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dert, wo Tauquelin, ein berüchtigter Sektirer, feine Lebridge pres digte, waren ernste Spaltungen entstanden. Lauquelin lehrte öffentlich, daß die Sakramente der katholischen Kirche nur Er findungen des Teufels fenen, daß die Priester, Bischöfe und Päpste nicht besser als die Laien waren, und daß man den Zehns ten nicht bezahlen müsse. Bald sammelten sich um Tauquelin zahlreiche Jünger, man ftrömte zu seinen Predigten herbei, und er übte fo großen Einfluß auf den Geist des Volkes aus, das man ihn wie einen König ehrte und seinen Befehlen gehorchte. Er zeigte sich nie anders öffentlich, als umringt von einer aus 3000 Bewaffneten bestehenden Leibwache, die mit bloßen Schwertern vor ihm berging; auch blendere er die Augen der Menge durch Königlichen Aufwand. Die Mittel, deren er sich bediente, um diesen zu bestreiten, zeigen, in welchem tiefen Aberglauben die Gemüther damals noch befangen waren. Als er eines Tages vor einer großen Menge von Zuhörern predigte, ließ er ein Ges målde der Jungfrau Maria neben sich stellen, legte die Hand darauf und redeie dasselbe also an: Jungfrau Maria, ich ers wdhle Dich heute zu meinem Weibe." Dann wendete er sich gegen die Versammlung und sprach: Ich habe mich jest mit Der heiligen Jungfrau vermählt, nun müßt ihr zu den Hochzeitss feierlichkeiten beisteuern." Darauf ließ er an jeder Seite des Bildes einen Thron errichten, auf dem einen sollten die Frauen, auf dem anderen die Männer ihre Gaben niederlegen,

und fügte hinzu:,,Aus dem Reichthum der Opfer werde ich erkennen, welches Geschlecht die meiste Liebe für mich und meine erwählte Ehegattin hegt." Nun beeilte sich ein Jeder, dort Geld niederzulegen, und die Frauen beraubten sich ihrer Ohrgehänge und Halsbänder, um großmüthiger als die Männer zu fcheinen. Unter der Regierung Philipp's II. begannen eigentlich erst recht die Widerwärtigkeiten und Bedrängnisse, von welchen diese Stadt drei Jahrhunderte hindurch heimgesucht wurde. Die friedlichen Beschäftigungen, welche den Wohlstand Antwers pens begründet hatten, wurden vernachlässigt, weil Alles zu den Waffen griff. Im Jahre 1556 plünderten die Bilderstürmer die Kirchen und die Kloster; zehn Jahre später überfielen die Spas nier, welche sich wegen des rückständigen Soldes empört hatten, die Stadt und verbrannten gegen 600 dufer nebst einer großen Anzahl öffentlicher Gebäude und Palake; nahe an zehntausend Menschen fanden dabei ihren Lod, denn das Morden und Plans dern währte drei Tage hindurch. Im Jahre 1582 fand hier die Einfeßung Franz von Valois, Herzogs von Alençon, eines Brus ders des Königs von Frankreich, Heinrich's III., statt. Er nahm den Titel Herzog von Brabant an; als jedoch sein Ansehen nicht gebührend geachtet wurde, verließ er die Stadt, führte aber, unter dem Vorwand einer Heeresmusterung vor ihren Mauern, fiebzehn Compagnieen Fußvoll in dieselbe ein; diese ganze Streits macht wurde indeß von den Einwohnern überwältigt und getöds tet; der Herzog selbst flüchtete sich nach Frankreich, wo er vor Gram ftarb. Ein Jahr später belagerte der Herzog von Parma Antwerpen; er ließ eine Brücke über die Schelde bauen, nahm aber doch erst nach Verlauf eines Jahres die Stadt ein. Um die Mitte des fiebzehnten Jahrhunderts wurde diese Eroberung durch den Aachener Traktat der Spanischen Linie des Hauses Desterreich zugesichert. Nach dem Erbfolgekriege ging Antwers pen mit dem übrigen Theile der Belgischen Niederlande an die Kaiserliche Linie über, bei welcher es bis zu den Französischen Revolutionskriegen verblieb. Zu jener Zeit wurde es mit Franks reich vereinigt, unter deffen Oberherrschaft es bis zum Jahre 1814 stand, wo Belgien dem Scepter des Hauses Dranien unters worfen wurde.

Troß dieser zahlreichen und harten Bedrängnisse veränderte fich der Charakter der Antwerpener nicht im geringsten; fie bes wahrten stets dieselbe Liebe für die Unabhängigkeit, entglühten fehr leicht in Haß, der in ihnen eben so fest wurzelte, wie das Gefühl der. Freundschaft. Sie blieben einfach in ihren Sitten, zufrieden, arbeitsam, zurückhaltend, sowohl aus Gewohnheit wie aus Neigung, und hielten standhaft an ihren alten Gebrauchen. Noch jest findet man alle ihre alten Neigungen bei ihnen vor. Die Frauen in Antwerpen tragen noch immer ihre Mantille, und felbst in den höchsten Ständen, wo doch die Pariser Moden sehr beliebt sind, hat man diesen anmuthigen Schleier beibehalten, zu dem man die kostbarsten Stoffe verwendet. Bei dem Lands mann trifft man noch dieselbe Derbheit, Mäßigkeit und Offens heit, ia fogar noch dieselbe Nahrung an; sein Lieblingsgericht besteht in einer Art Brei, Pappe genannt, der aus einem Ge misch von Buchweizen und unausgekleietem Roggenmehl besteht, das mit Buttermilch eingerührt wird. Fleisch ist er nur zweis mal des Jahres, Mollen find fein gewöhnliches Getránt, und feine Bekleidung ist aus groben Stoffen verfertigt; er ist von mittlerer Größe, aber stramm und kräftig. Unter dieser rauben Hülle birgt er eine freie und stolze Seele, und wenn es darauf antommt, seigt er eine unerschütterliche Tapferkeit; Bier und Tabak, diese Opiate des Nordens, machen einen großen Theil der Freuden seiner Erholungsstunden aus. Er liebt das Bogen schießen, wetteifert in Geschicklichkeit mit seinen Nebenbuhlern

vergnügen der Einwohner; ja, in einigen Gegenden jagt man fogar noch mit Fallen. Vielleicht hat eben diese Abneigung gegen alle Veränderung, dieses Hängen an den alten Gebraus chen, welche den Bewohner Antwerpens charakterisiren, diese Stadt troß der härtesten Schicksalsschläge aufrecht erhalten. (Fortseßung folgt.)

Frankreich.

Das Bagno zu Breft.
(Schluß.)

