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Gretna Green und die Fleet-Heirathen.

Jedermann weiß, daß Gretnas Green ein Schottisches Dorf ift, wohin fich feit fechzig Jahren alle die Liebespaare begeben, welche die Strenge der Englischen Ehe Gefeße und die Einwillis gung ihrer Weltern und Vormünder umgehen wollen. Wenn man von diesen Heirathen sprechen hört, die, wie es heißt, von einem Schmidt vollzogen werden, so bildet man fich gewöhnlich ein, daß es sich dabei um ein seltsames Privilegium handele, welches dem Drie oder der Person zuerkannt fen, und man wuns dert sich, wie dergleichen Verbindungen auf dem klassischen Bos den der Gefeßlichkeit geduldet werden können. Eigentlich find es aber auch feine echte Ehen, und sie haben an und für sich gar nicht die Wirkungen, welche das Gefeß mit der Ehe verknüpft. Nach einem alten Grundsas des fanonischen Rechtes hat die Erklärung zweier Personen:,,Wir sind von jest an Mann und Weib", vor einem Priester, einem Notar, oder vor sonst irgend einem Individuum abgegeben, die Kraft eines Ehegelöbnisses, wenn die gedachten Personen nachher als Eheleute bei einander wohnen. Dieser Rechtsbrauch, von dem man selbst in denjenigen Landern noch Spuren vorfindet, welche das vom Tridenter Kons sil dagegen gerichtete Verbot angenommen haben, wurde in Engs land erst unter der Regierung Georg's II. aufgehoben und gilt in Schottland fogar noch heutiges Tages. Da nun aber das Englische Gefeß die Gültigkeit einer jeden außer dem Königs reiche eingegangenen Heirath anerkennt, wenn fie nur nach den Gebrauchen des Ortes der Vollziehung geschlossen wurde, so kann man die eigentliche Bedeutung der Vorgänge zu Gretna Green leicht einsehen. Doch muß man nicht glauben, daß diese Art von Heirathen in Schottland durchaus an der Tagesordnung senen, denn hier wie überall besteht die Sitte des Aufgebotes, von bem man sich nur durch richterliche Erlaubniß frei machen fann, und diejenigen, welche solchen heimlichen Heirathen bei wohnen, erhalten strenge Verweise, müssen eine Geldbuße ents richten und werden selbst gefangen gefeßt, weshalb denn auch die Heirathsvollzieher von Gretna Green sehr große Geldforderuns gen machen; doch sieht die Uebertretung des Geseßes keinesweges Die Nichtigkeit der Ehe nach sich. Uebrigens wird Gretna Green nur deshalb vorzugsweise gewählt, weil es das erste Dorf an der Schottischen Gränze ist; die eheliche Einsegnung besteht nur in einem Bersprechen, der dabei fungirende Priester ist ein Fischer, Tischler, Schmidt oder Tabackshändler und befigt keine andere Würde, als die, welche Laune oder Vorurtheil ihm verliehen haben. Das den Liebenden so theure Dorf erkennt man schon von weitem an einem Fichten Wildchen, wovon es wohl seinen Nas men Green (grün) erhalten hat. Die Flüchtlinge steigen im Gast hause zu Gretna Hall ab, man läßt den QuasisPriester holen und einigt fich um den Preis, der nach Umständen von zwei bis auf dreißig Guineen steigt. Der Gastwirth hat immer einen unauss gefüllten Heiraths Vertrag und ein Gebetbuch bei der Hand, und die Ceremonie wird im großen Gasthofsfaale in Gegenwart der Zeugen vollzogen, die gewöhnlich aus dem Gastwirthe und dem Postillon bestehen. Erst wird der Ehesegen vorgelesen, dann folgt die Frage, ob beide Theile sich mit einander verehelichen wollen, und auf ihre Bejahung wird erklärt, daß fie nun rechtskräftig vereinigt fenen. Der Mann steckt seiner Gattin einen Ring an, und diese giebt ihm, auf die ausdrückliche Aufforderung des diensts fertigen Ehevollziehers, einen Kuß. Der Gastwirth fällt die Bes fcheinigung aus, der Priester empfängt feinen Lohn, zu dem der junge Ehemann noch gewöhnlich ein Trinkgeld und die Frau eine mäßige Summe zum Ankauf von Handschuhen hinzufügt.

Im Jahre 1825 wurde die Zahl der jährlich in Gretna Green vollzogenen Eben auf 60 angeschlagen. In den darüber geführ ten Registern des Ortes stehen die Namen des Grafen Westmores land, des Lord Ellenborough, des Sir Thomas Lethbridge und selbst die zweier Kanzler von England, der Lords Eldon und Erskine; diesen berühmten Namen reihen fich, wie um die Liste derselben würdig su frönen, noch die von Kart Franz von Bourbon, Sohn Frans I., Königs beider Sicilien, und von Penelope Karoline Smith, Tochter des Grafen von Waterford, an, die sich am 6. Mai 1836 in Gretna Green verheirathet haben.

Vermuthlich war er in jener Gegend mit seinem Vorläufer, dem Orkane von Barbados, susammengestoßen, und dieser hatte ihn aus seiner Bahn gedrückt.

Das Chegelöbniß per verba de praesenti bestand in England, wie oben schon erwähnt ist, bis zum Jahre 1753, wo die bes rühmte Bill über die Ehe gegeben wurde, und von diesem Zeit punkt an fam Gretna Green in Aufnahme; damals waren auch noch die Fleets Heirathen Sitte, die von dem Gefängnißfe Fleet, wo sie am häufigsten stattfanden, ihren Ramen erhalten haben. Dies waren heimliche Verbindungen, welche oft von Personen vollzogen wurden, die gar keine Berechtigung dazu hatten, und doch erkannte das Gefes denselben bürgerliche Gültigkeit zu. Da aber die geistlichen Gerichtshöfe folche Mißbrauche streng tadeln und bestrafen fonnten, so wurden fie gewöhnlich an Orten auss geübt, wo man vor der Nachforschung des Bischofs sicher war, atjo vorzugsweise in den Kapellen der Gefängnisse und anderer Bufluchtsorter, wie Mayfair, Mint, Savoy, ja selbst in eigens dazu bestimmten Herbergen, auf deren Schild zwei vereinigte Hände oder sonst ein anderes The Attribut gemalt waren. In der Nähe dieser Drte, ja felbst an den Kirchthüren, standen Aufpaffer, von denen arme Brautpaare durch das Anerbies ten sehr niedriger Preise für die Trauung angelockt wurden. In London soll es früher sechzig solcher Trauungsdufer gegeben haben.

Man hat noch einen alten merkwürdigen Kupferstich aus dem Jahre 1747, der eine dieser sogenannten Fleets Heirathen vorstellt. Ein junger Matrose steigt mit seiner Braut und deren Mutter auf dem Plaße vor dem Fleets Gefängniß aus einem Miechswas gen, wei der Ortsprießter in geistlicher Kleidung beeilen sich, ihnen ihre Dienste anzubieten, und Jeder ist bemüht, das Liebess paar für sich zu gewinnen.

