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der Adel noch reich war, lieferte Antwerpen die feinsten und schönsten Spizenarbeiten nach Mecheln; jezt, wo die Gelds Aristokratte die der Geburt erfest hat und unter sich selbst ges wöhnlich genauer rechnet, theilt auch dieser Industriezweig den Berfall seiner ehemaligen Beschüßer, doch werden in Antwerpen noch immer eine beträchtliche Menge der schönsten Schleier und Spisen angefertigt. Auch Möbel, Strohs, Filz und Seidens hute und Wachsteinewand werden hier fabrizirt. In den meisten großen Manufakturen, Destillationen, Lazurblau und Bleiweiß fabriken, in den Ziegelbrennereien, Metallgießereien und Seifens hiedereien werden Dampfmaschinen angewendet.

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Neben diesem zunehmenden Gedeihen ist aber auch der immer mehr wachsende Druck zu erwähnen, dem die Bankges schäfte in Antwerpen und im ganzen übrigen Belgien erliegen. Im Allgemeinen entsprechen diese Anstalten nicht dem Zwecke ihrer Süftung, fie beleben die Industrie nicht, verdoppeln feiness weges die Hülfsquellen derselben, wie die Banken von Paris, London, Amsterdam und Wien, die das Geld ihrer Actionaire in den Handel fließen lassen. Unter dem Patronat der Belgischen Bank stehen viele große Etablissements, darunter fünf Hochs öfen, die Werkzeugs und Maschinenfabrik von St. Leonard, die Kohlengruben von Nerwe, Bray, Numandes, die Galmengruben von Vieilles Montagne, die Glashütten von Chaleroi, die Flachss spinnereien von St. Leonard, die Luremburgische Gesellschaft für Gewerbfleiß, die vereinigte Actiengesellschaft, und doch hat und doch hat diese Bank, von welcher in Antwerpen und Lüttich noch zwei Filiale find, vor kurzem ihre Zahlungen eingestellt; Fehler in der Berwaltung und unüberlegte Actienanläufe sind die Haupturs fachen dieses Falles. Die Belgische Bank hat immer Mangel an Gold-und Silber gelitten, und dadurch wurde der Umlauf ihrer Bankscheine so beeinträchtigt, daß diefelben niemals den Betrag von 6 Millionen Franken überstiegen, ja nicht einmal erreichten. Es ist auch keine Hoffnung vorhanden, daß diesem Uebelftande abgeholfen werde, bevor nicht das jest in Kraft stehende Münz, Geses große Modificationen erfährt. Das feh terhafte Finanssystem nun, das der Belgischen Bank so verders benbringend war, untergrabe schon seit langer Zeit auch die Ants werpener Banken. Die reichßen Gesellschaften dieser Stadt, des ren segensreiche Thätigkeit während langer Zeit eine Quelle des Wohlstandes und der Sicherheit für ihre Einwohner war, find gang heruntergekommen, wie unter anderen die See, Asseturanz Gesellschaften. Es bestehen deren zwölf in Antwerpen, doch sind alle fo in Miskredit verfallen, daß die höchste Versicherungs, fumme selbst auf ein Schiff erster Klasse nicht 25,000 Gulden übersteigt, während noch im Jahre 1830 die schwächste dieser Gesellschaften sehr leicht 230,000 Gulden zur Deckung eines eins sigen Risiko's aufbringen konnte. Auch auf das Gedeihen mehrerer anderer Gesellschaften, die sicher viel zum Wohlstand des Landes beigetragen hatten, wirkten diese Verhältnisse ungünstig ein; fo gingen drei Gesellschaften zur Beförderung der Dampfschiffs fahrt schon wieder unter, bevor sie noch ins Leben treten konnten.

Wie traurig nun aber auch solche Resultate seyn mögen, fo wiegen sie doch lange nicht die Vortheile auf, die für Antwerpen aus der Trennung von Holland erwachsen sind. Was für wichs tige Communicationswege sind seit 1830 in Belgien entstanden! Jede Gemeinde besißt einen schönen, ebenen und bequemen Weg, der mit der nächsten Chauffee in Verbindung steht, und dadurch Fann Alles am materiellen Wohlfeyn Theil nehmen, welches von den Hauptpunkten ausgeht. Eine Eisenbahn verbindet Antwerpen mit Brüssel, Gent, Brügge, Oftende, Mecheln, Löwen, Lüttich und macht so aus ganz Belgien eine einzige große Stadt. Die Bahn wurde am 1. Mai 1834 angefangen, am 2. Januar 1837 war sie bis Termonde beendigt und durchläuft also jeßt einen Raum von 15 Lieues, woran man nur zwei Jahr und acht Mos nate arbeitete. Die Bahn von Mecheln nach Brüssel loftère 1,403,150 Franken, die von Mecheln nach Antwerpen 2,092,855 Franken und die von Mecheln nach Termonde 1,618,435 Franten, so daß diese drei Sectionen zusammen 5,420,000 Franken Kostens aufwand betrugen. Zur Befreitung der nöthigen Erhaltungss ausgaben find 1,069,000 Franken erforderlich, die Total Eins nahme des ganzen Jahres wird aber auf 1,500,000 Franken ans geschlagen, so daß diese Bahnen einen reinen Gewinn von 100,000 Franken, oder 51 % für jede Section abwerfen.

Auch der Ackerbau hat seit dem Jahre 1830 bedeutende Forts schritte in der Umgegend von Antwerpen gemacht. Meiereien, die hier nur zu den gewöhnlichsten gehören, würden überall und felbst da für Mufter gelten, wo man sich einbildet, die möglichste Bollkommenheit in diesem wichtigen Industriezweige erreicht zu haben. Der Antwerpener Ackerbauer versteht sich gründlich auf Bearbeitung der Felder, alle feine Werkzeuge gelten für Muster, man kömmt selbst aus der Ferne herbei, um ihre Bauart zu ftus diren. Hier spannt man nicht, wie in vielen Gegenden Franks reichs, fechs bis acht Ochsen vor den Pflug, zwei Pferde find hinreichend, und doch adfert man hier in zwei Stunden eine Fläche, zu welcher der Französische Bauer einen ganzen Tag brauchen würde.

Die Bevölkerung der Belgischen Provinzen insgesammt ift in den leßten sehn Jahren um 300,000 Seelen geßiegen. In Antwerpen selbst hat sie von 1836 bis 1837 um 3287 zugenommen. Bu Anfang 1837 hatte Antwerpen 360,180 Einwohner, im Laufe beffelben Jahres wurden 11,801 Kinder geboren, darunter befans den fich 871 uneheliche, wonach also ein uneheliches auf dreizehn ebeliche tommt; es Rarben 8482 Personen, und 2778 Ehen wurs den geschloffen. Die Zahl der Armen if in Antwerpen sehr bes

deutend, denn ke war im Jahre 1837 bis auf 37,432 Personen gestiegen; es giebt dort 30 Hospitaler, in welchen man 2642 Jn dividuen mit einem Koßenaufwande von 471,546 Franken vers pflegt; außerdem aber, werden die Bedürftigen durch die Wohls thätigkeits, Bureaus unterstüßt.

