück; im Süden suchte ich einige Spuren des Schlosses Vaumurier, aber vergeblich, denn die Ruinen dessels ben waren auf Befehl der Mutter Angelika ganzlich zerstört wors den, weil sie erfahren hatte, daß der Dauphin dort seine Geliebte verbergen wollte. Im Norden entdeckte ich,,les Granges", wo (die Schulen der Einsiedler sich befanden. Man kann dort noch einen Korkboden besteigen, der einst das Zimmer des großen Ars nauld war, und im Hofe befindet sich ein verschütteter Brunnen, dessen Wasser ehemals durch die Kraft einer von Pascal erfunde nen Maschine in die Höhe getrieben wurde. Von diesem Punkte naus gesehen, war die Landschaft in einen ganz eigenen Zauber ngebüllt. Mir war es, als erstände Port Royal aus seinen Ruis men; vor meinen Augen thürmte fich Stein auf Stein; hier war die Kirche, dort das Kloster, das Hospital, die Schlafjale, das Kas pitel, das Sprachzimmer, die Höfe, die Gärten und ganz im Hintergrunde der Palast Longueville; die Nonnen gingen in den Gärten und unter den Bogengången des Klosters spazieren; auf jes dem Pfade der Eindde" erblickte ich einen der großen Wanner, Nicol, Arnauld, Racine, Pascal; ich durchlebte mit ihnen die vers fchiedenen Schicksalsphasen, wo nur der Ruhm dem Unglücke gleichlam, und doch, einige herrliche Schriften abgerechnet, wie wenig ist von Port Royal auf unsere Zeit gelommen!

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Rußland.

Die Meffe in Nischnei - Nowgorod.

Nach einem Englischen Reisenden. *)

Je náher wir auf der Straße von Moskau nach Nischneis Nowgorod, dem berühmten Wesplay, famen, desto sahlreicher *) Aus Robert Bremner's Streifereien im Innern Rußlands.

und größer wurden die verschiedenen Menschen und Waarenzuge, die alle nach ihrem gemeinschaftlichen Sammelpunkt hinstrebten. Die Kosalenhaufen, die mit ihren langen hinter den Baumen hervorschimmernden Lanzen von Polizei wegen in schlechten Zelten langs der Straße stationirten, wurden immer häufiger; immer dichter wurden die Wagenzüge und die Schaaren wilder Manner mit orientalischen Gesichtern in neuen, verschiedenartigen Kostümen, bis endlich der Lärm und das Drängen Alles übertraf, was wir je Aehnliches gesehen hatten. Zwar werden viele, vielleicht der größere Theil der Güter zu Wasser transportirt, doch ist es auch eine ungeheure Masse, die in Landwagen kommt und abgeht; daher ist während der ganzen Messe die große Straße von Westen her beständig mit zahllosen Wagen bedeckt. Während wir bisher nur alle zwei bis drei Meilen einem solchen Zuge begegneten, hatten wir jeßt eine zusammenhangende Reihe, die oft viele Meilen ohne Unterbrechung fortging; ieder knarrende Wagen wurde von wenigstens zwei, zuweilen vier großen Ochsen gezogen. Auch sah man lange Züge von Hürden von verschiedener Gestalt und Größe, die von schönen Pferden gezogen wurden. Die Folge all dieser Bewegung war, daß die ganze Straße zulegt ein uns wegsames, unfahrbares Lehmfeld von mehreren Fuß Tiefe wurde; fünf Stunden brauchten wir, um eben so viele Engl. Meilen zurückzulegen. Der Anblick gehörte zu den eigenthümlichsten auf der Welt. Ein Fuhrmann fuhr auf der einen Linie, der andere auf einer neben derselben, so daß die ganze Breite des Weges von tiefen Furchen durchpflügt war. Eine Zeit lang ging Alles gut, bis eine verrätherische Pfüße den langen Zug zum Stehen brachte. Kamen wir an einen Fleck, der von Wagen freier war, so sah der Plaß beinahe wie ein Seestrand nach einem Sturme aus, so dicht und düster lagen die Bruchstücke von Karren und Wagen da, welche in dieser Schlammwüste zu Grunde gegangen

waren.