Nach der Kapelle des Fleet Gefängnisses war die von Mays Fair, im Jahre 1730 erbaut, die bekannteste für solche Fdlle. Der Priester derselben, Keith mit Namen, war in jener Zeit durch die Driginalität der sich auf diese heirathen ad libitum (wie er selbst fle nannte) beziehenden Anzeigen berühmt. Wir geben hier eine Probe davon:

Um jedem Irrthum vorzubeugen, wird das Publikum bes nachrichtigt, daß sich die fleine neue Kapelle von May Fair, nahe bei Hyde Park, in dem Eckhause befindet, welches der großen nach der City su liegenden Kapelle gegenüber steht. Der Priester und der Schreiber bewohnen dieses Hans und stehen täglich von frühmorgens an bis vier Uhr Nachmittags sur Disposition des Publikums. Der Preis für den Beistand des Priesters und des Schreibers, den Erlaubnißschein und die Bescheinigung mit Königlichem Stempel inbegriffen, bleibt wie früher auf eine Guinee festgeseßt. Man wird den Eingang zur Kapelle an einer kleinen Vorhalle erkennen, die denen dhnlich ist, welche sich vor den Provinzial-Kirchen befinden."

Dieser Mann wußte Alles zu Anzeigen zu benußen; im Jahrgang 1748 des,,Craftsman" liest man, daß Keith, als er einen seiner Söhne verlor, die Leiche desselben von seinem Hause nach dem Kirchhofe von Covent Garden tragen und unterweges mehrmals stillhalten ließ, damit die Leute Zeit hatten, die an der Bahre befestigten Anschlagzettel zu lesen, auf denen das Gewerbe des unglücklichen Vaters und die Verfolgungen, denen er ausges fest war, sur öffentlichen Kenntniß gebracht wurden. Den Tod seiner Frau benußte er gleichfalls zu marktschreierischen Bekannts machungen. Dieser Keith, der sich durch seine zahllosen Heiraths einfegnungen ein Einkommen gesichert hatte, welches dem des Bischofs von London gleichlam, wurde später ins Gefängniß ges fest; doch von seinem Kerker aus veröffentlichte der uners schrockene Verheirather noch allerhand Anzeigen und Pamphlete Erwerbszweiges, in England eingeführt werden sollte. Aber gegen die Gefeß Reform, welche, sum großen Nachtheil seines das ergernis, welches dieser öffentliche und lächerliche Mißbrauch mit der heiligsten aller Verbindungen verursachte, war so groß geworden, daß die Behörden unmöglich länger dagegen gleichs guts engebeten. Her lange es fich dabei nur um die Heis rathen einiger betrunkener Seeleute und anderer armer Schlucker Initiative su bedienen, und es wurden nur unzureichende Mass handelte, hielt das Parlament es nicht für nöthig, fich feiner regeln dagegen ergriffen. Doch ward auch den Wißheirathen dadurch zu großer Vorschub geleistet, so daß die Aristokratie das gegen auftrat, und zwar vorzüglich bei Gelegenheit der Verheis rathung der ältesten Tochter des Herzogs von Richmond mit einem Individuum von ganz niederer Herkunft.

Einige Jahre darauf wurde von Lord Hardwicke die obens erwähnte Bill eingebracht, welche, bei Strafe der Richtigkeit, die Einwilligung der Angehörigen, das vorherige Aufgebot und den Segen der Kirche bei jeder ehelichen Verbindung als uners Kißlich verlangte, und so hörte denn endlich nach drei Jahrhun derten der Mißbrauch der Fleet Heirathen auf. Die Register, worin diese Heirathen aufgezeichnet sind, befinden sich noch in den Archiven des Bisthums von London, und aus den Debatten eines im Jahre 1827 au Shrewsbury verhandelten Prozesses seht hervor, daß zwischen 5 600 folcher Register vorhanden maren, die zusammen an 20 Centner wogen. Nun blieb den Liebenden nur noch Gretna Green, doch auch dieser legte Bus fluchtsort wird start bedroht. Am 26. April 1837 brachte Herr R. Steuart im Unterhause eine Bill zur Unterdrückung der heims lichen Heirathen in Schottland ein; sie ist aber bis jest noch nicht durchgegangen. (Gazette des Tribunaux.)

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Herausgegeben von der Redaction der Allg. Preuß. Staats-Zeitung. Redigirt von J. Lehmann.

Gedruckt bei A. B. Hapn.

vierteljährlich, 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Er. höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchira

No 29.

für die

Expedition (Friedrichs-Straße -
Nr. 72); in der Proving so
wie im Auslande bei den
Wohllöbl. Post - Aemtern,

Literatur des Auslandes.

Rußland...

Russische Volksberedsamkeit.

Von J. G. Kohl.

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Ich will es mischen aus Weiß und Roth, wie Ihre Wangen ges mischt sind. Belieben Sie gefälligft!"

,,Gefrorenes! Gefrorenes! Wer kauft mein Gefrorenes Blumen blühen"? Die Blumen blühen! die Wohnblumen blühen! Vanille blüht! Kaffee blüht! Chokolade blüht! Wer will mein blühendes Eis? Sieh, Vaterchen! Komm' her! Rofliges, roth wie Rosen. Gelbes, gelb wie Gold. Ndrrchen, kauf' doch mein Gold für Dein Kupfer." Dann füllte er etwas zur Probe ins Glas und hielt es gegen das Licht.,,D, wie prächtig! Ach, wie gern möchte ich es selber effen. Aber ich bin nicht fo reich, ich kann mir's nicht bezahlen. Väterchen, kauft mir doch etwas ab, so bekomme ich Geld und kann mir ein Gläschen

genießt es mit Vergnügen! Und hier noch eins für Dein Sohns chen. Nicht wahr? So was hast Du nocht nicht gegessen?"

Keine der vielen ausgezeichneten Eigenschaften des Russischen gemeinen Mannes hat der Fremde hdufiger zu bewundern Geles genheit, als seine große Beredsamleit, und wer die Sprache des Landes versteht, verschafft sich dadurch Unterhaltung und Genusse, die ihm in den Unterredungen mit unserem sinnigen, verständigen, aber ungelenken und höchst untheatralischen Landsmann nicht zu Theil werden. Dem Russischen Jäger zuzuhören, wenn er seine Jagden beschreibt, dem Fischer, wenn er von den Beschwerden,,Blumen blühen" bei mir laufen. Hier, nehmt, Vdterchen, und und Ereignissen seines Fischfangs spricht, dem Fuhrmann, wenn er im Zwiegespräche mit seinen Pferden, mit seiner Peitsche, mis den Zugeln und dem Geschirr, furs mit allem Lebenden und von ihm belebten Todten, das ihn umgiebt, begriffen ist, oder ein Paar gemeine Russen anzusehen, wenn sie sich begrüßen und bes glückwünschen, ihre lebendigen Pantomimen dabei, ihre poetische Ausdrucksweise, der nie stockende Quell ihrer Rede, die immer neue Bilder zu Tage schafft, dies Alles gewahrt Schauspiele, wie man sie auf dem Theater felber nicht beffer verlangen kann. Ich hielt mich längere Zeit in verschiedenen Gegenden Rußlands auf, erlernte die Sprache des Landes und beobachtete den ges meinen Russen fleißig. Einige Proben seiner Beredsamkeit, die ich treu nach dem Leben gebe, mögen meine Behauptungen bes stätigen.

