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Aus dem Tagebuche einer Engländerin, als Gast
unter den Mormonen. *)

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Great-Lake City, 1853. 1. Januar. ... Könnte der Inhalt eines Schuldgefängnisses, gepaart mit passenden Weibern, in einem fernen Lande abgesondert und zu dem Glauben gebracht werden, sich für ein verfolgtes Geschlecht und den Diebstahl, wie alle anderen Verbrechen, für eben so viele Tu genden zu halten: er würde doch nur ein schwaches Seitenstück zu der Gemeinschaft bildey, die hier in entlegener Gegend dem Beelzebub huldigt. Stuget Euch ein System zu, das an Aberglauben und vie hischen Gelüsten seinen Halt hat, und Ihr seid auf dem Wege, die Wahrheit zu treffen.

5. Januar. Heute hatte ich eine sehr interessante Unterredung mit einer Renangekommenen. Ich hatte sie schon früher zweimal gesehen, und ihre geistige Bildung war mir so aufgefallen, daß ich meine Verwunderung nicht verbergen konnte, wie sie unter die Mormonen gerathen sei. Ihre Familie besteht aus ihrem Manne und zwei Kindern, einem Sohne und einer Tochter, einem funfzehnjährigen, hübschen Mädchen. Traun, ein schöner Markt für das junge Geschöpf! Ich konnte schon bei einem früheren Zusammentreffen die Frage nicht unterdrücken, ob es ihr recht wäre, daß ihr Mann noch eine Frau Heirate. Sie erröthete bis über die Ohren und gab eine ausweichende Antwort; doch offenbar mochte sie aus Schen vor unserer anwesenden Wirthin nicht mit der Sprache heraus. Heute aber waren wir allein, und nachdem sie an Thüren und Fenstern nachgesehen, brach sie in einen wahren Sturm von Unwillen aus, über all das Schmähliche, was ihnen zu Ohren gekommen. Sie kamen, wie es scheint, in der äußersten Unkenntniß der Polygamie, mit der Absicht, sich hier häus lich niederzulaffen. Herr W. kaufte Haus und Hof, und sie fangen jezt eben ihre Wirthschaft an. Er besigt einen ansehnlichen Viehstand, den er vor der Hand Hirten zur Hut anvertraut hat; er hatte ursprünglich die Absicht, im Frühlinge nach Kalifornien zu gehen, um dort einen Markt für sein Vich zu suchen und inzwischen seine Familie hier zurückzulaffen. Sie haben nun ihren Plan geändert und werden zusammen nach Kalifornien ziehen, um nimmer wieder zu kehren. Um dies aber mit möglichst geringem Opfer an Eigenthum bewerkstelligen zu können, müssen sie ihren Plan für sich behalten. Ihr, einem Weibe von männlichem Geiste und gewohnt, ihre Gedanken ohne Rückhalt zu äußern, muß der Zwang schwer fallen; allein sie sind ernstlich besorgt, wie sie sich aus dieser verwickelten Lage herauswinden werden, und es ist eine Art Sicherheitsventil für ihre Gefühle, daß sie sich mit mir über ihre Lage aussprechen kann. Wir sind beide im Stande, über die elende Gesellschaft summarisch den Stab zu brechen und sie von Herzen in den glutreichsten Theil der Hölle zu verdammen. Zwei der Mormonenführer haben dem Herrn W. einige Hundert Dollar abgeschwindelt. Diese Schuld einzutreiben, Haus und Hof loszuschlagen und mit halbheiler Haut davon zu kommen, ist sein höchfter Wunsch; und er wäre zufrieden, wenn er diesen mit dem Verluft von tausend Dollars erkauft.

Sie, eine wohlbelesene Wafferheilkundige, wurde bei dem jest herrschenden Scharlachfieber schon öfter um Hülfe angesprochen, und fie giebt von dem Leiden manches armen Kindes eine lebendige, ob. wohl betrübende Schilderung. In einer kleinen Hütte fand sie eine Familie, einen Mann, zwei Frauen, drei schwer kranke Kinder, zwei Betten, einen Hühnerstall in demselben Zimmer, das von einer Peftluft erfüllt war. Der Mann ist ein Mitglied der Legislatur, noch im alten Harvard graduirt und nicht ohne wissenschaftliche Bildung. Als er gegen sie seine Besorgnisse um die Kinder ausdrückte, fragte fie ihn, wie er erwarten könne, daß sie gesund werden sollen, wenn fie genöthigt seien, eine solche Luft einzuathmen, und sie erklärte ihm geradezu, daß ein häusliches Leben, wie das seinige, nichts weniger

*) Nach Putnam's Monthly.

1855.

als günstig für die Gesundheit sei. Doch was nüßt es, mit solchen Menschen vernünftig zu sprechen! Verlange von dem Trunkenbold, er soll das Glas von sich werfen, während der Feuertrank seine Kehle herabrinnt!

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10. Januar. Unter den Stammgästen der Frau Farnham ist ein großgewachsenes, hübsches junges Weib, bekannt unter dem Namen Harriet (Jettchen) Cook. Sie ist eine frühere Angestegelte") Brigham's, von dem sie ein Kind hat. Als ich sie zum ersten Male fab, schien sie mir unter dem drückenden Gefühl ihrer Lage zu leiden. Sie äußerte sich mit Bitterkeit über ihren Fall, über die Scheußlichkeiten des Harems, mit Haß über ihr eigenes Kind, das sie als einen garftigen, unbändigen Balg schilderte. Ich empfand viel Theilnahme für sie und fragte fie, warum sie nicht nach Kalifornien auswandere? Sie antwortete traurig: Hier bin ich so gut, wie Maria Anna" (Brigham's erstes Weib),, und alle Anderen; anderswo bin ich ein Auswurf. Mein Bruder wünscht, daß ich fortgehe, aber es nüßt nichts.“ Heute besuchte mich dieses Frauenzimmer wieder und verbreitete sich in einer Schilderung der schmußigen Haremwirthschaft in so widerwärtiger und gemeiner Sprache und mit einem so sichtbaren Wohlgefallen an dem Laster, daß mein ganzer Ekel rege wurde und alle Sympathie für sie erstarb. Von jest an unterhielt ich mich mit ihr, wie mit den anderen nur zu dem Zwecke, mich über die mormonischen Zustände zu belehren. Sie kann als Probe gelten für die tiefe und hoffnungslose Entwürdigung, die das Mormonenwesen bewirkt. Und mit zunehmendem Alter wird sie eine boshafte Lust darin finden, Andere zu dem selben unseligen Zustande zu verführen.

14. Januar. Gestern gingen wir zum ersten Male in das Tabernakel. Phineas Young begleitete uns und sicherte uns einen guten Plag. Der Andrang war ungeheuer. Auf einem Altane an der Westseite faßen die Hohenpriester und die Aclteften, die zum Dienste des Tages sich eingefunden hatten.

