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Aus verschiedenen Gründen war es mir schon immer klar gewesen, dass diese Steinschale als Opferblutschale gedient hat, oder dazu hat dienen sollen. Wie ein Blick auf die Abbildung 9 und die Abbildung 8 lehrt, in der ich die Elemente der Ornamentation der Aussenwand noch einmal habe zeichnen lassen, zeigt diese Steinschale an der Aussen wand genau die gleichen Verzierungen, den Kranz von Adlerfedern und den Kranz der in umgekehrter Stellung um den Rand gereihten Herzen, wie die Abbildungen 1 und 2 des Codex Borbonicus, die dadurch, dass sie mit dem Blut gefüllt zu sehen sind, ihre Bedeutung klar kundgeben. Es ist also damit stricte bewiesen, dass auch unsere Steinschale, Abbildung 9, ein quauhxicalli, eine Opferblutschale war.

Die Steinschale des Königlichen Museums zeigt nun aber in der Ornamentation noch viel mehr als in den einfachen, gewissermassen nur als Hieroglyphen gezeichneten Abbildungen des Codex Borbonicus zu sehen ist. Auf der Innenwand (vgl. Abbildung 10) erblicken wir das

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Steinerne Opferblutschale des Königl. Museums für Völkerkunde. (Innenansicht). Bild der Sonne, den Strahlenring und von ihm umschlossen, den Rand des Gefässes einnehmend, das Zeichen Naui olin ,,vier Bewegung",

das Symbol der Sonne. Auf der Unterseite (vgl. Abbildung 11) das Bild der Erde, die Kröte, die mit aufgesperrtem Rachen das Steinmesser,

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Steinerne Opferblutschale des Königl. Museums für Völkerkunde. (Unterseite). d. h. das Licht verschluckt, und die als Göttin mit dem citlalcueil, dem,,Sternenweiberröckchen", dem rasselnden Gürtelbehang aus an geflochtenen Riemen hängenden Schneckengehäusen, bekleidet, im übrigen mit allerhand Todssymbolen ausgestattet ist. Das Bild der letzteren, der Erde, ist augenscheinlich nur als Widerspiel, als Folie, für das der ersteren, die Sonne auf der Innenseite des Gefässes, gedacht. Das Bild der Sonne aber muss mit der Bedeutung des Gefässes im innigsten Zusammenhang stehen. Welcher Art ist nun aber dieser Zusammenhang?

Ich habe im Eingang erwähnt, dass die Herzen und das Blut des Geopferten der Sonne dargebracht wurden, und zur Sonne, in das Haus der Sonne, nach dem Osthimmel, als ihr Diener, als quauhtecatl, ging auch die Seele des Geopferten. Und mit Recht, denn der Sonne, dem Wärme und Leben spendenden Gestirn, das die Gespenster der Nacht verscheucht, galt wohl überall bei diesen Stämmen der erste und ursprünglichste Kult. Es war aber feststehende Vorstellung bei den alten Mexikanern, dass der Mensch, der einem Gott als Opfer gebracht wurde oder ihm gebracht werden sollte, als sein Abbild, als der Stellvertreter des Gottes, betrachtet wurde. So musste denn auch das Herz und das

Blut des Geopferten, das man der Sonne brachte, oder zum mindestens die Schale, in der man es brachte, ein Abbild der Sonne sein. In der That war diese Vorstellung eine so feststehende, dass umgekehrt die Sonne geradezu mit dieser Blutschale identifiziert wurde. Als die Chichimeken aus Chicomoztoc auszogen, — erzählt die Historia Tolteca Chichimeca der Aubin-Goupil'schen Handschriftensammlung - blieb vier Tage und vier Nächte in tota totepeuh,,unser Vater, unser Herr" (d. h. die Sonne) auf der Erde stehen. Da sprachen Da sprachen die Kinder der Chichimeken.

Ma yecuellê, ma tiquizcaltican, ma ticnenequiltican, ma tictzinanacan in quauhxicalli in tonacapiaztli. Wohlan, lasst uns nähren, befriedigen, unterstützen das Adlergefäss, das Lebensmittelrohr (das Saugrohr des Herrn der Lebensmittel)", d. h. lasst uns mit Opferblut der Sonne Kraft geben.