Die Entweichungen find feltener geworden, seitdem die gute Aufführung belohnt wird und Anspruch auf Milderung und Ers laffung der Strafe giebt. Wenn ein Strafting entflieht, werden drei Kanonenschüsse gelöst; die Einwohner kennen dies Signal, aber es feßt nur diejenigen in Bewegung, welche sich eine Be lohnung verdienen wollen. Dieselbe beträgt 100, 50 oder 25 Fran fen, je nachdem der Flüchtling außerhalb der Stadt, in der Stadt oder im Arsenale eingefangen wird. Von dreihundertund funfzig Sträflingen, die innerhalb sieben Jahren den Versuch zur Flucht wagten, find nur vierzehn entkommen. Hierbei sollen oft roun derliche Geschichten vorkommen und manche Damen entflohene Sträflinge in ihrer Garderobe gefunden haben. Eine Dame aus Toulon, die auf dem Lande lebte, wird erzählt, sah plößlich einen derselben in ihrem Zimmer, als sie eben im Begriff war, ins Bett zu steigen. Der Eindringling war maskirt; als Mann von Erziehung wendete er die Augen ab, suchte die Dame zu berus bigen und bat fie, fich anzutleiden, während er im Nebenzimmer verweile. Er ersuchte sie sodann um einige Kleider ihres Ges mahls, denn er hatte, wie er sagte, nicht Zeit gehabt, sein Bagno Kostüm mit einem schicklicheren zu vertauschen. Er lannte die Dame und hatte sie gerade in dem Augenblick überrascht, wo fie ein Miniaturgemålde füßte.,,Madame", sagte er, ich bin genöthigt, Ihnen meine Fesseln zu hinterlassen, aber dieses Unters pfand wird Ihnen nicht Unglück bringen, und ich werde es einst einlösen; erlauben Sie mir, dies gestickte Taschentuch dagegen einzutauschen. Die Ketten wurden unter einer Diele verbors gen. Nach einiger Zeit fehrte der Gemahl der Dame zurück, und auch das Original des Portraits hatte sich einen neuen Stern auf seinen Epaulettes verdient. Eines Abends, es war im Mas rine Ministerium, sagte ein höchft feiner Mann, der eben aus Rußland zurückgefehrt war, gang leise zu der Dame:,,Wir beide können wohl auf gegenseitige Verschwiegenheit rechnen. Sie haben mein Geheimniß und ich das Ihrige. Ich werde mir erlauben, Sie auf ihrem Landgute aufzusuchen, um Ihnen das Taschentuch zurückzugeben, wenn sie nicht anders es mir als Andenken überlassen wollen."

Manche Bewohner des Bagno haben ein wahres Evasionss Genie. Der berüchtigte David bleibt nie langer, als er gerade nöthig hat, um einen Plan zur Flucht zu entwerfen. Eines Morgens erschien er am Gitter in ganz schwarzem Anzuge, ein Buch unter dem Arme haltend. Wer sind Sie?" fragte der Wächter.,,Wer ich bin? Du Schlingel! Ein Chirurgus, der die Nacht bei den Kranken

Das Gitter öffnete sich.

ich werde Dir die gelen Jugebracht hat. Beeite Dich, oder bringen. Man Stranfpeit und ließ fich ins Hospital wollte ihm Senfpflaster am Fuße anlegen, aber er lehnte es ab, und das aus Gründen. Zur Vorforge war er an das Bett geschmiedet, aber am anderen Morgen fand man den Vogel ausgeflogen.

Das im Bagno viel Vergehen, Verbrechen vorkommen und daß dieselben streng bestraft werden müssen, versteht sich von selbst. Ehemals waren die Büchtigungen sehr graufam, und es tamen fogar Verstümmelungen vor. Man schnitt Nasen und Ohren ab, man durchbohrte die Zunge der Gottesldsterer mit glühendem Eisen. Wie sollte man aber auch wohl im Bagno nicht Gott lästern! Man war freilich konsequent und hatte auch einen Almosenier. Diese Würde ist seitdem als eine unnüße Ausgabe abgeschafft. Sonst las man auch alle Sonntage die Messe, da aber diese Feierlichkeit zu vielfachem Skandal Anlaß gab und durch Lachen, Flüche und andere Unziemlichkeiten ges stört wurde, so hat man auch dies abgestellt. Die jest gebrauch lichen Strafen find Entziehung des Weins für eine gewiffe Zeit, Verlust der gebrochenen Kette, paarweise Zusammenschließung, Aufenthalt im Polizeifaale, Gefängniß und Schläge, die unum gänglichen Schläge. Die Verbrecher werden von einem besons deren Gerichte untersucht, das ohne Appellation entscheidet und deffen Urtheilssprüche innerhalb vierundzwanzig Stunden volls streckt werden. Wenn ein Strafting zum Tode verurtheilt wors ben ist, so wird das Urtheil auf dem Hofe des Bagno's vollstreckt. Die Hinrichtung eines Galeerensflaven macht keinen Larm; es wird wenig davon gesprochen und Alles bei verschlossenen Thüren abgemacht. Sie ist, so zu sagen, eine Familienscene. Nichtsdestos weniger find die Fenster und Dächer mit zahlreichen Zuschauern beseßt. Der Vorplag

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und rühmt sich noch lange Zeit der errungenen Preise; er hat gums. Hier wir des Bagno's hat die Gestalt eines Oblons

ein heiteres Gemüth und überläßt sich gelegentlich einer tarmens den Freude und trunkenen Lust; genug, er ist noch immer ganz der Bauer aus Rubens Kirmes. Man sieht Tauben auf, die man dann zwanzig Meilen und wohl noch weiter von ihrem Schlage fliegen last; die, welche am schnellsten dahin zurückleh ren, gewinnen ansehnliche Wetten für ihre Herren. Die Jagd

dem Eingange gegenüber das Schaffot aufs gerichtet. An einer Seite find zwei mit Kartaischen geladene Stanonen aufgefahren. Wenn alle Vorbereitungen getroffen sind, so werden alle Galeerensflaven doppelt gefeffelt herbeigeführt, und man hört die Ketten auf dem Boden flirren. Paarweise neben einander gehend und alle gelb und roth gefleider, stehen fle vor dem Schaffot vorüber. Alles ist still, und die Straflinge

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ist ja auch im Bagno der einzige Altar und der Tod der einzige Gott. Jest ertönt die Glocke, die Trommeln wirbeln, die Kas noniere halten die brennenden Lunten in der Hand, und der Ofs fizier kommandirt: Angelegt! Da erscheint auch schon der Delins quent; er steige die Treppe herab und geht in Begleitung des Priesters und Henkers gerade auf das Schaffot los. Kaum ist der Kopf gefallen, so werden auch die blutenden Ueberreste zus fammengerafft und nach dem anatomischen Theater des Hospitals gebracht, wo man häufig mit den noch zuckenden Gliedern ers perimentirt. Weiß auch die Fakultat ganz sicher, daß der Körper nicht mehr empfindet, wenn das Herz noch schlägt? Aber es ist ja doch nur ein Galeerensflave! Die Straflinge ziehen wahr scheinlich sehr erbaut von diesem Schauspiele ab, und in kurzem ist der Hof ganz leer.