Es war eine seltsame Versammlung. Ich müßte ein geübter Phrenolog sein, um an eine genaue Classification zu gehen. Es gab nur wenige intelligente Gesichter, untermischt mit ausgeprägter Schlauheit und anwidernder Lüfternheit in Männern und Frauen, eine große Masse Leichtgläubigkeit und eine Ueberfülle an maulaffender, ftierender Dummheit. In rem Anzuge keine vorherrschende Mode; die große Mannigfaltigkeit der Kostüme deutete auf ein Zusammenftrömen aus allen Punkten der Windrose. Ein Weib, das vor uns saß, drehte allen Punkten der Windrose. sich um und bohrte in mich ein großes, durchdringendes, schwarzes Augenpaar. Sie schien aus mehr als gewöhnlicher Neugierde an mir begreifen zu wollen, wie eine Heidin aussehe, die es für keine Glückseligkeit hält, einen Mormonen zum Gatten zu bekommen. Base Shearer sagt mir, das Weib sei aus Springfield in Massachusetts, gut verheiratet; sie habe keine geringe Opfer gebracht, um sich den Heiligen anzuschließen, und ihr Mann werde in kurzem die Tochter eines gewissen Colborne zur zweiten Frau nehmen. Die früher mit diesem gemachte Bekanntschaft wird mir vielleicht eine Einladung zur Hochzeit eintragen.

Parley Pratt hielt die Hauptpredigt, die meist aus umherschweifenden, unzusammenhängenden Redensarten zur Verherrlichung der Heiligen bestand. Hin und wieder brachte er, wie es Redner in politischen Versammlungen zu thun pflegen, eines jener Schlagwörter an, die ein wieherndes Gelächter der Zuhörer hervorrief, und es schien mir für ein solches Auditorium gar nicht am unrichtigen Orte. Von Andacht keine Spur. Die Versammlung sah allem Anderen eher als einer religiösen ähnlich. Die vor dem Altane aufgestellte Musikbande bestärkte uns noch mehr in der Meinung, daß wir hier einem Puppenspiel oder einer ähnlichen Aufführung beiwohnen sollten.

17. Januar. Neulich Abends besuchten wir das Theater in der Gesellschaftshalle, einem Gebäude, das zu öffentlichen Vergnügungen bestimmt ist. Eine drei oder vier Fuß über den Zuschauerraum erhöhte Estrade bildet die Bühne. Bulwer's,,Lyonerin“ wurde, und

*) Sealed, als Konkubine aufgenommen. Brigham Young ist der jegige Groß-Kophta der Sekte.

zwar beffer, als wir erwartet hatten, gegeben, und ich würde mich angenehm genug unterhalten haben, wenn mir der Anblick so manchen Privatstückes, das im Publikum gespielt wurde, mir nicht den Genuß vergällt und mich von dem Besuch des Hauses für immer abgeschreckt hätte. Wie durch und durch, wie entseglich vergiftet ist Alles in dieser Gesellschaft!

Heute besuchte ich Frau Cook, die den vorigen Abend ihre Rolle als Mutter des Claude vorzüglich gespielt hatte. Sie ist eine ge= borene Engländerin, eine Frau von Geist, die mit ihren Kindern den Winter über hier bleibt, während ihr Mann in Kalifornien verweilt. Nach ihrer Versicherung hatte sie nie, weder in England, noch in Amerika, die Bretter betreten; da sie überdies ein ausgezeichnetes musikalisches Talent ist, so reißt sich Alles um sie. Wie konnte sie aber eine Mormone werden? Vielleicht ist sie, wie Frau W., der Sache schon überdrüssig, oder - wie es bei einem großen Theil der Fall ist ist ein unausgesprochener Grund vorhanden, der ihr die Gesellschaft der nicht mormonischen Welt verleidet hat. — Ich erfuhr bei ihr manche Merkwürdigkeit über das Theater. Einige Mitglieder waren schon früher auf der Bühne thätig, unter diesen ist eine Mrs. Wheelock, deren Gatte auf einer Mission aus ist, und während seiner Abwesenheit sind die männlichen Schauspieler in voller Jagd hinter ihr her; denn eine verheiratete Frau kann immerhin in Abwesenheit ihres Mannes wieder anderweit verheiratet werden. Am hißigsten verfolgt sie der Schauspieler, der in der Lady of Lyons" die Rolle des Claude sehr gut durchgeführt hat und schon mit drei Weibern verbunden ist. Neben dem Stück auf der Bühne trug das gelegentliche Seitenstück hinter den Coulissen nicht wenig zur Unterhaltung des Publikums bei. Da Mrs. Cook für das liebe Brod arbeitet, so beklagt fie fich bitterlich über die vielen Freibillets, welche die ganze Einnahme aufzehren. Brigham mit zehn oder zwölf Adjunkten, Kimball, mit einem ähnlichen Anhang, und so durch die ganze Bande, haben freien Eintritt, indeß die Schauspieler selbst für ihre Familien bezahlen müssen. (Schluß folgt.)

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Ostindien.

Privatleben eines orientalischeu Königs.

(Schluß.)

Wie man sieht, hatte der Sprachlehrer des Königs von Audh eine ganz angenehme Stellung, um die ihn unsere schlecht bezahlten Pädagogen wohl beneiden dürften. Außer ihm befanden sich im königlichen Hofstaat noch vier europäische Mitglieder: der Bibliothekar, der Maler, der Hauptmann der Leibwache und der Barbier, der, wie im Orient so häufig, sich der besonderen Gunst Sr. Majestät erfreute. Welches Amt unser Verfasser bekleidete, ist nicht recht ersichtlich; nach manchen in dem Werke vorkommenden Aeußerungen möchten wir ihn für den Hofmaler halten. Die Geschichte des Barbiers erzählt er folgendermaßen:

