Billeder på siden
PDF
ePub

Flecken und Städten unser kümmerliches Bedürfniß zu sichern haben, und nebenher alles einer verworrenen Willkür unterwerfen, die wir Freiheit nennen.

Ja, ich habe die Furka, den Gotthard bestiegen! Diese erhabenen unvergleichlichen Naturscenen werden immer vor meinem Geiste stehen; ja, ich habe die römische Geschichte gelesen, um bei der Vergleichung recht lebhaft zu fühlen, was für ein armseliger Schlucker ich bin.

Es ist mir nie so deutlich geworden, wie die letzten Tage, daß ich in der Beschränkung glücklich seyn könnte, so gut glücklich seyn könnte wie jeder andere, wenn ich nur ein Geschäft wüßte, ein rühriges, das aber keine Folge auf den Morgen hätte, das Fleiß und Bestimmtheit im Augenblick erforderte, ohne Vorsicht und Rücksicht zu verlangen. Jeder Handwerker scheint mir der glücklichste Mensch; was er zu thun hat, ist ausgesprochen; was er leisten kann, ist entschieden; er besinnt sich nicht bei dem, was man von ihm fordert; er arbeitet, ohne zu denken, ohne Anstrengung und Hast, aber mit Application und Liebe, wie der Vogel sein Nest, wie die Biene ihre Zellen herstellt: er ist nur eine Stufe über dem Thier und ist ein ganzer Mensch. Wie beneid' ich den Töpfer an seiner Scheibe, den Tischler hinter seiner Hobelbank!

Der Ackerbau gefällt mir nicht; diese erste und nothwendige Beschäftigung der Menschen ist mir zuwider; man äfft die Natur nach, die ihre Samen überall ausstreut, und will nun auf diesem besondern Feld diese besondre Frucht hervorbringen. Das geht nun nicht so; das Unkraut wächst mächtig, Kälte und Nässe schadet der Saat, und Hagelwetter zerstört sie. Der arme Landmann harrt das ganze Jahr, wie etwa die Karten über den Wolken fallen mögen, ob er sein Paroli gewinnt oder verliert.

Ein solcher ungewisser zweideutiger Zustand mag den Menschen wohl angemessen seyn, in unserer Dumpfheit, da wir nicht wissen, woher wir kommen, noch, wohin wir gehen. Mag es denn auch erträglich seyn, seine Bemühungen dem Zufall zu übergeben; hat doch der Pfarrer Gelegenheit, wenn es recht schlecht aussieht, seiner Götter zu gedenken und die Sünden seiner Gemeine mit Naturbegebenheiten zusammen zu hängen.

So habe ich denn Ferdinanden nichts vorzuwerfen! Auch mich hat ein liebes Abenteuer erwartet. Abenteuer? warum brauche ich das alberne Wort! es ist nichts Abenteuerliches in einem sanften Zuge, der Menschen zu Menschen hinzieht. Unser bürgerliches Leben, unsere falschen Verhältnisse, das sind die Abenteuer, das sind die Ungeheuer; und sie kommen uns doch so bekannt, so verwandt wie Onkel und Tanten vor!

Wir waren bei dem Herrn Tüdou eingeführt, und wir fanden uns in der Familie sehr glücklich: reiche, offne, gute, lebhafte Menschen, die das Glück des Tages, ihres Vermögens, der herrlichen Lage mit ihren Kindern sorglos und anständig genießen. Wir jungen Leute waren nicht genöthigt, wie es in so vielen steifen Häusern geschieht, uns um der Alten willen am Spieltisch aufzuopfern. Die Alten gesellten sich vielmehr zu uns, Vater, Mutter und Tante, wenn wir kleine Spiele aufbrachten, in denen Zufall, Geist und Wiß durcheinander wirken. Eleonore, denn ich muß sie nun doch einmal nennen, die zweite Tochter,