1. Der Eisverkäufer zu Ostern.

In ganz Rußland wird am Oster:Sonntage, nach Beendigung der langen Fasten und nachdem das ungewürzte Eis der Felder weggeschmolzen, zum ersten Male gefüßtes Eis auf den Straßen feilgeboten. Als wären es schöne Schmetterlinge, die aus den garftigen Puppen hervorgeflattert, sieht man auf ein Mal an jenem Sonntage eine Menge junger Burschen, ihres schmußigen Winters pelaes entdußert und in farbige Sommertracht gekleidet, in den Straßen umberflankiren und mit lauter Stimme an allen Ecken schreien das Wort, das man den ganzen Winter nicht gehört: Moroschnije, moroschnije!" (Gefrorenes! Gefrorenes!) Gewöhns lich tragen sie eine Blouse von rothgeblumtem Baumwollenzeuge, welche über die weiten schwarzfammetnen Pantalons herabfällt. Beides halt ein einfacher Gürtel zusammen. Ueber Brust und Schultern haben sie fich ein langes mit rothen Fäden ausgesticktes und gefranztes Handtuch wie ein Ordensband drapirt, mit dem fie ihre Gläser ausschwenken. In einem hölzernen Kübel tragen fie in zwei zinnernen Flaschen ihre kühlenden Fruchtsäfte. Unters weges machen fie fich nur bemerkbar durch ihr einförmiges Ges fcbrei:,,Moroschnije, moroschnije!" Wenn sie sich aber hier und da auf den Straßenecken niederlassen, feßen sie den Fluß ihrer Rede in Bewegung und laden alle Vorübergehenden auf die bes redteste und anmuthigste Weise zu ihrem Trattament ein. In Mostau besuchte ich häufig einen von diesen flotten und ges wandten Burschen, dessen Standort ich kannie.

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,,Ergebenster Diener!" fing er an, jeden Vorübergehenden freundlich zu begrüßen, indem er seinen Hut so verbindlich abs nahm, als wäre Jeder sein bester und alter Kunde.,,Sie befehs len ein Glaschen Eis, mein Herr? Vanille etwa? Dies ist das beste! Sogleich werde ich Ihnen bereiten. O, es ist sehr heiß heute! Man muß sich abfühlen!" Schnell præfentirte er ein Glas Eis dem Vorübergehenden, der gar nicht an Eis dachte. Wie? Nichts? gar nichts? Das thut mir leid! Gefrorenes! Gefrorenes! Wer fauft mein Gefrorenes? Das allerbeste, das allerfrischeßte, das allerlübiste Eis! Chokolades, Vanilles, Kaffees, Rosens, Citronen und Limonen Eis! Und vor allen Dingen mein bestes Eis zweti zwetot" (Blumen blühen). Dies Eis habe ich selbst erfunden, Madame, und habe es,,Blumen blühen" genannt. Es ist das allerdelikateste von allen. Ja, mein Eis blüht wie eine Wohnblume. Kommen Sie, mein schönstes Mads chen, wollen Sie inohnblumiges Eis?") hier, genießen Sie! Es wird Ihnen schöner schmecken, wie der Ruf Ihres Brdutis gams. Sie wollen lieber Gemischres? Schön, meine Beste! *) Die Ruffifchen Mädchen, besonders die Klein-Nuffischen, 'schmücken fich den Kopf im Frühling gewöhnlich mit einer gansen stone pruntender Mobablumen:

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Gefrorenes! Gefrorenes! Wer kauft mein schönes Eis? Puh! wie das heute wunderbar heiß ist! Ich schmelze fast vor Hiße. Nein, ich halt's nicht aus, ich muß Eis essen." (Man Pann sich denken, daß dies am ersten Oster-Sonntage in Rußland eine ziemlich poetische Uebertreibung ist.) Dann kostet er ein wenig, verdreht die Augen, hebt die Schultern, als wenn ihm Ambrosia im Munde schmolze.,,Run, Mütterchen, was gafft Jhr, macht Euch das noch keinen Appetit? Wahrhaftig! Ich Fann es nicht ansehen, daß Ihr hier vor meinen Augen in der Sonne schmelzen folltet. Da! Koster! Effet!" Auf der Spiße feines hölzernen Löffels halt er der Alten ein Pröbchen Eis dicht vor den Mund. Diese kann sich nicht so schnell aus der Affaire wickeln, muß unter Lachen in den Köder beißen und kommt nicht unter acht Kopelen von der Angel los.

Gefrorenes, Gefrorenes, das allersüßeßte Eis!" — Und das ́ mit leitet er wiederum neue Wise ein, deren Kette vor Sonnens untergang nicht ender.

II. Die Bettler.

Die Russischen Bettler kann man nicht anders als auf eine fehr liebenswürdige Weise beredt nennen. Man lobt die Französ fische Art zu betteln, und Vorick entwirft eine hübsche Schildes rung von ihnen. Allein ich weiß nicht, ob die Ruffischen Bettler leicht in Anstand und Bescheidenheit übertroffen werden können. Budringlichkeit der Bettler" ist eine Redensart, die fast in allen Ländern anzutreffen ist. Auf die Ruffifchen Bettler paßt sie kaum. Meistens fißen fie ftill am Wege, ohne sich zu rühren, halten ihre Müge oder ihr hölzernes Gefäßchen für den, welcher sich ihnen erbarmen will, hin, indem sie nur mit einem fortwährenden Ges fange die Vorübergehenden aufmerksam machen. Wenn sie fich an diese mit Bitten wenden, so ist ihre Beredsamkeit weniger groß in Beschreibung ihrer Leiden als in Verheißungen des Segens von oben:,,Sebt doch dem armen Blinden, ein Almosen um Gottes willen. Gebt ihm um aller der heiligen Namen Gottes willen! Hier ist ein Armer. Kommt doch, wer geben, wer einen Bekümmerten trößten will, um Chrifti willen, um der Barmherzigkeit der Mutter Gottes willen! Spender eine Gabe und empfanget dafür ein Almosen des Danks, ein Almosen des Segens Gottes, um der heiligen Kirche willen, um Eurer eigenen Seele Labung willen!" Die Gierigkeit, die wir bei unseren Bettlern bemerken, scheint den Ruffischen ganz fremd zu feyn, und nie kommt es vor, daß ein Bettler dem Vorübergehenden nachliefe. Noch weniger ereignet es sich, daß er mit der ertheils ten Gabe unzufrieden sey. Was Du giebt, Váterchen, ist mir willkommen and kann eine Beihülfe feyn für mich. Du weißt felber am besten, was Du dem Armen geben kannst, und mir gesiemt es nicht, Deine Gabe zu beschauen."

In der Art, wie ihre Bitte, ist auch ihr Dank:,,Gottes Segen, Väterchen! Verleihe der Himmel Euch ein langes Leben und viele, viele glückliche Jahre zur Gefundheit Eures Leibes! sum heile Eurer Seele! sum Gedeihen Eures ganzen Wohlftans des! sur Freude Eurer Aeltern! zum Glücke Eurer Kinder! und zur Luft Eurer Freunde!" Da diese beredten Wünsche gewöhn lich mit großer Jnnigkeit und Frömmigkeit ausgesprochen werden, fo scheint es, als wenn sie wirklich dieses Heil vom Himmel herabflehen könnten. Und man muß gestehen, daß man fein Haupt einem alter bärtigen, weißhaarigen Ruffifchen Bettler mie derfelben Ehrfurcht zum Segnen hinneigen könnte, wie einem:*** ehrwürdigen Priester.

Englan d.

Die neuesten Forschungen über Stürme und Orkane. (Schluß.)

