Billeder på siden
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einander gestreut, wie Rauch und Feuer aus dem Holz; zum Theil mehr verdichtet und verwebt, wie die Häutchen, welche die Cicaden ablegen, oder welche die Kälber bei ihrer Geburt umschliefsen, oder die man von den schlüpfrigen Schlangen an Dornen und Hecken hängen sieht. So muss auch ein dünnes Bild sich von jedem Körper losmachen; denn es wäre nicht einzusehen, warum jene, die doch viel dichter und gröber sind, den Dingen entweichen könnten, und nicht vielmehr diese feinern, dünnern und zarten.

V. 70. So sehen wir auch viele Dinge aufsteigen und sich losmachen, nicht nur von dem Innern der Körper, wie vorher gesagt, sondern von ihrer äussersten Oberfläche, z. B. die Farben, die sich von den bunten Decken, womit man die Theater umhängt, losmachen, und das Parterre und den ganzen Schauplatz mit ihrem Scheine tünchen.

So sind auch die Bilder, die wir in Spiegeln, im Wasser, und auf jeder glatten Oberfläche sehen, nothwendig Abdrücke der äussern Gegenstände.

V. 103. Diese Bilder nun sind den Dingen vollkommen ähnliche Abdrücke, leicht und dünn, dafs man sie einzeln nicht zu sehen vermag; aber durch beständigen und häufigen Antrieb geben sie von der glatten Fläche des Spiegels die Gestalten wieder.

V. 109. Von der Kleinheit dieser Bilder. Sinnreich lässt sie uns der Dichter errathen. Es giebt ja Thierchen, sagt er, deren Dritttheil man kaum mehr mit der Schärfe des Auges entdecken kann. Nimm, wie grofs die innern Theile eines solchen Thierchens, seyn. mögen? die Augen? das Herz? Gelenke und Glieder? und endlich gar die Theile, die sein Gemüth bewegen? nidow

Dann auch die Theilchen der Düfte, die Kräuter und Blumen von sich hauchen? Daraus magst du erkennen, wie klein ein solches Bildchen seyn könne.nolfan dele

V. 130. Doch nicht allein die Bilderchen, die sich von Körpern losmachen, schwärmen umher; es giebt auch solche, die sich von selbst erzeugen, und sich in diesem untern Himmel zusammenfügen. Wie oft staunen wir die seltsamen Gestalten der Wolken an!

V. 144. Leichte und schnelle Erzeugung dieser Bilder, die ohne Unterlafs von den Dingen abfliessen. Fallen sie auf lockere Sachen, so gehen sie durch; von rauhen und harten werden sie zerrissen; nur von der dichten glatten Oberfläche des Spiegels werden sie gehörig zurückgeworfen. Und wie die Sonne stets neue Stralen schiefsen muss,

damit sich alles mit Licht erfülle, so stralen auch in jedem Augen. blick von jeder Seite neue Bilder hervor.

V. 177. Nun von der schnellen Beweglichkeit dieser Bilder will der Dichter singen, und zwar in wenigen, doch lieblichen Versen. Lieblicher ist das kurze Lied des Schwans, als das in den Wolken verhallende Gekreisch der Kraniche.

Kleine und leichte Körper sind sehr schnell. Diefs bemerkt man an den Stralen der Sonne und ihrer Wärme. So müssen auch die Bilder in einem Augenblick unermessliche Räume durchlaufen können, schneller noch als die Sonnenstralen, da sie nichts in ihrem Wege aufhält, und sie von der kleinsten Bildung sind.

V. 217. So müssen wir also zugestehen, dafs es dergleichen Körperchen giebt, die das Auge treffen und das Gesicht reizen. Eben so fliessen auch beständig von gewissen Dingen Gerüche aus, wie Kälte von Flüssen, Wärme von der Sonne, Salzduft von den Meereswogen, der die Mauern an den Ufern ausfrifst. Immer schwärmen auch Stimmen umher; gehen wir am Meeresufer, so setzt sich Salzduft an unsre Lippen, und bittrer Geschmack an den Orten, wo man Wermuth zerstöfst. So geht von allen Dingen ohne Unterlafs etwas fliessend hinweg; denn wir fühlen, sehen, riechen und hören immer.

Was

Auch stimmt Gesicht und Gefühl in vielen Sachen übereir wir als Viereck fühlen, zeigt sich auch dem Auge als Viereck. In den Bildern liegt also der Grund, dass wir die Dinge sehen können, und ohne diese sehen wir nichts.