-

ewig wird mir ihr Bild gegenwärtig seyn, eine schlanke zarte Gestalt, eine reine Bildung, ein heiteres Auge, eine blasse Farbe, die bei Mädchen dieses Alters eher reizend als abschreckend ist, weil sie auf eine heilbare Krankheit deutet; im Ganzen eine unglaublich angenehme Gegenwart. Sie schien fröhlich und lebhaft, und man war so gern mit ihr. Bald, ja ich darf sagen gleich, gleich den ersten Abend gesellte sie sich zu mir, seßte sich neben mich, und wenn uns das Spiel trennte, wußte sie mich doch wieder zu finden. Ich war froh und heiter; die Reise, das schöne Wetter, die Gegend, alles hatte mich zu einer unbedingten,

ja ich möchte fast sagen, zu einer aufgespannten Fröhlichfeit gestimmt; ich nahm sie von jedem auf und theilte sie jedem mit, sogar Ferdinand schien einen Augenblick seiner Schönen zu vergessen. Wir hatten uns in abwechselnden Spielen erschöpft, als wir endlich aufs Heirathen fielen, das als Spiel lustig genug ist. Die Namen von Männern und Frauen werden in zwei Hüte geworfen und so die Ehen gegen einander gezogen. Auf jede, die heraus kommt, macht eine Person in der Gesellschaft, an der die Reihe ist, das Gedicht. Alle Personen in der Gesellschaft, Vater, Mutter und Tanten mußten in die Hüte, alle bedeutende Personen, die wir aus ihrem Kreise kannten; und um die Zahl der Candidaten zu vermehren, warfen wir noch die bekanntesten Personen der politischen und literarischen Welt mit hinein. Wir fingen an, und es wurden gleich einige bedeutende Paare gezogen. Nicht jedermann konnte mit den Versen sogleich nach. Sie, Ferdinand und ich, und eine von den Tanten, die sehr artige französische Verse macht, wir theilten uns bald in das Secretariat. Die Einfälle waren meist gut und die Verse leidlich; besonders hatten die ihrigen ein Naturell, das sich vor allen andern auszeichnete, eine glückliche Wendung, ohne eben geistreich zu seyn, Scherz ohne Spott, und einen guten Willen gegen jedermann. Der Vater lachte herzlich und glänzte vor Freuden, als man die Verse seiner Tochter neben den unsern für die besten anerkennen mußte. Unser unmäßiger Beifall freute ihn hoch; wir lobten, wie man das Unerwartete preist, wie man preist, wenn uns der Autor bestochen hat. Endlich fam auch mein Loos, und der Himmel hatte mich ehrenvoll bedacht; es war niemand weniger als die russische Kaiserin, die man mir zur Gefährtin meines Lebens herausgezogen hatte. Man lachte herzlich, und Eleonore behauptete, auf ein so hohes Beilager müßte sich die ganze Gesellschaft angreifen. Alle griffen sich an; einige Federn waren zerkaut: sie war zuerst fertig, wollte aber zuletzt lesen, die Mutter und die eine Tante brachten gar nichts zu Stande, und obgleich der Vater ein wenig geradezu, Ferdinand schalkhaft und die Tante zurückhaltend gewesen war, so konnte man doch durch alles ihre Freundschaft und gute Meinung sehen. Endlich kam es an sie, sie holte

tief Athem, ihre Heiterkeit und Freiheit verließ sie, sie las nicht, sie lispelte es nur und legte es vor mich hin zu den andern; ich war erstaunt, erschrocken: so bricht die Knospe der Liebe in ihrer größten Schönheit und Bescheidenheit auf! Es war mir, als wenn ein ganzer Frühling auf einmal seine Blüthen auf mich herunter schüttelte. Jedermann schwieg, Ferdinanden verließ seine Gegenwart des Geistes nicht, er rief: Schön, sehr schön! er verdient das Gedicht so wenig als ein Kaiserthum. Wenn wir es nur verstanden hätten! sagte der Vater; man verlangte, ich sollte es noch einmal lesen. Meine Augen hatten bisher auf diesen köstlichen Worten geruht, ein Schauder überlief mich vom Kopf bis auf die Füße; Ferdinand merkte meine Verlegenheit, nahm das Blatt weg und las; sie ließ ihn kaum endigen, als sie schon ein anderes Loos zog. Das Spiel dauerte nicht lange mehr und das Essen ward aufgetragen.