Oberst Reid wendet sich nan zu einem anderen Sturme von größerer Ausdehnung, dem die,,Felicity" von Glasgow am Orte feines Entstehens (dem 12. August 1837) begegnete. Am 15ten erreichte der Sturm Turk's Jsland. Am 16ten verspürten ihn solche Schiffe, welche am östlichsten über die Bahama's hinaus waren. Das Schiff,,Calypso“ legte sich am 17ten jenseit Abasco auf die Seite. Der Capitain und 14 Mann, die um ihr Leben kämpften, gelangten eben zum Takelwerk des Haupt-Mastes und des Besan Mastes, als die Spißen der Masten unter's Wasser famen. Das Schiff sank tiefer und tiefer, während Einige die Wetterstangen des Takelwerks abschnitten, Andere Gott um Hülfe flehten und wieder Andere vor Verzweiflung stumm waren. Einige arme Teufel, die das Leck stopfen wollten, schwammen im Kielraum. Die Calypso" hatte im Sinken schon mehrere Masten verloren, als sie sich plöglich wunderbarer Weise langsam wieder aufrichtete und troß ihres desolaten Zustandes flott wurde. Die ganze Mannschaft landete wohlbehalten auf dem Kai von Wilmington!

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Das Schiff,,Rawlins", Capitain Macqueen, scheint gerade in den Wirbel des Orkans gekommen zu seyn, als dieser den dußersten Punkt seines parabolischen Laufes erreichte. Am 17ten blies der Wind zehn Stunden lang heftig aus Nord‹ Oft; dann wendete er sich plößlich gegen Norden und tobte mit unges schwächter Kraft bis zur Mitternachts Stunde des 18ten, welche Zeit eine volle Stunde lang Windstille eintrat. Nach Verlauf dieser Frist erhob sich der Orkan wieder mit fürchters lichem Ungestum aus Süd - Westen, und zwar so jáhlings, daß keine Bewegung des Meeres ihn ankündigte. In der Mitters nacht des 19ten legte sich die Wuth des Sturmes; aber schreck: liche Wogen schwollen in jeder Richtung empor. Auf den Vers decken der Schiffe fuchten zahllose ermattete Seevögel Schuß gegen den Aufruhr der Elemente. Den ganzen Tag hindurch fonnte man in einer Entfernung von 50 Dard keinen Gegenstand erkennen. Das Geheul des Windes glich einem gellenden Ges schrei aus unzähligen Riesenkehlen. Der Capitain eines anderen Schiffes, welches gleichfalls in den Wirbel dieses Orkans gerieth, beobachtete am 17ten ein höchst merkwürdiges Phänomen. Eine fenkrechte schwarze Mauer erschien 15 bis 20 Grad über dem Horizonte, verschwand gleich darauf mit Bligesschnelle, kam wieder zum Vorschein, zertheilte sich nach fünf Sekunden und versandte ihre Bruchstäcke so weit, als das Auge reichte.

Im sechsten Kapitel handek Herr R. von den Phänomenen der Stürme in der südlichen Hemisphäre. Er beweist mit sies genden Gründen, daß auch diese Orlane einen kreisenden und fortschreitenden Charakter haben, und bestätigt in jedem Falle die scharfsinnige Hypothese des Herrn Redfield, daß der Drkan südlich vom Aequator von der Linken zur Rechten sich walt, folglich in dieser Beziehung eine den nördlichen Orkanen entgegengefeßte Richtung nimmt. In diesem Abschnitte sind die Barometer Beobachtungen zahlreicher und genauer; und die Res gelmäßigkeit, mit welcher das Quecksilber fällt, bis die Mitte des Sturmes vorüber ist, und wieder steigt, bis der ganze Sturm fich gelegt hat, ist so auffallend, daß Oberst Reid schon hierin einen Beweisgrund für die Rotation der Stürme finden will. Die dreizehn Stürme, von welchen der Verf. im sechsten Kapitel handelt, wütheten größtentheils um Mauritius (Isle des France) und Madagaskar. Diese See Region ist der wahre Brennpunkt aller Orkane der südlichen Hemisphere, wie Wests Indien und die Atlantische Küste Nord-Amerika's der wahre Brennpunkt der nördlichen Orkane find.

Der einzige diejer Südstürme, welcher dem Verf. Materialak genug zu einer Karte geliefert hat, ist derjenige, den die Ostins dische Flotte im März 1809 erfuhr. Vier Schiffe der Compagnie und eine Königliche Kriegs-Brigg, die,,Harriet", versanten in diesem Sturme, dessen Details sehr lehrreich sind. Die meisten Berichterstatter sprechen von zwei verschiedenen Stürmen; allein Oberst Reid's Karte beweist, daß der zweite nur der zweite Aft der parabolischen Bahn des Orkanes war, in welchen das Schiff ,,Huddart" gerieth, nachdem es den engen und stillen Raum awischen beiden Aesten zurückgelegt hatte. In dem erwähnten. windstillen Raume erfreuten sich der,,William Pitt", der,,Euphras tes" und die „Harriet" zwei Tage lang eines ununterbrochen schönen Wetters, weil sie Anker auswarfen, wogegen,,Sir Wils liam Bensley" und St. Vincent", weil sie den erwähnten Schiffen um eine Tagefahrt voran waren, in neues Unglück geriethen.

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Im flebenten Kapitel feines Werkes handelt Herr R. von den Typhon's der Chinesischen Meere und den Orkanen Indiens, besonders den Bengalischen; und obschon die ihm zu Gebote stehenden Berichte weder zahlreich noch zusammenhangend genug waren, so glaubte er doch, aus denselben schließen zu können, daß auch diese Stürme mit denen der nördlichen Breiten gleichen Charakter haben.

Der interessanteste Theil des Reidschen Werkes ist das achte Kapitel, in welchem die Orlane des Jahres 1780 zur Sprache tommen. Diese beiden Orkane gehörten unstreitig zu den fürch terlichsten Explosionen der Naturkräfte, welche jemals unseren Erdball heimgesucht. Der erste wathete am 3. Oktober. Nachs

erhabenes Schauspiel. Die Wogen schwollen zu einer ungeheuren Höhe, rasten mit unbeschreiblichem Ungestüm gegen das Land und überflutheten die Stadt Savannah le Mar. Als das Waffer allmålig zurücktrat, verspürte man eine gewaltige Erderschüttes rung. In der Montego Bai folgten die Blige regelmäßig auf einander; sie waren in dem mitternachtlichen Dunkel, das über der verödeten Natur brütete, eine Wohlthat; denn jeder Blig vers breitete die blendendste Tageshelle und das ganze Firmament schien in Flammen zu stehen.

