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ihr Mann macht mit einer alten Mutter und der Magd ganz artig die Ehre des Hauses. Wir bestellten etwas zu essen und ließen uns die warmen Quellen zeigen, die an verschiedenen Orten sehr stark aus der Erde hervorkommen und reinlich eingefaßt sind. Außer dem Dorfe, gegen das Gebirge zu, sollen noch einige stärkere seyn. Es hat dieses Wasser nicht den mindesten schwefelichten Geruch, sezt, wo es quillt und wo es durchfließt, nicht den mindesten Oker noch sonst irgend etwas Mineralisches oder Frdisches an, sondern läßt wie ein anderes reines Wasser keine Spur zurück. Es ist, wenn es aus der Erde kommt, sehr heiß und wegen seiner guten Kräfte berühmt. Wir hatten noch Zeit zu einem Spaziergang gegen den Fuß des Gemmi, der uns ganz nahe zu liegen schien. Ich muß hier wieder bemerken, was schon so oft vorgekommen, daß wenn man mit Gebirgen umschlossen ist, einem alle Gegenstände so außerordentlich nahe scheinen. Wir hatten eine starke Stunde über herunter gestürzte Felsstücke und dazwischen geschwemmten Kies hinauf zu steigen, bis wir uns an dem Fuß des ungeheuren Gemmibergs, wo der Weg an steilen Klippen aufwärts gehet, befanden. Es ist dieß der Uebergang ins Berner Gebiet, wo alle Kranken sich müssen in Sänften herunter tragen lassen. Hieß' uns die Jahrszeit nicht eilen, so würde wahrscheinlicher Weise morgen ein Versuch gemacht werden, diesen so merkwürdigen Berg zu besteigen: so aber werden wir uns mit der bloßen Ansicht für dießmal begnügen müssen. Wie wir zurückgingen, sahen wir dem Gebräude der Wolken zu, das in der jeßigen Jahreszeit in diesen Gegenden äußerst interessant ist. Ueber das schöne Wetter haben wir bisher ganz vergessen, daß wir im November leben; es ist auch, wie man uns im Bernschen voraussagte, hier der Herbst sehr gefällig. Die frühen Abende und Schnee verkündende Wolken erinnern uns aber doch manchmal, daß wir tief in der Jahreszeit sind. Das wunderbare Wehen, das sie heute Abend verführten, war außerordentlich schön. Als wir vom Fuß des Gemmibergs zurück kamen, sahen wir, aus der Schlucht von Inden herauf, leichte Nebelwolken sich mit großer Schnelligfeit bewegen. Sie wechselten bald rückwärts bald vorwärts, und kamen endlich aufsteigend dem Leukerbad so nah, daß wir wohl

sahen, wir mußten unsere Schritte verdoppeln, um bei hereinbrechender Nacht nicht in Wolken eingewickelt zu werden. Wir kamen auch glücklich zu Hause an, und während ich dieses hinschreibe, legen sich wirklich die Wolken ganz ernstlich in einen fleinen artigen Schnee auseinander. Es ist dieser der erste, den wir haben, und, wenn wir auf unsere gestrige warme Reise von Martinach nach Sion, auf die noch ziemlich belaubten Rebengeländer zurück denken, eine sehr schnelle Abwechselung.

