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nicht sah, was er meinte sehen zu müssen, eine regenbogenfarbig colorierte, sondern was er sehen mußte, eine weiße Wand (nur an den Rändern farbig), war er überzeugt, zwischen dieser Erscheinung und der Lehre Newtons einen Widerspruch gefunden zu haben, der die allgemein angenommene Theorie völlig aufhebe. Diese Entdeckung, die ihm jeder der befragten Fachmänner sofort als Irrthum darthat, machte ihn gegen die Lehre von der Optik so mißtrauisch und ungläubig, daß er sich entschloß, den physikalischen Theil der Lehre des Lichts und der Farben ohne jede andere Rücksicht vorzunehmen und gleichsam für einen Augenblick zu supponieren, als wenn in demselben noch vieles zweifelhaft, noch vieles zu erfinden wäre. Er fieng eine feststehende, mathematisch bewiesene Wissenschaft von vorn an, ohne sich um die Mathematik zu kümmern, und kehrte von einem durch ein allgemeines Gesetz beherrschten und geordneten Zustande der Wissenschaft zu jenem Zustande zurück, in dem man Versuche machte, um ein allgemeines Gesez zu finden. In seinem ersten Beitrage zur Optik legte er 'die einfachsten prismatischen Versuche' vor, von denen er gestand, daß sie zwar nicht alle neu, aber doch nicht so bekannt seien, als sie es zu sein verdienten. Ohne es deutlich auszusprechen, ließ er durchblicken, daß alle Farben aus der Wechselwirkung des Hellen und Trüben entständen. Die Versuche waren meistens an farbigen Gegenständen, nicht am farblosen weißen Lichte, das nach Newton alle Farben einschließt, gemacht, so daß die gefundenen Resultate der Newtonischen Theorie so wenig widersprechen, wie sie stüßen konnten, weil sie nicht die Ursache, das Licht, sondern die Wirkung, die Farben an Körpern, betrafen und mit dem Newtonischen Geseße so gut wie nichts zu schaffen hatten. Der erste Beitrag zur Optik 'wurde mit schlechtem Dank und hohlen Redensarten der Schule bei Seite gelegt.' Aber Goethe, der damit etwas Reelles und Bleibendes zu leisten gehofft und das Publikum erst mit diesem Pensum bekannt wissen wollte, ehe er weiter spreche, ließ sich nicht irre machen und legte den zweiten Beitrag zur Optik vor, der dasselbe Schicksal hatte, wie der frühere.

Seitdem sprach er bis zum Erscheinen der Farbenlehre (1810) nur gelegentlich, wie in den Anmerkungen zu Diderots Aufsatz über die Malerei, öffentlich über den Gegenstand, aber in seinen Briefen zeigt er sich stets eifrig damit beschäftigt. Im Juli 1793 sandte er aus dem Lager bei Marienborn die Resultate seiner Erfahrungen, bei denen er beständig geblieben ist, nur daß er dieselben erweiterte, an Jacobi; fie bestehen in sechs Punkten: '1. Das Licht ist das einfachste, unzerlegtefte, homogenste Wesen' das wir kennen. Es ist nicht zusammengesetzt. 2. Am allerwenigsten aus farbigen Lichtern. Jedes Licht, das eine