„Er war als Kajütenjunge nach Kalkutta gekommen; da er aber in London bei einem Friseur gelernt hatte, so verließ er nach seiner Ankunft in Kalkutta das Schiff, um zu seinem alten Gewerbe zurück zukehren. Das Glück war ihm hold; durch Dreistigkeit und Schreierei erwarb er sich einen ausgebreiteten Ruf. In der Folge wurde er ein sogenannter Flußreisender, indem er mit europäischen Waaren den Fluß hinaufführ. In Lacknau angekommen, fand er den englischen Residenten vor Verlangen brennend, sein von Natur schlichtes Haar in derselben Weise wie das des General-Gouverneurs (Lord Ellenborough) kräuseln zu lassen. Der General-Gouverneur zeichnete sich durch seine Locken fülle aus, und in Indien ist natürlich der General-Gouverneur,,der Mode Spiegel und der Formen Muster". Der Resident mußte ihm nachahmen, und der Flußreifende war nicht zu stolz, sein altes Ge, schäft wieder vorzunehmen. Wunderbar war die Metamorphose, die er in dem Aeußern des Residenten hervorbrachte, und der große Sahib war so sehr darüber erfreut, daß er den Wunderthäter dem Könige vorstellte. Dieser Resident lebt jezt in England und schreibt M. P. (Parlaments-Mitglied) hinter seinen Namen. Der König hatte merkwürdig schlichtes, straffes Haar; von Locken war bei ihm nicht im Entferntesten die Rede. Der Barbier that abermals Wunder, und der König war außer sich vor Entzücken. Der glückliche coiffeur wurde mit Ehren und Reichthümern überhäuft. Er erhielt einen Adelstitel: Sofraz khan (erlauchter Häuptling) war sein neuer Name, und ganz Audh beugte sich vor ihm. Der ehemalige Kajütenjunge war jest ein angesehener Mann, und als Liebling des Königs fehlte es ihm nicht an Gelegenheit, ein bedeutendes Vermögen zu sammeln. Außer den Geschenken, mit welchen er sich für seine Fürsprache bezahlen ließ, hatte er noch eine andere Duelle des Erwerbs: er lieferte alle Getränke, die an der königlichen Tafel konsumirt wurden. Ueberhaupt ging jedes europäische Produkt, das man bei Hofe verbrauchte, durch feine Hand, und die Rupien floffen tausendweise in seine Tasche.

,,Was soll man dem Manne thun, den der König gern wollte ehren?" ist eine Frage, die an den orientalischen Höfen eben so oft aufgeworfen wird, wie zu den Zeiten Esther's. Die Ehren, die Nasir dem einnehmenden Barbier erwies, waren gränzenlos; er schenkte ihm unbe dingtes Vertrauen. Nach und nach wurde er ein regelmäßiger Gaft an der königlichen Tafel und setzte sich wie von Rechtswegen neben den König nieder, der nie eine Flasche Wein kostete, die von anderen Händen als denen seines Barbiers geöffnet worden. Die Furcht Seiner Majestät, von seinen eigenen Verwandten vergiftet zu werden, war so groß, daß jede Flasche Wein im Hause des Barbiers versiegelt werden mußte, ehe sie auf den königlichen Tisch kam, und beim Oeffnen untersuchte der kleine Mann erst sorgfältig das Siegel, um zu sehen, ob auch Alles in Ordnung sei. Er zog dann den Pfropfen, goß etwas Wein aus und probirte es, ehe er ein Glas für den König füllte. Dies war die Etikette am königlichen Tisch, als ich zuerst daran Plaz nahm.“ Es zeigte sich in der Folge, daß, was unser anonymer Autor als bloße Etikette" bezeichnet, eine Vorsichtsmaßregel war, zu der Nasireddin und sein vertrauter Barbier allen Grund hatten; denn bald, nachdem Lehterer, hauptsächlich durch die Intriguen der anderen europäischen Mitglieder des königlichen Hofstaats, von der Person des Königs entfernt worden, gelang es den Verwandten desselben in der That, sich in den Palast einzuschleichen und den unglücklichen Monarchen durch Gift aus dem Wege zu räumen.

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Unter solchen Auspizien mußte das ,,Privatleben eines indischen Königs" manche seltsame und nicht sehr erbauliche Züge darbieten. Nasir-eddin war nach dem Geständniß seines Biographen von Natur gutmüthig und keinesweges ohne geistige Anlagen, aber im höchften Grade launenhaft und von augenblicklichen Einflüssen beherrscht. Seine Vorliebe für die Europäer war ohne Zweifel aufrichtig; er ahmte ihre Sitten nach, nahm ihre Kleidung und ihre Gebräuche an und vertraute sich ganz ihrer Führung; wie schlecht aber seine europäische Umgebung dieses Vertrauen erwiederte, geht aus der eigenen Erzählung des Verfaffers hervor. Sein Hang zum Trunke, das erste Laster, welches sich des Muhammedaners bemächtigt, sobald er den strengen Enthaltsamteits-Regeln des Koran untreu wird, wurde eher ermuthigt, als in Schranken gehalten; die Sinekuren, deren man an seinem Hofe genoß, waren zu einträglich, als daß man sie durch unzeitige Offenheit auf das Spiel sezen konnte, und nicht ein Wort des guten Raths oder des freundschaftlichen Tadels wurde von den Günstlingen gewagt, welche die Zeugen und Theilnehmer seiner Verirrungen waren. Allerdings ist es eine kisliche Sache, einem unumschränkten Monarchen die Wahrheit zu sagen; von Xerxes bis zu Rafir-eddin herab haben orientalische Potentaten stets gezeigt, daß sie in solchen Dingen keinen Spaß verstehen, und der König von Audh lebte daher ungestört der Ueberzeugung, daß es nicht nur echt fürstlich, sondern auch echt,,gentlemännisch“ sei, sich toll und voll zu trinken und in diesem Zustande die Extravaganzen zu begehen, die seinen Namen in ganz Indien berüchtigt machten.

Ein großer Theil des Werks ist mit Schilderungen jener Thierkämpfe angefüllt, welche im Orient so beliebt sind und an welchen auch der Verfasser offenbar nicht geringes Wohlgefallen findet. Er erzählt von Duellen zwischen dressirten Rebhühnern und Wachteln, die auf dem Estisch ausgefochten wurden; von Kämpfen zwischen Tigern und Elephanten, zwischen Büffeln und Tigern, zwischen einem wilden Pferde, das in seiner Diät mit den Roffen des Diomedes wetteiferte, und einem Tiger, in welchen leßterer den kürzeren zog; von Antilopenjagden, Elephantenjagden, Hirschjagden und von anderen, meistens höchft unmenschlichen und blutigen Vergnügungen. Wir begnügen uns damit, eine einzige dieser Scenen wiederzugeben, in welcher der Elephant, seinen zweibeinigen Peinigern gegenüber, als bei weitem das edelste und vernünftigste Thier erscheint.

