Einleitung zu Kap. 7 unentbehrlich ist, weil sie die Situation zeichnet, aus der die nachfolgende prophetische Entwicklung will verstanden werden, so sind Kap. 36 und 37 der natürliche Abschluß der von Kap. 28 an begonnenen Bewegung, zu der sie außerdem die ge= schichtliche Grundlage und schäzenswerthe Illustrationen mittheilen. Die beiden anderen Kap. 38 u. 39 bilden die Brücke und die ge= schichtliche Vorausseßung zum lezten einheitlichen Theile des prophetischen Buches (Kap. 40 -66). Wir haben dieser allgemeinen Charakteristik nur noch weniges beizufügen. Der Prophet hat den Kreislauf der speziellen Ermahnungen durch den Hinweis auf den allgemeinen Hintergrund des Gerichtes und des messianischen Heiles abgeschlossen; indem er nun fortfährt 36, 1 et factum est. . . will er selber das geschichtliche Resultat aus seiner Lehrthätigkeit ziehen und uns historisch mittheilen, welche politische Constellation seine vorhergehenden Reden besonders berücksichtigten. Auf die Bedeutsamkeit von 36, 2, daß nämlich_Rabsaces an derselben Stelle seine Drohungen und Lästerungen ausstößt, an der Achaz durch seinen Unglauben sich und sein Volk ins Elend stürzte, ist oben bereits hingewiesen worden. Indem Rabsaces das projektirte Bündniß mit Aegypten einer vernichtenden Kritik unterzieht (36, 6. 10.), lernen wir, worauf die Drohungen des Propheten im vorausgehenden Abschnitt (28, 15. 29, 15. 30, 1. 31, 1.) zu beziehen sind. Daß Jerusalem bereits in arger Bedrängniß sich befindet, darüber lassen 36, 12 und besonders 37, 3 quia venerunt filii usque ad partum, et virtus non est pariendi, feinen Zweifel. Hiedurch aber fällt Licht auf manche Stellen der vorhergehenden Reden (28, 11. 29, 1 u. f.). Zugleich treten uns hier die leuchtendsten Beweise entgegen, daß die Predigten des Sehers, die wir vernommen, bei seinen Zeitgenossen und besonders bei Ezechias (im Gegensaß zu Achaz) nicht auf unfruchtbaren Boden gefallen waren. Ezechias glaubt und vertraut. Daher antworten seine Abgesandten nichts auf die stolzen Blasphemien des Rabfaces: mandaverat enim rex dicens, ne respondeatis ei (36, 21). Und er selbst gibt das schönste Beispiel jenes Vertrauens, auf das Isaias mit solchem Nachdrucke stets gedrungen hatte: Domine exercituum, Deus Israel, . . . tu es Deus omnium regnorum terrae, tu fecisti coelum et terram v. 20. et nunc Domine Deus noster salva nos de manu ejus et cognoscant . omnia regna terrae, quia tu es Dominus solus. Er hat die assyrische Katastrophe in ihrer, vom Propheten verkündeten, weltge= schichtlichen (und daher messianischen) Bedeutung richtig erfaßt. Die prophetische Rede (37, 21-35) faßt wie in einem Brennpunkte die seit Kap. 10 gegen Assur behandelten Momente zusammen und mag uns in ihrer geschichtlichen Bestimmtheit zugleich als Maßstab der Auslegung früherer Partien dienen. Wichtig für die Diktion des Propheten (und darum mag auch dieser kurze Hinweis hier eine Stelle finden) ist uns besonders v. 33-35. Wir finden hier in unzweifelhafter Weise jene Eigenthümlichkeit der isaianischen Darstellung bestätigt, auf die wir uns schon öfter bezogen haben und die wir auch im Folgenden noch mehrmals antreffen werden: daß nämlich die gegebene Prophetie nochmals rekapitulirt wird, oder das in Bildern und Gleichnissen Vorgelegte am Schlusse in der einfachen und nüchternen Sprache der unzweideutigen Ankündigung sich wiederholt. Kap. 38 u. 39 bilden die Vorhalle zum folgenden Theile. Schon die vorstehenden Abschnitte machten es deutlich, daß mit Assurs Sturze der unmittelbare Anbruch des Messiasreiches noch nicht gegeben sei. Deßwegen ward schon Kap. 13 und 21 Babylon als die hinter Assur auftauchende feindliche Weltmacht signalisirt. Im sogenannten 2. Theile (d. h.. Kap. 40—66) hat. der Prophet das babylonische Exil vor Augen. Die Befreiung aus diesem Exil, die er ankündigt, ist ihm zugleich