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Drittes Capitel.

Wilhelm hoffte nunmehr, da er die Gesellschaft in so guter Disposition sah, sich auch mit ihr über das dichterische Verdienst der Stücke unterhalten zu können. Es ist nicht genug, sagte er zu ihnen, als sie des andern Tages wieder zusammen kamen, daß der Schauspieler ein Stück nur so obenhin ansehe, dasselbe nach dem ersten Eindrucke beurtheile, und ohne Prüfung seinen Gefallen oder Mißfallen daran zu erkennen gebe. Dieß ist dem Zuschauer wohl erlaubt, der gerührt und unterhalten seyn, aber eigentlich nicht urtheilen will. Der Schauspieler dagegen soll von dem Stücke und von den Ursachen ` seines Lobes und Tadels Rechenschaft geben können: und wie will er das, wenn er nicht in den Sinn seines Autors, wenn er nicht in die Absichten desselben einzudringen versteht? Ich habe den Fehler, ein Stück aus einer Rolle zu beurtheilen, eine Rolle nur an sich und nicht im Zusammenhange mit dem Stücke zu betrachten, an mir selbst in diesen Tagen so lebhaft bemerkt, daß ich euch das Beispiel erzählen will, wenn ihr mir ein geneigtes Gehör gönnen wollt.

Ihr kennt Shakespears unvergleichlichen Hamlet aus

einer Vorlesung, die euch schon auf dem Schlosse das größte Vergnügen machte. Wir setzten uns vor, das Stück zu spielen, und ich hatte, ohne zu wissen was ich that, die Rolle des Prinzen übernommen; ich glaubte sie zu studieren, indem ich anfing, die stärksten Stellen, die Selbstgespräche und jene Auftritte zu memoriren, in denen Kraft der Seele, Erhebung des Geistes und Lebhaftigkeit freien Spielraum haben, wo das bewegte Ge= müth sich in einem gefühlvollen Ausdrucke zeigen kann.

Auch glaubte ich recht in den Geist der Rolle einzus dringen, wenn ich die Last der tiefen Schwermuth gleichsam selbst auf mich nähme, und unter diesem Druck meinem Vorbilde durch das seltsame Labyrinth so mancher Launen und Sonderbarkeiten zu folgen suchte. Co memorirte ich, und so übte ich mich, und glaubte nach und nach mit meinem Helden zu einer Person zu werden.

Allein je weiter ich kam, desto schwerer ward mir die Vorstellung des Ganzen, und mir schien zulekt fast unmöglich, zu einer Ueberficht zu gelangen. Nun ging ich das Stück in einer ununterbrochenen Folge durch, und auch da wollte mir leider manches nicht passen. Bald schienen sich die Charaktere, bald der Ausdruck zu widersprechen, und ich verzweifelte fast, einen Ton zu finden, in welchem ich meine ganze Rolle mit allen Abweichungen und Schattirungen vortragen könnte. In diesen Irrgången bemühte ich mich lange vergebens,

bis ich mich endlich auf einem ganz besondern Wege meinem Ziele zu nåhern hoffte.

Ich suchte jede Spur auf, die sich von dem Charakter Hamlets in früher Zeit vor dem Tode seines Vaters zeigte; ich bemerkte, was unabhängig von dieser traurigen Begebenheit, unabhängig von dem nachfolgenden schrecklichen Ereignisse, dieser interessante Jüngling gewesen war, und was er ohne sie vielleicht geworden wäre.

Zart und edel entsproffsen wuchs die königliche Blume, unter den unmittelbaren Einflüssen der Majestät, hervor; der Begriff des Rechts und der fürstlichen Würde, das Gefühl des Guten und Anständigen mit dem Bewußtseyn der Höhe feiner Geburt, entwickelten sich zugleich in ihm. Er war ein Fürst, ein geborner Fürst, und wünschte zu regieren, nur damit der Gute ungehindert gut seyn möchte. Angenehm von Gestalt, gesittet von Natur, gefällig von Herzen aus, sollte er das Muster der Jugend seyu und die Freude der Welt werden.

Ohne irgend eine hervorstechende Leidenschaft war seine Liebe zu Ophelien ein stilles Vorgefühl süßer Bedürfnisse; sein Eifer zu ritterlichen Uebungen war nicht ganz original; vielmehr mußte diese Lust, durch das Lob, das man dem Eritten beilegte, geschärft und er= höht werden; rein fühlend kannte er die Redlichen, und wußte die Ruhe zu schätzen, die ein aufrichtiges Gemüth an dem offnen Busen eines Freundes genießt. Bis auf einen gewissen Grad hatte er in Künsten und Wissenschaf

ten das Gute und Schöne erkennen und würdigen gelernt; das Abgeschmackte war ihm zuwider, und wenn in seiner zarten Seele der Haß aufkeimen konnte, so war es nur eben so viel als nöthig ist, um bewegliche und falsche Höflinge zu verachten, und spöttisch mit ihnen zu spielen. Er war gelassen in seinem Wesen, in seinem Betragen einfach, weder im Müßiggange behaglich, noch allzubegierig nach Beschäftigung. Ein akademisches Hinschlendern schien er auch bei Hofe fortzusehen. Er besaß mehr Fröhlichkeit der Laune als des Herzens, war ein guter Gesellschafter, nachgiebig, bescheiden, besorgt, und konnte eine Beleidigung vergeben und vergessen; aber niemals konnte er sich mit dem vereinigen, der die Grånzen des Rechten, des Guten, des Anständigen überschritt.

Wenn wir das Stück wieder zusammen lesen werden, könnt ihr beurtheilen, ob ich auf dem rechten Wege bin. Wenigstens hoffte ich meine Meinung durchaus mir Stellen belegen zu können.

Man gab der Schilderung lauten Beifall; man glaubte voraus zu sehen, daß sich nun die Handelsweise Hamlets gar gut werde erklären lassen; man freute sich über diese Art, in den Geist des Schriftstellers einzudringen. Jeder nahm sich vor, auch irgend ein Stück auf diese Art zu studieren und den Sinn des Verfassers zu entwickeln.

Viertes Capitel.

Nur einige Tage mußte die Gesellschaft an dem Orte liegen bleiben, und sogleich zeigten sich für verschiedene Glieder derselben nicht unangenehme Abenteuer, beson ders aber ward Laertes von einer Dame angereizt, die in der Nachbarschaft ein Gut hatte, gegen die er sich aber äußerst kalt, ja unartig betrug, und darüber von Philinen viele Spöttereien erdulden mußte. Sie ergriff die Gelegenheit, unserm Freunde die unglückliche Liebesgeschichte zu erzählen, über die der arme Jüngling dem ganzen weiblichen Geschlechte feind geworden war. Wer wird ihm übel nehmen, rief sie aus, daß er ein Geschlecht haßt, das ihm so übel mitgespielt hat, und ihm alle Uebel, die sonst Männer von Weibern zu befürch= ten haben, in einem sehr concentrirten Tranke zu verschlucken gab? Stellen Sie sich vor: binnen vier und zwanzig Stunden war er Liebhaber, Bräutigam, Ehemann, Hahurey, Patient und Wittwer! Ich wüßte nicht, wie man's einem årger machen wollte.

Laertes lief halb lachend, halb verdrießlich zur Stube hinaus, und Philine fing in ihrer allerliebsten Art die Geschichte zu erzählen an, wie Laertes als ein junger

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