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und zarter als jene, die in unser Auge dringen, und uns die Dinge sichtbar machen. Sie mischen und verbinden sich auch leicht in den Lüften, und bringen dadurch oft wunderliche Gestalten hervor, dass wir Scyllen und Centauren zu sehen glauben, und die Gestalten derjenigen, die schon längst die Erde bedeckt hat.

Ueber diese Erscheinungen, so wie über unsre Traumgesichte und Phantasien kommen nun weitläuftige und sinnreiche Erklärungen, die wir aber wegen ihrer zu speciellen Andeutung übergehen müssen.

V. 905. Nun kommt der Dichter auf den Schlaf, und woher solcher entstehe. Er ermahnt zuvörderst seinen Freund, ihm ein zartes Ohr und einen aufmerksamen Sinn zuzuwenden, damit er nicht das Wahre von sich stofse, und von dem, was er nicht richtig verstanden habe, die Schuld ihm beimesse.

Der Schlaf entsteht, wenn die Kraft der Seele in den Gliedern auseinander gegangen ist, zum Theil hinausgetrieben, zum Theil sich auch tiefer in das Innere zurückgezogen. Es ist klar, dafs Sinn und Gefühl in uns durch die Seele erregt wird. Da nun der Schlaf dieses hemmt, so mufs man die Seele für verstört und gleichsam für vertrieben halten; jedoch nicht ganz, sonst würde, wenn kein Theil der Seele mehr zurückbliebe, der Körper im ewigen Frost des Todes erstarrt liegen. Nun aber bleibt die Seele gleichsam wie unter Asche verstecktes Feuer.

Auf was Weise aber nun dieser Schlaf entstehe, die Seele verstört werde, der Körper in Ermattung hinsinke, das sucht der Dichter auf mancherlei Weise zu erklären.

V. 959. Von den Träumen. Erfahrungen. Wobei der Mensch am meisten bei Tage verweilt, und womit er sich am meisten beschäftigt, dieses kommt ihm gemeiniglich wieder im Traume vor. Advokaten führen Prozesse, Feldherren Krieg, Schiffer liegen im Streit mit den Winden, und ich treibe hier dieses, forsche der Natur der Dinge nach, und schreibe, was ich erforscht, in vaterländischen Versen nieder.

Denjenigen, die mehrere Tage hindurch öffentlichen Spielen beigewohnt, scheinen solche noch lange hernach gleichsam vor den Augen zu schweben. Sie glauben die Spielenden und Tanzenden

noch vor sich zu sehen, den Schall der Zither und der Saiten zu hören, und die ganze Versammlung und den Glanz des Schauplatzes zu überschauen. So viel liegt an der Gewohnheit und Aufmerksam

keit auf die Dinge, womit man umgeht. Dieses werden wir nicht nur an Menschen, wir werden es auch an Thieren gewahr.

So siehst du die schnellen Rosse; obgleich ihre Glieder im Schlummer gestreckt liegen, doch schnauben sie noch oft, keuchen und schwitzen, gleichsam als wenn sie, bei geöffneten Schranken, nach der Siegespalme strebten.

Auch die Jagdhunde werfen öfters im Schlafe die Füfse umher, schlagen an, ziehen häufigen Athem an, als wenn sie die Spur des verfolgten Wildes schon gefunden hätten. Sie erwachen, und scheinen noch dem Bilde des flüchtigen Hirsches nachzujagen.

Auch das schmeichelnde Geschlecht der hausgewöhnten Hündchen schüttelt oft den leichten Schlaf von den Augen; sie raffen sich eilig auf, als wenn sie irgend eine fremde Gestalt vor sich sähen.

Je rauher aber die Stoffe der Bilder sind, desto gewaltsamer sind sie auch im Traume. Die bunten Vögelchen fliehen und beunruhigen nächtlicher Weise die Haine der Götter, wenn ihnen im leisen Schlaf ein Habicht erscheint, der seine Beute zu verfolgen sucht.

V. 1005. Was nun die Menschen mit grofsen Bewegungen thun oder vornehmen, das erscheint ihnen wieder im Schlafe.

Könige erobern, ordnen das Treffen, werden gefangen, schreien laut auf, als wenn sie eben ermordet würden, oder als wenn ein Panther oder Löwe sie zerrisse. Andere sprechen über wichtige Dinge, und haben sich selbst oft im Schlafe verrathen. Viele werden zum Tode geführt, andre stürzen sich vom Felsen, erwachen, und zittern noch am ganzen Körper, kommen kaum wieder zu sich selbst.