Diese Unglücklichen halten es für einen Ehrenpunkt, nach ihrem Ausdrucke, gut zu sterben. Viele begehen, wenn man ihnen glauben will, ein Verbrechen nur, um auf diese Weise au sterben. Im Jahre 1833 erschlug ein Galeerensklave einen Wachter. In der Untersuchung erklärte er, daß er habe guillos tinirt werden wollen; auch ging er fest und ruhig dem Tode entgegen. Als er an dem Aufgange anlangte, hielt er einige Serunden an und betrachtete das Schaffot, gleichsam, als wenn er die fühllose Waschine hätte herausfordern wollen. Als er auf die Estrade gestiegen war, wendete er sich zu seinen knieenden Schicksalsgenossen und sagte:,,Ahmet mir nicht nach; ich bin ein Verbrecher und habe den Tod verdient; indeß scháme ich mich nicht, das Schaffot zu besteigen, denn es ist schon mit Königlichem Blute beneßt worden." Hierauf umarmte er den Priester, ohne ihn anzuhören, und legte selbst sein Haupt unter das Beil.

Gegenwärtig enthält das Bagno von Breßt dreitausendeins hundert Stráflinge, die unablässig überwacht werden müffen, und es gehört gewiß ein feltener Scharfblick dazu, unter diesem Haufen diejenigen herauszuerkennen, welche sich durch Geduld und Gelehrigkeit auszeichnen, um sich nicht durch Verstellung tduschen su laffen. Hier ist die Aufgabe geftellt, die Ausdehnung der Strafe zu bestimmen, einen etwaigen Irrthum auf eine eins fichtsvolle Weife gut zu machen, Belohnungen unparteiisch zu vertheilen, eine nothwendige und heilsame Strenge zur rechten Beit au mildern, eine geheime Polizei und ein moralisches Spårs wefen zu unterhalten, überhaupt jeden Fehler zu vermeiden, denn hier hat ein jeder Fehler die gewichtigsten Folgen.

Die Sale der Sträflinge müssen zu drei verschiedenen Zeis ten in Augenschein genommen werden, am Tage, des Abends und des Rachts. Wenn man seinen Standpunkt im mittleren Pavillon wählt, so kann das Auge ungehindert rechts und links in den Sälen umherschweifen. Am Lage ist hier ein unaufhörs liches Geraffel, ein dumpfer Lárm; Gesange und Lachen wechseln mit Flüchen und Verwünschungen, und die Augen, die Ohren empört. Alles deutet

und das Gefühl werden in die Reue hin. Am Abend, wenn

auf das Verbrechen, nichts auf

die Bewohner der Sale fich auf mannigfaltige Weise mit Ar beiten beschäftigen, herrscht eine vollkommene Stille, oder man hört höchstens ein leises Geflüfter. Aus dem Zusammenstrahlen der vielen kleinen Lichter entsteht eine malerische Beleuchtung. Will man aber ein schreckliches, ekelhaftes Schauspiel genießen, das eben so sehr die Fühllosigkeit der Gesellschaft wie die Ausges stoßenen selbst schåndet, so möge man sich Nachts hier umschauen. Dann leuchter nur das matte Licht einiger an den Decken han genden Laternen. Da liegen in jedem Saale fiebenhundert mensch liche Wesen wild durch einander geworfen, vierundzwanzig auf jedem Feldbette. Sie sind nicht nur hinter Mauern und Riegeln verwahrt, sondern auch zwei und zwei_an_einander geschlossen und überdies insgesammt durch eine große Kette zusammengehals ten. Wilde Thiere verwahrt man nicht mit so vieler Vorsicht und giebt jedem wenigstens einen eigenen Kafig. Hier schläft das Verbrechen und schnarcht, denn das Verbrechen schläft so gut wie die Unschuld.

Die Verbrecher im Bagno haben sich freiwillig einer besons deren, sehr frengen Disziplin unterworfen; es existirt hier ein geheimes Tribunal, gegen deffen Aussprüche keine Appellation stattfindet und das fein Erbarmen kennt. Wenn ein Gefangener feine Pflichten verleßt, wenn er dessen überführt wird oder nur einen starken Verdacht gegen sich hat, so wird er unausbleiblich geftraft, ohne daß man erfährt, weshalb oder von wem die Züch tigung ausgeht. Man hat Galeerensklaven, denen von diesem Gerichte der Stab gebrochen war, todt niederstürzen sehen, ohne daß man einen Schrei vernommen, ohne daß man eine Wunde oder Spur von Vergiftung wahrgenommen hatte. Dieser ges heimnisvollen Gerichtsbarkeit sind nicht nur die Verbrecher selbst unterworfen, sondern sie erstreckt sich auch auf die Wächter und Berwaltungsbeamte. Wenn ein Wachter sich irgendwie verhaßt gemacht hat, wenn er sich zu Gewaltsamkeiten oder zu besonderer Strenge hat verführen lassen, so wird das Todesurtheil über ihn ausgesprochen. Wehe ihm dann, wenn er nicht bei Zeiten ge warnt wird; alle seine Vorsicht würde ihm zu 'nichts helfen, denn der Mörder lauert auf ihn und wartet lange auf einen unbewach ten Augenblick. Die Gerichtsbarkeit dieses schrecklichen Tribunals beschränkt fich fogar nicht einmal auf ein Bagno, sondern sie ums fast alle insgesammt. So ware vor einigen Wochen ein Stráf ling in Breft beinahe von seinen Genossen erstickt worden, weil er in Toulon die Vollaredung eines geheimen Urtheilsspruches gehindert hatte. Troß aller Wachsamkeit ist die Polizei nicht im Stande, alle Verbrechen zu hindern, Indes will man doch seit

einigen Jahren eine Abnahme derselben innerhalb des Bagno's bemerkt haben.

Wenn man die statistischen Listen der Bagno's befragt, so weisen diese besonders auf eine Zunahme der Verbrechen des Fälschens und des Vatermordes hin. Das Fälschen erklärt sich genügend aus der Geldsucht unserer Zeit, aus dem Mangel einer wahrhaft fittlichen Erziehung; aber sollte der Vatermord, wie es den Anschein hat, auch ein Produkt unserer fortschreitenden Kuls tur fenn? Seit 1830 sind auch viele politische Verurtheilte in die Bagno's aufgenommen worden. Das ist ein Schandfleck__der Gejesgebung. Mehrere haben eine Milderung oder Erlassung ihrer Strafe erhalten, und gegenwärtig befinden sich deren nur noch achtzehn in Brest. Ihr Betragen ist natürlich ausgezeichnet. Bemerkenswerth ist es, daß die Verwaltung manche Verbrecher, welche die abscheulichsten Schandthaten begangen haben, für uns schädliche und friedfertige Leute hält. So ist Delacollonge, welcher feine Maitresse tödtete und ihren Leichnam zerstückelte, ein Muster von Resignation. Dennoch giebt es auch Menschen, denen die Mordlust angeboren zu seyn scheint, wie z. B. François, der Ges noffe Lacenaire's, der ein Blutmensch seyn soll und beständig in einem Kerker figt.

