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Das feste Land zerfällt in zwei Theile: Nanue und Kaujap. Nanue ist das genau umgrenzte Land, welches seit alten Zeiten dem regierenden Könige zum Nutzgenusse dient; in Nanue giebt es keine Rechte dritter Personen; der jeweilige Nanmaraki hat das ausschliessliche Verfügungsrecht. Kaujap zerfällt in eine Reihe von kleinen Landschaften mit festen Grenzen. Der König bestellt, wie schon dargelegt, jeder Landschaft einen der Würdenträger zum Haupt, welcher ihn in der Führung seiner Geschäfte zu unterstützen und welchem das niedere Volk zu dienen hat. Dieses wird in Nanue von dem König, in den Kaujaplaudschaften von den Titularen auf die einzelnen Hufen (palienjap: Landstück) vertheilt. Sie haben, wie erwähnt, kein Recht auf das Land, das ihnen den Unterhalt gewährt; sie können von den Fürsten jederzeit ausgetrieben werden. Meist findet eine Verleihung auf Lebenszeit statt. Der Nachfolger eines Titulars führt aber stets eine Anzahl ihm persönlich ergebener Leute mit sich, deren Ausstattung ihn zu harten und ungerechten Eingriffen nöthigt. Der Wechsel der Fürsten in den einzelnen Landschaften ist häufig. Der kleine Adel vererbt seinen Boden und seinen Titel in seiner Familie, eine Regel, die je nach der Machtstellung des Herrschers durch eigenmächtiges Eingreifen vielfach zu Ungunsten der Besitzenden durchbrochen wird.

Die Bekanntschaft mit europäischen Anschauungen hat neuerdings den Begriff des Grundeigenthums in das Land getragen. Durch Kauf und Verleihung der spanischen Behörden bestehen einzelne Eigenthumsrechte für Eingeborene und Mischblut. Die Neigung des gewöhnlichen Volkes, dessen rechtliche Stellung mit der der Heloten sich vergleichen lässt, geht unzweifelhaft dahin, sich ein Anrecht auf den Boden zu sichern. Die herrschenden Klassen widersetzen sich diesem Bestreben, bisher mit Erfolg. Die Erbfolge richtet sich, wie schon gelegentlich hervorgehoben, durchaus nach Mutterrecht. Zunächst erscheinen die Kinder der Schwestern erbberechtigt; meist wird aber das bewegliche Vermögen unter die Verwandten mütterlicherseits getheilt; gewöhnlich nimmt sich sogar Jeder, was ihm besonders gefällt. Das dem Nutzgenuss unterliegende Land fällt der Gemeinsamkeit der Familie zu. Ein Unterschied zwischen weiblichen und männlichen Mitgliedern ist für ihre rechtliche Stellung als Erben nicht vorhanden. Letzt willige Verfügungen sind nicht üblich; es ist keine Bezeichnung für diesen Begriff in der Sprache vorhanden.

Die Erbfolge heisst katauto oder jojo. Joki drückt aus, in die Habe eines verstorbenen Mannes nachfolgen.

Die Eltern bestimmen das Loos der Kinder gemeinsam; über ihnen aber steht der Adoptivvater. Die Sitte der Kindesannahme auch bei Lebzeiten der Eltern ist sehr gebräuchlich. Die sämmtlichen Familien, Sippen, auch die des gemeinen Volkes, unterscheiden sich durch Namen.

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wird der Name der mütterlichen Familie weiter vererbt. Solche Namen sind z. B. Jaunpok, Tipunman potapot (Stamm des weissen Vogels), Jaun palienpil (Familie von der anderen Seite des Wassers), Tipunpuok (puok emporheben), Jauroi (Familie aus Roi) und andere mehr. Während der Schwangerschaft muss die Frau sich einer Reihe von Ceremonien unterwerfen, der Aberglaube spielt eine grosse Rolle. Sie darf während dieser Zeit nicht zur Sonne aufschauen, das würde eine schwere Geburt geben. Der Mann darf sich die Haare nicht schneiden, gewisse Speisen nicht essen. Nach der Geburt werden feierliche Beschwörungen vollbracht. Der Nabel des Kindes wird mit dem Abtrockenen, etwa am vierten Tage, in eine Muschel gelegt und dann besonders ausgesetzt, je nachdem man dem Kinde für das Leben eine Fertigkeit zu eigen wünscht; die Muschel wird z. B. an einem Baume aufgehängt, um Geschicklichkeit im Klettern zu bewirken. Der Name wird von den Eltern gegeben. Häufig werden sinnlose Namen gewählt, die aus Theilen der Namen der Eltern oder der Verwandten zusammengesetzt sind.