ein Typus der höheren messianischen Befreiung, weßwegen beide Befreiungen in der prophetischen Anschauung manchmal ununterscheidbar ineinander fließen. Sie erscheinen eben der prophetischen Fernsicht wie die Spigen ferner Gebirgsmassen, die aneinander zu liegen scheinen, während in Wirklichkeit große Zwischenräume sie scheiden. Er schaut Personen und Thaten in ihrer ideellen und typischen Zusammengehörigkeit, und deßwegen unvermittelt nebeneinander. Die Idee ist ja Wahrheit, und der Typus ein Vorbild und eine Abschattung des kommenden. Da verschlägt es nun für die Anschauung und die Präcifirung des ideellen Kernes nichts, ob in der geschichtlichen Ausgestaltung und Entwickelung sich Jahre und Jahrhunderte dazwischen schieben. Der Seher nimmt in etwa Theil an der Perspektive Jenes, vor dem tausend Jahre sind, wie der gestrige Tag, der vorüberging. Kap. 38 u. 39 entwickeln die allgemeinen Grundlagen, die zum babylonischen Exil hinführten, Ezechias hatte in seiner Krankheit den Schuß und die Macht des Herrn erfahren. Nichtsdestoweniger gewinnt auch bei ihm die gefährliche Hinneigung zur untheokratischen Politik momentan die Oberhand Babylon gegenüber. Kap. 39, 2-4 schildert in so plastischer Weise die eitle Selbstge= fälligkeit und den Stolz des Königs, der sich über den hohen Besuch vom fernen Lande, von Babylon her, geschmeichelt fühlt. Daher heißt es bezeichnend II Paralip. 32, 15 sed non juxta beneficia quae acceperat, retribuit, quia elevatum est cor ejus; et facta est contra eum ira et contra Judam et Jerusalem. Der König ist auch hier, wie Achaz Kap. 7 und Ezechias in besserer Weise Kap. 36, Repräsentant der allgemeinen Volksstimmung. Das untheokratische Wesen soll durch das Exil gefühnt und entfernt werden. Daher verkündet es der Prophet in unzweideutiger Weise v. 6. 7. Hiemit ist die Grundlage gewonnen für das Folgende. Das Volk wird im Exil geläutert; Gott erlöst es aus demselben; diese Erlösung ist Vorspiel und Typus einer viel herrlicheren. Zweiter Theil. Kap. 40–66. Die Beobachtung, daß dieser Theil in drei größere, durch den Kehrvers non est pax impiis, dicit Dominus (48, 22. 57, 21. u. 66, 24 ist eine thatsächliche Erweiterung desselben) angedeutete Abschnitte zerfalle, hat mit Recht allgemeine Anerkennung gefunden. Man kann noch weiter gehen und sagen, daß 40, 1. 2. die dreigliederige Ueberschrift und Inhaltsangabe zum Folgenden gebe. Dem dreifachen Zurufe des Trostes: „tröstet, tröstet mein Volk, redet zum Herzen Jerusalems und rufet ihm zu“, folgt die entsprechende dreifache Begründung, die man nicht mit Unrecht als die gedrängte Charakteristik der 3 Abschnitte bezeichnet hat; denn vollendet ist die Mühsal, bezahlt ihre Schuld, Doppeltes empfängt sie aus Gottes Hand für alle Sünden“. Nur ist sodann in dieser Auffassung das leßte Glied: suscepit de manu Domini duplicia von den in Aussicht gestellten Heilsgütern zu verstehen, eine Auslegung, die in der That den Beifall vieler Erklärer gewonnen hat. Cornelius a Lapide nennt sie sensum sublimiorem ac diviniorem ; ihrer erwähnen beipflichtend Sa, Estius, Maldonat, Mariana, " Menoch, Sasbout, Tirin, und von Neueren mehrere. Zutreffend erscheint jedenfalls die Bemerkung, mit der bereits Estius diese Auffaßung stüßt, daß der Fortschritt und die Steigerung der Rede sie erheische: die Zeit der Mühsal ist vorbei; die Schuld ist bezahlt und obendrein hat Jerusalem (in Folge des gestellten Löse= preises) noch überreiche Wohlthaten empfangen. 8. „Vollendet ist alle Mühsal.