Wir haben uns bis jeßt bemüht, das Innere eines Bagno's zu schildern, und mögen darin vielleicht noch Stoff zu einigen allgemeineren Betrachtungen finden. In einem guten Strafs Systeme follen die Strafen eine doppelte Wirkung hervorbringen, fie sollen einen physischen und moralischen Eindruck machen. Die physischen sind die weniger wirksamen, aber beide müssen jedens falls in einem richtigen Verhältniß zum Verbrechen stehen. Das Franzöfifche Gefeß stellt die Todesstrafe obenan. Dann kommen die Zwangs Arbeiten auf Lebenszeit, die Deportation und die zeits weiligen Zwangs Arbeiten. Der Grundfehler der Französischen Bagno's ist der, daß zwischen beiden Arten von Zwangs Arbeiten fein Unterschied besteht, und daß beide derselben Infamie unters liegen, beide derselben Behandlungsart unterworfen sind. Das Gefeß macht einen Unterschied, aber in Wirklichkeit findet er nicht statt. Die Verwaltung sucht sich dadurch zu rechtfertigen, daß sie jagt, die auf bestimmte Zeit Verurtheilten seyen oft verderbter, als die auf Lebenszeit Verurtheilten. Die ganze Behandlungsart der Gefangenen ist mehr geeignet, Verstellung und Heuchelei, als aufrichtige Reue au weden. Die Deffentlichkeit der Zwangs Arbeiten, die Infamie derselben und tausend andere Ursachen machen aus der Begnadigung und Erlassung der Strafe in der That eine Parodie auf jede vernünftige Strafgeseßgebung. Der Pranger eristirt nicht mehr, aber das Bagno ist ja ein fortwch; render Pranger, und man gewöhnt sich am Ende an Alles.

Durch eine Verordnung vom Jahre 1828 war eine Classi fication der Galeerensklaven a priori und nach der Zeit ihrer Strafe eingeführt worden; nach Brest und Rochefort wurden die auf mehr als zehn Jahr Verurtheilten abgeführt, nach Toulon die Uebrigen. Das verursachte größere Ausgabe und machte mehr Mühe, ohne daß es zu einem erheblichen Resultate geführt hätte. So hieß es wenigstens in den offiziellen Berichten. Dennoch läßt sich nicht leugnen, daß diese Classification etwas sehr Vers nunftgemäßes war und dem Sinne und der Absicht des Gefeßes entsprach.

In materieller Beziehung sind die Bagno's gewiß jedem Ges fängnisse vorzuziehen. Die Gefangenen rücken Morgens aus, genießen den ganzen Tag hindurch reine Luft und die Sonne, welche die Gefangenen so schmerzlich entbehren. Die Nahrung ist gesund und zureichend. Ihre Ersparnisse erlauben ihnen, sich manche Erleichterungen und Genüsse zu verschaffen. Die Arbeiten selbst find weder ekelhaft noch anstrengend. Ihre Ueberwachung ist nicht allzu streng, und man läßt ihnen manche Freiheit, oder der Wächter drückt ein Auge zu, wenn es seyn muß.

Es ist schon bemerkt worden, daß die Bagno's Schulen der Laster und Verbrechen sind. Das Bagno ist ein Abgrund, der Alles verschlingt und Nichts wieder entläßt. Grob und roh zieht das Verbrechen ein, aber fein und raffinirt verläßt es die Bagno's. Denn hier scheint Alles nur auf die Ausbildung der Lafter und des Verbrechens, Nichts auf eine fittliche Besserung hinzuwirken, und die Religion tritt dem Verbrechen nur am Fuße des Schafs fottes in Gestalt eines Priesters nahe, der seine eingelernten Ers mahnungen ableiert. Das Schlimmste aber ist, daß die Zwangss arbeit einen unvertilgbaren Stempel der Schmach auf die Stirn des Verbrechers drückt, daß sie jeden Weg zur Besserung abschneis det. Der Sträfling ist für ewig gezeichnet und ohne Gnade aus der Gesellschaft ausgestoßen. Wenn er entlassen wird, öffnet sich ihm nirgends ein Zufluchtsort. Da er unter polizeilicher Aufsicht steht, so erfährt man bald das Geheimniß seiner Vergangenheit und flieht ihn wie einen Ausfäßigen, flieht aber weniger den Verbrecher, als den ehemaligen Bewohner des Bagno's. Die Familie, welche ihn aufnimmt, wird von derselben Schmach ges troffen. Der befreite Sträfling ist gezwungen, wieder ein vers brecherisches Leben zu ergreifen. Der Sohn des Guillotinirten fann ruhig auf seinem Besißthum leben, man beklagt ihn, man sieht nur sein Unglück und vergißt das Verbrechen feines Vaters. Der Sohn eines Galeerensflaven ist nicht minder wie der Vater von der Gesellschaft ausgestoßen, und man weist mit Fingern auf ihn. Der Aufenthalt im Bagno drückt einen unauslöschbaren Brandfleck auf, der vom Vater auf die Söhne forterbt. Das Bagno bewirkt nichts Anderes, als daß es den Verbrecher noch mehr verderbt, daß es einen gewissen Heroismus des Verbrechens unterhalt und die Schmach des Vaters auf die Familie forterbt. Dennoch cristiren die Bagno's noch immer! (R. d. P.)

England.

Lord Brougham's Dialoge über Instinkt und Vernunft. Diesen Dialogen zwischen Lord Brougham und Lord Althorp (siehe Nr. 22) entnehmen wir zuerst die Stelle, wo von der Präs sision die Rede ist, mit der die Bienen ihre Zellen bauen. Lord Althorp hatte die Behauptung aufgestellt, ein Verlangen nach Thätigkeit sen es, welches die Biene zur Arbeit treibe und wels ches, sobald es befriedigt ist, an einem bestimmten Punkt inne halt. Es wird gezeigt, daß diese Annahme nicht genügend ist, die Regelmäßigkeit des Baues begreiflich zu machen.