Ich bin in die Thüre getreten, ich habe dem Wesen der Wolken eine Weile zugesehen, das über alle Beschreibung schön ist. Eigentlich ist es noch nicht Nacht, aber sie verhüllen abwechselnd den Himmel und machen dunkel. Aus den tiefen Felsschluchten steigen sie herauf, bis sie an die höchsten Gipfel der Berge reichen; von diesen angezogen, scheinen sie sich zu verdicken und, von der Kälte gepackt, in Gestalt des Schnees niederzufallen. Es ist eine unaussprechliche Einsamkeit hier oben, in so großer Höhe doch noch wie in einem Brunnen zu seyn, wo man nur vorwärts durch die Abgründe einen Fußpfad hinaus vermuthet. Die Wolken, die sich hier in diesem Sacke stoßen, die ungeheuren Felsen bald zudecken und in eine undurchdringliche öde Dämmerung verschlingen, bald Theile davon wieder als Gespenster sehen lassen, geben dem Zustand ein trauriges Leben. Man ist voller Ahnung bei diesen Wirkungen der Natur. Die Wolken, eine dem Menschen von Jugend auf so merkwürdige Lufterscheinung, ist man in dem platten Lande doch nur als etwas Fremdes, Ueberirdisches anzusehen gewohnt. Man betrachtet sie nur als Gäste, als Strichvögel, die, unter einem andern Himmel geboren, von dieser oder jener Gegend bei uns augenblicklich vorbeigezogen kommen; als prächtige Teppiche, womit die Götter ihre Herrlichkeit vor unsern Augen verschließen. Hier aber ist man von ihnen selbst, wie sie sich erzeugen, eingehüllt, und die ewige innerliche Kraft der Natur fühlt man sich ahnungsvoll durch jede Nerve bewegen.

Auf die Nebel, die bei uns eben diese Wirkungen hervorbringen, giebt man weniger Acht; auch weil sie uns weniger vors Auge gedrängt sind, ist ihre Wirthschaft schwerer zu beobachten.

Bei allen diesen Gegenständen wünscht man nur länger sich verweilen und an solchen Orten mehrere Tage zubringen zu können; ja, ist man ein Liebhaber von dergleichen Betrachtungen, so wird der Wunsch immer lebhafter, wenn man bedenkt, daß jede Jahrszeit, Tagszeit und Witterung neue Erscheinungen, die man gar nicht erwartet, hervorbringen muß. Und wie in jedem Menschen, auch selbst dem gemeinen, sonderbare Spuren übrig bleiben, wenn er bei großen ungewöhnlichen Handlungen etwa einmal gegenwärtig gewesen ist; wie er sich von diesem einen Flecke gleichsam größer fühlt, unermüdlich eben dasselbe erzählend wiederholt und so, auf jene Weise, einen Schatz für sein ganzes Leben gewonnen hat, so ist es auch dem Menschen, der solche große Gegenstände der Natur gesehen und mit ihnen vertraut geworden ist. Er hat, wenn er diese Eindrücke zu bewahren, sie mit andern Empfindungen und Gedanken, die in ihm entstehen, zu verbinden weiß, gewiß einen Vorrath_von_Gewürz, womit er den unschmackhaften Theil des Lebens verbessern und seinem ganzen Wesen einen durchziehenden guten Geschmack geben kann.

Ich bemerke, daß ich in meinem Schreiben der Menschen wenig erwähne; sie sind auch unter diesen großen Gegenständen der Natur, besonders im Vorbeigehen, minder merkwürdig. Ich zweifle nicht, daß man bei längerm Aufenthalt gar interessante und gute Leute finden würde. Eins glaub' ich überall zu bemerken: je weiter man von der Landstraße und dem größern Gewerbe der Menschen abkommt, je mehr in den Gebirgen die Menschen beschränkt, abgeschnitten und auf die allerersten Bedürfnisse des Lebens zurückgewiesen sind, je mehr sie sich von einem einfachen langsamen unveränderlichen Erwerbe nähren; desto besser, willfähriger, freundlicher, uneigennütziger, gastfreier bei ihrer Armuth hab' ich sie gefunden.

Leukerbad, den 10. Nov. 1779.

Wir machen uns bei Licht zurechte, um mit Tagesanbruch wieder hinunter zu gehen. Diese Nacht habe ich ziemlich unruhig

zugebracht. Ich lag kaum im Bette, so kam mir vor, als wenn ich über und über mit einer Nesselsucht befallen wäre; doch merkte ich bald, daß es ein großes Heer hüpfender Insecten war, die den neuen Ankömmling blutdürftig überfielen. Diese Thiere erzeugen sich in den hölzernen Häusern in großer Menge. Die Nacht ward mir sehr lang und ich war zufrieden, als man uns den Morgen Licht brachte.

Leuk, gegen 10 Uhr.