So trägt also naturgemäss die Opferblutschale, das quauhxicalli, das Bild der Sonne auf ihrer Fläche. Wir sehen das, ausser an dem kleinen Exemplar des Königlichen Museums für Völkerkunde, auch an den grössseren Steinschalen, die für den gleichen Zweck in den grossen Tempeln in Mexiko aufgestellt waren. Hierzu gehört das schöne 0,47 m hohe, 1,06 m im Durchmesser haltende cylindrische Steingefäss des Museo Nacional de Mexico, das Jesus Sanchez in dem III. Band der Anales del Museo Nacional de Mexico (pag. 296-299) abgebildet hat, und das, wie die Steinschale des Berliner Museums, auf der Unterseite mit dem Bilde der ein Steinmesser, d. h. das Licht, verschluckenden Erdkröte geschmückt ist. Bringt aber die Steinschale des Berliner Museums für Völkerkunde in ihrer Ornamentation noch deutlich die Hieroglyphe quauhxicalli zum Ausdruck, so hat man bei den grösseren monumentalen Stücken dieser Art auf diese mehr graphische Verzierung verzichtet. Das von Jesus Sanchez abgebildete Exemplar zeigt auf seinem Cylindermantel Augen, von denen Steinmesser ausstrahlen, und verlängerte Augen, d. h. ausstrahlendes Licht und verwundende Strahlen, Elemente des Sonnenbildes.*) Und die gleichen Elemente, Steinmesser und Augen, d. h. Strahlen und Licht, sind auch auf dem Cylindermantel des grossen Tiçoc-Steins, über und unter den triumphirenden Kriegergruppen zu sehen. Ausser dem grossen Tiçoc-Stein gehört auch der grosse sogenannte Kalenderstein, der in seiner Mitte das Zeichen naui olin, das Symbol der Sonne, umgeben von allerhand chronologischen Symbolen zeigt, in dieselbe Klasse von Monumenten. Und der Temalacatl, der ,,steinerne Spinnwirtel" auf dem das Sacrificio gladiatorio stattfand, und der, wie aus verschiedenen Abbildungen hervorgeht, auf seiner

*) Jesus Sanchez erklärt die verlängerten Augen als Feuereibhölzer! und hält das Gefäss für ein dem Kultus des Feuergottes geweihtes.

Fläche ebenfalls mit dem Bild der Sonne geschmückt war, kann auch nur dasselbe Kultusmonument gewesen sein, das hier nur einem besonderen Zweck diente, und vielleicht nicht einmal dauernd und ausschliesslich ihm gewidmet war. So ist der alte Streit, ob der Stein Tiçoc's ein temalaca t1 oder ein quauhxicalli war, im Grunde ein nichtiger, denn beide, qua uhxicalli und temalacatl, gehörten derselben Klasse von Monumenten an. Der Stein Tiçoc's und der Kalenderstein waren auch nicht die einzigen Monumente ihrer Art. Die Uebersicht der verschiedenen Baulichkeiten, die innerhalb des Bezirkes des grossen Tempels von Mexico vorhanden waren, zählt allein sechs verschiedene quauhxicalli auf, und damit ist die Liste vermuthlich noch nicht erschöpft gewesen, denn etwa vorhandene kleinere Stücke dieser Art wird der Berichterstatter schwerlich berücksichtigt haben. Mir ist nicht bekannt, ob noch andern Orts eine Schale, ähnlich der des Berliner Museums existiert. Jedenfalls gehört sie zu den interessantesten Stücken, die die Sammlungen des Königlichen Museums aufweisen.

Berlin, Mai 1899.

Dr. Seler.

Ein marquesanischer Sarg.

Von Karl von den Steinen.

P. Gracia schreibt in seinen ,,Lettres sur les îles Marquises" (Paris 1843, p. 114): ,,Der Toten kultus der Eingeborenen ist sonderbar. Man richtet für Jedermann, indem man mit den Aeltesten beginnt, schon bei Lebzeiten den Sarg her, der seine Reste bergen soll. Es ist dies eine prächtige Holzmulde aus einem Stück, mit einem gleichfalls aus einem Stück geschnitzten Deckel hermetisch zu verschliessen, die man in einer Ecke der Hütte, Allen sichtbar, unterbringt. Wenn man sich nach dem Gegenstand erkundigt, erhält man die Antwort:,,Das ist die Bahre dieser oder jener gegenwärtigen Person", immer der ältesten oder kränksten, und Keiner scheint sich darüber als über die einfachste und gewöhnlichste Sache aufzuregen. Sie ist in der That auch ganz gewöhnlich, aber ich glaube, so kaltblütig trifft wohl Niemand seine Vorbereitungen ausser den Trappisten und den Wilden der Marquesas."

Es laufen stets 5 Schnüre zusammen. Der Kopftheil (vgl. Abb. 2) der Maschenumflechtung wird tia upoko (Kopfstütze), der Untertheil mata hope (Hintermaschen) genannt. Die ringsum den Rand entlang laufende Schnur heisst hei (Gewinde, Guirlande) und man unterscheidet hei upoko (Kopf), hei hope (hinten) und endlich als hei motu (abgetrennt) die beiden freien Querbahnen b, mit denen das Mittelstück abgesetzt ist. Die Maschen mata des Mittelstücks heissen mata nui, grosse Maschen, doch scheint man nicht so sehr die Masche als die Kreuzungsstelle als mata zu bezeichnen (vgl. c.).

Die Flechtmuster insgesammt müssen, wohl auch im Anschluss an die Gestalt des Sarges, mit der Vorstellung eines makrelenartigen Fisches, des utu, der äusserst tapu gehalten wurde, in Verbindung gebracht werden. So heissen die Schnüre schlechthin ivi,,Gräten", die beiden mittleren Längszüge an den Enden, die unter den mata-Kreuzungen liegen und sich über die Querbretter unter dem hei herumschlagen, kauaha utu,,Kiemen des Utu", das Gesammtflechtwerk endlich te utu-moe-ava ,,der Utu-Moeava" wahrscheinlich zu beziehen auf Moe-haka-ava, die Gottheit

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der Fischer.

Der Utu gehört zu der Familie der Scombriden und ist ein Verwandter

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