„Die Wabe ist so gebaut: Bienen, welche Wachs bereiten, bringen eine kleine Masse dieses Stoffes und befestigen fie sents recht auf die Fläche, von der die Wabe herabhängen soll; darauf fangen andere Bienen an, auszubohren, an jeder Seite eine; und fie arbeiten so behutsam, daß sie niemals durch die dünne Wachs; schicht durchbrechen, dabei auch so gleichmäßig, daß die Platte von durchaus gleicher Dicke ist. Man muß daher vorausseßen, daß ein Etwas in ihnen sich gegen eine wenn auch noch so unbedeutend größere Dicke oder Dünne der Platte straube. Diese Vorausseßung einiger Naturforscher ist jedoch ganz unges nügend und beweist eben so ungenaue thatsächliche Beobachtung als ihre ganz rohe Vorstellung, daß die sechseckigen Zellen aus eben so vielen Cylindern, die auf einander drückten, entstanden wären. Der vorausgefeßte Instinkt, das Wachs nicht zu durch reißen, sondern bei einer gewissen Dicke stehen zu bleiben, ist in der That unstatthaft; denn die ursprüngliche Platte ist uneben, an beiden Seiten von verschiedener Dicke, und keine Biene in der Welt hat je cylindrische Zellen gemacht. Huber, der sie bei ihrer Arbeit beobachtete, hat mit Bestimmtheit gezeigt, daß sie sie auf ganz andere Weise fertigten; kein Druck könnte sonst Sechsecke, noch weniger rhomboïdale Platten hervorbringen. Daß man die Wachs. Bienen Platten von gegebener Dice bringen läßt, beweist gar nichts für die Winkel, d. h. für die Neigung der. Platten. Denn vorausgeseßt, die Biene machte eine Grube, ferner, sie besdße Mittel, ihren Bogen durch zwei Sehnen zu schneiden, so würde dies nebst der Dicke der Masse nur den In halt des Rhomboïds bestimmen, das Rhomboid selber aber käme nicht zu Stande, wie leicht gezeigt werden kann. Sie macht vielmehr die Winkel ganz unabhängig von der Dicke; denn dürf ten wir auch annehmen, daß die Dicke des Kuchens das Ganze beherrsche, so hätten wir doch das Problem noch nicht gelöst. Die Schwierigkeit wdre nur um einen Schritt hinausgeschoben; wie kommen fie nämlich zu dieser abgemessenen Dicke? Aber selbst bis auf diesen Punkt genügt dies nicht; es müßte noch viels mehr angenommen werden, um es begreiflich zu machen, daß sie einem primdren, unmittelbaren Instinkt gehorchte. Sie arbeitet so, daß die rhomboidale Platte immer einen bestimmten Durch messer hat und feinen anderen, immer dieselbe Lange, daß ihre vier Winkel immer dieselben find, die gegenüberliegenden einander gleich, doch je zwei von verschiedener Größe als die beiden andes ren; dann neigt sie auch die Platten in gegebenen Winkeln zu einander. Was ist es, daß die Biene in einer geraden Linie, und zwar in einer geraden Linie, die mit einer Ebene rechte Winkel bildet, in Rhomboïden, und zwar in Rhomboïten mit bestimmten Winkeln, mehr Befriedigung finder, als in Linien oder Ebenen, die in anderen Winkeln gegen einander geneigt find? Warum wechselt die Biene nicht die Richtung, nachdem sie eine halbe Viertellinie in derselben fortgegangen, und wenn sie weiter in ihr verbleibt, warum hält sie in bestimmten Punkten immer still? Ja, was finder jede Biene an ihrem kleinen Beitrag zu dem zus fammengefeßten Werk solches Behagen, solche Freude darin, das Nöthige, nach der Richtung, in der es Noth thut, zu vollführen, so daß es mit dem, was die anderen vorher zu Stande gebracht, andere später dazu thun werden, ein Ganzes darstellen wird, ihr und allen ihren Mitarbeitern gänzlich unbekannt?”

Diese wunderbare Methode, durch welche die Biene, wie Lord Brougham sagt,,,gerade die Form trifft, die wir in jeder Hinsicht für die vollkommenste halten müssen, wenn wir bedenken, wer ihr Lehrer ift", wird in Folgendem mit der Arbeit vermittelst Maschinen und Hände verglichen.

Wie wir zu Werke gehen würden, wenn wir Zellen au bauen hatten, ist klar. Wir würden uns erst auf mathematischem Wege die Umriffe des Ganzen, das gehörige Verhältniß zwischen Breite und Länge und die Winkel am Boden zu bestimmen fuchen; sodann würden wir uns Zeichnungen und Rifle entwerfen, nach welchen wir, wenn der Bau von Holz seyn soll, die Planken zus rechtschneiden würden, oder, wenn von Stein, einem Material, das dem der Biene ähnlicher ist und auch in der Bearbeitung größere Schwierigkeiten bietet, so würden wir nach diesen Rissen und vermittelst gewisser Modelle das Werk zu Stande bringen. Ein solcher Bau modre eine zarte und schwierige Arbeit, und der Bauende müßte, sowohl beim Behauen der Steine als bei ihrem Zusammenstellen, den Einzelnheiten des Entwurfs genau folgen, ohne das Resultat des Ganzen im Auge zu haben. So wie er sich um dieses fümmerte, würde er etwas ganz Schlechtes zu Stande bringen; sein ganzes Werk würde schief ausfallen und fich von der gegebenen Form entfernen, und er ist also nur dar auf angewiesen, feinen Ris so exakt wie möglich zu machen und

die Modelle demselben anzupaffen; auch hat er Instrumente und Werkzeuge, Quadrate und Senkbleie, womit er seine Perpendikel zieht. Nach diesen Instrumenten muß er sich genau richten und seinem Auge und seiner Hand nicht mehr trauen, als zum Ges brauch der Werkzeuge und zur treuen Beobachtung des Riffes ers forderlich ist. Die Biene dagegen hat weder einen Riß vor sich, außer dem, was ihr Instinkt ihr vorschreibt, noch ein Modell, das ihre Hand leitet, weder ein bestimmtes Instrument, um ihr Werk dem Riß, der ihr vorschwebt, anzupassen, noch ein Geräth, mos mit fie arbeitet, außer den Füßen und dem Fühlhorn, das bei der Arbeit ihr Auge ift."

Mannigfaltiges.