Soll ich, oder soll ich nicht? Ist es gut, dir etwas zu verschweigen, dem ich so viel, dem ich alles sage? Soll ich dir etwas Bedeutendes verschweigen, indessen ich dich mit so vielen Kleinigfeiten unterhalte, die gewiß niemand lesen möchte, als du, der du eine so große und wunderbare Vorliebe für mich gefaßt hast; oder soll ich etwas verschweigen, weil es dir einen falschen, einen üblen Begriff von mir geben könnte? Nein! du kennst mich besser, als ich mich selbst kenne; du wirst auch das, was du mir nicht zutraust, zurecht legen, wenn ich's thun konnte; du wirst mich, wenn ich tadelswerth bin, nicht verschonen, mich leiten und führen, wenn meine Sonderbarkeiten mich vom rechten Wege abführen sollten.

Meine Freude, mein Entzücken an Kunstwerken, wenn sie wahr, wenn sie unmittelbar geistreiche Aussprüche der Natur find, macht jedem Besizer, jedem Liebhaber die größte Freude. Diejenigen, die sich Kenner nennen, sind nicht immer meiner Meinung; nun geht mich doch ihre Kennerschaft nichts an, wenn ich glücklich bin. Drückt sich nicht die lebendige Natur lebhaft dem Sinne des Auges ein, bleiben die Bilder nicht fest vor meiner Stirn, verschönern sie sich nicht und freuen sie sich nicht,

den durch Menschengeist verschönerten Bildern der Kunst zu begegnen? Ich gestehe dir, darauf beruht bisher meine Liebe zur Natur, meine Liebhaberei zur Kunst, daß ich jene so schön, so schön, so glänzend und so entzückend sah, daß mich das Nachstreben des Künstlers, das unvollkommene Nachstreben, fast wie ein vollkommenes Vorbild hinriß. Geistreiche gefühlte Kunstwerke sind es, die mich entzücken. Das kalte Wesen, das sich in einen beschränkten Cirkel einer gewissen dürftigen Manier, eines kümmerlichen Fleißes einschränkt, ist mir ganz unerträglich. Du siehst daher, daß meine Freude, meine Neigung bis jezt nur solchen Kunstwerken gelten konnte, deren natürliche Gegenstände mir bekannt waren, die ich mit meinen Erfahrungen vergleichen konnte. Ländliche Gegenden, mit dem, was in ihnen lebt und webt, Blumen und Fruchtstücke, gothische Kirchen, ein der Natur unmittelbar abgewonnenes Portrait, das konnt' ich erkennen, fühlen und, wenn du willst, gewissermaßen beurtheilen. Der wackre M*** hatte seine Freude an meinem Wesen und trieb, ohne daß ich es übel nehmen konnte, seinen Scherz mit mir. Er übersieht mich so weit in diesem Fache, und ich mag lieber leiden, daß man lehrreich spottet, als daß man unfruchtbar lobt. Er hatte sich abgemerkt, was mir zunächst auffiel, und verbarg mir nach einiger Bekanntschaft nicht, daß in den Dingen, die mich entzückten, noch manches Schäßenswerthe seyn möchte, das mir erst die Zeit entdecken würde. Ich lasse das dahin gestellt seyn und muß denn doch, meine Feder mag auch noch so viele Umschweife nehmen, zur Sache kommen, die ich dir, obwohl mit einigem Widerwillen, vertraue. Ich sehe dich in deiner Stube, in deinem Hausgärtchen, wo du bei einer Pfeife Tabak den Brief erbrechen und lesen wirst. Können mir deine Gedanken in die freie und bunte Welt folgen? Werden deiner Einbildungskraft die Verhältnisse und die Umstände so deutlich seyn? Und wirst du gegen einen abwesenden Freund so nachsichtig bleiben, als ich dich in der Gegenwart oft gefunden habe?

Nachdem mein Kunstfreund mich näher kennen gelernt, nachdem er mich werth hielt, stufenweis bessere Stücke zu sehen, brachte er, nicht ohne geheimnißvolle Miene, einen Kasten herbei, der, eröffnet, mir eine Danae in Lebensgröße zeigte, die

« ForrigeFortsæt »