Es sind auch geheime Namen aus der Ueberlieferung und Götterlehre üblich, deren Bedeutung nicht recht mehr verstanden wird. Erwachsene Männer werden, wie hervorgehoben, nicht mehr mit ihrem Namen, sondern nur noch mit ihrem Titel angesprochen. Die einzelnen Familien setzen sich in Beziehung zu den Thieren und zwar meist zu Fischen und glauben an eine Abstammung von denselben. Sie nennen diese Thiere geradezu «Mutter»; sie sind der Sippe heilig und dürfen nicht verletzt werden. Zu ihren Ehren werden grosse Tänze aufgeführt unter Darbringung von Gebeten. Wer ein solches Thier töten würde, würde der Verachtung und Strafe, sicher auch der Vergeltung der beleidigten Gottheit verfallen. Man glaubt, gewöhnlich sei Blindheit die Folge einer derartigen Missachtung des Toten. Beschwörung und Arzneimittel können aber helfend eingreifen. Den Tipunpanemai und Lajialap ist der Aal (kamijik) heilig, den Lipetan der Hai, den Tipenuai der Tintenfisch u. s. f.

In der Bezeichnung der Verwandtschaft besteht kein Unterschied nach der Herleitung von Vater- oder Mutterseite.

Ehen auf Zeit finden sich nicht. Die Ehe kann aber kein besonders festes Band zwischen Mann und Weib genannt werden. Die jungen Mädchen sind völlig frei in der Verfügung über ihre Person. Eine Verlobung ist nicht bekannt.

Ein Paar, das sich zu heirathen wünscht, muss vor der Ehe den Beischlaf schon vollzogen haben. Darauf hält der junge Mann um die Hand seiner Geliebten bei den Eltern an. Es findet eine Art von Familienrath statt. Dem Mädchen werden von den Verwandten des Freiers zubereitete Speisen angeboten. Wenn sie dieselben vor versammelter Familie

geniesst, so drückt sie ihre Einwilligung zur Heirath aus. Der Vater oder ein Verwandter giesst darauf Oel über ihr Haupt aus, und die Ehe gilt als geschlossen; eine Aussteuer wird nicht mitgegeben, ein Kaufpreis nicht erlegt. Der König hat das Recht, jedem Weibe eine Schale Oel zu senden und seiner Einladung damit Ausdruck zu verleihen.

Auch die Würdenträger können jede Frau aus dem gewöhnlichen Volke zu sich rufen. Der Ehemann darf sich nicht widersetzen. Andererseits erntet ein Mann, welcher sein Weib dem Fürsten hingiebt, grosses Lob bei den Volksgenossen. Diese Sitten sollen nicht mehr viel geübt werden. Die Frauen der vornehmen Familien nehmen für sich das Recht in Anspruch, mit den Sippenmitgliedern nach ihrer Wahl sich zu vermischen. Vielweiberei kommt selten mehr vor, war aber jedenfalls früher sehr gebräuchlich. Es war wohl stets üblich, dass die Männer ihre Frauen verliehen. Durch den Einfluss der Weissen ist die Prostitution, d. h. die Hingabe gegen Geld, eine allgemeine Einrichtung geworden. Die Wittwe darf sich nur mit den Verwandten, in erster Linie mit den Brüdern des verstorbenen Ehemanns mischen. Das Leviratsrecht (ron) kann aber auch abgekauft werden. Die Verwandtenheirath (kilikiloñ juit) ist verboten. Uneheliche Kinder werden von der Familie der Mutter aufgenommen. Man sagt, der Name ipunenak (unehelich geboren) soll früher ein Schimpfname gewesen sein, man scheint aber gegenwärtig kein Aufsehen mehr bei unehelicher Geburt zu machen. Eine Prostituirte wird nenak oder litaran genannt. Die Sitte der Abtreibung durch Massage (patjeri) wird viel geübt. Sie soll von den Gilbert-Inseln eingeführt und früher nicht herrschend gewesen sein. Bekannt ist, dass die Männer sich eines Hodens berauben; die Sitte heisst uiakapat. Die Tättowirung (intiñ) ist bei beiden Geschlechtern üblich. Wer nicht tättowirt ist, soll nicht heirathen dürfen. So reich das Formenwesen im Verkehr und so stark die Unterordnung unter die Gewalt der Grossen entwickelt ist, so spielt gegenwärtig im öffentlichen Leben doch die Zugehörigkeit zur Sippe die erste Rolle. Das Machtwort des Fürsten spornt zu einzelnen Leistungen an, straft, belohnt. Ein regelmässiger Gerichtsgang, eine Steuerleistung, eine ordentliche Strafgewalt sind unbekannt. Wer der Ungunst des Herrn verfällt, erleidet den Tod oder muss flüchtig werden. Eine Blutthat muss wieder mit Blut gesühnt werden. Die Sippe ist dafür verhaftet; eine starke Sippe kann auch dem strafenden Nanmaraki sein Opfer entreissen. Das Wehrgeld ist nicht üblich. In der Jugendfrische des Volkes konnte die einfache Staatsform die höchsten Arbeitsleistungen erzielen. Die Zeiten sind jedoch längst vorüber, in denen ein williges Volk dem göttlich verehrten Fürsten gehorchend, die gewaltigen Steinwerke in Metalanim. aufführte, oder zu weiter Fahrt über die See sich begeisterte und in