Kaum hatten wir den Ort selbst betreten, so fragten wir uns: Was ist aus der Messe geworden? Nicht eine Spur davon war zu sehen, nachdem wir die Thore pasfirt. Doch man muß von der Wolga weg jenseits der Ola hinübersehen: ta mogt auf einer tiefen, fast überschwemmten Riederung, die den Fluthen beider Ströme ausgefeßt ist, ein Treiben und Lärmen, wie es in Europa nicht seines gleichen hat. Eine ungeheure Budenstadt breitet fich da aus, die in regelmäßige Straßen getheilt ist, mit Kirchen, Hospitalern, Barracken und Theatern, jest von mehr als 100,000 Seelen bewohnt und in einigen Wochen so todt, wie die Waider, die wir gesehen: denn wenn die Messe vorüber ist, sieht man nicht ein lebendes Wesen außerhalb der Stadt auf dem Plaß, der jezt von Menschen wimmelt. Gleichwohl sird diese Buden nicht schwache Bauten von Leinwand und Stricken, wie man sie sich bei einer Messe in anderen Ländern vorstellt. Es find vielmehr regelmäßige Häuser, aus festen Materialien gebaut, gewöhnlich einen Stock hoch, mit großen Laden nach vorn und Schlafzimmern für den Kaufmann und seine Diener nach hinten. Rinnen und andere Mittel zur Erhaltung der Reinlichkeit und Gesundheit sind hier in noch größerem Umfang vorhanden, als in den regelmatigen Städten Rußlands. Die Messe ist von solcher Wichtigkeit, daß der Gouverneur der Proving, der Repräsentant des Kaisers selbst, den größeren Theil des Herbstes hindurch sei: nen Aufenthalt daselbst nimmt. Ein großer und schöner Palast Reht für ihn im Mittelpunkt des Ganzen, für einen Schwarm von Secretairen und Schreibern eingerichtet, die zahlreich genug find, die Einkünfte eines Königreichs zu verwalten.

Die Messe ist ungefähr eine Engl. Meile vom Mittelpunkt der Stadt entfernt, den außeren Enden derselben aber ziemlich nahe; auch ist sie mit diesen durch eine lange, breite Schiffbrücke über die beiden Arme der Ola verbunden, und durch eine Reibe von guten Haufern langs des steilen Abhangs, der an das Ufer dieses Fluffes führt. Diese abschüssige Straße ist von Morgens bis Abends mit einer zahllosen Menge überschwemmt Karren, Kutschen, Droschten, Fußgänger, die zusammen die einzige Scene außerhalb Englands bilden (den Toledo von Neapel vielleicht ausgenommen), welche sich mit den Messen von Ludgatehill oder Cheapside vergleichen läßt.

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So wie man die Brücke verlassen hat, beginnt der Mess plag. Dieser Punkt ist immer von Arbeitern befeßt, die Beschäft tigung suchen, und von Kosaken, die in ihre Mitte gestellt sind, um Ordnung zu erhalten. Dann kommen Reihen von temporas ren Buden, welche Gegenstände von geringerem Werth für die unteren Klassen zu verkaufen haben, Knöpfe, Spielereien und einige Kleidungsartikel, besonders Rügen. Von diesen liegt eine große Menge aus: runde Turbane von furzer, fraufiger Welle aus Aftrachan (die man hier crimmels nennt, weil das Lamm der großschwanzigen Schaafheerden, die aus der Krim'schen Tars tarei abstammen, die beste liefert) — hohe, schwarze Kirgisens mugen aus haardhnlicher Bolle und flache goldgestickte Kappen aus Kafan. Diese Buden stehen vor Kaffee oder Theestuben, die mit kleinen Tischen besezt sind, und Speisehäusern, worin 2 bis 300 Menschen komfortabel effen können für jeden Preis von awei Pence bis zwei Pfund Sterl.

Die Menge jedoch bietet nicht den gepußten Anblick einer gewöhnlichen Weffe. Die Bänder und die Spißen, die bunten Mügen und, was der schmerzlichste Verlust ist, die rothen Wans gen find hier nicht zu sehen. Auch die Lust, der Lans, die Troms meln und die Taschenspieler fehlen hier. Denn es ist dies fein festlicher Vergnügungsort, sondern ein Plas für ernste Geschäfte. Die Käufer in Rischnei sind teine Langislpel, die nur ein Paar Schillinge in der Tasche haben, sondern reiche Kaufleute und