“ Kap. 40, 3-48 incl. Der prophetische Standpunkt ist hier das Ende des Erils, die herannahende Befreiung. Der Seher vernimmt schon den Ruf der Vorbereitung, daß Gott selbst im Anzuge ist sein Volk zu erretten in glänzender Offenbarung seiner Herrlichkeit. Daher parate viam Domini. Wie das geschehen soll, geben die folgenden Versglieder im Anschlusse an die orientalische Sitte; und zu welchem Zwecke und mit welchem Erfolge, schildert v. 5. Doch werden die armen Unterdrückten nicht kleinmüthig an der Hoffnung einer glor= reichen Befreiung verzweifeln? Darum folgt der Hinweis, daß Gottes Willen keine Macht sich widersehen kann, daß alles Frdische hinsinkt und verschwindet, sein Wort, aber in Ewigkeit bleibt (v. 6—8). Daher soll nur die Kunde von der bevorstehenden Ankunft des Herrn zur Errettung der Seinen recht laut und vernehmlich gepredigt werden; er kömmt ja als guter Hirt, der mit liebevoller Sorgfalt einer Heerde wartet (v. 9-11). So ist in allgemeinen großen Zügen die Befreiung, die „Vollendung der Mühsal“ skizzirt. Aufgabe des Folgenden ist es nun, einerseits den lebendigen Glauben an diesen glorreich rettenden Gott und die zuversichtliche Hoffnung auf ihn in einer Zeit zu erwecken, in der das übermüthige Heidenthum mit seinen Gözen und seinem Pomp über die wenigen zerstreuten Trümmer des Gottesvolfes einen vollständigen Triumph zu feiern schien das war besonders der Anschein in der Zeit des Exils andererseits die Befreiung selbst prophetisch mehr und mehr in ihren Ausgestaltungen und Segnungen zu entwickeln. Dem erstern Zwecke dient v. 12-31, indem der in v. 6—8 bereits angeschlagene Ton in der großartigsten Weise weiter geführt wird. Daher wird Gottes Macht und Weisheit und die Ohnmacht der Gößen einander gegenübergestellt. Jene bekundet sich in der materiellen Schöpfung, in den gewaltigsten Theilen derselben, dem Himmel und dem Erdenkolosse (v. 12-14); selbst die ver nünftige Schöpfung, die Menschenwelt, auch wenn sie alles Holz und alle Thiere des Libanon ihm zum Opfer darbrächten, wäre ein Nichts vor ihm, so klein und unbedeutend (v. 15-17). Und diesen Gott hat ein großer Theil Israels verlassen und sich an die nichtigen Gözen gehängt, während doch innere und äußere Erkenntnißquellen ihnen so klar den wahren Gott verkündigten (v. 18 bis 21)! Diesen Gott, der in der Höhe thront, wie ein Zelt die Himmel ausspannt, vor dem keine irdische Macht Bestand hat (v. 22-24). Sie sollen doch nur ihre Augen zum Himmel erheben: das aufziehende Sternenheer ist der Beweis seiner Kraft. „Er nennt sie alle bei Namen und keiner bleibt zurück." Und da zweifeln die Kleinmüthigen und zagen? Soll etwa dem_allmächtigen Schöpfer ihre Rettung Mühe kosten, oder der Ewige er matten? er, der allen Kraft spendet? Ohne ihn freilich ist keine Kraft; aber die seiner harren, gewinnen frische Kraft, heben empor die Schwingen, Adlern gleich, laufen und ermüden nicht, schreiten weiter und ermatten nicht" (v. 25-21). Kap. 41 wendet sich der Schilderung zu, wie die Befreiung selbst angebahut wird. Diese soll ein Machterweis Gottes sein gegenüber der Heidenwelt. Daher werden in dramatischer Einkleidung alle Völker zusammengerufen, daß sie Zeugen seien der Verkündigung und der Ausführung und so den allwissenden und allmächtigen Gott aus Prophetie und Geschichte und deren beiderseitigen Uebereinstimmung erkennen möchten. Es wird zunächst ein Erretter in Aussicht gestellt, der von Osten kommend Nationen und Könige sich unterwirft, mit Bogen und Schwert alles hinrafft, und unaufhaltbar seinen Siegeslauf verfolgt. Das ist das Werk des Herrn (v. 1-4). Welchen Eindruck macht das Auftreten dieses unbezwungenen Helden? Die Heidenwelt zittert; doch man sucht sich aufzuraffen und bei den Göttern, deren Bilder man mit Eifer fertigt und festigt, Schuß zu erlangen (v. 5-7). Anders Israel. Et tu, Israel, servus meus . . . ne timeas. Gött gedenkt ja der von Alters her gegebenen Verheißung und Berufung Israels; daher kann Israel nicht untergehen; alle die sich an ihm vergreifen, müssen zu Schanden werden. Deßwegen soll Israel trog seiner Niedrigkeit nicht fürchten; Gott wird sein Volk erhöhen: ego auxiliatus sum tibi et redemptor tuus Sanctus Israel (v. 8-14). |