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Afrikanisches Kinderspielzeug.

Der Reichthum des Negerkindes an Spielen und Spielzeug ist nicht gross; und wenn die in der Litteratur mehrfach wiederkehrende Angabe, nach der es in Afrika Völkerschaften geben soll, deren Nachwuchs ganz ohne Hilfsmittel des Zeitvertreibs aufwächst, auch zweifellos über das Ziel hinausschiesst, so steht es andrerseits doch fest, dass die Negerjugend weder in der Vielseitigkeit ihrer Spiele, noch der Mannigfaltigkeit ihres Spielzeuges auch nur entfernt an unsere Jugend heranreicht. Die Erklärung für diese Erscheinung ergiebt sich von selbst, sobald man den geistigen und körperlichen Entwicklungsgang, den Charakter und die Erziehungsmethode, schliesslich auch noch das ganze Milieu betrachtet, in dem der Afrikaner aufwächst. Die Grundursache liegt, wie schon Paul Reichard richtig erkannt hat*), in der überaus raschen geistigen Entwicklung des Negers. Seine Kinder haben, sobald sie über das früheste Jugendalter hinaus sind, nichts mehr von anmuthend schöner Kindlichkeit. Sie wissen Alles, was Erwachsene wissen, nur besitzen sie deren Erfahrung noch nicht und haben nach unseren Begriffen gar keine Naivität; sie sind mit dem siebenten oder achten Jahre geistig eben fast reif. Daher spielen denn auch Negerkinder nie so wie unsere Kleinen; sie sind nicht im Stande, sich derart ins Spiel zu vertiefen, dass für sie viele Stunden hindurch die Aussenwelt nicht existirt. Ein weiterer Grund für die Spielarmuth ist der Mangel an Anregung. Der Vater hat in den meisten Fällen keine Lust, die vielgeplagte Mutter keine Zeit, sich um den Sprössling zu kümmern so ist dieser sich selbst und dem Verkehr mit den Altersgenossen überlassen. Er hat damit zwar unbegrenzte Freiheit der Bethätigung; was nutzt ihm aber diese in einem Lande wie Afrika, wo die Bevölkerung fast durchweg auf kleine Dörfer und Weiler vertheilt ist! Er bleibt gänzlich ohne Anregung von aussen; in ödem Einerlei schleppt sich ein Tag nach dem andern hin. Was aber das für die Bethätigung der Kleinen im Spielen besagen will, vermag nur der zu ermessen, der die Einseitigkeit und Armuth des Spielplanes in unseren heimischen ablegenen Dörfern kennt.

*) P. Reichard, Deutsch-Ostafrika, Leipzig 1892. S. 357.

Diesen Verhältnissen angemessen ist das afrikanische Kinderspiel auch in unseren Museen nur schwach vertreten. Was das Berliner Institut an Spielgeräth bis vor Kurzem enthielt, habe ich an anderer Stelle*) einer kurzen Schilderung unterzogen. In der Zwischenzeit ist nun Mancherlei hinzugekommen, und besonders enthält die Sammlung des leider verstorbenen Paters van den Biesen von den Weissen Vätern eine recht interessante Reihe von Spielsachen. Diese Sammlung stammt in der Hauptsache von den Warundi am nördlichen Ostufer des Tanganyika, jenem bis vor kurzem kaum berührten, in den letzten Jahren aber ganz ausgiebig und häufig studierten Volksstamm. Mit grosser Vorliebe hat van den Biesen sein Augenmerk auf die intimeren Seiten des Volkslebens geworfen; er hat auf die üblichen Waffen etc. verzichtet, dafür aber alles zusammengetragen, was uns den Mrundi in seinem täglichen Thun und Treiben vor Augen führt. Dazu gehört auch der junge Nachwuchs und dessen Mittel zum Zeitvertreib, das Spielzeug.

Wie immer und überall im dunklen Welttheil entfällt auch hier der Löwenantheil auf das stärkere Geschlecht. Ausschliesslich für Knaben bestimmt ist eine ganze Waffenrüstung, wie unsere echten Kinderwaffen aus Holz oder anderen vegetabilen Bestandtheilen gefertigt. Der Säbel ist ein zugespitztes Stück Raphiablattstiel mit rohem, hölzernem Griff, die Scheide aus Palmblatt zusammengebogen; der Bogen, nur wenig über 50 cm lang, aus Holz mit geflochtener Raphiasehne. Auch die Pfeile sind, wie alle afrikanischen Kinderpfeile, minderwerthig. Sie haben Rohrschaft, tragen bei den vollkommeneren Stücken Holzspitze, sind aber nur selten befiedert. Die Lanze endlich ist ein unbearbeiteter Staudenstengel mit eingelassenem >>Blatt< aus Raphiablattstiel. Sie ist nur 64 cm lang.