Diesem Orkan folgte schon am 18. Oktober desselben Jahs res ein zweiter, den Herr Reid auf seiner neunten und leßten Karte verzeichnet hat. Er entstand südöstlich von Barbados und beschrieb eine parabolische Bahn, indem die kreifende Luftmasse in dem Maße ihres Vorrückens sich ausdehnte. Er gelangte übris gens nicht bis zur Amerikanischen Küste, da er zu früh eine nords liche Richtung nahm und allbereits unter 23° nördlicher Breite seinen Zielpunkt erreichte.") Die Bewohner der Insel Barbados verließen ihre Wohnungen und flüchteten sich die Nacht über auf das offene Feld, wo sie von Regen und Ungewitter heimgesucht wurs den. Die Baume fuhren aus ihren Wurzeln, alle Feldfrüchte gingen zu Grunde, und über 3000 Menschen büßten ihr Leben ein. Auf St. Eustatia zerschmetterten sieben Schiffe an den Felsen, und ihre Mannschaft kam ums Leben. Die Häuser wurden theils nies dergeriffen, theils mit ihren Bewohnern in die See geschwemmt, und gegen 6000 Menschen getödiet. Zu St. Martinique vers sanken vier Schiffe mit ihrer ganzen Mannschaft in der Bai Port royal. In St. Kitt's riß der Orkan alle Häuser nieder und begrub 1000 Personen unter den Trümmern. Zu Ports royal stürzten 1400 Hauser zusammen, und 1600 Kranke und Verwundete fanden in den Ruinen des Hospitals Notre Dame ihren Tod. Zu Barbados kam der Gouverneur mit seiner Fas milie in einen beklagenswerthen Zustand; obschon die Mauern des GouvernementsHauses drei Fuß dick und Thüren und Fenster verbollwerkt waren, so brach sich der Wind dennoch an allen Seiten Bahn und zerstörte den größten Theil des Daches. Der Gouverneur und die Seinigen Alüchteten in den Keller, wurden aber durch das eindringende Wasser und die Trümmer des eins stürzenden Gebäudes wieder hinausgetrieben. Sie gelangten mit großer Mühe bis zur Batterie und suchten Schuß unter den Kas nonen; aber der Sturm rüttelte an den legteren so gewaltig, daß die Unglücklichen jeden Augenblick zerschmettert zu werden fürch teten, noch abgesehen von der Gefahr, womit die im Sturme fliegenden Trummer sie bedrohten. Sir George Rodney sagt in feiner offiziellen Depesche, nur ein Erdbeben hatte das Mauers werk der stärksten Gebäude sprengen können. Nach seiner Uebers zeugung verspürte man nur darum Nichts von der Erderschüttes rung, weil der Orkan so furchtbar wüthete. 1 vers

Oberst Reid beschließt sein Werk mit vier Kapiteln mischten Inhalts, die viele schäßbare Beobachtungen in sich faffen. Er handelt hier von der zweckmäßigsten Bauart der Hauser, um sie gegen Orkane zu schüßen von dem scheinba ren Zusammenhang der Stürme mit Elektrizität und Magnetis von den arktischen Windstößen und Afrikanischen Lornas von Wollenbrüchen und kleinen winder then

mus

do's

So haben wir nun von dem Charakter und Werthe des Oberst Reidschen Werkes unseren Lesern einen Begriff zu geben versucht. In die Fußstapfen des Herrn Redfield tretend, hat er den Leistungen seines Vorgängers volle Gerechtigkeit widerfahren lassen und die Ansichten desselben in jeder Beziehung fester bes gründet. Die Konkurrens zweier solcher Forscher in derselben Theorie ist schon ein wichtiges Moment; und wir behaupten un bedenklich, daß sie die Phänomene der Stürme am besten genes ralisirt haben; doch kennen wir auch den besonderen Charakter der Thatsachen, auf welche ihre Theorie sich stüßt, und glauben daher, daß dieser Gegenstand dem Forscher noch ein weites Feld darbietet. Erst fürzlich hat ein Amerikanischer Autor eine neue Hypothese aufgestellt, die wenigstens eine noch strengere Prüfung der Thatsachen herbeiführen wird. Herr Espn ist durch seine Forschungen auf die Ansicht geleitet worden, daß der Wind in jedem Orkane nach einem Punkte feines Centrums wehe; und Profeffor Bache in Philadelphia ist dieser Hypothese mit Rücks sicht auf den Juni Sturm 1835, der über New Jersey zog, beis getreten. Die von dem Winde niedergeschmetterten Gegenstande waren nach seiner Beobachtung gegen einen Mittelpunkt gerichtet. Wie gewissenhaft aber diese neueste Hypothese auch durch geführt seyn möge, so glauben wir doch, daß fie die Ergebniffe der Herren Redfield und Reid, in Betreff der großen Orkane des Atlantischen Meeres, nicht erschüttern werde; und ehe Herr Esph uns zeigen kann, daß bei solchen Orkanen die Idee einer Kon vergenz des Windes nach einem Centrum zu Erklärung der ans erkannten Phänomene ausreicht, müssen wir annehmen, daß sie nur auf bloße atmosphärische Störungen Anwendung findet. Auch die Anzeigen des Barometers, welche mit der Rotations Theorie so gut harmoniren, find Herrn Espy nicht günstig; und Herr Redfield versichert uns, alle von ihm verglichene Beobachtungen hatten seine Motivirungen bestärkt, mit Ausnahme zweier oder dreier, die fich bei genauerer Prüfung als irrig erwiesen.

Vielleicht könnten wir durch Berücksichtigung der Zwecke, welche die Orkane in der Dekonomie der Natur zu erfüllen scheis nen, über ihre physische Constitution einigen Aufschluß erhalten.

*) Eben aus dieser Ursache kamen die sonst von allen näher bekannten Orkanen verfdont gebliebenen Bermudischen Inseln in das Bereich des

Die Erhaltung des animalischen und vegetabilischen Lebens ift unstreitig das vornehmste Geschäft unserer Atmosphdre; aber die felben Prozesse, welche Wachsthum und Verfall der organischen Strukturen bedingen, verderben auch das heilsame Medium, und verschiedene natürliche Ursachen im Innern und auf der Oberfläche unseres Globus wirken zu seinem Verderben mit.

Eine also desorganisirte Atmosphäre wird das Geburtsland von Fiebern und Seuchen; fie muß periodische Reinigungen ers fahren, damit nicht jedes athmende Wesen in ihr sein Grab finde. Es ist daher nicht zu bezweifeln, daß der Vater des Lebens Mit tel gefunden hat, wodurch diesem Uebel gesteuert werden kann.

Die tägliche Umdrehung unseres Globus unter einer vertis falen Sonne veranlaßt nothwendig allerlei Bewegungen in dem uns umhüllenden Luftkreise; aber diese Bewegungen würden, wenn fie in gerader Linie vor sich gingen oder selbst nach einem Mittelpunkt konvergirten, aller Schnelligkeit zum Troße, die zers freuten Ingredienzien einer angesteckten Atmosphäre nicht vers einigen können. Nur eine rotirende Bewegung, mit progreffi ver Schnelligkeit verbunden, kann die malarische Masse genugsam aufregen. Ein solcher Tornado wirkt, einem Destillir Kolben gleich, auf die einzelnen Sifuheilchen; das von ihm erzeugte elektrische Feuer verzehrt ihre schädlichen Sublimationen; und auf diese Weise neutralisirt der große Alchymist Natur die azos tischen Elemente, die er losgelafen, und bereitet einen Heiltrank für die organische Schöpfung.

Die Herren Redfield und Reid haben durch Bekanntmachung ihrer trefflichen Forschungen der Nautik unberechenbare Dienste geleistet, und jeder Seemann, der ihre Werke studirt, wird sich sum Kampfe mit den Elementen beffer gewaffnet fühlen. Kann auch keine menschliche Kraft den Stürmen Ruhe gebieten, sie feffeln, so find wir mindestens befähigt, eine wirksame Polizei au organisiren, die den Hinterhalt des wüthenden Elementes auss spurt und seine Evolutionen beobachtet. Können die Fesseln und Schranken der Mechanik den Grimm des Orkanes nicht bändis gen, fo ermitteln wir wenigstens seinen Lauf und lernen, ihm geschickt ausweichen. Ist der Landbewohner nicht im Stande, hinter gewöhnlichen Bollwerken aus Stein sich zu schüßen, so laffet ihn seine Mauern verglasen und dem Orlane forage Dacher entgegenstellen, die so wenig Widerstand, als möglich, leisten; und versagen diese lesten Bundesgenossen der Wissens schaft ihren Beistand, so sorge er für eine unterirdische Zufluchtes statte seiner Familie. Wo die Gefahr so beschaffen ist, daß wir, entweder ausweichend oder Widerstand leistend, uns retten föns nen, da vermag der menschliche Scharffinn wirksame Förderungs, Mittel des Einen oder des Anderen zu erdenken.