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Vernfee Banquiers, deren ganzes Vermögen hier auf dem Spiele viel verkauft; ein großer Theil davon kommt aus Astrachan, wo freht. Doch dies macht das Ganze der näheren Betrachtung, man, wie in anderen Theilen des Europäischen Rußlands, Biegen au der wir den Leser einladen, noch würdiger. Zuerst bemerken hält, mehr um aus ihren Hauten dies Leder zu machen, als um wir einen blaffen, plattnafigen Kaufmann aus Archangel, der ihrer Milch oder ihres Fleisches willen. Die angenehme Seife Waaren aus langgeohrter Chinese, der seinen Thee abgefeßt und sich jest in Tula und glänzende Waffen jeder Art bedeutenden Die Stadt begiebt, um etwas vom Europäischen Leben kennen zu Theil der Straßen ein. Das Tuchviertel ist auch groß und wohl lernen, ehe er seine Monate lange Reise in die Heimat antritt. verfehen; der Werth der Russischen und fremden Wollenwaaren, Sodann kommen ein Paar Tataren von den Fünf Bergen, die jährlich verkauft werden, beträgt felten weniger als 3,000,000 von einem Knaben begleitet, deffen regelmäßige Züge seine Eirs Rubel (120,000 Pfund). Doch das interessanteste unter allen ist taffische Abkunft andeuten. Jene mit Muslins an den Armen das Theequartier, welches den größeren Theil eines abgesonders und Bündeln auf dem Rücken sind Tatarische Hausirer. Kosalen, ten, unermeßlichen Bezirks einnimmt. Dies ist einer der fonder die Felle aus der Ukraine gebracht haben, gaffen verwundert thre barsten Pläße nicht bloß wegen der Menge der Chinesen, die Brüder an, die mit Kaviar aus der Achtuba kommen. Die Fols man daselbst sieht, wonderen wird. Die Stiften find alle in harte wegen der großen Menge Gelgenden müssen, ihrer wallenden Kleidung und dem dunkein Haardes, die von ihnen umgefest nach, Perser seyn; ihnen verdanken die Russen ihre Parfümerieen. haute eingenäht. Ein Quartier enthält fertige Kleiderj Der Mann, der wegen seines Passes Schwierigkeiten hat, if ein Art; die Mäntel für Männer und Frauen sind aus Stoffen mit Kujur aus Astrabad, der einen Turkomanen von dem nördlichen den eigenthümlichsten Mustern gemacht. Das Quartier für Ges Ufer des Gurgan um Beistand bittet. Der wild aussehende schmacksartikel, Handschuhe, Taschentücher, Bänder, Stöcke ist Baschlire vom Ural verweilt mit seinen Gedanken unter den immer vollgedrängt von Käufern, welche durch die Reise der Bienenstöcken feiner Hütte, zu welchen er schon gern zurückgekehrt schönen Jubaberinnen von der Rue St. Honoré angezogen wers feyn 16, als wolle er ihm mit Freuden Gesellschaft leisten, da er lies Baumwollenwaaren schien sehr reich versehen zu feyn. Die ber das Gefchrei seines Adlers auf der Jagd hört, als das Braus meisten Artikel hatten ein Englisches Ansehen, doch unter den Jen dieser Zungenfee. Auf einer anderen Seite steht der dumm tausend Händlern, die aus allen Städten hier versammelt sind, lächelnde Grieche aus der Moldau mit dem Rosenkranz in den begegneten wir nur einem einzigen Landsmann. Der Werth der "Fingern, in Unterhandlungen begriffen mit einem Kalmücken, der Russischen und Baumwollenwaaren, die gewöhnlich verkauft vers fo wild ist, wie die Pferde, unter denen er erzogen wurde. Hierden, belduft sich auf 22,000,000 Rubet oder 880,000 Pfd. Den tommt ein g Drogman (Dolmetscher), der von seinem Nachbar glänzendsten Anblick unter allen bieten die zahlreichen Laden für Ghilan (aus dem westlichen Persien) Bezahlung verlangt, und Seidens und Shawlwaaren. Da die meisten dieser Waaren von ein gedankenloser Buchare grüßt eine Agrisfhanische Betaunts orientalischer Manufaktur sind, so überglänzen die Muster bei schaft, d. h. einen Mann, der aus dem gemischten Blut der Hinweitem selbst die Westen unserer modernen Stuger. Die fabris dus und Tataren abstammt. Nogai's mischen sich unter Kirgi zirte Seide, die jedes Jahr hierherkommt, wird auf 104 Millios fen, und Pariser Schnittwaarenhändler handeln um die Shawls nen Rubel oder 420,000 Pfd. geschäßt, während rohe Seide für von Kaschmir mit dem Individuum eines Asiatischen Stammes 308,000 Pfd. verkauft wird. Doch nichts erregte mehr unfere unausfprechbarem Namen. Juden aus Brody rechnen mit Bewunderung als die Möbelläden; prachtvolle Tische, Stühle, "Turten aus Trapezunt, und ein Berliner Decorationsmaler spas Sopha's, die schwersten Möbelwaaren bringt man bei so großen ziert Arm in Arm mit einem Petersburger Schauspieler, der am Entfernungen und über so schlechte Straßen ohne Schaden auch Abend den Hamlet spielen soll. Mit einem Wort, Baumwollens in dieses Universal Emporium. Auch große Spiegel von Franks Händler aus Manchester, Juweliere von Augsburg, Uhrmacher reich und Petersburg und Krystallartikel aus Böhmen waren in von Neuchatel, Weinhändler von Frankfurt, Igelläufer aus großer Menge zu sehen, und manches Auge mochte sehnsüchtig Hamburg, Gewürztramer aus Königsberg, Bernsteinhändler aus nach den Fenstern der Juweliere und Silberarbeiter blicken, die Memel, Pfeifenmacher aus Dresden und Kürschner aus Warschau hier bedeutende Geschäfte machen sollen, indem sie nicht bloß bilden hier zusammen die bunteste nnd eigenthümlichste Menge, ihre zu Hause angefertigten Waaren losschlagen, sondern auch welche der wunderwirkende Geist des Handels je zusammentrieb. Juwelen aus Asien an sich kaufen. 29 sto

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