Das Helle

Farbe angenommen hat, ist dunkler als das farblose Licht. kann nicht aus der Dunkelheit zusammengesetzt sein. 3. Inflexion, Refraction, Reflexion find drei Bedingungen, unter denen wir oft apparente Farben erblicken, aber alle drei sind mehr Gelegenheit zur Erscheinung, als Ursache derselben. Deun alle drei Bedingungen können ohne Farbenerscheinung existieren. Es gibt auch noch andere Bedingungen, die sogar bedeutender sind, als z. B. die Mäßigung des Lichts, die Wechselwirkung des Lichts auf die Schatten. 4. Es gibt nur zwei reine Farben, blau und gelb, eine Farbeneigenschaft, die beiden zukommt, roth, und zwei Mischungen, grün und purpur, das Uebrige find Stufen dieser Farben oder unreine. 5. Weder aus apparenten Farben fann farbloses Licht, noch aus farbigen Pigmenten ein weißes zusammengesetzt werden. Alle aufgestellte Experimente sind falsch oder falsch angewendet. 6. Die apparenten Farben entstehen durch Modification des Lichts durch äußere Umstände. Die Farben werden an dem Lichte erregt, nicht aus dem Lichte entwickelt. Hören die Bedingungen auf, so ist das Licht farblos wie vorher, nicht weil die Farben wieder in dasselbe zurückkehren, sondern weil sie ceffieren. Wie der Schatten farblos wird, wenn man die Wirkung des zweiten Lichts hinwegnimmt.'

Zunächst bearbeitete er die Lehre von den farbigen Schatten und den chemischen Theil, der ihm 'sehr interessante Resultate' darbot. Als seine Aufgabe bezeichnete er in Betreff der Methode: die Phänomene zu erhaschen, sie zu Versuchen zu fixieren, die Erfahrungen zu ordnen und die Vorstellungen darüber kennen zu lernen, bei dem ersten aufmerksam, bei dem zweiten so genau als möglich zu sein, bei dem dritten vollständig zu werden und beim vierten vielseitig zu bleiben. Dabei sanken die Gelehrten immer mehr in seiner Schäßung und er lebte sich förmlich in die Vorstellung hinein, als belagere er ein altes Schloß der Theorie. Es fand sich eine edle Gesellschaft, welche Vorträge dieser Art gern anhörte und ihm den großen Vortheil der Vergegenwärtigung seines Wissens gewährte. Wissenschaftliche Theilnahme und Mitarbeit andrer wollte sich nicht einfinden, und erst als Goethe sich vornahm, außer mit Schiller und Meyer mit niemand über die Sache zu conferieren, gewann er Freude und Muth. Ob diese beiden für diese Untersuchungen die geeigneten Mitarbeiter waren, mag dahin gestellt bleiben. Meyer stimmte unbedingt bei; Schiller war bemüht, die bloße Empirie zum rationellen Empirismus zu erheben und das gesammelte Material darnach zu reinigen und zu sondern; ja er gab indirect zu bedenken, daß mau, wenn man auch die Synthese der Natur anerkenne und sie als ein in ihren Functionen verbunden wirkendes Ganze betrachte, die

selbe doch künstlich aufheben müffe, wenn man forschen wolle, und er erklärte sich damit für das von Goethe so heftig verworfne Sondern eines Strahles aus dem allgemeinen Lichte. Aber Goethe gieng über solche Andeutungen hinweg. Selbst Einwürfe, deren Richtigkeit er zugestand, daß er nicht immer bei dem nämlichen Subject geblieben sei und bald Licht, bald Farbe, bald das Allgemeinste, bald das Besonderste genommen habe, hatten für ihn 'gar nichts zu sagen'; aber sie machten ihn doch aufmerksam und erst jezt schied er mit Schillers Hülfe die physiologischen, physischen und chemischen Theile. Allein er macht ge= legentlich das Bekenntniß, daß es ihm schwer, wenn nicht unmöglich falle, das Hypothetische vom Factischen zu trennen, 'weil sich gewisse Vorstellungsarten doch bei ihm festgesetzt und gleichsam factifirt haben'; er bittet Schiller, ihm bei dieser Sonderung zu helfen; aber aus dem ganzen Briefwechsel geht klar hervor, daß Schiller die Grundhypothese nicht untersucht, sondern auf Goethes Autorität hin zugegeben hat. So konnte von dieser Seite, auf der die mathematischen Kenntnisse gleichfalls fehlten, nur eine secundäre, keine wesentliche Förderung geboten werden, und der Grundirrthum, daß ein meßbarer Gegenstand ohne Mathematik genügend und richtig erkannt werden könne, blieb unangefochten. Noch zu Lebzeiten Schillers (1803) begann Goethe die Ausarbeitung für den Druck aus seinen Papieren, die denselben Gegenstand oft zwei dreimal behandelt darboten und mehr hemmten, als förderten ; aber erst nach des Freundes Tode (1806) gieng er an eine planmäßige Redaction. Was er nach seiner Weise an den physiologischen Farben thun konnte und wollte, war gethan; ebenso lagen die Anfänge des Geschichtlichen bereits vor, und der Druck des ersten und zweiten Theiles konnte gleichzeitig beginnen. Goethe wandte sich zu den Farben bei krankhaftem Verhalten des Auges und beschrieb z. B. die Akyanoblepsie, den Mangel, gewisse Farben zu erkennen. Erklärt ist diese pathologische Erscheinung bei Goethe nicht und läßt sich aus seiner Theorie nicht ers klären, während sie aus Newtons Lehre und aus der Wellentheorie nicht schwer zu erklären ist.