Der öffentliche Unterricht hat seit 1830 in Antwerpen Råcks schritte gemacht, denn es befinden sich jest nur 39,000 Kinder in den Schulen, früher, unter der Holländischen Herrschaft, war diese Zahl weit bedeutender, und man schreibt dies dem kathos lischen Einflusse zu, der besonders in der Provinz Antwerpen, in beiden Flandern und im Hennegau vorherrschend ist; doch giebt es einige ganz vorzügliche Institute in Antwerpen, wie die Eles mentar Musterschule und die Musterschule für die Fabrication der Spigen, die vor einigen Jahren gefiftet wurde. Auch zeichnen sich die Königliche Akademie der schönen Künste, und die Königs liche Gesellschaft für die Ermunterung zum Studium der Künfe ganz besonders aus; das leßgenannte Institut zählt jeßt mehr als 700 Subskribenten.

Die Gefängnisse und Zuchthäuser Antwerpens verdienen auch eine besondere Erwähnung; es giebt deren fünf in der Pros ving Antwerpen: das Depot zu Hoogstraeten, das Zuchthaus von St. Bernhard, das bürgerliche und militairische Sicherheitshaus in Antwerpen und die Arresthẩäuser in Mecheln und Lurnhout. Auf diese Anstalten wird die größte Sorgfalt verwendet, und der Gesundheitszustand derselben ist auch in jeder Hinsicht völlig befriedigend. Im Depot von Hoogstraeten werden die Straf linge in den Werfftätten oder bei dem Ackerbau beschäftigt; im Zuchthause von St. Bernhard werden die Gefangenen, sowohl Erwachsene wie Kinder, gründlich unterrichtet. Seit mehreren Jahren und besonders im Laufe des Jahres 1837 hat die Anzahl der Straflinge in diesen Anstalten bedeutend abgenommen, welches den guten Einrichtungen der Verwaltungsbehörden und den Verbesserungen der Strafgefeße zuzuschreiben ist; es find Armen Werkstätten errichtet worden, in welchen man die Brods losen beschäftigt; dadurch wird das Elend und die Zahl der Vers brechen auf das wirksamste vermindert.

Das Find ungefähr die Phasen, welche diese merkwürdige Stadt durchlaufen hat. Sie hat in der legten Zeit an Bevölkes rung, Eins und Ausfuhr zugenommen; ihr Manufakturwesen hat fich vergrößert, und ihr Handel, der in den Jahren 1831 - 32 daniederlag, erblühte von neuem, als die Ruhe wiederhergestellt wbar. Antwerpen hat viel harte Schläge auszustehen gehabt, doch sind alle glücklich überwunden; noch im Jahre 1838 erlitt Antwerpen, wie alle Handelsfiddie Europa's, großes Mikgeschick, aber diese Krisis war nur vorübergehend; dasselbe wird auch hoffentlich jest wieder der Fall seyn, und wenn die Politik ihrem Gewerbfleiße nicht hemmend in den Weg tritt, so wird Antwer ven fich bald wieder emporschwingen und nach wie vor an der Spiße aller Handelsstädte Europa's fliehen.

Frankreich.

Zur Statistik der Verbrechen in Frankreich.

Das so eben erschienene

Compte général de l'administration de la justice criminelle en France, pendant l'anné 1836 etc. (Paris, Decembre 1838.) bringt zur Kenntniß, daß in Frankreich bei den Assisen im Jahre 1836 5300 Anklagen stattgefunden haben, wogegen im Jahre 1835 deren nur 5228 vorlamen. Dieser Mehrbetrag (72 Fälle) ist von keiner Wichtigkeit, wohl aber ein anderer, wenn man die Vers mehrung der Fälle, welche Verbrechen am Eigenthum, mit dens jenigen vergleicht, welche Verbrechen an Personen betreffen. Es waren nämlich im Jahre 1836 3742 Anklagen von Verbrechen gegen das Eigenthum anhängig, dagegen im Jahre 1835 nur 3457. Dies ist eine Vermehrung von 285 Fallen; das will fagen, ein Steigen von 8 auf 100. Dagegen stellt sich eine Vermins derung von 12 auf 100 in den Anklagen von Verbrechen gegen Personen dar.

Vom Jahre 1825 bis 1830 haben sich die Verbrechen an Personen von Jahr zu Jahr vermindert; fie waren 24 auf 100 im Jahre 1828; 25 im Jahre 1829; 23 im Jahre 1830; vom Jahre 1831 an ist diese Zahl auf einmal gestiegen, und dieses Steigen hat sich fortgefeßt bis zum Jahre 1835. Es ges ftalter fich dann wie 34 auf 100. Im Jahre 1836 ist sie gefallen bis 29 auf 100.

Bei genauer Erörterung der Verbrechen an Personen, welche bei Vergleichung der Jahre 1835 und 1836 fich vermindert haben, ergiebt sich, daß diese Verminderung sich auf verschiedene Arten der Verbrechen vertheilt. Die geringere Anzahl Fälle beziehen Rich auf Verbrechen der Nothzucht und der Sittsamkeit.

Die Jurn hat 2398 Klagen für völlig zulding, 1560 wurden für ganzlich unstatthaft erklärt, und 1842 find in ihren Urtheilen ermdsigt worden. Die Anklagen selbst find von dem Affifenhofe auf zweierlei Weise unterschieden worden, diejenigen nämlich, wo die Geschworenen solche erschwerende Umstände der Angeklagten vorgefunden haben, ohne welche das Verbrechen geringer geachtet worden ware, und solche ohne diese Merkmale. In 9 Fallen auf 100 har fich der Charakter des Verbrechens forgfältig herausges ftellt, und in 16 Fallen auf 100 hat man selbige nur als leichte Verbrechen erachien können.

Die 3300 Anklagen, welche dem Aiffenhofe vorgelegt worden find, baben 7232 Angeklagte zum Gegenstande gehabt. Imm

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Jahre 1833 hatten dagegen nur 7223 solcher Angeklagten vor Gericht gestanden.

Bringt man die Zahl der Angeklagten mit der der Bevölkes rung in Vergleich, so findet man, daß im Mittel ein Angeklags ter auf 4638 Einwohner sich herausstellt; im Jahre 1885 einer auf 4644, und 1834 einer auf 4684 Einwohner.

Dieses Mittel von 1 au 4638 ist überstiegen in 28 Depars tements. Nämlich in dem der Seine, wo ein Angeklagter auf 1231, in Korfila, wo ein Angeklagter auf 1540, in dem der Ofts Porenden, wo ein Angeklagter auf 2029, in dem Ober: Rhein, wo ein Angeklagter auf 2235, und in dem Finisterre, wo ein Ans getlagter auf 2617 Einwohner fommt.