Der Durstende glaubt am Flusse oder an einer nahen Quelle zu sitzen, und schöpft die ganze Fluth in sich.

Kinder, vom tiefen Schlafe gebunden, glauben am Scherben oder an einer nahen Pfütze zu stehen, lassen den ganzen gesammelten Vorrath von sich, und befeuchten die prächtigen Babylonischen Decken. V. 1023. Nun kommt der Dichter auf die physischen Triebe zur Erzeugung. Er mahlt sie mit allem Feuer der Einbildungskraft aus; doch So, dafs er nie dem Gedanken ein lüsternes oder schlüpfriges Bild unterschiebt.. Im Gegentheil zeigt er den strengsten Ernst eines sittlichen Lehrers, und ist sowohl im Ethischen als Physiologischen unübertrefflich. Sein Vers nimmt einen höhern Schwung, um der Sache mehr Würde zu geben, und sie von allem Gemeinen zu enthalten.

Um den Ton etwas zu verändern, hat er auch die Lächerlichkeit thöricht verliebter Gecken komisch genug dargestellt.

Nachdem er die Liebe mit allen ihren verderblichen Einflüssen und Folgen geschildert hat, giebt er auch zuletzt noch einige allgemeine gute Vorschriften und Regeln.

FÜNFTES BUCH.

Der Dichter ist voll vom Lobe Epikurus. Er weifs ihm kein Lied zu singen, das würdig wäre seiner hohen Verdienste. Kein Sterblicher vermag es; denn göttliche Ehre gebührte dem, der uns zuerst jene Lehren der Weisheit gegeben hat, wodurch das Leben aus Finsternifs und Stürmen zu klarem Licht und in den ruhigen Hafen gebracht worden.

Vergleiche man die Wohlthaten jener, denen man doch göttliche Ehren erzeigt. Ceres hat Saaten gestiftet, Bacchus das Gewächs des Weines; doch konnte man ohne diese Dinge das Leben erhalten, wie man an Völkern ersieht, die jetzt noch ihrer entbehren.

Ist aber die Brust nicht gereinigt, so ist glückliches Leben nicht möglich. Um so mehr verdient dieser, dessen Ruhm schon überall verbreitet ist, ein Gott zu heifsen, der mit so süfsem Trost das Leben erquickt hat.

Solltest du aber meinen, die Thaten des Herkules giengen noch zuvor, so würdest du sehr dich irren. Denn was schadete uns noch jetzt jener Nemäische Löwe, das Arkadische Schwein, der Kretische Stier, die Lernäische Schlange? Was sollte uns die dreifache Brust des Riesen Geryon, des Diomedes Feuerschnaubende Rosse, die Arkadischen Vögel mit krummen Krallen, oder der ungeheure Drache, der die Hesperischen Aepfel bewacht? Was soll uns dieser, dort an der Atlantischen Küste, die keiner der unsern betritt, auch nicht einmal der Barbar? Noch giebt es Ungeheuer aller Art auf der Erde; aber es steht ja in unsrer Gewalt, die Orte zu vermeiden. Ist dir aber die Brust nicht rein, welch Unglück steht dir bevor! Welche Noth! Welche Gefahr! Wie zerreissen die wilden Begierden

das Herz! Was richtet der Hochmuth nicht an! Uebermuth, Unsauberkeit, Schwelgerei, und die niedrige Faulheit!

Solche Dinge, die Er, nicht mit Waffen, sondern mit Worten, unter sich gebracht und aus der Brust des Menschen verjagt hat, sollte man Ihn nicht unter die Zahl der Götter setzen können? Sonderlich noch, da er selbst so viel herrliches über die Götter gelehrt hat, und uns der Dinge ganze Natur aufgeschlossen.

V. 36. In seine Fufstapfen will nun der Dichter treten, und darthun, dass, unter welchem Beschlufs jegliches geschaffen worden, unter solchem es auch fortdauern müsse; nichts die mächtigen Gesetze der Natur verändern könne.

Und so haben wir gelehrt, dafs die Natur der Seele, mit dem Körper zugleich entstanden, auch mit ihm vergänglich sey. Nur im Traume erscheinen uns zuweilen die Gebilde der Verstorbenen.