Nur gegen die Pestilenz,,,die im Finstern schleicht, gegen die Seuche, die am Mittage verderber", giebt es kein physisches Schuß oder Truß- Mittel. *) (Edinburgh Review.)

Frankrei

Das Bagno zu Brest.

Seit einiger Zeit ist die Behandlung der Gefangenen und die verschiedenen Strafs Systeme auch in Frankreich zum Gegens ftande vielfacher Erörterungen gemacht worden. An Theorieen hat es bei dieser Gelegenheit keinesweges gefehlt, aber die wirks liche Verbesserung dieser Zustände hat erst sehr geringe Fortschritte gemacht, und was in Frankreich in dieser Beziehung geleistet worden, fann mit den gleichartigen Bemühungen in der Schweiz, in den Vereinigten Staaten, in Belgien und in England gar nicht verglichen werden. Auch hier scheint sich der Ausspruch Grimm's zu bestätigen, daß die Franzosen, troß des Kufes der Unbeständigkeit, in dem sie stehen, dasjenige Boll find, welches am meisten am Hergebrachten klebt und sich am schwersten vom alten Schlendrian losmacht. Um die Nothwendigkeit einer durchs gängigen Reform der jest üblichen Behandlung der Strafgefans

*) Vorstehender Mittheilung erlauben wir uns die Berichtigung hinzuzu fügen, daß bereits im J. 1828, also drei Jahre früher, als Herrn Redfield's erfter Aufsas erschien, von Herrn Professor Dove in Berlin, im 13ten Bande von Poggendorff's Annalen, die beiden Hauptresultate seiner Untersuchung: der rotatorische Charakter der Stürme und die auf der südlichen Halbkugel entgegengefeßte Wendung derfelben, ausgesprochen so wie das Verhalten des Barometers dabei ausführlich untersucht worden ist. Wir führen in dieser Beziehung aus der Abhandlung über barometrische Minima" nur folgende Stelle an: Ein barometrisches Minimum ift eine Erscheinung des Süd fromes. Gleichzeitig betrachtet, muß also dies Phänomen der Südstrom felbft fenn, lokal ein stürmischer Durchgang durch das Minimum (SW.) der Windrose, oder wenn wir beides susammenfasen, fo muß ein barometrisches Minimum ein in der Richtung des Südkromes fortschreitender Wirbel feyn. Dies ist die Erscheinung, wenn fie ungestört hervortritt. So war es am 24. Dezember 1821. Aber oft treten Erscheinungen ein, die fie verdecken, wie am 2. Februar 1823. Diese beiden Minima sind zugleich die Repräsentanten der Erscheinung, wie fie am verschiedensten sich eigen fann. Daß überhaupt Stürme Wirbelwinde kind, ist eine Erfahrung, die jeder Seemann bestätigen wird. Da aber in unseren Gegenden alle Stürme Süd-West-Stürme find, so wird die Drehung SW., W., NW... seyn. Singegen find die meisten von mir verglichenen Dekané auf der füdlichen Hälfte der Erde im entgegengefeßten Sinne." Herr Dove seigt nun, daß der Wind an 45 Beobachtungs-Orten vor dem Minimum . war, sur Zeft des starliten Barometerfalles SW., nach demselben W. und YW and seichnet, um über den Sinn des Wirbels keinen Zweifel zu lassen, durch einen Pfeil von No. in der beigegebenen Zeichnung die wahrscheinliche Rich tung des Sturmes auf der Amerikanischen Seite des Atlantischen Oceans an Wir wollen nur noch hinzufügen, daß Herr Dove die entgegengefeßten Ber hältniße der Drehung des Windes auf der nörtlichen und südlichen Halb fugel als allgemeine, nicht bloß auf Stürme beschränkte Regel unter den Namen Drehungsgefes aus einfachen mechanischen Prinzivien abgeleitet und durch vielfache Beweise bestätigt hat.

von Redfield als Ergänzung des Reidschen Werkes erschienen. dem Nautical Almauae, Januar 1939, ift übrigens ein neuer Auffag

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genen zu begreifen, braucht man nur einen Blick auf die gegens wärtigen Einrichtungen zu werfen.

Frankreich besist drei Bagno's, von denen das in Brest das bedeutendste ist und, wenn davon überhaupt die Rede seyn kann, für das am besten organisirte gilt. Dieses soll daher vorzugs weise betrachtet werden. Es ist bekannt genug, was son die Galeerenstrafe besagen wollte; die Galeerensklaven waren an den Ruderbanken angeschmiedet und leisteten auf der Königlichen Marine sehr nüßliche Dienste. In den Häfen mußten Aufbe wahrungs Orte für sie feyn, und nach der Unterdrückung der Galeeren wurden sie ausschließlich hier untergebracht. Es kam jeßt nur noch darauf an, den Sträflingen eine nügliche Beschäft tigung anzuweisen, und die Zwangsarbeiten folgten auf die Gas leerenstrafe. Anfangs wurden die Sträflinge nur zu den härtesten, ekelhaftesten Arbeiten im Arsenale verwendet, aber allmålig wurde der Kreis ihrer Beschäftigungen weiter ausgedehnt; sie wurden ganz zur Verfügung der Hafen und Marine Beamten gestellt und überschritten nun den Umkreis des Arsenales. Man glaubte große Ersparnisse zu machen, wenn man Menschen, die fast umsonst arbeiteten, so schien es wenigstens, zu Beschdftigungen vers wendete, die man früher hatte bezahlen müssen. Die Sirdflinge drangen nun in die Stadt, in den Straßen hörte man Kettenge raffel und wurde überall durch das empörendste Schauspiel beleis digt. Dabei blieb man nicht einmal stehen, und es kam sogar vor, daß Sträflingen von höherer Bildung der Unterricht der Jugend übertragen wurde. Diese Mißbrauche haben wohl so ziemlich aufgehört, und die Gefangenen sind mit wenigen Auss nahmen jest auf das Bereich des Arsenals beschränkt.

Das Bagno in Brest wurde vom Ingenieur Choquet - Lindu erbaut und im Jahre 1752 beendet. Das ungeheure Gebäude entspricht seiner Bestimmung vollkommen und genügt allen Ans forderungen der Gesundheit und Reinlichkeit. Die Lange desselben betragt 420 Fuß, und der dußere Anblick macht, tros der Schmucks lofigkeit, einen gefälligen Eindruck. Der ganze innere Raum ist in sechs Sale abgetheilt, von denen sich in drei verschiedenen Stockwerken in jedem zwei befinden. Dieselben werden sämmts lich von dem in der Mitte befindlichen Pavillon beherrscht. Von diefem aus wird durch ein großes eifernes Gitter, welches die Gänge zu den einzelnen Sälen schließt, die Aufsicht über diese geführt. Wenn Unruhen ausbrechen sollten, so können sämmtliche die in ihrer ganzen Ausdehnung vom Gewehrs oder Kanonens feuer bestrichen werden, welches von den hier zu diesem Zwecke angebrachten Schießscharten ausgehen würde. Die Scle find in ihrer ganzen Ausdehnung von einer Scheidemauer durchzogen, welche in Zwischenräumen von je vierzehn Fuß durchbrochen ist, so daß die dadurch entstehende Deffnung einem Fenster gegenübers liegt und die freie Circulation der Luft gestattet. In der Dicke diefer Mauer sind Küchen, Brunnen, Schenken u. s. w., die alle von Gittern umschlossen werden, angebracht. Die Feldbettstellen: find att jeder Seite an die Scheidewand angeler bie Wächter und so daß zwischen : diefer und der dußeren Mauer ein Gang für die Gefangenen übrig bleibt. Die Sdle werden des Nachts er leuchtet; ein jeder Saal faßt 700 Menschen. Die Gefangenen werden des Abends an der großen Kette befestigt, welche durch den ganzen Saal läuft. Morgens, wenn die Zeit, zur Arbeit aufzubrechen, gekommen ist, werden sie losgemacht und bleiben nur noch paarweise an einander gefesselt. Hierbei hat man ges wöhnlich darauf Bedacht, die verschiedensten Charaktere mit ein, ander in Verbindung zu bringen, um alle Versuche zur Flucht zu verhindern. Diese Maßregel mag vom polizeilichen Standpunkte aus vortrefflich seyn, aber sie ist höchst grausam und bringt einen Unglücklichen mit einem verderbten und unverbesserlichen Vers brecher in eine unzertrennliche Verbindung. Der Eine muß die Flüche, Goueslásterungen und schmußigen Reden des Anderen hören, muß mit ihm eйen, schlafen und natürlich am Ende in dieselbe Versunkenheit verfallen.