Die Departements, wo jenes Mittel noch nicht erreicht werden, belaufen fich auf 58. Fünf große Abweichungen find dabei bemerkbar: des Cher, wo ein Angeklagter auf 12,087 Eins wohner, des Aude, wo einer auf 11,710, des Drôme, wo einer auf 10,553, und der Obers Alpen, wo einer auf 10,089 zu rechs nen ift.

Bon gedachten fünf Departements ist dasjenige des Drôme das einzige, welches im Jahre 1836 1 auf mehr denn 10,000 Eins wohner rechnete; in den anderen stellte es sich wie 1 au 5, 6, 7 und 8000 dar.

Diese Mehrung der Anzahl der Angeklagten wegen Vers brechen an Personen ist vor den Affisen in 2072 Klagesachen zur Erscheinung gekommen, im Verhältniß also wie 29 auf 100, ins dem, wie bereits erwähnt wurde, die Gesammtzahl der Anges flagten 7232 gewesen war.

5160 Individuen find angeklagt worden wegen Verbrechen am Eigenthum, d. 1. 71 auf 100. Für alle folche Verbrechen, ohne Unterschied ihrer Natur, findet man 136 Angeklagte bei 100 Klagen.

Das Unterscheidungsmittel, deffen sich die Assisen bedienen, scheint bei Verbrechen am Eigenthum dasselbe zu seyn, wie bei Verbrechen an Personen. Bei der ersteren Art rechnet man 133 Angeklagte bei 100 Klagen, bei der legteren 138 Angeklagte bei 100 Klagen.

Weiblichen Geschlechts sind 1339 Individuen in Anklagestand gefeßt gewesen; demnach 19 auf 100 Angeklagte. Unter ihnen befanden sich 24 auf 100, welche uneheliche Kinder gehabt, oder folche, welche im Konkubinate gelebt haben. Es ist zu bemerken, daß in den leßteren Jahren mehr Personen weiblichen Geschlechts, im Vergleich zu denen des männlichen Geschlechts, wegen Vers brechen an Eigenthum als wegen solcher an Personen sind in Anklageftand gesezt worden. Bon 100 Personen weiblichen Ge schlechts haben 22 wegen Verbrechen an Personen und 78 wegen Verbrechen am Eigenthum vor Gericht gestanden..

Was das Alter der 7232 Angeklagten anbelangt, so haben 96 derselben noch nicht das 16te Jahr erreicht; 1256 befanden sich in einem Alter von 16 bis 21 Jahren; 1190 von 21 bis 25 Jahren; 1220 von 25 bis 30 Jahren; 1017 von 30 bis 35 Jahren; 876 von 35 bis 40 Jahren; 551 von 40 bis 45 Jahren; 373 von 45 bis 50 Jahren; 258 von 50 bis 55 Jahren; 184 von 55 bis 60 Jahren: 107 von 60 bis 65 Jahren; 38 von 65 bis 70 Jahren; 42 von 70 bis 80 Jahren, und 4 von 80 Jahren und darüber. Es geht daraus hervor, daß von 100 Angeklagten 35 noch nicht das 25ste Jahr erreicht haben; 31 waren in einem Alter von 23 bis 35 Jahren, und 34 über 33 Jahre alt.

Nicht uninteressant dürfte es fenn, das Alter der Angeklag ten zu bemerken, in welchem Verbrechen an Berfonen begangen worden find. Man theile demnach die Anzahl der Angeklagten in drei Partieen; solche, die noch nicht das 25ste Jahr erreicht haben, folche, welche fich in einem Alter von 25 bis 60 Jahren befinden, und solche, die ein Alter von mehr denn 60 Jahren erreicht haben. Man finder dann, daß von hundert Angeklagten, die noch nicht das 25fte Jahr zurückgelegt haben, 24 nur Vers brechen an Personen begangen haben; 31 der Angeklagten bes fanden fich in einem Alter zwischen 25 und 60 Jahren, und 37 waren über 60 Jahre alt. Von den 7232 Angeklagten waren ferner 4306 (60 auf 100) unverheirathet; 2601 (36 auf 100) vers heirather; 324 (4 auf 100) waren verwitwet, und ein einziger Fall ist in gedachter Beziehung unbekannt geblieben..

Es treffen aber auch von den 7282 Angeklagten 308 folche Personen, die außerehelich geboren worden find, und zwar 192 mánnliche und 316 weibliche Individuen.

Unter der Hauptfumme der Angeklagten (7232) befanden fich 273 Fremde; 5135 waren in dem Departement, in welchem fie geboren und wohnend waren, auch gerichtet worden; 36 was ren amar in dem Departentent, in welchem sie gerichtet worden, auch geboren, hielten sich aber in einem anderen für gewöhnlich auf; 1287 wohnten zwar in dem Departement, wo sie gerichtet wurden, waren aber anderwärts geboren; endlich 352 wohnten und waren geboren außer dem Departement, wo sie gerichtet wurden. 4073 Angeklagte waren Land, 2830 waren Städte bewohner.

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4239 Angeklagte konnten weder lefen noch schreiben; 2073 fonnten nur unvollkommen, lefen und schreiben; 665 fonnten gut lesen und schreiben, und 255 hatten einen vorzüglichen Unterricht genoffen. Diejenigen, welche demnach als volls tommen unwissend zu betrachten find, machen demnach 59 auf 100 aus. Bei Berücksichtigung der Geschlechter findet man, daß von vollkommen Ununterrichteten 54 auf 100 bei dem manns

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lichen Geschlechte und 80 auf 100 bei dem weiblichen Geschlechte au rechnen sind. In 51 Departements hat sich die Anzahl unters richteter Angeklagten (59 auf 100) über die Mitte hinaus ers streckt; diejenigen Departements aber, wo ein besonderes Miss verhältniß stattgefunden hat, find gewesen: Côtes du Nord (94 auf 100), Indre (87 auf 100), Obers Vienne (81 auf 100) und Lor und Morbihan (80 auf 100).

Unter den Angeklagten unter 21 Jahren, welche weder lesen noch schreiben konnten, findet das Verhältniß wie 61 auf 100, von 21 auf 40 Jahren wie 59 zu 100 und von denen über 40 Jahr alt wie 56 au 100 ftatt.