Bei Gelegenheit eines Besuchs, den der britische Oberbefehlshaber und der Resident in Lacknau dem Könige abstatteten, wurde zur Erheiterung Ihrer Excellenzen" ein großartiger Thierkampf veranstaltet. Der Hof Seiner Majestät von Audh strahlte in allem Glanz orientalischer Pracht. „Der König trug seine neue Krone, die mit zahllosen Edelsteinen geschmückt war und an der eine schneeweiße Reiherfeder befestigt war. Wenn er wollte, konnte er sich mit vieler Würde benehmen, und der Kontrast zwischen dem dunkelschattirten Braun seines Leints, den funkelnden Juwelen und dem schlanken Federbusch war höchst imposant und anmuthig. Er erschien bei diesem feierlichen Anlaß in seiner orientalischen Kleidung, aus glißernden Kinkobs von goldund silbergewebter chinesischer Seide bestehend, die bei jeder Bewegung wie leuchtende Diamanten schimmerte." Der erste Akt des blutigen Schauspiels war ein Kampf zweier Tiger, deren Details der Verfaffer mit wahrhaft peinlicher Genauigkeit ausmalt. Die interessanteste Episode dieser barbarischen Spiele bildete jedoch ein Duell zwischen einem Lieblings-Elephanten des Königs, genannt Mallir, der bereits in früheren Kämpfen einen Stoßzahn eingebüßt hatte, und einem anderen furchtbaren schwarzen Kerl“ von noch riesenhafterer Gestalt, aber nicht so unerschrockenem Muth, als der verstümmelte Veteran Mallir. Der

Lehtere trieb seinen Gegner vor sich her in den Fluß, der die eine
Seite der Arena begränzte.

seines Rüffels mit ihren Lanzenspißen zu erkennen. Mallir schlug seine langen Ohren zurück und blickte sie drohend an. Die Frau seines Mahauts konnte ihn beruhigen, aber von Anderen ließ er sich nichts befehlen; man las diesen Entschluß in seinem Auge. Sie stachen ihu wieder, diesmal etwas schärfer. Er warf feinen Rüffel in die Höhe, stieß ein drohendes Gebrüll aus und stürmte plößlich auf die Angreifer los, die von der linken Seite kamen. In einem Nu machten sie Kehrt, und ihre Pferde sprengten in vollem Galopp davon, während Mallir fie verfolgte. Die unbändige Wuth des Elephanten begann allmählich zurückzukehren, und als die Schaar, die ihn zuerst angegriffen, über eine Mauer gefeßt und seinen Blicken entschwunden war, wandte er sich gegen die zweite. Es war jest an ihr, die Flucht zu ergreifen, was sie mit eben so großer Schnelligkeit wie ihre Kameraden that, als diese von Mallir verfolgt. Die Frau soll ihn zurückrufen“, schrie jezt der König, „er wird ihr gehorchen." Sie rief ihn, und Mallir kam zurück, wie ein Wachtelhund auf die Stimme seines Herrn. „Die Frau soll mit ihrem Kinde aufsteigen und ihn fortführen“, befahl der König weiter. Ein Wort von ihr, und der Elephant kniete nieder; fie stieg auf; Mallir reichte ihr zuerst die verstümmelte Leiche und dann ihren Säugling; sie saß auf seinem Rücken an ihres Gatten Stelle und führte ihn ruhig von dannen. Von diesem Tage an war sie sein Mahaut, sein Hüter; er duldete keinen anderen. So aufgeregt, so wüthend er auch sein mochte, sie hatte nur zu befehlen und er gehorchte. Ihre Hand, auf seinen Rüffel gelegt, reichte hin, die heftigsten Ausbrüche zu stillen. Sie führte ihn ohne Furcht oder Gefahr umher, und die Gewalt, die sie über ihn erlangt hat, wird ohne Zweifel auf ihren Sohn übergehen."

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Es erhellt aus der ganzen Darstellung des Verfassers, daß, der europäischen Einflüsse ungeachtet, die sich in Indien geltend machen, der Geist des Orients dort noch in voller Kraft obwaltet, und mitten unter fashionablen Londoner Hüten, schwalbenschößigen Fracks und anderen Aeußerlichkeiten unserer modernen Civilisation werden wir von Zwischenfällen überrascht, die uns in die Zeiten des Cyrus und Ahasverus zurückführen. Eines Tages lud Nasir-eddin seinen Oheim, der ihm mißliebig war, zu Tische ein, in der Absicht, ihm einen Streich zu spielen. Man machte den alten Mann total betrunken, indem man Branntwein in seinen Madeira mischte, sein langer Schnurrbart wurde dann an die Lehne seines Stuhls festgebunden und ein Feuerwerk unter ihm abgebrannt. Die Beine des unglücklichen Onkels wurden jämmerlich versengt; er sprang vom Stuhle auf und riß sich hierdurch zwei Büschel Haare mit der dazu gehörigen Haut von der Oberlippe herunter. Das Blut floß in Strömen aus der Wunde, und der Rausch des Leidenden war in einem Augenblicke verscheucht. Er verließ das Zimmer, indem er dem Könige für seine Bewirthung dankte und nur das Bedauern aussprach, daß ihn das Nasenbluten am Bleiben verhindere!" Erinnern solche Züge nicht an die Anekdoten, welche Herodot von den alten Höfen von Ecbatana und Babylon erzählt?