Wir haben nicht viel Zeit, doch will ich, eh wir hier weggehen, die merkwürdige Trennung unserer Gesellschaft melden, die hier vorgegangen ist, und was sie veranlaßt hat. Wir gingen mit Tagesanbruch heute vom Leukerbad aus, und hatten im frischen Schnee einen schlüpfrigen Weg über die Matten zu machen. Wir kamen bald nach Inden, wo wir dann den steilen Weg, den wir gestern herunter kamen, zur Rechten über uns ließen, und auf der Matte nach der Schlucht, die uns nunmehr links lag, hinabstiegen. Es ist diese wild und mit Bäumen verwachsen, doch geht ein ganz leidlicher Weg hinunter. Durch diese Felsklüfte hat das Wasser, das vom Leukerbad kommt, seine Abflüsse ins Wallisthal. Wir sahen in der Höhe an der Seite des Felsens, den wir gestern herunter gekommen waren, eine Wasserleitung gar künstlich eingehauen, wodurch ein Bach erst daran her, dann durch eine Höhle aus dem Gebirge in das benachbarte Dorf geleitet wird. Wir mußten nunmehr wieder einen Hügel hinauf und sahen dann bald das offene Wallis und die garstige Stadt Leuk unter uns liegen. Es sind diese Städtchen meist an die Berge angeflickt, die Dächer mit groben gerißnen Schindeln unzierlich gedeckt, die durch die Jahrszeit ganz schwarz gefault und vermoost sind. Wie man auch nur hinein tritt, so efelt's einem, denn es ist überall unsauber; Mangel und ängstlicher Erwerb dieser privilegirten und freien Bewohner kommt überall zum Vorschein. Wir fanden den Freund, der die schlimme Nachricht brachte, daß es nunmehr mit den Pferden

sehr beschwerlich weiter zu gehen anfinge. Die Ställe werden kleiner und enger, weil sie nur auf Maulesel und Saumrosse eingerichtet sind; der Haber fängt auch an sehr selten zu werden, ja, man sagt, daß weiter hin ins Gebirg gar keiner mehr anzutreffen sey. Ein Beschluß war bald gefaßt: der Freund sollte mit den Pferden das Wallis wieder hinunter über Ber, Vevay, Lausanne, Freiburg und Bern auf Luzern gehen, der Graf und ich wollten unsern Weg das Wallis hinauf fortseßen, versuchend, wo wir auf den Gotthard hinauf dringen könnten, alsdann durch den Canton Uri über den Vierwaldstättersee gleichfalls in Luzern eintreffen. Man findet in dieser Gegend überall Maulthiere, die auf solchen Wegen immer besser sind als Pferde, und zu Fuße zu gehen ist am Ende doch immer das Angenehmste. Wir haben unsere Sachen getrennet. Der Freund ist fort, unser Mantelsack wird auf ein Maulthier, das wir gemiethet haben, gepackt, und so wollen wir aufbrechen und unsern Weg zu Fuße nach Brieg nehmen. Am Himmel sieht es bunt aus; doch ich denke, das gute Glück, das uns bisher begleitet und uns so weit gelockt hat, soll uns auf dem Plaße nicht verlassen, wo wir es am nöthigsten brauchen.

Brieg, den 10. Nov. 1779. Abends.

Von unserm heutigen Weg kann ich wenig erzählen, ausgenommen, wenn Sie mit einer weitläufigen Wettergeschichte sich wollen unterhalten lassen. Wir gingen in Gesellschaft eines schwäbischen Meßgerknechts, der sich hierher verloren, in Leuk Condition gefunden hatte und eine Art von Hanswurst machte, unser Gepäck auf ein Maulthier geladen, das sein Herr vor sich hertrieb, gegen Eilf von Leuf ab. Hinter uns, so weit wir in das Wallisthal hineinsehen konnten, lag es mit dicken Schneewolken bedeckt, die das Land heraufgezogen kamen. Es war wirklich ein trüber Anblick, und ich befürchtete in der Stille, daß, ob es gleich so hell vor uns aufwärts war als wie im Lande Gosen, uns doch die Wolken bald einholen, und wir vielleicht im Grunde des Wallis an beiden Seiten von Bergen

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