Das Nächste war die Behandlung der physischen Farben. Dabei spricht Goethe (in den Tages- und Jahresheften) kurz seine Ueberzeugung aus, daß, da wir alle Farben nur durch Mittel und an Mitteln sehen, die Lehre vom Trüben, als dem allerzartesten und reinsten Materiellen, derjenige Beginn sei, woraus die ganze Chromatik sich entwickle.' Er redigierte, 'was er alles über Refraction mit sich selbst und andern verhandelt hatte.' 'Denn hier, bemerkt er, 'war eigentlich der Aufenthalt jener bezaubernden Prinzessin, welche im siebenfarbigen Schmuck die ganze Welt zum Besten hatte; hier lag der grimmig

sophistische Drache, einem jeden bedrohlich, der sich unterstehen wollte, das Abenteuer mit diesen Frrsalen zu wagen.' Er glaubt dabei ausführlich gewesen zu sein, und nichts versäumt zu haben. Daß, wenn bei der Refraction Farben erscheinen, ein Bild, eine Grenze verrückt werden müsse, ward festgestellt. Wie sich bei subjectiven Versuchen schwarze und weiße Bilder aller Art durchs Prisma an ihren Rändern verhalten, wie das Gleiche geschieht an grauen Bildern aller Schattirungen, an bunten jeder Farbe und Abstufung, bei stärkerer oder ge= ringerer Refraction, alles ward streng auseinandergesetzt, und er war überzeugt, daß der Lehrer, die sämmtlichen Erscheinungen in Versuchen vorlegend, weder an dem Phänomen, noch am Vortrag etwas vermissen werde.'

Die Physiker waren aber gerade mit diesem Theile nicht zufrieden und wandten ein, wenn die durch das Glas betrachtete Grenze einer Scheibe gleichsam in den Hintergrund trete und sich über denselben wegschiebe, sich auch die Theile des Hintergrundes ebenfalls vom Mittelpunkt entfernen und also nicht eines das andre verdränge, eines über dem andern sich nicht ausbreite. Es finde auch Verrückung eines Bildes statt oder man sehe vielmehr einen Gegenstand nicht an seiner wahren Stelle, wenn man ihn durch ein Glas mit parallelen Oberflächen, z. B. einen Würfel betrachte, und dennoch bemerke man keine Farben. Daraus folge, daß auf die Verrückung allein nichts ankomme. Zwar helfe sich Goethe damit, daß er seine Zuflucht zu trüben Nebenbildern nehme, ohne eigentlich zu zeigen, wie sie entstehen, welche außer den Hauptbildern noch zugleich stattfinden sollten. Die Annahme, daß, wenn man einen Gegenstand durch ein Glas betrachte, derselbe zwar durch die Refraction verrückt werde, aber nicht vollkommen, nicht rein, nicht scharf verrückt, sondern unvollkommen, so daß ein Nebenbild entstehe, wodurch das Hauptbild nicht scharf von Grunde ausgeschnitten, sondern mit einer Art von grauem, einigermaßen gefärbtem Rande, mit einem Nebenbilde, erscheine, diese Annahme sei das, was man in der Dioptrik die Undeutlichkeit wegen der Gestalt des Glases nenne, und diese Undeutlichkeit finde bekanntlich nur bei Gläsern mit gekrümmten Oberflächen, nicht aber bei einem Glase mit ebenen Oberflächen, z. B. einem Prisma, einem Würfel, statt. Man müsse ferner fragen, warum die Bilder von Gegenständen vor einem metallenen, nicht doppelt zurückwerfenden Hohlspiegel nicht auch mit farbigen Säumen begabt seien, da sie bekanntlich wegen einer ähnlichen Abweichung auch nicht scharf abgeschnitten, sondern mit Goethes 'trüben Nebenbildern' versehen seien. Wenn die Farben ferner nichts weiter als Halbschatten, wie Goethe sich ausdrücke, seien, Mischungen von Licht und Nichtlicht, was dann den