Die gewöhnliche Beschäftigungsweise ist, so wie die Aufs führung der Angeklagten, gleichfalls wichtig zu untersuchen. Von der Hauptfumme der Angeklagten leben 1152 im Müßiggange, 2227 arbeiten auf eigene Rechnung, 3853 aber arbeiten für Rechs nung Anderer. Die Anzahl vertheilt sich in neun Klassen des Geschäftsbetriebs, welchem die Angeklagten zur Zeit der Arrestas tion sugethan gewesen sind. Sie find zufammengezogen nach Analogie der Verrichtungen, welche file mit fich führen. Die erste Klasse begreift Personen, welche den Erdboden bebauen, und die achte diejenigen, welche sich mit einem freien Gewerbe beschäftis gen: in diese zwei Klassen fallen die meisten Verbrechen an Pers fonen. Die zwei Klaffen, wo weniger Verbrechen an Personen vorkommen, ist die fünfte und die neunte, d. i., die der Handelss leute und der Landstreicher. Die Angeklagten der schwersten Vers brechen, d. h. des Meuchelmordes, des einfachen Mordes und der Vergiftung, vertheilen sich unter verschiedene Klassen, in demsels ben Verhältniß wie die Angeklagten anderer Verbrechen gegen die Person. Welches sind nun aber die Erfolge dieser Untersuchungen gewesen?

Von der Gesammtsumme der Angeklagten find 30 zum Tode, 148 au lebenslanglicher Zwangsarbeit, 757 zu zeitiger Zwangss arbeit, 763 zu einsamem schweren Gefängniß, 1 zur gemeinen Verhaftung, 2094 zu einfachen Correctionsstrafen verurtheilt wors den. 26 waren Kinder unter 16 Jahren, welche eine bestimmte Anzahl Jahre unter spesielle Beaufsichtigung gestellt worden sind.

Mildernde Gründe zur Bestrafung find von der Jury au Gunsten von 2472 Angeklagten anerkannt worden; bei 867 hatte die Obrigkeit die Strafe für herabzusehen nothwendig erachtet.

Von den zum Tode verurtheilten Individuen find 22 wegen meuchelmörderischer Handlungen angeklagt, einer hat dieses Vers brechen versucht; 2 wegen Aelternmord; einer wegen Raub Word; 2 wegen Kindermord; einer wegen vollzogener und einer wegen versuchter Brandstiftung. An 21 ist die Strafe vollzogen und bei 9 dieselbe durch die Gnade des Königs in lebenslangliche Arbeitsstrafe verwandelt worden.

2609 Angeklagte find durch die Affisen freigesprochen worden, d. i. 36 auf 100. Im Jahre 1835 war das Verhältniß wie 39 auf 100.

Wirft man nun noch einen fummarischen Blick darauf, in wie fern Art der Verbrechen, Geschlecht des Angeschuldigten und deffen Bildungsstufe fich gestalten, so ergiebt sich unter den Angeklagten haben 45 auf 100 wegen Verbrechen an der Person und 32 auf 100 wegen Verbrechen an Eigenthum vor Gericht gestanden.

Unter 100 wegen Verbrechen Angeklagten männlichen Ger schleches find 35 freigesprochen worden, und unter 100 weiblichen Geschlechts 39. Angeklagte, gänzlich ununterrichtet, 33 auf 100 find völlig 9 freigesprochen worden.

Les loups-cerriers. Bom Baron von Lamothe-Langon. 2 Bde. 15 r Histoire d'Allemagne. Nach Luden, so wie mit Fortseßungen nach Schmidt, Pfeffel, Menzel, Schiller, Poffelt, Pfister c., von A. Savagner. Erster Bd. 15 Fr.

Mannigfaltiges.

Gleichheits Prediger. Ein Englisches Blatt (The Mirror) fagt: Es giebt bei uns viele Gleichheits Prediger, die nur immer predigen, daß es teinen höheren Rang geben sollte, als sie selbst einnehmen, die es aber gleichwohl nicht bloß gern sehen, sondern auch darauf anlegen, daß sie selbst über eine Menge von Abstufungen erhoben werden. Solche Gleichheitss prediger erinnern uns an jenen Irlander, der einen großen und einen kleinen Fuß, hatte und nun bei seinem Schuhmacher einen Stiefel größer als den anderen bestellte. Als diefer das fertige Paar Stiefeln ablieferte, og unser Irländer zufällig erst den Pleineren, und zwar auf den großen Fuß an. "Der dumme Schuster!" rief er,,,habe ich doch einen Stiefel größer bestellt als den anderen, und statt dessen hat mir der Kerl einen kleiner als den anderen gemacht!"

viertefjährlich 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie.

No 33.

für die

Expedition (Friedrichs-Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslande bei den Wohköbl. Pef - Remtern,

Literatur des Auslandes.

Berlin, Montag den 18. März

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Nur Ruinen sieht man noch von dem ehemaligen Jansenistens Size Port Royal, aber aus diesen Ruinen athmet uns Lebens fülle entgegen. Daß der Jansenismus noch nicht von der Erde verschwunden, ist bekannt; daß aber in dem Thale, wo sich vor dem Jahre 1709 das Kloster von Port Royal erhob, noch ein Mann lebt, welcher die Tradition von den,,Einsiedlern" bes wahrt, der von ihnen in ihrer Sprache spricht, als hätte er sie gekannt, als hatte er das Französische von Nicole und das Gries chische von Lancelot erlernt, von dem Daseyn_des Herrnau Silvy, der aus Pietät für das Andenken seiner Freunde von Port Royal vor zwölf Jahren die Ruinen ankaufte, fie bewohnt ́ und die Graber derselben pflegt, davon wissen nur Wenige. Obgleich man sich jest nicht mehr viel um die Lehren des Jansenismus lammert, so bewahrt doch gewiß ein Jeder von den Studien seiner Jugend her eine ehrfurchtsvolle Erinnerung an jene berühmten Manner von Port Royal. Alles Große, was im Jahrhundert Ludwig's XIV. geschrieben wurde, ging von ihnen aus; so viele andere Berühmtheiten haben ihr Interesse und ihren Glans verloren, der Ruhm aber, den die Wissenschaft verleiht, dauert ewig, wie die Meisterwerke, welche sie schafft und die gu allen Zeiten die Geister entzücken; Pascal und seine Provinzials Briefe, Nicole und seine Abhandlungen über die Moral, Racine und seine Tragödien, welche Namen und welche Werke!

Port Royal ist ein kleines Chat zwischen Chevreuse und Dampierre, drei Lieues von Versailles; mit Recht führt es bis heute den ihm früher gegebenen Beinamen,,die Einbde", und die Zeit hat noch über feine natürliche Einsamkeit jenen Anschein von ganzlicher Verodung und gesunkener Größe verbreitet, der folchen Orten eigen ist, die einst Zeugen wichtiger Begebenheiten waren; es liegt ganz zwischen waldbewachsenen Hügeln versteckt, als wolle es sich noch jeßt, wie ehemals, den Blicken der Welt entziehen, als weile der Doktor Arnauld noch hier und schreibe eine feiner heftigen Apologieen des hdafigen Abendmahls Genusses.