„Mallir war wüthend über die Flucht seines Geguers. Sein Mahaut (der Führer, der auf dem Rücken des Elephanten sigt) wollte ihn zur Verfolgung anfeuern, aber er wußte, daß es vergebens war, oder war zu aufgebracht, um ihm zu gehorchen. Er blickte wild umher, bereit, den ersten Besten anzugreifen. Der Mahaut, der ihn noch immer mit heftigen Schlägen und rasendem Geschrei vorwärts trieb, verlor in der Aufregung das Gleichgewicht und fiel zu Boden. Er stürzte vor die Füße des erzürnten Thieres, den er selbst noch wüthen der und zügellofer gemacht hatte. Sein Schicksal blieb nicht einen Augenblick zweifelhaft. Wir sahen kaum, daß der Mahaut gefallen war und hülflos mit ausgestreckten Beinen und hoch emporgehobenen Armen auf der Erde lag, als wir den ungestalten Fuß des Elephanten auf seine Brust stampsen und seine Knochen zermalmen hörten und der Körper des Unglücklichen nur noch eine formlose Maffe darbot! Er hatte kaum Zeit, einen Angstruf auszustoßen; das Hin- und Herschwanken feiner Gestalt auf dem Nacken des Elephanten, sein Sturz, der dumpfe Ton, den er beim Niederfallen auf den weichen Rasen von sich gab, und das gräßliche Gefrach des Körpers, als er von dem Fuße des erbitterten Thieres zertreten wurde alles dies war das Werk eines Moments. Aber die Wuth des Elephanten war noch nicht gesättigt. Ohne den Fuß von der Brust des Mannes zurückzuziehen, ergriff er mit dem Rüssel einen Arm und riß ihn vom Körper ab. Noch einen Augenblick, und das Glied flog hoch in die Luft, indem das Blut von ihm sprißte. Es war ein schauderhafter Anblick. Der andere Arm wurde in derselben Weise abgerissen und in die Luft geschleudert.. Wir waren natürlich Alle entsezt über den traurigen Ausgang unseres Spiels, an welchem aber Niemand schuld war, als der Elephant (also nicht die jenigen, welche dergleichen,,Spiele" veranstalten!) unser Schrecken erreichte jedoch den höchsten Grad, als wir plöglich eine Frau auf den Elephanten zustürzen fahen. Sie hatte ein Kind im Arm und lief so schnell, als ihre Last es ihr gestattete. Der Oberbefehlshaber, der auf dem Balkon saß, sprang auf mit den Worten: Majestät! es wird noch mehr Unglück geschehen. Können wir nichts thun, es zu verhin, dern?" ,,Ohne Zweifel ist es die Frau des Mahaut“, erwiederte der König; „was können wir machen?" Der Resident hatte zwar schon einigen Reitern Befehl gegeben, vorzurücken und den Elephanten mit ihren langen Speeren wegzutreiben, aber in einem Augenblick ließ sich dieser Befehl nicht ausführen, da die Leute erst aufsigen und sich vorfichtig, fünf auf jeder Seite, nähern mußten. Vermittelst ihrer langen Speere pflegen sie die Muft - Elephanten (Must bedeutet jenen periodischen Zustand der Aufregung, den man die Brunstzeit nennt) fortzutreiben, indem sie, wenn die Thiere widerspenstig sind, ihre Lanzen spişen gegen den Rüssel derselben richten, welcher ihr verwundbarster Theil ist. Es versteht sich von selbst, daß es geschickte Reiter sein müssen, die im Nu davonsprengen können, wenn der Elephant den Speeren ausweicht und seinerseits zum Angriff übergeht. Während die Lanzenträger Ehrenvoller für den König von Audh, der, wie schon angedeutet, sich also anschickten, das Thier fortzutreiben, indem sie aufstiegen und sich neben den Fehlern und Lastern einer durch oberflächliche Kultur eher verihm vorsichtig von beiden Seiten näherten, lief die arme Frau, ohne der derbten als veredelten orientalischen Despotennatur, auch manche lobensGefahr zu achten, geradesweges auf den Elephanten zu.,, Mallir, werthe Eigenschaften besaß, war sein Benehmen bei einem anderen VorMallir! wildes, grausames Thier, sieh, was Du gethan haft“, rief sie; fall, mit welchem wir die Auszüge aus dem Bericht feines anonymen ,,hier, mach unserem Hause ein Ende; Du hast das Dach zerstört, brich Biographen schließen wollen. Ein eingeborener Würdenträger, auf die jezt auch die Mauern nieder; Du hast meinen Gatten getödtet, den Vorliebe des Monarchen für seine europäische Umgebung eifersüchtig, Du so sehr liebtest, jezt tödte auch mich und seinen Sohn." Wer stellte ihm einst vor, wie unschicklich es sei, daß diese Fremdlinge in Indien nicht kennt, wird eine solche Sprache für unnatürlich und lächer- die allerhöchste Gegenwart einträten, ohne die Schuhe oder Stiefel lich halten, allein es ist genau das, was sie sagte, da fast jedes Wort auszuziehen. So etwas erlauben wir uns nie", sagte der Höfling, sich meinem Gedächtniß eingeprägt hat. Die Mahauts und ihre Fa-,,und es ist eine allzu große Herablassung, daß Ew. Majestät es gemilien leben mit den Elephanten, zu deren Hütung sie bestellt sind, statten. Glauben Sie mir, Jhr erlauchter Vater, der große und prächund reden mit ihnen, wie mit vernünftigen Wesen, im Tone des Vor- tige Ghafi-eddin, glücklichen Andenkens, hätte es nie geduldet." Der wurfs, des Lobes, der Bitte oder des Tadels. Wir erwarteten nichts König erwiederte, daß nach europäischer Sitte man in Gegenwart von Anderes, als daß das wüthende Thier sich von den verstümmelten Ueber- Höheren den Hut abnehme und daß die Engländer sich ihrem eigenen reften des Gatten wenden würde, um die Frau und das Kind in Stücke Souverain in dieser Weise näherten, wie die Muhammedaner als zu reißen; aber glücklicherweise hatten wir uns getäuscht. Mallir's Zeichen der Ehrfurcht die Pantoffeln ausziehen; als aber der Indier Wuth war gesättigt, und er fühlte Reue über das, was er gethan hatte. sich nicht dabei beruhigen wollte, schlug er ein Kompromiß vor. Er Man konnte es an den herabhängenden Ohren und dem gesenkten Kopf versprach, daß seine Europäer ihre Schuhe oder Stiefel an der Thür erkennen. Er zog den Fuß von dem zerfleischten Körper zurück. Die feines Audienzzimmers zurücklassen sollten, wenn die Muhammedaner Frau warf sich darüber hin, und der Elephant stand dabei, ihren Schmerz sich zugleich ihrer Turbans entledigen würden. Dies war natürlich achtend. Es war ein rührendes Schauspiel. Das Weib jammerte laut, ein argumentum ad hominem, da ein echter Muselmann fich fast eher fich von Zeit zu Zeit mit erneuten Vorwürfen zu dem Elephanten wen- den Kopf abschlagen ließe, als daß er ihn freiwillig entblößte. „Obige dend, während er gleichsam schuldbewußt da ftand und sie traurig an- Unterredung", sagt der Verfasser, der sie ausführlich wiedergiebt, „erblickte. Ein- oder zweimal streckte der bewußtlose Säugling die Arme schien uns Allen so merkwürdig, daß der König seinem Secretair benach seinem Rüffel aus und spielte damit. Ohne Zweifel hatte er fahl, sie niederzuschreiben fahl, fie niederzuschreiben – denn Alles, was am Hofe geschieht, wird dies schon oft gethan, denn es ist nichts Ungewöhnliches, das Kind (wie bei den alten Persern) genau verzeichnet. Sie beweist, daß es eines Mahauts zwischen den Beinen des Elephanten spielen zu sehen, dem Könige keinesweges an gesundem Urtheil fehlte, wenn er den der seinen Rüffel über ihm schwenkt und, wenn es sich zu weit entfernt, Eingebungen seines natürlichen Verstandes folgte.“ es mit der Zärtlichkeit einer Mutter wieder zurückbringt. Unterbeffen näherten sich die Lanzenträger auf flinken Pferden, welche eigens zu folchem Dienste abgerichtet waren. Sie kamen von beiden Seiten heran und gaben dem Elephanten ihre Wünsche durch eine leichte Berührung

Frankreich.

Uebersezte Romane.