-Bibliographisches. Daß die Bibliographie eine nugs liche, ja, man kann sagen, eine unentbehrliche Wissenschaft sey, wird wohl Niemand bestreiten, der jemals einen Blick auf das unermeßliche Gebirge von Büchern geworfen hat, das über die ganze Erde sich ausdehnt und mit jedem Jahre zunimmt. Gdbe es nicht tüchtige Führer, die diese Massen von einander zu unters scheiden wissen und das Chaos mit ordnender and in ein geregels tes System verwandeln, so würde am Ende jeder Mensch, dem es um die Wissenschaft redlich zu thun wäre, ein ganzes Leben das mit zubringen, sich nur in den Hülfsmitteln zu orientiren, die die Literaturen aller Völker und aller Zeiten ihm darbieten. Darum haben wir vor den Dibdins, den Camus, den Eberts und den Brunets einen viel größeren Respekt, als die guten alten Herren, deren sogenannte Bibliomanie oft befpöttelt wird, in der großen Welt zu genießen pflegen. Wir sehen jeden Bücher Katalog, wenn sich darin ein ordnender kritischer Geist erkennen dst, eben so gut, ja oft viel mehr, wie ein Lehrbuch an, als viele Lehrbücher der Literatur, die sich als solche ftola ankündigen. Und als einen solchen Katalog, als einen Beitrag zur Büchers kunde, so wie zur geographischen und Reise-Literatur des flebzehns ten Jahrhunderts, dürfen wir wohl auch den so eben von dem hiesigen Buchhändler, Herrn A. Asher, in Englischer Sprache herausgegebenen,,Bibliographischen Versuch über die von Levis nus Hulsius und dessen Nachfolgern in Nürnberg_und_Frankfurt a. M. vom Jahre 1598 bis zum Jahre 1660 in Druck gegebene und verlegte Sammlung von Reisebeschreibungen" ansehen.") Warum der Bibliograph diese Uebersicht der Deutschen Verlagss werke eines Deutschen Buchhändlers in Englischer Sprache hers ausgegeben hat, wird uns nicht gesagt, doch vermuthen wir, daß der Verfasser damit den Englischen Raritäten: Liebhabern, deren es allerdings mehr giebt, als Deutsche, ein angenehmes Ges schenk machen wollte. Zwar find von dem Buche, wie in der Vorrede berichtet wird, nur 150 Exemplare abgezogen, und jedes Exemplar ist mit einer laufenden Nummer versehen (das unfrige trágt No. Fifteen), doch sagt auch dies dem Geschmacke Britischer Bücherfreunde zu. Gleichwohlt hat der Verfasser es für seine Pflicht gehalten, dieses Büchlein, welches Zeugniß giebt von der Vorliebe für Weltkunde, die unsere Vordltern schon vor zweihuns dert Jahren gehabt, dem ersten Representanten der Deutschen geos graphischen Wissenschaft, Professor Karl Ritter, zu widmen. Buts jus oder vielmehr dåtfe war ein wissenschaftlich gebitbeter Niederlander, der eben so wie feine Landsleute, die Brüder de Bry, im sechzehnten Jahrhundert seine Vaterstadt Gent wegen inquifitorischer Glaubensverfolgung verlassen und sich nach dem toleranteren geistesfreien Deutschland gewandt hatte. Zuerst ließ er sich in Nürnberg nieder, wo er anfangs als Französischer Sprachlehrer (linguae francogallicae magister nennt ihn Meusel) feinen Unterhalt fand. Später machten ihn seine mathematischen Kenntnisse mit dem Professor der nahen Universität Altorff, Cors nelius de Judaeis, bekannt, und dieser bewog ihn, ein Werk über mathematische Instrumente drucken zu lassen und in Verlag zu nehmen. Der Erfolg dieses Buches und der Reisebeschreibuns gen in Französischer Sprache, welche die Gebrüder de Bry in Frankfurt a. M. herausgaben, veranlaßte endlich unseren Hülfe, ein ähnliches Deutsches Unternehmen zu begründen, wobei ihm seine Kenntniß der Holländischen Sprache nicht wenig zu Statten fam; denn die Holländer waren es damals hauptsächlich und zuerst, die ihre Expeditionen nach Ost- und West Indien, so wie nach dem noch ganz unbekannten fünften Welttheile, auf unterhaltende Weise beschrieben und mit illustrirenden Holzschnitten herausgas ben. Im Jahre 1598 erschien die,,Erste Schifffahrt" der Samms lung, welche bis auf 26 verschiedene Schifffahrten anwuchs, des ren leßte im Jahre 1650 herauskam, und die zum Theil drei, ja fogar fünf Auflagen erlebt haben. Aber nicht bloß Holldns disce, sondern auch Englische und ursprünglich Deutsche Reises beschreibungen (Ulrich Schmiedel's Reife nach Sud Amerika) nahm Hulsius, der spdter nach der Buchhändler Stadt Frankfurt a. M. gezogen war und dort starb, in seine Sammlung auf. Seine und seiner Nachfolger Verdienste um ihre Zeit dürfen wohl darauf Anspruch machen, wieder in Erinnerung gebracht zu werden, und so hat das Büchlein außer seinem bibliogra phischen auch einen allgemeinen kulturgeschichtlichen Werth.

Bibliographical Essay on the collection of voyages and travels, edited and published by Levinus Hulsius and his successors at Nuremberg and Francfort from Anno 1598 to 1660. By A. Asher. London and Berlis. A. Asher. 1839.177

vierteljährlich, 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie.

No 32.

für die

Expedition (Friedrichs-Etraße
Nr. 72); in der Proving to
wie im Auslande bei den
Wohlöbl, Poß- Nemtern.

Literatur des Auslandes.

Berlin, Freitag den 15. März

Ostindien.

Indische Eigenthümlichkeiten.
Berstorbene unter den Lebenden.

Es ereignet sich in Hindoftan sehr häufig, daß Personen, die man eine geraume Zeit lang todt geglaubt oder für todt erklärt hat, urplöglich wieder zum Vorschein kommen, und zwar oft unter Umständen, die man selbst in einem Romane unwahrscheinlich finden würde. Buweilen ist die ganze Sache ein wohlberechneter Plan, der irgend einen besonderen Zweck hat; in anderen Fällen aber ist es ein bloßes Werk des Zufalls, veranlaßt durch die Schwierigkeit, Personen ausfindig zu machen, welche den Ort ihres Aufenthalts plößlich verändern und in ferne Gegenden ziehen. wal

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In feinem Theile Indiens ist das Land wilder, mit dichterem Dichongle bewachsen und besser zum Verstecken geeignet, als in der unmittelbaren Nachbarschaft Kalkutta's, besonders gegen die See hin. Auf dem größten Theile des Weges zwischen den Sandspißen und der Stadt der Paláste" find die Ufer des Hughli im höchsten Grade verödet, und gewahrten wir nicht die Fahrzeuge auf dem Flusse, so würde es uns schwer werden, ans Junehmen, daß dieses Wasser dem Regierungs-Siße eines blühens den Reiches und einem der bedeutendsten Handelspläße des Oftens uns zufährt. Die Anwohner dieser Ufer sind ein schwächlicher und verfümmerter Menschenschlag; allein sie erseßen durch große körperliche Gewandtheit und geistige Verschlagenheit, was ihnen an physischer Kraft gebricht. Diejenigen, welche das Schiffers handwerk treiben, anfernde Schiffe mit Früchten und Begetabilien versorgen und Passagiere nach Kalkutta befördern, haben sich an schlechte Behandlung von Seiten der Europder schon einigers maßen gewöhnt; und man muß gestehen, daß Leute, die mit Sprache und Sitten der Eingebornen nicht vertraut und dabei geneigt sind, auf einen bettelarmen, halbnackten und anscheinend feigherzigen Menschenschlag vornehm herabzusehen, große Lang: muth befßen müssen, um nicht dann und wann aufzubraufen, wenn sie in einem Kalluttaschen Dinghih den Huhgli hinanfahren.