Auf einem schmalen Fußpfade, der durch ein Gehölz führt, welches das Thal ganz verdeckt, gelangt man zu den Ruinen von Port Royals zuerst betritt man einen großen Hof, auf dem fich ein Taubenhaus und drei gewöhnliche Meierei Gebdude befinden. Kura suvor, ehe ich meine Wanderung antrat, hatte ich Fontaine noch einmal durchgelesen und meinem Gedächtniß den anziehen den Bericht dieses guten Einfieblers eingeprdge. Die Geschichte Ports Royal's ist von vielen Schriftstellern eracht worden, von Racine bis auf Sainte Beuve, der jegt für Alle das niederschreibt, worüber er im vorigen Jahre zu Lausanne Vorlesungen hielt. Ein jeder der Einfledter that darüber auf seine Weise berichtet, allen diefen Schriften ist eine gewisse mystische Beredsamleit ges mein, doch hat jede ihren besonderen Reis; aber die anziehendste derselben, weil sie die unbefangenfte ist floß aus der Feder Fontaine's.

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1839.

aufgetreten. Richelieu liebte die dffentlichen Streitigkeiten nicht und schickte daher Saint-Cyran nach Vincennes. Diese Verfol gung fachte den Eifer der feurigen Geister an. Lemaitre hielt mitten in einem Plaidoyer plöglich inne und rettete sich vor der Welt in das verlassene Kloster Port Royal; ihm folgten sogleich von seinen Verwandten de Sach und sein Bruder, später sein Dheim d'Andilly und Nicole, Lancelot und Pas:al. Bald wurde es sogar Mode, nach Port Royal zu gehen. Die vornehmsten Personen siedelien sich dort an, um in der Einode die Ruhe zu suchen, deren sie sich bendthigt glaubten; es mußte sogar noch interhalb der Klostermauer ein Schloß für die Herzogin von Longueville, Anna von Bourbon, erbaut werden: legte Laune der launenhaftesten aller Frauen!

Bald gab es dort drei sehr von einander unterschiedene Ges sellschaften, deren Vereinigungsband jedoch die Einsiedler waren. Die Nonnen stellten sich nach einiger Zeit unter den Schuß dieser Herren, und die Großen, welche den Hof verlassen hatten, um ihre Seelen unter die Obhut der weisen und gläubigen Eins Fiedler au flüchten, wollten nur diesen die Sorge für die Erzie hung ihrer Kinder übertragen. Damals nun entstanden jene ges funden, kraftigen Schulen, die Port: Royal so berühmt machten, zu jener Zeit wurden so viel vortreffliche Bücher geschrieben und die vorzüglichen Lehrmethoden geprüft, welche noch jest in manchen Beziehungen angewendet werden. Unterdeffen ging auch die Polemik ihren Gang; frei von allen Verbindlichkeiten, konnten die Einsiedler sich immer dahin begeben, wo ihre Gegens wart nöthig war; ihr Feldlager aber blieb Port Royal; von da aus wurden gleich Donnerkeilen die drei ersten ProvinzialsBriefe geschleudert, eben so zielten alle Entgegnungen gerades Weges auf Ports Royal, und das Geschick des Klosters war von allen Wechselfallen der Polemik abhängig. Mehrmals mußten die Einsiedler ihre Eindde verlassen, um sich im Getümmel der Welt zu verbergen, und glücklich war noch der, welcher durch solche freiwillige Verbannung dem Gefängniß entging. De Sacy wurde in die Bastille gebracht. Jede Entfernung von der heilis gen Kolonie war eine Quelle unendlicher Wehklagen, jede Rücks kehr ein Freudenfeft. Der Streit um die fünf Säße" gehörte nicht zu denen, die durch eine Bulle beigelegt werden, denn hier, wie bei den meisten solcher Kämpfe, stand nicht die Wahrheit dem Irrthame gegenüber, es waren vielmehr zwei entgegenges feste Gesinnungen, zwei nebenbuhlerische Richtungen, welche sich in einer besonderen Frage begegneten, um sich hier einander zu bekämpfen und den Sieg unter sich zu entscheiden. Fast cin Jahrhundert hindurch, von 1638-1710, wüthete dieser Streit; dann wurde das Kloster durch ein Regierungs, Delret niederges riffen, im folgenden Jahre aber die Gebeine der Einsiedler wieder ausgegraben und auf den benachbarten Kirchböfen von Magny, Saint Lambert und Palaiseau zerstreut. Seit dieser Zeit trennt sich die Geschichte des Jansenismus von der von Port - Royal; diefer Ort wurde, was er jest ist, ein dder Schauplas, auf dem der Wanderer noch einige Spuren von den vorübergezogenen Schreckniffen des Drama's antrifft.

Fünf kleine sehr mittelmäßige Oden von Racine,,,der Teich", die Wiesen",,,die Wälder", die Heerden",,,die Garten" bes sie damals war und noch jest ist; nur die Kuinen sind noch hins sugekommen, der Hof, in den man zuerst eintritt, war früher einer der inneren Höfe des Klosters, und die Gebäude, welche ihn an der Nordfeite begränzen, sind allein bei der gänzlichen Zerstörung des Klosters verschont worden, weil sie dem Kastellan, dem Pachter und dem Gartner aur Wohnung dienen sollten; von da gelangt man in einen Garten, welcher ehemals der dußere Kirchhof war. Die Jahreszeit, in der ich meine Wallfahrt uns ternahm, war schon zu weit vorgerückt, um in Port Royal noch jene (dönen Früchte anzutreffen, mit denen einst Arnauld d'Ans dilly auf fo liebenswürdige Art seine Freunde vom Hofe bes wirthere; aber diese Aprikosenbdume, diese Pfirsichfpaliere ers innern daran, wie d'Andilly, nachdem er Frankreich mit Auss seichnung gedient, in den wenigen Erholungsstunden, die ihm feine Geschichte Joseph's übrig lief, fein Vergnügen daran fand, Baume zu pfropfen und Früchte su siehen. Im Hintergrunde diefes Gartens fieht man einen fleinen Teich in Kreuzesform. Als Port Royal noch ein gewöhnliches Kloster war, bedeckten fumpfige Teiche das ganze Lhal und überschwemmten jedes Mal