mannhaftem Kampfe mit Speer und Schleuder Mann gegen Mann das Feld eroberte. Das Magazingewehr ist die Volkswaffe geworden; der Ueberfall aus dem Hinterhalt ist die Kampfesweise. Der gemeine Mann sieht sein Heil in möglichst geringer Arbeitsleistung, seitdem ihn der Handel und das rollende Geld mit den ihm in zweifelhafter Beschaffenheit gebotenen Genüssen der civilisirten Welt bekannt gemacht haben. Die Sucht nach leichtem Erwerb mit vielem Gewinn beherrscht die Gemüther. Der Diebstahl, die Nichtachtung fremden Eigenthums ist an der Tagesordnung. In gewissem Sinne wirkt auch der Ueberfluss an Nahrungsmitteln nachtheilig. Die jetzt lebende Bevölkerung in der Gesammtzahl von rund 3200 Seelen nährt sich von den Früchten der Bäume, welche die zahlreichen Bewohner früherer Tage gepflanzt haben. Die Menge der Früchte macht die geordnete Arbeit geradezu entbehrlich. Der neben der Brotfrucht und der Kokosnuss nothwendige Jam wird im Walde nahe an den Baumstämmen gepflanzt, an denen er sich emporranken mag. Auch die Bananen werden nicht auf bereitetem Boden, sondern im Walde unter hohem Bestande gezogen. Der Gewerbefleiss ist gegen die ursprüngliche Zeit weit zurückgegangen, er bringt noch Stricke, Fischnetze, Kähne, Matten, Grasschürzen und Leibgürtel hervor. Als Zierrat an diesen Gegenständen werden nur mehr eingeführte Fabrikerzeugnisse, wie Glasperlen, bunte Wolle verwendet.. Die angeborene Geschicklichkeit im Fischfang und die Verwendbarkeit als Seeleute ist der Bevölkerung geblieben.

Seit etwa achtzig Jahren, seitdem die Insel zum regelmässigen Anlaufplatze der Walfischfänger geworden ist, seitdem die Anstrengungen der wechselnden Missionen und der Regierung auf Einführung einer neuen Cultur und anderer Sitten gerichtet sind, ist wohl mehr niedergerissen als aufgebaut worden. Das Volk ist gegenwärtig in einem halbfertigen Zustande; dem Namen nach sind fast alle Einwohner Christen, es hat auch nicht an Religionskriegen gefehlt. Der alte Gott Tokota geniesst aber noch seine Verehrung. Die Furcht vor den ani puelepuel ist dieselbe wie in alten Tagen. Ausserhalb der Wohnungen treten Männer und Frauen in europäischer Kleidung auf, zu Hause in der Hütte werfen sie die lästigen Zuthaten der Gesittung schnell von sich. Der moralische Niedergang und furchtbare Krankheiten haben, wie schon gezeigt, die Bevölkerung in der letzterwähnten Spanne Zeit auf 1% der zuerst bekannten Zahl vermindert. Die Bedeutung der Fürsten ist mit dieser Einbusse an Kraft gesunken. Der Einfluss des Christenthums hat die alte Götterlehre und damit den Nimbus um die Person des Nanmaraki zerstört. Die noch beibehaltenen Formen des Verkehrs dienen dem Volke zum Gegenstand des Gespöttes, dem sie vor dem Fremden Ausdruck verleihen. Aber Stolz,

Tapferkeit, Verachtung gegen den Fremden, bei aller Nachahmung seiner Kultur, sind den Leuten geblieben, keine schlechten Eigenschaften für ein Volk.

Es bedarf ernster Arbeit, um mit dem dauernden Frieden einer wahren Gesittung Bahn zu brechen und den kleinen Rest eines schönen und eigenartigen Volkes zu retten.

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