V. 240. Die Bilder schiefsen nach allen Seiten hin; aber weil wir blos mit den Augen sehen können, so erscheinen sie uns von der Seite, wohin sich das Auge richtet.

norAuch sind die Bilder Ursache, dafs wir die Dinge in der Entfernung sehen. Umständlicher Beweis hievon.

Warum wir die Bilder einzeln nicht sehen können, nur ihre Wirkung im Ganzen fühlen. Beispiele vom Wind, von der Kälte. Stofsen wir mit dem Finger an einen Stein, so berühren wir nur die Oberfläche, fühlen sie nicht, aber die Härte, die durch den ganzen Stein geht. V. 270. Hier erklärt der Dichter die Erscheinungen mit dem Spiegel; die man aber selbst nachlesen muss.

V. 325. Glänzende Dinge beleidigen das Auge. Die Sonne macht erblinden, wenn man sie lange ansieht; denn sie treibt die Bilder mit Heftigkeit herab, und zerstört dadurch den Bau und das Gewebe der Augen.

Dem Gelbsüchtigen erscheinet alles bleich und gelb, weil der bleiche Saft der Augen die Bilder zuvor tünchet.

V. 338. Warum man aus dem Dunkeln ins Helle sehen kann, aber nicht aus dem Hellen ins Dunkle.

V. 354. Nun folgen mehrere Sinnentäuschungen.
Viereckigte Thürme scheinen in der Ferne rund.

Woher der Schatten uns zu folgen scheint.

Fahren wir zu Schiffe, so scheint uns unser Schiff still zu stehn, die Gegenstände aber vorüber zu gehen.

So mit den Gestirnen. Sie scheinen still zu stehen, da doch alles in beständiger Bewegung ist.

Weitgetrennte Felsen im Meere scheinen aus der Ferne nur Eine Insel auszumachen.

Knaben, die sich im Spiele herumdrehen, denen scheint Zimmer und Säulen sich mitzudrehen.

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Wann die Natur die röthliche Sonnenscheibe mit zitternden Stralen Morgens über die Berge hebt, so scheint dir ihr Feuer die Spitzen. der Berge beinahe zu berühren, und doch liegen ungeheure Meere, Länder und Reiche noch zwischen den beiden.

Zeigt dir nicht jede Pfütze einen tiefen Abgrund, worin du Sonne Mond und Sterne erblicken kannst!

Steht dein Rofs mitten im Strome still, und du schaust hinab in die reissende Fluth, so scheint dir dein Pferd gegen den Fluss hingetrieben, und alle umliegende Gegenstände mit ihm.

Der Säulengang, der in gleichem Maafs, Richtung und Höhe, fortläuft, scheint sich gegen das Ende zusammenzuziehen, und die Spitze selbst sich zur Erde zu neigen.

Dem Schiffer auf dem Meere scheint die Sonne aus den Wellen emporzusteigen, und in den Wellen unterzugehn.

Schiffe, die im Hafen liegen, scheinen dem Unkundigen schief zu seyn, und mit gebrochenen Rudern den Wogen anzustreben. Die Theile über der Fluth sind gerade, was unter dem Wasser ist, gebogen und schräg, sich zurückwendend, und beinahe auf der Oberfläche schwimmend.

Wann nächtlich der Wind die zerstreuten Wolken umhertreibt, so scheinen die glänzenden Gestirne sich gegen sie zu bewegen, und von der gewöhnlichen Laufbahn abzuweichen.

Drückst du mit der Hand das eine Auge empor, Lucret. I.

so erscheint

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10.

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14.

15.

dir alles doppelt; doppelt die blühenden Kerzen mit den Leuchtern, und doppelt der ganze Hausrath.

Endlich, wann der süfse Schlaf die Glieder gebunden hält, und der Körper gänzlich in Ruhe aufgelöfst ist, so scheint doch noch etwas in uns zu wachen, so, dass wir glauben uns're Glieder zu bewegen, die Sonne zu sehen, und alle Gegenstände der Natur, weite Reisen zu machen, Töne zu hören, selbst bei schweigendem Ernste der Nacht, und am eingeschlossenen Orte.

V. 464. Mehrere Dinge dieser Art, die wunderbar scheinen, zeigen sich uns, und suchen gleichsam allen Glauben an die Sinne in uns zu schwächen. Doch umsonst; das Gemüth täuscht sich nur selber; kann das Zuverlässige nicht vom Zweifelhaften trennen, und verfällt in Irrthum.