Port, Royal war anfänglich ein Eisterzienser Nonnenklofter, das zu Anfang des fiebzehnten Jahrhunderts einer gänzlichen Retitelt, enthalten die ausführliche Beschreibung der Landschaft, wie form bedurfte, die denn auch durch den Geist und das Ansehen der berühmten Maria Angelika Arnauld ins Werk gefeßt wurde. Um den ungefunden Ausdünstungen der Sümpfe von Chevreuse zu entgehen, verließ die Kloster Gemeinde ihre Zellen und zog Rich in ein Haus der Vorstadt St. Jacques zurück, das nun den Namen Port Royal de Paris führte. Durch diesen Aufenthaltss wechsel den geistigen Bewegungen so nahe getreten, fühlte sich Angelika gedrungen, daran Theil zu nehmen; sie schrieb einige Abbandlungen, die von den Jesuiten heftig angegriffen, aber von Saint Cyran lebhaft vertheidigt wurden. Dieser Lestere, ein Breund Jansen's, glaubte eine Art von Verwandtschaft zwischen den Lehren der Mutter Angelita und denen des Bischofs von Opern ausentbeden, und auf diese Weise wurde nicht nur der Abt von Saints Cyran in den Jansenistischen Streit verwickelt, fondern auch die ganze Familie Arnault, welche fowohl bei Hofe wie in der Armee, in der Kirche, an der Barre, turz überall, großes Ansehen genoß. Der Has zwischen dieser Familie und den Sefuiten Rammte fchon aus früheren Beiten ber, denn schon unter Heinrich IV. war ein Arnauld gegen die Gesellschaft Jefu

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seiner Aussage gemás, in die Stadt, um eine Wohnung zu mies then, während Nubia an einem Brunnen seiner Rückkehr wars tete. Sie gab ihm das Bündel, welches ihre Kleider enthielt, mit dem Bemerken, daß fie unter seiner Obhut sicherer seven. In einer frühen Morgenstunde hatte Kulian feine Geliebte vers lassen; und als er um die Mittagszeit zurückkehrte, war fie vers schwunden. Von dem vergeblichen Suchen endlich erschöpft, verscharrte er Nubia's Kleider in die Erde und hütete sich, die Polizei von der Sache zu unterrichten, damit sein und Nubia's Projekt nicht an den Tag táme!

Kein Mensch glaubte den leßten Theil der Erzählung. Das plögliche Verschwinden des Mädchens war sehr verdächtig; und auch der Umstand, daß die Kleider und Schmucksachen Rubia's. in Kulian's Handen und nicht eher von ihm ausgeliefert worden waren, bis man fie finden und als Beweismittel wider ihn ges brauchen konnte, schadete seiner Sache ungemein. Da jedoch tein überzeugender Beweis von Nubia's Ermordung vorhanden war, so erließ man Kulian die Todesstrafe und verurtheilte ihn zu dreißig Peitschenhieben und vierzehnjähriger Einkerkerung.

Ungefähr drei Jahre nach diesem Urtheilsspruche erschien. einer von Kulian's Brüdern, Namens Midari, vor Gericht und produzirte ein junges Weib, das er für die ermordet geglaubte Nubia, Dhur's Tochter, erklärte. Die junge Frau selber schwur, daß fie die nämliche Person sen, welche Stulian auf der Flucht nach Cawnpore begleitet habe. Vater und Mutter wurden vorges laden, leugneten aber die Identitet dieser Person mit ihrer vers lorenen Tochter; wogegen vier andere Individuen, die Nubia ebenfalls schon als Kind gekannt hatten, diese Identität behaups teten. Die unaufgeforderte Komparentin erzählte, daß fie, nachs dem Kulian zur festgefeßten Zeit sich nicht wieder eingestellt, des Wartens müde, vom Brunnen aufgebrochen fen, um ihn su fuchen. Während fie der Spur ihres Liebhabers vergebens nachs forschte, begegnete ihr ein Soldat, der fie nach langen Gegens Demonstrationen endlich bewog, in seinen Schuß fich zu begeben, und ihm nach seinem Cantonnement zu folgen. Als das Regis ment, au welchem dieser Soldat gehörte, furz darauf verlegt wurde, sog fie mit demselben von Cawnpore aby kehrte aber bald wieder und traf bei dieser Gelegenheit mit Kulian's Brus der zusammen.

Obschon die Aeltern fich Randhaft weigerten, diese Rubia als ihre Tochter anauerkennen, so glaubte das Gericht dennoch, fe und Kulian's Bruder von allem Berdacht des Betruges freis fprechen zu müssen, da sowohl die auffallende Aehnlichkeit des Madchens mit Dhur's Ehegattin, als das einstimmige Zeugniß von vier unbescholtenen Individuen sehr zu Gunsten der Komparentin mar. Der Urtheilsspruch gegen Kulian erheischte nun eine Res vision; er war nur insofern straffällig, als er eine unverheirathete Person entführt und Eigenthum von ansehnlichem Werthe forts. geschleppt hatte; da er aber den größeren Theil des legteren freis willig zurückgestellt und außerdem schon beinahe vier Jahre im Gefängniß zugebracht hatte, so ertiarte man ihn schon für hins langlich bestraft und entließ ihn aus seinem Kerker.

Die eben erzählte Begebenheit trug sich im Jahre 1809 ju, ist also von ziemlich altem Datum; aber diejenigen, welche fich noch aller mit diesem merkwürdigen Falle verknüpften Umstände erinnern, sind der Meinung, daß Kulian, wie hart man auch gegen ihn verfuhr, seine Strafe in vollem Maße verdient habe. Dhne Zweifel hatte er Nubia, sobald er fich im Befiße ihres Eigenthums sah, vorsdßlich verlaffen und nicht eher nach ihr ges forscht, bis sein eigenes Leben, wegen der verdächtigen Umstände, die ihr plögliches Verschwinden begleiteten, in Gefahr tam. Keinen, der mit dem Charakter dieses Volkes vertraut war, fonnte es Wunder nehmen, daß die Aeltern ihr verlorenes Kind nicht anerkennen wollten; denn die Begriffe von Ehre und Schande find bei den Hindu's in gewissem Betrachte fo excens trisch, daß sie nicht selten gegen Verwandte, die ihnen sonst sehr theuer sind, auf eine Weise fich benehmen, die mit ihren Gefüh len im schneidendsten Kontraste zu stehen scheint.

Die langen Reifen, welche Indische Eingeborene oft unters nehmen, und ihre lange Abwesenheit von Hause veranlassen nicht felten falsche Gerüchte von ihrem Tode. Eine Familie von hoher Kaste, die aber wenig bemittelt war, hatte sich auf den Uebers reften ihrer Grundstücke in einem bei der Stadt Jtawa belegenen Dorfe niedergelaffen. Nur zwei Brüder waren noch am Leben, von denen der Jüngere fein Glück in einer entfernten Gegend zu suchen beschloß. Er nahm Abschied von seinen Freunden und vertraute feine junge Gattin, mit der er erst ein Jahr verheirathet war, dem Schuße feines alteren Bruders. Die ganze Familie bewohnte ein gemeinschaftliches Haus, was in Hindostan, wo man noch jest ein patriarchaliches Leben führt, teine Seltenheit ist. Im ersten und zweiten Jahre seiner Abwesenheit schickte Beldschit Singh von Zeit zu Zeit Geld nach Hause und begleis tete feine Sendungen auch mit Briefen, in denen er jedoch von feiner Stellung und seinen Aussichten in die Zukunft sehr unbes Rimmt sprach. Dann aber ließ er drei ganze Jahre lang fein Wort von sich hören, bis endlich die authentische Nachricht seines Todes einlief. Ein Mitbürger der Familie, der mit Beldschit unter den Mahratten gedient hatte, war Zeuge der Katastrophe. gewesen, die beim Ueberseßen über einen Fluß sich ereignete. Mehrere Reiter, worunter auch Beldschit Singh, wurden von der Gewalt des Stromes fortgeriffen und ertranten. Sein Freund und Waffenbruder, Lichait Ram, rettete das Gepäck des Eriruntes nen und händigte es bei der Rückkehr feiner Familie ein. Dies