1839.

und_man_glaubte allgemein, der Europder würde schwer büßen müssen. Da er nur wenige Bekannte und Freunde in Kalkutta haute, so konnte er auch nur auf geringe Fürsprache rechnen; und fam er mit dem Leben davon, so war lebenslängliche Verbans nung die gelindeste Strafe, die ihm bevorstand. Der Prosek wurde instruirt und der Fremde für schuldig erklärt; doch man verschob den Urtheilsspruch auf kurze Zeit, weil der Sachwalter des Angeklagten einen Artikel des Geseßes besonders erörtert wissen wollte. Unterdeß besuchte ein Mann, der geläufig Engs lisch sprach, den unglücklichen Verhafteten und machte sich an heischig, für eine gewisse Summe Geldes die drei Schiffer, welche man schon lange von den Fischen verzehrt glaubte, wieder herbeizuschaffen. Der Gefangene zögerte nicht; er holte alles Geld hervor, was ihm noch zu Gebote stand, händigte es seinem Rathgeber ein, und schon am folgenden Tage erschienen die drei Bermißten! Ihre Identität wurde befriedigend festgestellt und die Person, die ihren Tod verschuldet haben follte, freiges sprochen. Diese Bursche waren, als vortreffliche Schwimmer, nach ihrem verzweifelten Sprung eine lange Strecke unter dem Wasser fortgeschwommen und unbemerkt ans Ufer gestiegen. Ihre Kameraden verstanden es recht gut, aus diesem Umstande Vors theil zu ziehen, und so blieben die Flüchtlinge unentdeckt, bis ihr Vortheil es erheischte, daß fie ans Licht traten. Die ganze Sache war von den armen, unwissenden und verachteten Bootsleuten außerordentlich geschickt eingeleitet und durchgeführt; es gelang ihnen, ihren Veiniger zu bestrafen und für alles Unrecht, das fie erlitten hatten, eine schöne Belohnung zu erhalten. Man tonnie fie teines Komplotts beschuldigen; denn sie erklärten, sie hätten sich nur aus Furcht versteckt gehalten, und der weitere Verlauf der Sache sey ihnen nicht zu Ohren gekommen. Man glaubie ihnen zwar nicht unbedingt, fonnte sie aber auch nicht des Gegens theils überführen; und diejenige Person, welche den Unterhändler gespielt hatte, machte sich bald aus dem Staube.

Ein anderes Komplott dieser Art war viel verbrecherischer und gefährlicher. Ein reicher Kaufmann in einer großen Stadt Indiens hatte eine junge und schöne Frau, die er mit großer Eifersucht bewachte. Die Ehe war kinderlos, und der Kauf. mann fah vorher, daß sein Vermögen, im Falle feines Todes, Ein Paffagier auf einem der Schiffe im „Diamond-Hafen" an einen Verwandten übergehen würde, mit dem er in schlechtem miethete sich eines jener Böte, um die Fahrt stroman zu machen. Vernehmen stand. Dieser Mensch, seines Namens Chan Beg, ein Dieser Gentleman kam frisch aus Europa; er besaß nicht eben Wüstling und Mitiggånger, betrachtete die schöne Erbschaft mit große Kenntniß von Indien und war dabei sehr jähzornig. Als gierigen Blicken und fann über Mittel nach, wie er baldmöglichst er sich in dem kleinen Fahrzeuge mit einer Anzahl Perfonen, die in ihren Besit gelangen könnte. Jbrahim: Beg hatte in einem ihm wie plappernde Affen vorlamen, zusammen fah, wurde er Anfall von Eifersucht fast die ganze weibliche Dienerschaft seiner bald sehr üblen Hamors. In Oktindien geschieht nichts ohne Frau verabschiedet; nur eine Sklavin, die so dumm war, daß sie großen Larm, heftiges Gestikuliren und scheinbare Verwirrung. faum bemerken konnte, was im Hause vorging, war geblieben. Das wußte aber unser Neuling nicht; er hielt die lebhafte Unters Bis dahin hatte der Alte sein Weib immer freundlich behandelt; haltung der Bootsleute für ein großes Gezant und schloß daraus, aber der Argwohn, den ihm sein von Chan Beg bestochener Be daß fie selber nicht wüßten, was jest au thun fen. Das Fahrs diente, Imami, ein zweiter Jago, einzuflösen wußte, bewog ihn zeug ging bald unter Segel, und mun ärgerte sich der Reisende eines Tages, feine Hand gegen sie zu erheben. Die arme Frau noch mehr über die Kaltblütigkeit, mit welcher alle Bootsleute stick vor Schrecken ein jammerliches Geschrei aus, und am Beschäftigungen vornahmen, wodurch die Fahrt, nach seiner Weis nachsten Morgen war fie spurlos verschwunden. Man machie nung, fehr verzögert werden mußte. Einige spielten mit ihren beim nächsten Gerichtshof die Anzeige, daß sie ermordet sen; es Turbanen, die sie abwechselnd aufrollten und wieder fäuberlich kamen sofort Gerichtsbeamte, und Imami erzählte ihnen den ehes zusammenlegten; Andere holten ihre Pfeifen hervor und schmauchs, lichen Zwift, feßte aber hinzu, sein Herr habe ihn gleich nachher ten, und wieder Andere bereiteten sich eine Mahlzeit. Er bes ausgeschickt, und folglich wisse er nicht, was weiter vorgefallen. deutete ihnen durch Winke, sie möchten am Ruder bleiben, erhielt Man hielt eine Nachsuchung auf Ibrahim's Grundstücken und aber, wie sich von selbst versteht, leine befriedigende Antwort. entdeckte bald ein frisches Grab, in welchem ein weiblicher Körs Alle schwasten in einer unbekannten Sprache durch einander, und per ohne Kopf sich fand. Ibrahim wurde sogleich ins Gefängniß je mehr sie sich abmühten, ihm die Ursache ihres Nichtsthuns zu geworfen und dann vor Gericht gestellt. Er betheuerte seine Uns erfldren, desto mehr entflammte sein Zorn. Er überlegte nicht, schuld und erklärte, daß er gleich nach dem unseligen Zwiste, daß diese Leute, als erfahrene Schiffer auf dem Hughli, vielleicht entweder von der leidenschaftlichen Aufwallung erschöpft, oder ihre guten Gründe haben könnten, jeßt nicht zu rudern; und als durch irgend ein Mittel, das man in seinen Trank gemischt, das Protestiren fein Ende nehmen wollte, ergriff er seinen guten betäubt, in tiefen Schlaf verkaufen und erst am späten Wors Stock und schwang ihn so nachdrücklich, daß drei von den Boots: gen wieder erwacht sey. Die Abwesenheit Imami's nach dem leuten über Bord sprangen und spurlos verschwanden. Jeßt erft Zwiste wurde durch das Zeugniß einiger Kameraden desselben wurde unser Passagier seiner Sinne wieder machtig und bereute außer Zweifel gestellt; man zeigte ihm eine Spange, welche seine Unklugheit von ganzem Herzen, während die übrigen Bootss die Ermordete am Arme gehabt, und er behauptete, diese leute weinend und jammernd ihre Arbeit fortseßten. Gleich nach Spange habe seiner Gebieterin angehört. Die Sklavin sagie ihrer Ankunft in Kalkutta machten die Schiffer einer obrigkeits im Verhör, fie fen, während Zbrahim sein Weib mißhandelte, vor lichen Perion von der Unthat des Fremden Anzeige, und dieser Schrecken davongelaufen, und nach ihrer Ueberzeugung könne der wurde ins Gefängniß gesteckt. gefundene Körper ohne Kopf nur der ihrer Gebieterin feyn. Es fehlte also nur noch der Kopf, um das Verbrechen Ibrahim's über allen Zweifel zu stellen. Man wußte, wie eifersüchtig dieser