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In Leipzig erscheint seit einiger Zeit wieder eine große Anzahl von Ueberseßungen, die außer der gewöhnlichen Versündigung gegen die deutsche Sprache auch eine gegen den guten Geschmack begehen. Es ist wahrhaft bedauernswerth, daß manche Buchhändler so wenig gewissenhaft in der Auswahl ihrer Verlagsartikel find, die sie wie eine Modewaare möglichst billig, unhaltbar und unsolide — den leichtgläubigen Kunden anpreisen. Die englischen Roman-Fabrikanten, die man bis zur Geburt und Heirat wenigstens dreier vorhergehenden Generationen zurückbeglei ten muß, um endlich bei dem wirklichen Helden und seiner vielbändigen Geschichte anzulangen, werden eben so schnell für die deutsche Lesewelt verarbeitet, als die französische Romantik. Diese hat es neuerdings zwar meistens nicht zu langathmigen Romanen gebracht, wie einst Eugen Sue fie einführte, aber die Ueberseßer stürzen sich auf die vielen furzen, unerbaulichen Geschichten der Camelia-Damen und sonstiger Blumenmädchen. Die neueste Leipziger Ueberseßungs-Fabrik nennt sich „Lesekabinet" der Einhornschen Buchhandlung. Sie bringt für das noch nicht begonnene Jahr 1856 schon einige englische und franzö fische Romane im obigen Zuschnitt. Wir erwähnen hier nur „Mam» mon", von Mrs. Gore, und,,die Perle des Palais-Royal": beide Bücher liefern hinreichende Beweise für unsere Behauptungen.

Dagegen müssen wir einer Ueberseßung aus dem Franzöfifchen lobend gedenken, welche so eben in Lord's Eisenbahn-Bibliothek erschien. Es ist die vortreffliche Novelle,,Das Fräulein von Malepeire", von Charles Reybaud. Wir lafen dieselbe bereits mit der größten Bewunderung in der vorjährigen Revue des deux Mondes. Das ist eine meisterhafte Darstellung der ergreifendsten Familien-Ereignisse. Das Schloß eines Edelmannes und das Haus eines Bauern wird mit einer Anschaulichkeit geschildert, wie es bis jezt noch keinem aristokratischen Autor und auch keinem Meister in Dorfgeschichten gelungen ist. Auch unsere zahlreichen Tendenzschriftsteller könnten ein Beispiel nehmen an dieser einfachen, aber kräftigen Beweisführung über die Wirkung des Büchergifts, welches die Encyklopädiften, die Vorläufer der franzöfischen Revolution, ausftreuten. Ein junges adeliges Fräulein hat auf dem einsamen Schloß ihrer Aeltern Rousseau's Heloise" gelesen, sich im Stillen für die Menschenrechte begeistert und die Religionszweifel Diderot's, Bayle's und d'Alembert's studirt. Sie schwärmt für die beginnende Revolution, verschmäht einen liebenswürdigen aristokra tischen Freier und verliebt sich in einen Bauersohn, den sie ihren Aeltern zum Troß heiratet. Bis hierher wäre es eine gewöhnliche Geschichte, wie sie oft genug mit sentimentaler Ueberspannung in Ro manen gefeiert wird, aber nun wird das Schloßfräulein im Bauer hause gezeigt. Die brave Mutter und die fleißigen Schwestern ihres Mannes nehmen sich sehr vortheilhaft aus neben dem Ungeschick und der Unluft für ländliche Arbeit, wie sie die ehemalige vornehme Dame an den Tag legt. Sie muß nach der guten alten Gitte des bäuer lichen Haushalts ihren Mann bedienen, ihm die beschmußten Schuhe ausziehen und halbe Nächte auf den etwas lockeren Vogel mit der Abendsuppe am Heerdfeuer warten. Diese Demüthigungen erträgt sie mit stummem Zorn, endlich aber äußert sie denselben doch; ihr Mann schlägt ihr im Wortwechsel ins Gesicht, ohne zu ahnen, wie tief er dadurch die hochgeborene Gattin verlegt. Ein glühender Haß tritt an die Stelle ihrer Liebe zu ihm, und in einer furchtbaren Nacht ersticht fie ihn mit dem Brodmeffer des früher so friedlichen Bauerhauses. Die Revolutionszeit, die so manches unschuldige Haupt aufs Schaffot brachte, hatte keine Geseze zur Bestrafung der Verbrecherin. Das Grelle dieses Ereignisses ist dadurch in der Erzählung sehr gemildert, daß diese einem menschenfreundlichen Priester in den Mund gelegt wird. Er hat endlich die Verbrecherin zur Buße geführt und ihr den früh verlorenen Glauben zurückgegeben. Der Verfasser hat außerdem durch einen sehr überraschenden Schluß, den wir hier nicht verrathen wollen, nicht nur ein versöhnendes, sondern auch ein humoristisches Element in seine Erzählung gebracht, er giebt dadurch einen neuen Beweis von der Vielseitigkeit seines Talentes. F. v. H.

Mannigfaltiges.

- Karl Johann's Politik im Jahre 1812. Der König

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Schwiegersohne desselben, Namens Bergmann, als werthvolle historische Aktenstücke, veröffentlicht worden. Bernadotte's Politik von 1812" erscheint darin nicht in dem rosigen Lichte, in welchem das schwedische Volk den König seiner Wahl zu sehen liebt. Schweben hatte am 30. August 1812 ein Of- und Defensiv-Bündniß mit Rußland abgeschlossen, und in Bezug auf diesen Vertrag schrieb der damalige Kronprinz Karl Johann an den Kaiser Alexander: Ich bin nur ein „Ich Fürst des Bivouaks, der durch ein glückliches Geschick auf die Stufen des Thrones geworfen worden ist. Eine Zeit wird kommen, wo Europa zu feinen früheren Zuständen zurückkehrt und auch Schweden von einem Rückschlage betroffen und beunruhigt werden kann. Eine Sache nur beruhigt mich: Ew. Majestät haben geruht, mein Bündniß und meinen Degen anzunehmen, und haben erklärt, daß Sie meine Feinde immer wie Ihre eigenen betrachten wollen. Ich werde meinerseits Ihnen völlig ergeben sein; ich werde meinen Sohn in denselben Gesinnungen erziehen. Schweden wird niemals aufhören, Jhr treuester Bundesgenosse zu sein; seine Waffen, seine Huldigungen, seine Wünsche gehören Ihnen für immer." Mit Bezug auf diese den schwedischen Patrioten etwas unerwartet gekommenen Veröffentlichungen sang kürzlich ein schwedischer Dichter: Ein königlicher Schatten, den Marschallstab in der Hand, steht auf den Felsen des Baltischen Meeres und ver= bietet den tapferen Söhnen Schwedens, ihr altes Finnland wieder zu erobern."

