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Er kann, er wird das für seinen Freund thun. Bitte ihn auch. Ich will frommen Christen nicht zumuthen, ihren Körper neben einen armen Unglücklichen zu legen. Ach, ich wollte, ihr begrübt mich am Wege, oder im einsamen Thale, daß Priester und Levit vor dem bezeichneten Steine sich segnend vorübergingen und der Samariter eine Thräne weinte.

Hier, Lotte! Ich schaudre nicht, den kalten schrecklichen Kelch zu fassen, aus dem ich den Taumel des Todes trinken soll! Du reichtest mir ihn und ich zage nicht. All! All! So sind alle die Wünsche und Hoffnungen meines Lebens erfüllt! So kalt, so starr an der ehernen Pforte des Todes anzuklopfen.

Daß ich des Glückes hätte theilhaftig werden können, für dich zu sterben! Lotte, für dich mich hinzugeben! Ich wollte muthig, ich wollte freudig sterben, wenn ich dir die Ruhe, die Wonne deines Lebens wieder schaffen könnte. Aber ach! das ward nur wenigen Edlen gegeben, ihr Blut für die Ihrigen zu vergießen, und durch ihren Tod ein neues hundertfältiges Leben ihren Freunden anzufachen!

In diesen Kleidern, Lotte, will ich begraben seyn; du hast fie berührt, geheiligt, ich habe auch deinen Vater darum gebeten. Meine Seele schwebt über dem Sarge. Man soll meine Taschen nicht aussuchen. Diese blaßrothe Schleife, die du am Busen hattest, als ich dich zum erstenmale unter deinen Kindern fand. - küsse sie tausendmal und erzähle ihnen das Schicksal ihres unglücklichen Freundes. Die Lieben! sie wimmeln um mich. Ach, wie ich mich an dich schloß! seit dem ersten Augenblicke dich nicht lassen konnte! Diese Schleife soll mit mir begraben werden, an meinem Geburtstage schenktest du mir sie! Wie ich das alles verschlang! Ach, ich dachte nicht, daß mich der Weg hierher führen sollte! Sen ruhig, ich bitte dich, sey ruhig! Sie sind geladen - Es schlägt Zwölfe! So sey es denn! Lotte! Lotte, lebe wohl! lebe wohl!"

Ein Nachbar sah den Blick vom Pulver und hörte den Schuß fallen; da aber alles stille blieb, achtete er nicht weiter drauf.

Morgens um Sechse tritt der Bediente herein mit dem Lichte. Er findet seinen Herrn an der Erde, die Pistole und Blut. Er ruft, er faßt ihn an; keine Antwort, er röchelt nur noch. Er läuft nach den Aerzten, nach Alberten. Lotte hört die Schelle ziehen, ein Zittern ergreift alle ihre Glieder. Sie weckt ihren Mann, sie stehen auf, der Bediente bringt heulend und stotternd die Nachricht, Lotte sinkt ohnmächtig vor Alberten nieder.

Als der Medicus zu dem Unglücklichen kam, fand er ihn an der Erde ohne Rettung, der Puls schlug, die Glieder waren alle gelähmt. Ueber dem rechten Auge hatte er sich durch den Kopf geschossen, das Gehirn war herausgetrieben. Man ließ ihm zum Ueberfluß eine Ader am Arme, das Blut lief, er holte noch immer Athem.

Aus dem Blut auf der Lehne des Seffels konnte man schließen, er habe sißend vor dem Schreibtische die That vollbracht, dann ist er herunter gesunken, hat sich convulsivisch um den Stuhl herumgewälzt. Er lag gegen das Fenster entkräftet auf dem Rücken, war in völliger Kleidung, gestiefelt, im blauen Frack mit gelber Weste."

Das Haus, die Nachbarschaft, die Stadt kam in Aufruhr. Albert trat herein. Werthern hatte man auf das Bette gelegt, die Stirn verbunden; sein Gesicht schien wie eines Todten, er rührte kein Glied. Die Lunge röchelte noch fürchterlich, bald schwach, bald stärker; man erwartete sein Ende.

Von dem Weine hatte er nur ein Glas getrunken. Emilia Galotti lag auf dem Pulte aufgeschlagen.

Von Alberts Bestürzung, von Lottens Jammer laßt mich nichts sagen.

Der alte Amtmann kam auf die Nachricht herein gesprengt, er füßte den Sterbenden unter den heißesten Thränen. Seine ältesten Söhne kamen bald nach ihm zu Fuße, sie fielen neben dem Bette nieder im Ausdrucke des unbändigsten Schmerzens, füßten ihm die Hände und den Mund, und der ältste, den er

Goethe, Werke. VII.

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immer am meisten geliebt, hing an seinen Lippen, bis er verschieden war und man den Knaben mit Gewalt wegriß. Um Zwölfe Mittags starb er. Die Gegenwart des Amtmannes und seine Anstalten tuschten einen Auflauf. Nachts gegen Eilfe ließ er ihn an die Stätte begraben, die er sich erwählt hatte. Der Alte folgte der Leiche und die Söhne, Albert vermocht's nicht. Man fürchtete für Lottens Leben. Handwerker trugen ihn. Kein Geistlicher hat ihn begleitet.

Briefe aus der Schweiz.

Als vor mehreren Jahren uns nachstehende Briefe abschriftlich mitgetheilt wurden, behauptete man sie unter Werthers Papieren gefunden zu haben, und wollte wissen, daß er vor seiner Bekanntschaft mit Lotten in der Schweiz gewesen. Die Originale haben wir niemals gesehen, und mögen übrigens dem Gefühl und Urtheil des Lesers auf keine Weise vorgreifen: denn, wie dem auch sey, so wird man die wenigen Blätter nicht ohne Theilnahme durchlaufen können.

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