Die Sache erhielt einen sehr bedenklichen Charakter; das Leben dreier Menschen war dem Jähzern eines Fremden geopfert,

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der als in den Jahren 1835 und 1836, ja selbst als in den Jahr ren 1827, 1828 und 1829, wo der Wohlstand Belgiens unter der Holländischen Herrschaft seinen höchsten Gipfel erreicht hatte. Im Jahre 1831 belief sich der Werth der in Antwerpen einges führten Waaren auf 46,887,000 Franken; 1832 stieg diese Zahl auf mehr als das Doppelte und betrug 110,340,000 Franken. Die Einfuhr Artikel waren sehr mannigfaltig, fie bestanden in Weis nen, Geweben, Farben, Drogerieen, Delen, Leder, Zucker, geistis gen Getränken, Kaffee, Früchten und dergleichen mehr. In den folgenden Jahren war Eins und Ausfuhr immer gleich vortheils haft in der ersten Hälfte des Jahres 1838 belief sich die einges führte Wolle auf 3557 Ballen, die sämmtlich ins Innere des Landes gebracht wurden. In demselben Semester, so wie im Lauf des folgenden Jahres, blieb die Einfuhr von Bauholz ebens falls immer im Steigen. Die Einfuhr von Kaffee belief sich im Jahre 1836 auf 52,000, im Jahre 1838 auf 92,000 Centner; die Einfuhr von Zucker dagegen im ersteren Jahre auf 120,000 und im legteren nur auf 83,000 Centner. Dieser Unterschied rührt von dem Schuge her, der dem einheimischen Zucker bewilligt ist, da dieser Artikel allein das Privilegium der Steuerfreiheit ges nießt und die Kultur deffelben daher außerordentlichen Aufs schwung genommen hat. Als Entrepot nimmt Antwerpen keinen bedeutenden Rang ein. Es kommt in dieser Hinsicht, was den Kaffee und Zuder anbetrifft, erst nach Amsterdam, Hamburg, Triest und London und behauptet nur über Havre den Vorrang. Dieser Unterschied, dem sehr leicht durch beffere Gefeße hinsichts lich des Transito Handels abgeholfen werden könnte, hat seinen Grund in Belgiens Verhältnissen, denn dieses Land befist keine eigene Kolonieen, aus denen es sich versorgen könnte, wie hols land, England und Frankreich, sondern bezieht den größten Theil des Zuckers, Kaffees, Reißes, Tabacks und der Baumwolle, die in den Niederlagen von Antwerpen aufgespeichert werden, nur durch indirekte Einfuhr. Von Frankreich, England und den has fen des Nortens wird diese indirekte Einfuhr bewerkstelligt; auch von Holland geht ein großer Theil derselben aus, denn im Jahre 1837 wurden von dort allein auf der Schelde 165,630 Ballen Kaffee eingeführt, während die direkten Zufuhren aus den Kolos nieen nur insgesammt 168,549 Ballen betrugen. Holland befißt jest nicht mehr wie ehemals das Monopol zur Einfuhr von Gerste und Hafer; diese Getraidearten werden gegenwärtig zum Theil durch Ostfriesische und zum Theil durch Belgische Kaufs fahrteischiffe herbeigebracht. Belgiens Schifffahrt vergrößert sich übrigens mit jedem Jahre; 1835 liefen in Antwerpens Hafen 250 Belgische Schiffe ein; 1836 schon 286, und im Jahre 1837 legten daselbst 353 Schiffe von allen Klassen und Größen an, die zusammen 10,110 Tonnen geladen hatten. Daraus ents springen immer neue Handelsverbindungen für Antwerpen, die deswegen um so vortheilhafter find, weil dadurch sehr viel im Lande raffinirter Zucker nach Emden abgefeßt wird, und weil diese Schiffe sehr viel Nagel, Glasscheiben und Manufakturwaa ren aus Gent's Fabriken ausführen.

Auch die Dampfschifffahrt des Antwerpener Hafens vervolls kommnet sich immer mehr. Von Antwerpen nach London und wieder zurück fahren die Dampfböte,,Antwerpen" und,,Königin Viktoria", beide von 1221 Tonnen; feit 1837 find noch drei mit vielem Aufwand und großer Pracht gebaute Dampfbote in Gang gekommen, der Soho" von 850 Tonnen, der,,Rainbow" von 372 Tonnen und die Stadt Hamburg" von 362 Tonnen. Außer diesen Böten giebt es noch einige kleinere, so daß die Dampfbote des Antwerpener Hafens insgesammt ungefähr 3000 Tonnen halten.

Die Schiffe liegen in drei großen Baffins vor Anker und können auf acht Kandlen in das Innere der Stadt gelangen. In diesen Baffins liegen Schiffe von jeder Größe und Gestalt, entweder reihenweise am Quai entlang oder zwischen den Holzs massen, die darauf umberschwimmen oder wie Eisberge darauf feftlagern. Das regste Leben herrscht im Hafen; hier sieht man Bretterschichten, Zuckers und Kaffeesäcke aufgehäuft; dort werden Waarenballen eins und ausgeladen, Schiffe kommen an und vers laffen den Hafen, Rauchsäulen steigen aus den Schornsteinen der Dampfböte empor, und das siedende Pech erfüllt die Luft mit durchdringendem Geruche.

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