heit zur Rückkehr warten müssen, daß Beldschit Singh nach seis ner Berechnung schon wenigstens ein Jahr todt fenn mußte, als feine Familie die traurige Stunde erhielt. Der ditere Bruder des Berunglückten, Herret Singh, glaubte seiner Schwägerin rathen zu müssen, daß fie der Seiterhaufen besteige. Die Ernahrung der unglücklichen Frau wäre ihm zwar, bei ihren sehr geringen Bedürfnissen, nicht schwer geworden; allein Gründe von anderer Art machten ihre Selbstaufopferung wünschenswerth. Es fehlte in ihrem Wohnorte nicht an Beispielen von Witwen, die sich wieder verheiratheten oder unverehelicht einen sittenlosen Lebenswandel führten; und einige waren mit Muhammedanern davongegangen. Damit nun eine ähnliche Schmach nicht auf ihr lastete, weihte sich Kutschili dem Scheiterhaufen, dem sie sonst gern ausgewichen feyn würde, da ihr Schmerz um den Verlust des Gatten nach einer so langen Trennung im Leben nicht mehr sehr heftig war. Aber am Morgen der schrecklichen Feier sank die Unglückliche in eine Art von Betdubung, die bis zur Stunde des Sonnen Unters gangs, in welcher sie geopfert werden sollte, anhielt. Das ganze Dorf war in größter Aufregung; denn seit vielen Jahren hatte die Pleine Gemeinde nichts Aehnliches gesehen. Als die verhangs nißvolle Stunde herannahte, mußte man die arme Kutschili mit Gewalt zum Scheiterhaufen schleppen. Die grdßliche Feier sollte am Ufer des Dschemna stattfinden. Der Scheiterhaufen war hoch, wohl geschichtet und mit einer hinreichenden Quantität Brennstoff versehen. Kutschili schaute einmal mit scheuem Blicke auf und heftete dann ihr Auge voll verzweifelter Resignation wieder an den Boden. Man pflegt einer Suttih, ehe der Holzs Roß, der fie verzehren soll, in Brand gesteckt wird, allerlei Fragen ju stellen, und ihre Antworten gelten dann für Drakelspruce; aber nur Enthuslaftinnen, die gleichsam triumphirend in den Tod geben, bequemen sich zu solchen Prophezeiungen. Kutschili gab auf teine dieser Fragen Antwort, und so hielt man es für geras then, fie in Ruhe zu lassen. Nachdem sie dreimal um den Scheis terbaufen geführt worden war, beraubte man sie ihres Schmuckes und vertheilte denselben unter ihre Berwandten; darauf schleppten fle vier Brahmanen gewaltsam auf den Holzftoß. Schon hatte man die Fackeln angezündet, als Kutschili plöglich mit einem durchdringenden Schrei emporsprang und ausrief:,,Er ist nicht todter lebt! - er kommt, mich zu befreien!" Aller Augen waren sogleich nach der Gegend bin gerichtet, wohin die Unglücks liche deutete; und auf der Landstraße erschien ein Mahrattischer Reiter, der mit seinem Hengste aus der Fahre ans Land gefpruns gen war und jest in vollem Galopp heransprengte. Es war in der That fein Anderer, als Beldschits Singh, und nun glaubte Jeder, daß Kutfchili eine übernatürliche Eingebung gehabt haben muffe, Da fie ihn im Augenblick ihres Ausrufs unmöglich sehen fonnte. Roch ehe die emporlodernde Flamme ihr Opfer erreichte, war Kurschili erlöft; ihr Gatte sprang von seinem Pferde und umarmte fie, tief gerührt wegen dieses Beweises von Anhang lichkeit, den fie ihm gegeben. Er war nach seiner ganz unvers hofften Rettung in dem legten Feldsuge sehr glücklich gewesen. In bedeutender Entfernung von der Furt, die er zu paffiren vers fucht hatte, ans Ufer geworfen, fühlte er sich eine Zeitlang in Folge einer bedeutenden Quetschung sum Kriegsdienste unfähig; nachmals gelang es ihm, anderswo um guten Sold in Dienste zu tretem, bis er mit einem schönen Ersparniß nach Hause lehren fonnte. Die Brahmanen wurden stattlich bewirthet und alle im Dorfe vorräthige Leckereien angekauft und unter die Armen vers theilt. Es war ein Abend allgemeiner Freude, und besonders glücklich schäßte fich die erlöste Martyrerin, deren überstandene Leiden durch den Ruf, den fie erworben hatte, genügend vergols ten wurden.

Die Rückkehr todtgeglaubter Individuen zu ihren Erben und Nachfolgern is fedommen, befonders, wenn man fich Mübe ges ift wie man sich denken kann, den Leßteren geben bat, der Möglichkeit eines so verdrießlichen Ereignisses vorzubeugen. Chyruns Chan war ein Jüngling von sehr ansehns lichem Vermögen, nach dessen Befiße seinem nächsten Verwands ten gelüftete. Dieser Mensch, feines Namens MumtassAli, bes fann sich eine Zeitlang über die Mittel, wodurch er zu der Erb, fchaft gelangen könnte, die ihm, falls der Knabe starb, rechts máßig aufam, und beschloß endlich, ihn aus der Welt zu schaffen. Der Knabe liebte den Fischfang und begab sich oft ohne Begleis ter in einen Kahn, den er sehr gut handhaben konnte; Mumtass Ali wollte eine folche Gelegenheit benußen, um ihn zu ertranten. Bei fernerer Ermdgung fand er dieses Projekt wieder zu gefährs lich, da der Fluß fart besucht war; er begnügte fich demgemás, am Abende des Tages, an welchem er das Verbrechen ausfühs und

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laffen. Gleichzeitig warf er einen Turban und einen Shawl, die dem Knaben angehörten, ins Wasser.