Interessanter als diese in Gestalt und Ausführung an die Waffen der Erwachsenen sich anlehnenden Spielgeräthe sind zwei andere Geräthschaften der Warundiknaben, zwei Schusswaffen, die von den sonst aus Afrika bekannt gewordenen Typen immerhin abweichen. Jede der beiden Waffen besteht aus je einem reichlich 70 cm langen, starken Sorghumhalm, der zugleich Schaft und Lauf für das Geschoss ist. Dieses ist in beiden Fällen ein vorn zugespitzter dünner Rohrhalm. Das Fortschnellen des Geschosses geschieht bei der wirksameren der beiden,,Flinten" durch einen Bügel aus Raphiarinde, der im Untertheil des Schaftes in einem Querschlitz befestigt ist, während das freie vordere Ende in einer, den Sorghumhalm auf 15 cm Länge durchbrechenden Nute läuft. Der Bügel wird in der Art gespannt, dass der Zeigefinger das unten etwas über die Nute hervorragende freie Ende zurückzieht, um es dann vorschnellen zu

*) Westermann's Illustr. Deutsche Monatshefte. Februarheft 1899.

lassen. Beim Spannen muss das Gewehr in Hochanschlag gebracht werden, damit das Geschoss dem zurück weichenden Bügel zu folgen vermag."

Das andere Schiesswerkzeug steht nicht auf dieser Höhe. Die Schnellfeder fehlt hier; sie wird ersetzt durch einen kurzen, breiten Holzstift, der durch einen Querschlitz seitlich in den Lauf hineinragt und damit als Hebel dient. Ist die,,Büchse geladen", das heisst, berührt das untere Ende des im Lauf ruhenden Geschosses den Hebel, und der Schütze schlägt nun mit dem Finger oder der Hand gegen das freistehende Hebelende, so wird der Pfeil aus dem Lauf herausgeschnellt; wie nicht anders zu erwarten steht, nur um wenige Fuss.

Ein Eingehen auf solche Dinge mag kleinlich erscheinen; es gewinnt indessen sofort an Berechtigung, wenn man in Betracht zieht, dass diese überprimitiven Nachbildungen des europäischen Gewehres in ihrer Art doch auch bezeichnend sind für die Auffassung des Afrikaners von dem Mechanismus der neu ins Land gekommenen Waffe, wie sie andererseits darthun, dass auch die Jugend schon deren höheren taktischen Werth sofort erkannt hat.

Auf die männliche Jugend ausschliesslich beschränkt ist fernerhin das Spiel,,ulubangwe", ein Parteispiel, dessen Zubehör sehr an die südamerikanische Bola erinnert*. Dieses Zubehör besteht erstens in einem etwa einen Fuss im Durchmesser haltenden Holzreifen, dann aber aus einer Schnur, die in drei Enden ausläuft, deren jedes einen kurzen Holz

Fig. 1. Parteispiel Ulubangwe.

fenen Bola zu erhaschen und festzulegen.

cylinder in der Schlinge trägt; also thatsächlich eine Miniaturbola (inbura). Die eine Partei wirft nun den Ring nach vorn auf die andere zu, deren Aufgabe es ist, den Ring mittelst der gewor

Jenes

Andere, weit harmlosere und sicher auch von der weiblichen Jugend geübte Bewegungsspiele sind das Kutaka und das Inbagabaga. erfordert als Geräth drei kleine Früchte, deren eine von dem einen Spieler in die Höhe geworfen wird, während die anderen beiden auf dem Boden zerstreut werden. Aufgabe des anderen Spielers ist es nun, die letzteren zusammenzulesen, bevor die erste wieder aus den Lüften herunter kommt. Das Inbagabaga entspricht aufs genaueste unserem Drachen,

*) S. Fig. 1.

und zwar jener allerprimitivsten Form, die wir in den Händen unserer Kleinsten sehen, dem mittels eines durchgesteckten Stäbchens steif gemachten Stück Zeitungsblatt, das von den kleinen Weltbürgern stets mit ebensoviel Begeisterung wie Erfolglosigkeit in den Strassen unserer Städte zum Fliegen zu bringen versucht wird. Das Stäbchen ist auch in Urundi vorhanden; dagegen wird das Papier durch ein System nebeneinander gelegter und damit eine Platte bildender, federleichter Binsenmarkenden ersetzt, die mittels des erwähnten Stäbchens zusammengehalten werden. Als Schweif" dienen Fetzen feinen filetartigen Rindenstoffes. Die Flugfähigkeit dieser absonderlichsten aller Drachenformen ist übrigens kaum grösser als die ihrer oben angeführten europäischen Kollegen.