eigenthümlichen Charakter des Grauen ausmache, das doch auf eine gleiche Weise an Licht und Finsterniß Theil nehme und in manchen Gradationen vorkomme, von denen doch keine einzige eine Farbe sei.

In dieser Weise wurden in den verschiedenen wissenschaftlichen Blättern, die Goethe selbst anzeigt, die Grundlagen seiner Farbenlehre bestritten und überall wurde darauf gehalten, daß man eine mathematische Materie nicht ohne Mathematik abhandeln könne. Eine besonders eingehende Untersuchung widmete der Kieler Profeffor C. H. Pfaff 1813 dem polemischen Theile, in welchem Goethe Versuche Newtous übersetzt und mit seinen Entgegnungen begleitet hatte. Das Resultat war für Goethe ungünstig; jene Newtonischen Versuche seien mißverstanden oder falsch angesehen. Zwar habe Newton einige Versuche besser ordnen, manche weniger künstlich combinieren, andre mit genauerer Angabe der einzelnen Umstände, unter denen sie den angeblichen Erfolg gehabt, darstellen können, um weniger mißverstanden zu werden; aber er habe für Physiker von Beruf, nicht für Dilettanten geschrieben, und jenen sei es leicht, wenn sie das Ganze übersehen hätten und in den Geist der Theorie eingedrungen seien, die Anordnung und den Zusammenhang für das besondre Bedürfniß der Schule wie der Liebhaber abzuändern. Pfaff sandte seinen Versuch' in gutem Glauben an Goethe, der sich über die zudringliche Unart der Deutschen sehr entrüstet äußerte, dagegen für Zustimmung sehr dankbar war und jedesmal die reinste Freude hatte, wenn jemand seine Lehre annahm. Er bekannte: 'wenu die Deutschen sich einer allgemeinen Untheilnahme befleißigen und auf eine häßliche Art dasjenige ablehnen, was sie mit beiden Händen ergreifen sollten, so ist der Einzelne wirklich himmlisch, wenn er treu und redlich Theil nimmt und freudig mitwirkt. Und solche Theilnahmè erlebte er von Zeit zu Zeit, zunächst von Seiten einiger Maler wie Jage= mann und Runge; dann schien sich eine Aussicht zu bieten, die Lehre nach Frankreich zu führen. Der französische Gesandte Reinhard hatte sich in Karlsbad einen Vortrag Goethes über die neue Lehre gefallen lassen und, so wenig er selbst auch sich dafür oder dagegen interessierte, andre dafür zu interessieren gesucht. Villers in Göttingen, damals der Vermittler deutscher und französischer Wissenschaft, wollte darüber für Frankreich berichten; aber er hatte Goethe nicht verstanden. 'Wenn Villers, schrieb Goethe an Reinhard, die Colorisation von der Natur des Lichtes abhängig macht, so schiebt er die Untersuchung in die Ewigkeit; denn die Natur des Lichtes wird wohl nie ein Sterblicher aussprechen, und sollte er es können, so wird er von niemand so wenig wie das Licht verstanden werden.'

Große Freude gewährte die Theilnahme des Staatsraths Schult in

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