Rur wahrend der Nacht, während der Mahlzeiten und an den Sonntagen sind die Gefangenen in den Sälen versammelt, wenn nicht anders dringende Arbeiten ihre Anwesenheit im Ars senale nothwendig machen. Am Tage bleiben sie nur zur Strafe und in Krankheitsfällen zurück. Der Anblick der Sdle, wenn alle Bewohner versammelt sind, ist ein gräßliches Schauspiel. Während die Einen mit kleinen Arbeiten beschäftigt sind, kauern die Anderen in ihren Betten oder schlafen; die Einer schwaßen, lachen, spielen, während Andere finster und in sich versunken das figen. Diese Zeiten muß der Neugierige au seinem Besuche wählen. Das Gitter öffnet sich, und es entsteht ein Gemurmel in den ungeheuren Sålen. Diejenigen, die eine kleine Auswahl von Waaren haben, treten aus den Reihen, um ihre Stroh arbeiten, Ringe, Schnißwerke von Kolosnussen, Haarkeiten zum Verlauf anzutragen. Als eine eigenthümliche Erscheinung mag bemerkt werden, daß auf den von diesen Unglücklichen angefers tigten Landschaften immer eine strahlende Sonne zu sehen ist. Die Verkäufer folgen den Besuchenden bis zu einem gewiffen Punkte, denn sie dürfen, die ihnen von der Polizei gesteckten Granzen nicht überschreiten; im Allgemeinen sind sie höflich und entblößen das Haupt, wenn man bei ihnen vorübergeht. Das Mitleid befiehlt und die Klugheit ráth, einige Kleinigkeiten zu kaufen. Auf seine Uhr, sein Schnupftuch mag man jedoch immer ein wachsames Auge haben.

Die Fremden drängen sich gewöhnlich sehr zu diesen Mer suchen, sum großen Verdruße der Bewohner von Brest, welche ihnen als Fahrer dienen mien. Besonders legen die Damen Hierbei eine ungewöhnliche Neugierde an den Tag. Sie stehen

bei jedem Schritte still, um zu beschauen, zu befühlen, zu befras gen; fie lassen sich mit den Sträflingen in lange Gespräche ein und handeln und feilschen wie in den Mode Magazinen mit einer Langsamkeit und Unentschlossenheit, welche die Begleitenden oft für je zittern macht. Die Zurschaustellung des Verbrechens und des Unglücks, um eine unnuße Neugierde zu befriedigen, ist sehr zu beklagen, und es wfre leicht, hier eine andere Einrichtung zu treffen.

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Der Schein trugt; das habe auch ich hier erfahren. Eines Tages bemerkte ich einen Greis von würdevollem Aussehen, der mehr mit der Anfertigung von Zahnstochern, als mit den Bes suchenden beschäftigt zu seyn schien. Er flößte mir ein lebhaftes Intereffe ein und wurde mir an jedem anderen Orte Ehrfurcht abgenöthigt haben.,,Das ist ein braver Mann", sagte der Wächter, der hier schon zwanzig Jahre verweilt, und der seine Begnadigung ausgeschlagen hat, um sich nicht von seinen Kindern zu trennen." Wie das?!! ,,Die beiden Gefangenen, welche mit Ihren Damen sprechen, find seine Kinder; sie wurden mit ihrem Vater auf Lebenszeit verurtheilt, weil sie ihre Mutter ers schlagen haben." Als die Gesellschaft, mit der ich gekommen var, ihre Einkäufe gemacht hatte, theilte ich ihr meine Ents deckung mit, die Allen einen Schrei des Entfeßens entlockte. ,,Was schadet das, meine Damen", sagte ich; Ihre Einkdufe werden dadurch nur noch interessanter." Wir wollten auch Contrafatto sehen, der damals gerade der Modeheld des Bagno war; wir fanden ihn in seiner Bude, wo er seine Functionen als Secretair versah. Wir unterhielten uns lange mit ihm; sein geheimnisvoller Gesichtsausdruck, seine befremdliche Aussprache, die Resignation, die sich in seinem ganzen Wesen aussprach, flößten ein gewiffes Interesse ein. Er erklärte sich immer für unschuldig und stellte sein Schicksal der göttlichen Gnade anheim. Wir wünschten hierauf den General Sarrazin und Delacollonge zu sehen, aber Beide waren nicht anwesend. Der Wächter, der jest wohl schon fah, mit was für Leuten er es zu thun habe, stellte uns zur Entschädigung den Dieb des Diamantenschmuckes der Dile. Mars vor. Wir sahen hinter den Eisenstangen eines Fensters einen ausgezeichnet schönen Mann, dessen glühende und starre Blicke die unsrigen auf sich ziehen zu wollen schienen. Mehrere der Gefangenen, welche einen gewiffen Ruf erlangt haben, scheinen auf ihre traurige Celebricht sogar stolz zu seyn und drängen sich aus der Menge ihrer gemeinen Schicksalsges nossen hervor.

Eine Folge der gegenwärtigen Verhältnisse ist es, daß der Verurtheilte verderbter in das Bagno kömmt, als er es vor dem Asñsengericht war, und, wenn er das Bagno verläßt, den höchsten Grad der moralischen Versunkenheit erreicht hat. Durch die Vers ordnung vom 9. Dezember 1830 ist indeß in der Transportweise der Gefangenen schon eine wesentliche Verbesserung bewirkt worden; dieselben werden jezt auf großen zellenförmigen Wagen mit Postpferden weggeschafft. Dadurch ist wenigstens den Neus gierigen in Bicètre, welche, wenn sonst die Galeerensträflinge abgingen, begierig zusammenströmten, ein erniedrigendes Schaus spiel entzogen worden. Diese Unglücklichen, welche fast unter der Laft ihrer Eisenbande erlagen und von den Karren, an welche fie angeschmiedet waren, aufs jammerlichste zusammengerüttelt wurden, mußten dem Tage ihrer Ankunft im Bagno sehnsüchtig entgegenharren. Auch schien sich ihrer, mit Ausnahme einiger ganz Verhärteten, bei ihrer Ankunft eine gewiffe Freude zu bes mächtigen. Vor ihrem Einzuge in die Stadt verstrich indes noch eine Frist; die zerstreuten Karren mußten sich erst sammeln und den Blicken des neugierigen Pöbels ausgeseßt bleiben. Währends deß erhoben sich die Notabilitäten des Zuges von ihren Banten, geftitulirten, baranguirten das Volk und führten die schamlosesten Reden. Sie wußten, daß ihre Kleider im Bagno verbrannt werden würden; deshalb riffen sie sich dieselben vom Leibe und warfen die Stücke unter das Voll. Die halbnackten Gestalten mit dem eisernen Halsbande boten einen unheimlichen, grausenhaften, höllischen Anblick dar. Unterdeß gingen die berüchtigtsten Namen in der umstehenden Menge von Mund zu Munde, und man suchte diejenigen, die in den Zeitungen erwähnt waren, herauszuerken nen. Dann erhob sich mić stolzer und selbstzufriedener Miene ein Verurtheilter, und das Volk schrie:,,Das ist er! Last mich ihn sehen!" Die Priester, welche wegen Angriffe auf die Keusch heit verurtheilt waren, und diejenigen Sträflinge, die Proben einer besonderen Wildheit abgelegt hatten, waren vorzugsweise beliebt. Molitor, Contrafatto, Delacollonge, Mandar, François wurden mit lautem Jubel empfangen.