Der Bösewicht beredete nun seinen jungen Verwandten, mit ibm in das Didongle su geben, unter dem Vorwande, Pfauen au fcbteßen; denn die Vögel in der Nachbarschaft ihres Wohns orts waren den Göttern geweiht. Als fie mit einander zu einer Stelle gelommen waren, die Mumtas Ali bei einer früheren Gelegenheit genau refognossirt hatte, pacte er plöslich den Knas ben und warf ihn in einen Brunnen von 54 Fuß Tiefe, deffen Wasser mehr als zwölf Fuß hoch war. that machte der Mörder fich eilig davon, um nicht entdeckt du vollbrachter Grduels werden. Es vergingen mehrere Stunden, che man Chyrun vers mißte; endlich fragte ein Diener, der ihn seit dem Morgen nicht gesehen hatte, feine Mitbedienten, ob sie wüßten, was aus ihrem jungen Herrn geworden sey. Keiner wußte eine befriedigende

Antwort zu geben; fie gingen gemeinschaftlich an das Ufer, und die Abwesenheit des Bootes machte sie sehr bestürzt. Bei fernes rem Nachsuchen fanden sie die ins Wasser geworfenen Kleidungss stücke und vermutheten nun, der Körper fen fortgetrieben oder von den Alligator's im Strome verzehrt worden. Kein Verdacht fiel auf Mumtas Ali, der seinen jungen Verwandten niemals an den Fluß begleitete, und dem auch Niemand eine böse Absicht Jutraute. Da Chyrun's Tod, allem Anschein nach, gewiß war, so trat sein Verwandter in den Befiz des Vermögens und ges noß eine Zeitlang die Frucht seiner Grduelthat.

~ Der junge Chyrun Chan war aber nicht umgekommen. Er hatte an der Brunnenwand einen vorragenden Stein erfaßt, auf dem er stehen konnte, und so vor dem Fallen ins Wasser sich geschüßt. Ám nächsten Morgen sogen einige wandernde Falirs durch das Didongle und begaben sich nach dem ihnen wohlber kannten Brunnen, um Wasser zu schöpfen. Zu ihrer nicht ger ringen Verwunderung fanden sie einen Knaben darin, den sie in sehr elendem Zustande herauszogen. Als der junge Chyruns Chan, der erst zwölf Jahre zählte, mit dem Beistande der Falirs wieder aufgelebt war, verspürte er keine Luft, nach Hauje zu kehren, denn er befürchtete, von Seiten seines Verwandten einen sweiten Anschlag auf sein Leben, der besser gelingen könnte, als der erste. Er belohnte die Fakirs mit den goldenen Ornamens ten, die er aufdilig an seinem Körper trug, und beschloß, sie auf ihrer Wanderung zu begleiten und einige Verwandte von mütterlicher Seite aufzusuchen, bei denen er Schuß zu finden hoffte. Die Fakirs versorgten ihn mit einem Pilgerkleide und sogen in feiner Begleitung weiter. Einige Monate verstrichen, ehe die Falirs ihre Pilgerreise vollendet hatten und in den Stand gefeßt waren, für ihren Schüßling etwas zu thun. Dann führten sie ihn nach der Stadt, wo die Familie seiner verstorbes nen Mutter wohnte. Die Oheime und der Großvater des Knas ben hatten in bester Form die Nachricht von seinem Tode erhals ten; aber feine Geschichte erhielt durch das einstimmige Zeugniß der Falirs und durch die Kleidungsstücke und Ornamente, welche sie noch aufbewahrten, unbedingten Glauben. Nach einiger Bes rathung beschlossen die Sheime, mit einander nach dem Wohnorte Mumtas Ali's fich zu begeben und ihn zu bewegen, daß er sein unrechtes Gut wieder auslieferte. Die Falirs wurden eingelas den, die Reise mitzumachen, und alle erreichten ohne Abenteuer den Ort, wo das Eigenthum sich befand. Mumtas Ali, der von Allem nichts ahnte, empfing die Gesellschaft sehr höflich, gerieth aber in große Bestürzung, als man ihm einen Knaben vorstellte, den er sogleich für Chyrun-Chan erkannte. Die Geschichte wurde bald ruchibar, und man traf Maßregeln, um den Bösewicht zu verhaften. Von den Fakiren begleitet, erschien der Knabe vor Gericht und erzählte Alles, was mit ihm vorgefallen war. In einem Theile des Dfchongle fand man den Bogen und die Pfeile, welche Mumtas Ali zum Pfauen Schießen mitgenommen hatte; und bei Untersuchung des Brunnens entdeckte man die vorspringenden Steine, durch welche der Knabe vom Tode errets tet ward. Mumtas Ali wollte das Schicksal, dem er entgegen fab, nicht erleben; er nahm Gift und starb, che fein Urtheil ges sprochen war. (A. J.)

England.

Lord Brougham's Dialoge über Instinkt und Vernunft. Zweiter Artifel.

Aus den in diesem Werk gesammelten Thatsachen über den Instinkt der Thiere heben wir Folgendes hervor.

In den Wildnissen der Tartarei und Süd-Amerika's, wo das wilde Pferd heerdenweise lebt, giebt es Haufen von 5-600 dieser Thiere, die, wenn sie schlafen, immer eines nach der Reihe als Schildwache aufstellen, damit sie im Fall eines Angriffs, von ihr geweckt, flieben. Nichts kann verständiger oder zweckmäßiger feyn, als diese Anordnung, so einfach sie ist. So wurde auch ein Roß, das einem Schmuggler in Dover gehörte, mit verbotes nen Waaren beladen und ohne Aufsicht nach einem verabredeten Ort geschickt. So oft das Pferd einen Soldaten witterte, sgrang es von der Landstraße ab und verbarg sich in einem Graben, und wenn es entdeckt wurde, fämpfte es um feine Ladung. Die List der Füchse ist sprüchwörtlich; doch ich weiß nicht, ob fie je merkwürdiger hervortrat, als auf dem Gure des Herzogs von Beaufort, wo Reinecke, als man ihn hart verfolgte, plöblich vers schwand und nach langem Suchen in einem Teich gefunden wurde, bis an die Schnauze im Waffer, indem er sich mit dieser an einem Weidenzweig hielt, der über dem Weiher hing. Die List eines Hundes, von der mir Sergeant Wilde erzählte, ist der vorigen wenigstens gleich. Dieser Hund pflegte in ein Halseisen geschloffen zu werden, damit er nicht auf Schafe Jagd mache; des Nachts machte er sich von dieser Feffet frei, lehrte vor der Dämmerung zurück und legte das Halseifen wieder an, damit man ihm seine Streiferei nicht ansehe. Auch erzählte mir der Sergeant eine merkwürdige Anekdote von dem Hunde eines Vichs handlers, dem wir begegneten. Der Mann hatte von der Weide statt zwanzig Ochsen siebzehn zurückgebracht, indem sich die übrigen drei unter eine andere Heerde gemischt hatten; er rief dem Hunde ju: ,,Geh', bol' fie", und der Hund ging und fand die drei heraus. Der Bruder des Sergeanten, der fürzlich Sherif von London war, hat einen Hund, welcher weiß, wann Sonnabend Abend ist, weil man ihn zu dieser Zeit auf den Sonntag fesselt, was er nicht leiden kann; darum entflieht er immer Sonnabend

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