Wer übrigens vorgiebt, dafs man nichts wissen könne, der weifs ja das selbst nicht, dass er nichts weiss.

V. 475. Hier fängt nun der Dichter an zu beweisen, dass aller Grund der Wahrheit auf der Zuverlässigkeit der Sinne beruhe. Dazu trägt er mehrere sehr triftige Argumente vor.

V. 516. Endlich, wenn bei nicht gerade und eben gestellt ist, haft, krumm und schief werden.

einem Baue das erste Richtmaas

so wird der ganze Bau fehlerSo würden wir auch von keiner

Sache ein richtiges Urtheil fällen können, wenn wir uns nicht auf den zuverlässigen Grund der Sinne stützen könnten.

V. 525. Nun kommt der Dichter auch auf die übrigen Sinne, wie und auf was Weise wir durch sie empfinden.

Erstlich das Gehör. Ton und Stimme treffen auf den Sinn, und sind also körperlich. Auch greifen sie selbst das Werkzeug der Stimme an; denn sie machen es rauher, und lange Reden schwächen die Menschen.

Andere Formen der Stoffe dringen ins Ohr, wenn die Tuba aufbrummt, oder wenn der Schwan sein letztes süsses Lied anstimmt.

V. 576. Vom Wiederhall oder Echo. Der Dichter selbst befand sich an Orten, die sechs bis siebenmal die Worte wiedergaben. So wirft ein Hügel dem andern die anschlagenden Laute zurück.

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Dergleichen Orte hält der Landmann von Faunen und Nymphen bewohnt, und behauptet, dafs sie da ihr nächtliches Kurzweil trieben. Auch höre man oft das Getöne der Saiten und süfsen Flöten, und weither das Geräusche des Fichtebekränzten Pans, und den Waldgesang seiner vieltönigen Flöte.

Solches sagen sie, damit man nicht glauben möge, die öden Orte seyen ganz von den Göttern verlassen, oder aus irgend einem andern Grunde; denn man weifs ja, wie sehr das Menschengeschlecht nach Fabeln und Mährchen das Ohr hängt.

V. 600. Warum die Töne die den Augen verschlossenen Orte durchdringen können.

Die Töne theilen und verbreiten sich nach allen Seiten, aber die Bilder gehen in gerader Richtung, deshalb man auch nicht über sich noch rückwärts sehen kann.

V. 620. Nun zum Geschmack. Zunge und dem Munde mittheilt.

Erklärung, wie sich dieser der Der Geschmack theilt sich nur bis

zu Ende des Gaumes mit; weiter hinab verliert er sich.

Warum dem Einen angenehm und gedeihlich ist, was dem andern widrig und schädlich seyn kann.

Dasselbe auch bei den Thieren. Viel hängt von der Beschaffenheit des Körpers ab, ob er sich in gesundem oder kränklichem Zustande befindet.

V. 677. Der Geruch. Dafs es viele Dinge gebe, von denen ein gewisser Duft ausfliesse, ist klar. Einige der Theilchen sind jedoch mehr als andere gewissen Thieren willkommen. So reizt der Geruch vom Honig weither die Bienen; den Geier hingegen der Geruch des Aases. Die Spur der gespaltenen Klaue des Wildes zieht die Hunde nach sich, und die schneeweifse Gans, die Beschützerin der romulischen Bürger, wittert weither den menschlichen Geruch. So lockt der verschiedene Geruch die verschiedenen Thiere jedes zu seinem Futter, und schreckt sie ab von dem, was ihnen schädlich seyn könnte. Der Geruch erstreckt sich indefs nicht so weit als die andern Sinne. Ursache hievon.'

V. 710. Nicht aber Geschmack und Geruch allein sind einigen zuträglich, andern widrig. Auch die äufsern Gestalten und Farben bekommen nicht jeglichem. So, sagt man, kann der Löwe die Gestalt und das Geschrei des Hahnes nicht ertragen. Er flieht sogleich davon. Ursache.

V. 726. Hier beschliefst nun der Dichter seine Erklärungen über die äussern Sinne und deren Eigenschaften, und kommt auf das, was unsern innern Sinn und das Gemüth rührt und in Bewegung setzt.

Er leitet allen Eindruck von den Bildern her, die auf dasselbe wirken; sie, die sich beständig von allen Dingen ablösen, und in Unzahl in den freien Lüften umherschwärmen. Diese sind noch viel feiner

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