Jest hat dieser Slandal aufgehört; bevor derselbe abgestelle wurde, mußte man, wer follte es glauben! den Ablauf des mit dem Entrepreneur abgeschlossenen Kontrakts abwarten. In deß besser spdt, als nie. Die Transportirung in den verschlosses en Wagen hat etwas Geheimnißvolles und Ernstes, was dem Wesen der Justiz vollkommen angemessen ist. Die Strafe folgt dem Urtheil auf dem Fuße, und die Schnelligkeit, mit welcher der Verurtheilte binnen wenigen Stunden vom Affisengericht ins Bagno verseßt wird, verfehlt ihren Eindruck auf die Einbildungs fraft nicht. Das Fortführen an der Kette ließ noch Widerseßlichs tett zu, ja, die große Zahl der Gefangenen mochte sogar Furcht einflößen. Jest sieht man nur noch den Wagen, der im Vors. überschwinden die Ohnmacht des Verbrechens gegen das Gefes

offenbart. Die zellenförmig abgetheilten Wagen machen jedes Entweichen während des Transportes fast unmöglich.

Sobald die Gefangenen an ihrem Bestimmungsorte anlans gen, überzeugt man sich von ihrer Identität. Man nimmt ihnen ihre Kleider, badet ste, rasirt sie und legt ihnen die Livree des. Ortes an, den Kittel und die Müße. Sonst war dies auch ein öffentliches Schauspiel. Während einiger Tage erhalten die Strafs linge noch eine besondere Nahrung. Wenn endlich alle diese Pras liminarien beendei sind, so paart man sie, vertheilt sie in den Sälen und verwender sie zu den Arbeiten im Arsenale. Diese Arbeiten sind verschiedener Art, aber alle an und für sich nicht besonders beschwerlich, obgleich sie in der Kunstsprache,,la fatigue" heißen. Die Strdflinge werden je nach ihren Fähigkeiten, Krafs ten und ihrem Betragen verwendet. Die Verwaltung entwirft jedes Jahr einen Tarif der Arbeitspreise.

Die Serdflinge find paarweise zusammengeschmiedet. Die Ketten haben eine verschiedene Länge und bestehen je nach der Beschaffenheit der Arbeiten aus achtzehn, sechsunddreißig oder zweiundsiebzig Ringen. Die Kette ist am Handgelenke oder mit einem eijernen Ringe am Fuße befestigt. Die Paarung der Strdflinge ist nicht unumgänglich nothwendig, und diejenigen, welche Ach gut aufführen und schon fünf Jahre ihre Strafe abs gebüßt haben, werden dieses Zwanges enthoben. Diese tragen die sogenannte gebrochene Kette, welche nur drei Ringe hat und achtzehn Zoll lang ist. Dieselbe wird über dem Knie befestigt und hindere weit weniger beim Gehen und bei der Arbeit. Sie ist das einzige Mittel, die weniger Verderbten einer gefährlichen Berührung zu entziehen. (Forfezung folgt.)

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Mannigfaltiges.

Lady Esther Stanhope. Ein Deutscher Reisender im Orient, Dr. Lowe, dessen Entsifferungslehre der Aegyptischen Hieroglyphen in England mit großem Beifall aufgenommen und im Asiatic Journal mitgetheilt wurde, hat im Sommer 1838 der Lady Esther Stanhope einen Besuch abgestattet. Diese vornehme Englische Dame, eine Nichte des berühmten Pitt, residirt bekannts lich seit 25 Jahren in einem einsamen von vielen Mauern umges benen Schlosse auf den Gebirgen des Libanon, nicht weit von dem alten Sidon, dessen Einwohner, so wie die Drufen übers haupt, fie als eine Fürstin betrachten, deren Zufluchtsstätte als heilig geachtet werden müsse. Sie läßt selten einen Fremden, am allerwenigften aber einen Englander, vor. Dr. Löwe schrieb ihr, er sey ein Preuße, deffen Studien ihn bis nach Aethiopien geführt und der ihr, die so viel auf Astrologie halte, über Relis gion, Philosophie und Sternkunde der alten Aegypter manchen neuen Aufschluß ertheilen könne. Dies bewog sie, den Reisenden anzunehmen, jedoch mit der Bemerkung, daß sie ihn erst bei eins brechender Nacht erwarte. Die Britische Aftrologin ftellt gewöhns lich jeder neuen Bekanntschaft, die sie macht, das Horoskop, und darum empfängt sie auch ihre Besuche nur in den Abendstunden. Ihre Unterhaltungen mit Dr. Löwe dauerten bis nach Mitternacht, und zwar bewegten sie sich hauptsächlich um Gegenstände der Religion und der Philosophie. Fünf Abende hinter einander mußte er auf ihren Wunsch seinen Besuch wiederholen. Die. seltsame Einsiedlerin, die sich ihr eigenes Religions, System ges bildet hat, außerte sich dabei ziemlich unverholen über sich selbst. Die Welt", sagte sie unter Anderem,,,hált mich für verrückt; ich habe aber Heimat, hab und Gut nur verlassen, um Gott, der meinen Geist erleuchtete, allein zu leben." Nachdem sie ers fahren, daß Dr. Löwe Israelitischer Abkunft fen, bemerkte fie, daß sich ihre eigene Religion, wie sie glaube, der mosaischen am meisten ndhere; in ihrem Palaste gebe es zahlreiche Perst fonen, welche die mosaischen Speisegefeße gewissenhaft beobach teten; auch feiere sie den Sabbath dadurch, daß sie an diesem Lage gänzlich der inneren geistigen Betrachtung lebe, doch dürfe Niemand in Syrien wissen, wie sie in dieser Beziehung dente und was sie vorhabe. Dr. Löwe bemerkt hierzu:,,Es ist sehr... begreiflich, wie leicht der herrlichste Geist mißleitet werden kann, wenn er beständig ungestört feinen eigenen Gedanken nachhängt; und nun lebt diese in jeder Hinsicht so überaus begabte Frau feit fünfundzwanzig Jahren auf diesem von aller Welt folirten Plaße and war ohnehin von jeher den weltlichen Vergnügungen ungus ganglich." Die Nachricht, daß Lady Stanhope mit dem bes Fannten Missionair Joseph Wolf in eine engere Verbindung ges treten sey, erklärt der Reisende für ganzlich ungegründet.

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