V. 65. Nun führt ihn die Folge seiner Lehre zu beweisen, dafs auch diese Welt sterblicher Natur sey; entstanden, wieder vergehe. Dann auch, wie sich Erde, Himmel, Meer, die Gestirne, Sonne und Mond, gebildet haben; welche Thiere die Erde erzeugt hat, und welche nicht; wie endlich der Mensch durch den Gebrauch der Rede die Dinge bezeichnet hat; wie die Furcht vor den Göttern ihn getrieben, Bildsäulen, Haine, Tempel und Altäre als heilig zu verehren.

Ferner noch will er den Lauf der Sonne und des Mondes erklären; damit man nicht glauben möge, diese vollendeten aus freiem Willen ihren jährlichen Umlauf zwischen Himmel und Erde; oder andern Irrthümern beipflichte, die eine fremde Herrschaft annehmen, nicht wissend, dafs jedem Dinge zu seinem Dasein ein bestimmtes Gesetz obwalte.

V. 92. Nun fängt der Dichter an von dem Untergange der Welt zu sprechen, in feierlichen Versen.

Er sieht diesen als gewifs voraus, und verwahrt sich vor der Meinung derjenigen, die es für ruchlos halten, nur solches zu den- ken; da Erde, Sonne, Mond und Sterné von göttlicher Beschaffenheit seyen. Diese widerlegt er, und zeigt, dafs diese vielmehr alles lebendigen Sinnes beraubt sind.

Geist und Seele, sagt er, können nicht in jedem Körper wohnen, so wenig als der Baum im Aether, der Fisch auf den Feldern, und Wolken unter dem Meere. Jedem ist der eigene Ort bestimmt, worin es aufwachsen und gedeihen kann. So kann auch die Seéle nicht

allein für sich bestehen, ohne Körper, ohne Nerven und Blut. Könnte sie es, so würde sie ja auch in jedem Theile des Körpers wohnen können. Da nun aber die Orte bestimmt sind, woher sie Wachsthum und Gedeihen nehmen kann, so beweist dieses um so mehr, dass sie nicht aufser dem Körper, ohne thierische Bildung, bestehen könne; noch dafs Erde, Sonne, Wasser oder Luft beseelt, oder gar von göttlicher Natur seyn möchten.

Eben so wenig magst du glauben, dafs die heiligen Sitze der Götter in diesen Theilen der Welt sich befinden. Da die göttliche Natur die allerzarteste ist, so, dafs wir sie kaum mit dem Sinne des Gemüthes erreichen können, so müssen auch ihre Wohnungen, sehr verschieden von den unsrigen, von der feinsten Beschaffenheit seyn.

Ferner zu sagen, dafs die Götter um der Menschen willen dieses herrliche Werk der Schöpfung für ewige Zeiten zubereitet hätten, und dafs es billig deshalben sey, solches zu loben, es für unsterblich zu halten, und keinesweges an dessen Untergang zu glauben; dergleichen Reden scheinen mir albern. Was mag wohl den Unsterblichen, Ewigseligen, daran liegen, unserthalben sich solche Mühe zu geben? Was könnte sie antreiben, nach so langer Zeit der Ruhe zu entsagen, und etwas Neues zu unternehmen? Waren sie etwa des Vorigen überdrüssig? Brachten sie die Zeit vor Entstehung der Welt in Trauer und Finsternifs zu? Oder konnten wir über den Verlust des Lebens klagen,, das wir niemals gekostet hatten?

Dieses führet nun der Dichter noch weiter aus, und leugnet, nach den Lehren seiner Philosophie, den Einfluss seiner Götter (deren Existenz wir allerdings nicht recht begreifen können) auf den Bau und die Einrichtung dieser Welt.

V. 196. Hier wiederholt er, was schon oben gesagt war, dass, wenn er auch keine Kenntnifs von den ersten Stoffen der Materie hätte, er sich dennoch getraue, aus der Ansicht des Himmels selbst, und aus so vielen andern Gründen, zu behaupten, diese Natur der Dinge, mit so vielen Mängeln behaftet, könne nicht ein Werk der Gottheit bereitet für uns seyn.

Für's erste, von dem was hier der weite Umfang des Himmels umschliefst, wie viel reissen davon nicht die Berge weg, die von wilden Thieren bewohnte Wälder, Felsen, Seen und Sümpfe, und das Meer, das die Küsten der Erde weit auseinander hält. Beinahe zwei Theile nimmt die glühende Hitze und der starre Eisfrost dem Menschen weg.

Den übrigen Theil des Landes würde die Natur mit

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