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Ein Amerikaner über H. Heine. Wir haben öfter schon der amerikanischen Gäste gedacht, die sich in Deutschland aufhalten, um deutsche Literatur, Kunst und Wissenschaft an den Quellen zu studiren. Ein solcher Gast begegnet uns auch im November - Hefte von Putnam's Monthly, wo er mit der Ortsbezeichnung: Oberwesel am Rhein“ eine recht gelungene Studie über Heinrich Heine und dessen Dichtungen liefert. Der Amerikaner, der in seiner Skizze mancherlei aus dem Leben Heine's erzählt, was bisher nicht bekannt war und wohl auch nicht authentisch ist, unter Anderem, daß seine jeßige Krankheit die Folge einer Wunde sei, die Heine in einem Duell mit Herrn Strauß, dem Gatten der Freundin Börne's, erhalten, macht die Bemerkung, daß Heine's neuere Productionen durch diese Krankhe merklich bedingt seien. Die Macht der Empfindung und des Aus druckes", sagt er,,,ift immer noch gewaltig in ihm, aber die bewegens den, anregenden Kräfte, die er niemals in hervorragender Weise be saß, sind ihm gänzlich geschwunden. In der lebendigsten Weise b. trachtet er alle Dinge und spricht er über sie, doch in seinem Urtheile hat er keine Fortschritte gemacht. er kömmt ja nirgend hin und fann daher unmöglich Andere leiten. Fragen Sie mich, warum Heine gleichwohl und troß seiner augenscheinlichen Mängel immer noch so viele Aufmerksamkeit erregt? so beantworte ich Ihnen diese Frage durch eine andere: Möchten Sie wohl Rabelais oder Montaigne oder Charles Lamb als einen politischen Rathgeber, als einen Führer durch das Leben annehmen? Oder möchten Sie Ihre Handlungsweise nach einem Sittenkoder von Sterne oder Lucian einrichten? Gewiß nicht! Gleichwohl besigt Heine, von dem, wie bei allen diesen Schriftstellern, jede Phrase etwas Verführerisches hat, jeder Ausspruch ein Reizmitttel ist, eine ihm nicht zu entreißende Herrschaft über die Lesewelt, mögen seine Ansichten auch noch so bizarr sein." — Einen Irrthum begeht der Amerikaner, wenn er, wie auch schon anderwärts geschehen, erzählt, Heine's Mutter sei eine Protestantin von adeliger Herkunft gewesen. Madame Heine, eine geborene van Geldern, die der Dichter auf feiner bekannten leßten Winterreise in Deutschland besuchte und die noch jezt in hohem Alter bei ihrer Tochter in Hamburg lebt, gehört eben so der jüdischen Religion an, wie es mit der väterlichen Familie des Dichters der Fall war. Heine ist erst in späterer Zeit, nachdem sein Name als Dichter längst bekannt war, zum Christenthume übergetreten. — Wie trefflich übrigens der Amerikaner Heine's Verse überseßt, mag aus folgendem Vierzeiler entnommen werden:

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Karl Johann von Schweden hatte kurz vor seinem Ableben in die Magazin für die Literatur des Auslandes.

Hände seines Adjutanten, Oberst Schinkel, eine Menge Schriftstücke niedergelegt, die als Materialien zu seiner Lebensgeschichte benugt werden sollten. Der Oberst hat, wie es scheint, keinen Gebrauch vor diefen Papieren gemacht, die indessen in neuester Zeit von einem

Preis des Jahrganges 3 Thlr., des Quartales 5 Thlr.

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fuhren Vörösmarty's Heldengedichte eine sehr gründliche Beurtheilung in Dr. Toldy's Schrift,,Aesthetische Briefe über Michael Vörösmarty's epische Werke"; vergleiche auch,,Tudományos Gyüjtemény", Jahr. gang 1827 und 1828.

Der große Dichter des Volkes, wiewohl er damals schon das Vaterland zu unbedingter Begeisterung hinriß und allgemein gekannt war, rang öfter mit Mangel des täglichen Brodes, und sein Gedicht

Seit dem 19. November betrauert Ungarn den Tod des Dichters, von dem ein geistreicher Beurtheiler gesagt hat, daß sein Geist seit dreißig Jahren allenthalben im ungarischen Gemeinleben wehe, sein Blut darin allenthalben ftröme. Michael Vörösmarty ist gestorben,,,Es irret im Land der Weise verbannt" wurde von Vielen gelesen der ungarische Dichterkönig. Betrachten wir kurz sein Leben und seine Schöpfungen, um den Verluft zu ermessen, den die Literatur erlitten. Geboren wurde er am 1. Dezember 1800 zu Neckenmarkt (Weißenburger Gespannschaft); fein Vater war Wirthschafts-Inspektor beim Grafen Nádasdy, katholisch, von altem Adel, doch wenig bemittelt und mit Kindern gesegnet. Eilf Jahre lang Schüler des Weißenburger Gymnasiums, ging Vörösmarty 1816 nach Pefth, um Philosophie und Jura zu studiren. Der bald darauf erfolgende Tod seines Vaters nöthigte jedoch den nunmehr siebzehnjährigen Jüngling, sich nach einem Erzieher-Amte umzusehen, und als solcher lebte er neun Jahre bei der angesehenen und begüterten Familie Perczel in Bonhard (Gespannschaft Tolnau). Im Jahre 1824 wurde er zum Rechtsanwalt ernannt und lebte von nun an in Pefth, doch ohne je öffentlich aufzutreten.

Liebe zur Dichtkunst bemächtigte sich frühzeitig des feurigen Knaben. Dreizehnjährig versuchte er sich schon selbständig in lateinischen Versen, ein Jahr später in ungarischen Alexandrinern und Herametern. Die Lesung der Werke eines Baróti, Virág, Révai, deren Bekanntschaft *9 in Pefth machte, führte ihn zum tieferen Studium der Sprache und des dichterischen Ausdrucks. Zu Tolnau, wo er mit seinen Zöglingen Moriß und Niclas Perczel von 1820 bis 1823 wohnte, machten ihn einige Freunde mit Kazinczys Werke, dem Siebenbürger Museum und mehreren ausländischen Klassikern (namentlich Shakespeare) bekannt. Sein Genius fing an, sich in voller Kraft zu entwickeln: Die Abfaffung tahlreicher schöner Oden und kleiner Dramen fällt in diese Zeit. Aber nur die fortgefeßten Aufmunterungen seiner Freunde und die 1820 in Pefth erlebte Aufführung der Dramen K. Kisfaludy's vermochten ihn, sich an Bedeutenderes zu wagen. So kam 1821 König Salomon" zu Stande, ein geschichtliches Trauerspiel in fünf Aufzügen in Jamben (Salomon regierte 1063-1087); ferner ein romantisches Epos,,,der Sieg der Treue", neben einigen Bruchstücken satirischer Lustspiele. Jene Epopöe führte ihn zu eindringender Beschäftigung mit Homer, so wie mit den italiänischen und heimischen Epikern, vornehmlich Tasso und Zrinyi. Sein Beruf trat ihm deutlicher vor die Seele; und er faßte den Plan eines großen volksthümlichen Heldengedichtes. Zugleich vollendete er 1823 das Drama,,König Sigmund" - Schilderung einer der wichtigsten Perioden des ungarischen Volkslebens, - als ersten Theil einer beabsichtigten großen Trilogie. Hierauf begann er „Zalán's Flucht“, Heldengedicht in Herametern, deffen zehn Gesänge er noch 1824 vollendete. Durch die Herausgabe dieses seines Zalán (1825) war fein Ruf begründet; ftolz sah das Volk auf seinen Dich ter, welcher in klassischer Sprache den Preis der Ahnen aus Nacht und Dunkel erweckte.