Das letzte der von van den Biesen übermittelten Bewegungsspiele schliesst sich an den Kreisel an. In der eingangs angeführten Abhandlung habe ich mehrere Typen abgebildet; die in Urundi übliche steht der einen von jenen zwar sehr nahe, doch während im Süden von Deutsch-Ostafrika als Widerlager für den Drehstab beim Abziehen der Schnur die Finger der linken Hand dienen, hat der Warundi-Kreisel zu diesem Zweck

einen besonderen Rahmen (umuheto), ein 15 bis 27 cm langes Stück Sorghumhalm, in das wie bei dem vorhin behandelten,,Gewehr eine längliche Oeffnung hineingeschnitten worden ist (8. Fig. 2). Die Hand

habung des Krei

Fig. 2. Warundi-Kreisel.

sels erklärt sich aus der Abbildung von selbst. Er funktionirt übrigens vortrefflich und giebt auch einen, durch die Oeffnungen in der Oncobafrucht (injebe) bedingten leisen Ton von sich. Der Stiel ist aus Holz, die Schnur (umuhungo) aus Raphia.

Auf das Gebiet des Hazardspiels begeben wir uns mit dem Kufuinda benannten Zeitvertreib. Spielgeräth sind die Samen von Abrus precatorius. Eins dieser schönen Körner wird von einem der Spieler, dem,,Bankhalter", unter einem Erdhügelchen vergraben. Diesen Hügel theilt er dann in verschiedene Theile, und es gilt dann für die Anderen, alle diese

Theile auseinander zu streuen, und nur das Häufchen unversehrt zu lassen, unter dem das Abruskörnchen liegt.

Den Schluss der Spiele macht das aus der Mission in Usige stammende Ikifundo (Ikifuindo), das allein vor allen ein scharfes Nachdenken erfordert. Die Grundlage dieses Spiels ist das in Fig. 3 wiedergegebene System

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von zwei unregelmässig ovalen Platten aus der Schale einer grossen Frucht, die mittels einer nach bestimmten, aus der Figur ersichtlichen Gesichtspunkten verschlungenen, in sich selbst zurücklaufenden Schnur mit einander verbunden sind. Die Aufgabe ist hier, diese Schnur aus den beiden Scheiben herauszulösen, ohne eine von diesen und ohne auch die Schnur selbst zu zerschneiden.

Ueber den Schwierigkeitsgrad der Lösung habe ich kein Urtheil, da mir das Spiel schon früher, und zwar aus meiner im Hildesheim'schen gelegenen Heimath bekannt war. Sie erfolgt sehr einfach dadurch, dass man die Schnurschleife bei b. unter Nachholung neuer Schnur von a. her in der Richtung auf c. hinführt, sie durch das Loch bei c. selbst steckt und dann solange Schnur nachholt, bis die Schleife gross genug ist, um die rechte Platte von oben nach unten durch sie hindurch zu führen. Dann lässt sich die links befindliche abstreifen. Ein Versuch mit Pappscheiben lehrt dies sofort.

Wie bereits erwähnt, ist genau dasselbe Spiel wie das Ikifundo Urundis auch im mittleren Hannover, und sicherlich auch noch anders wo bekannt, wenigstens seinem Wesen nach, wenn auch das Beiwerk, die Kalebassen - Scheiben, fehlen. Die Frage, ob hier Entlehnung von einem Europäer vorliegt, oder ob das Spiel vom Neger selbstthätig erfunden worden, ist müssig, solange wir über den Grad und die Art der Verbreitung, sowie alle näheren Umstände nichts Näheres wissen. Van den Biesen selbst, der uns die beste Auskunft hätte geben können, ist leider nicht mehr; wohl aber ist sein Reisegefährte und Amtsbruder van der Burgh in der mittlerweile von Neuem eröffneten Mission St. Antonius zweifellos in der Lage, die Frage zu beantworten. Gegen eine Erfindung im Lande selbst spricht übrigens die ganze Geistesanlage des Negers, der ja selbst ein viel weniger Nachdenken erforderndes Spiel wie das arabische Mankale von aussen her entlehnen musste.

Leipzig, den 14. August 1899.

K. Weule.

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