Es folgte fein Trauerspiel,,Kont", welches 1828 (anfänglich unter dem Namen „die Frrenden") erschien und den zweiten Theil der erwähnten Trilogie ausmachte. Nun befreundete er sich mit den ihm bis jezt unbekannten englischen, spanischen und deutschen Klaffikern. Auf die Aufforderung K. Kisfaludy's hin besang er Salomon's Sieg über die Cumanen bei,,Cserhalom", welches herrliche Epos in Einem Gesange 1826 in der „,,Aurora“ erschien. Es folgte,,das Zauberthal", romantisches Gedicht in altmagparischem Tone („Aurora" 1827); ,,Erlau“, Heldengedicht in drei Gesängen („Aurora“ 1828); „Hábador“, jambisches Drama in einem Aufzuge (ebendafelbft); „König Salomon“ in neuer Bearbeitung; endlich mehrere kleine Gedichte in den Taschenbüchern „Aurora“, „Minerva“, „Koszoru“ (Kranz), zum Theil unter fremdem Namen. Dazu profaische Auffäße in der,,Sammlung wiffenschaftlicher Abhandlungen" (,,Tudományos Gyüjtemény"), deren Redac tion er 1. Januar 1828 zugleich mit den von nun ab „Koszoru“ genannten,,Schönwissenschaftlichen Beiträgen“ übernahm. Schon damals er

und von Vielen gepriesen, Wenige aber brachte es auf den Gedanken, daß die Dürftigkeit des ersten Dichters der Nation nicht ihm, sondern eben der Nation Schande bringe, welche das edelste Schaffen nicht geziemend zu belohnen verstehe. Die Errichtung der Ungarischen Akademie bewirkte wenigstens so viel, daß einer oder der andere der hervorragendften ungarischen Schriftsteller, der in ihre Mitte aufgenom men wurde, vor der drückendsten Armuth bewahrt blieb und der Autorstand geehrter und selbständiger daftand. Was war natürlicher, als daß Vörösmarty unter den Erften war, welche zu Mitgliedern der Akademie ernannt wurden, und auch (1836) unter den Ersten einen Plaz in der Kisfaludy-Gesellschaft erhielt!

Seiner Thätigkeit eröffnete sich nun das weiteste und glänzendste Feld. Im Jahre 1834 gewann seine,,Bluthochzeit“ den von der ungarischen Wissenschafts-Gesellschaft für das beste Trauerspiel ausgeseßten Preis von hundert Dukaten. Der nämlichen Zeit gehören,,Die Schaggräber" an, ein Trauerspiel (1832); das Lustspiel,,Schleiergeheimnisse" in der „Aurora“ von 1834; „Arpád's Erwachen“, Vorspiel zur Eröffnungsfeier des Pesther Nationaltheaters 1838; uebft Anderem in der,,Aurora" und dem „Athenäum". Seit 1837 war er Hauptredacteur der legtgenannten Zeitschrift, zu deren schönsten Juwelen die Erzählungen und kleineren Gedichte Vörösmarty's gehören, so wie feine dramaturgischen und wissenschaftlichen Abhandlungen. Der leßtgenannten Richtung seiner Thätigkeit gehören auch seine grammatischen Arbeiten an, so wie seine Theilnahme an der Abfaffung des Taschenwörterbuchs der Ungarischen Wissenschafts-Gesellschaft.

Es folgte 1838 das Trauerspiel Ban Marót", welches die Afademie mit hundert Dukaten honorirte; das Trauerspiel,,das Opfer"; seine klassische Ueberseßung des Shakespearefchen,,Julius Cäsar" (welche als das beste ungarische Werk des Jahres den akademischen Preis von zweihundert Goldstücken erhielt), endlich „Czilley und die Hunyads“, geschichtliches Drama in fünf Aufzügen, 1844. So konnte er (nachdem schon 1833 drei Bände und 1840 weitere vier Bände seiner gesammelten Werke erschienen waren) 1845 eine Gesammt-Ausgabe derfelben in zehn Banden veranstalten, welche 1847 vollendet bei Kilian in Pesth erschien. Sie enthält neben dem Früheren die lieblichsten Erzählungen und Gedichte aus Zeitschriften und Laschenbüchern. Hierher gehören die vielfach überfeßten®) und in Mark und Blut des Volkes übergegangenen herrlichen Lieder „Aufruf“, „Lied von Fot“, „der Heimatlose",,,an Franz List",,,Vaterlandsliebe",,,Hymnus" u. f. w. Seine legte Arbeit war die Uebersezung des Shakespearischen „König Lear", durch die er von neuem seine gewaltige Herrschaft über die Sprache befundete.

Dem Dichter ward denn auch außerhalb der Akademie die Hul. digung seines Volkes in der verschiedensten Weise. Im Jahre 1848 wurde er von den Bürgern des ihm ganz fremden Städtchens Janksvácz in der Bacskaer Gespannschaft zum Vertreter gewählt. In Folge dessen nahm er am leßten Landtage Theil, doch ohne ein be sonderes Amt, ausgenommen 1849 den Vorsiß beim Oberbegnadigungsgerichte, wozu er durch sein sanftes, edeles Gemüth ganz besonders berufen war. Er war dann auch in Debreczin und Szegedin, sprach aber faft nie. Im Jahre 1850 wurde er nach längerer Haft von Haynau,,begnadigt". Seitdem lebte er theils zu Baranka in der Nähe feines Geburtsortes, theils in diesem selbst, dem Schauplage seiner Kinderspiele, wo er die ersten Dichterträume träumte. Von seiner Wohnung aus konnte er das Haus sehen, in dem er geboren wurde.

*) S. z. B. bei G. Stier,,,Sechsunddreißig ungrische Gedichte", .38; in Gregus,,,Ungr. Volksliteratur", S. 98; Kertbeny,,,Album hundert ungar. Dichter“, S.7.100; Beck in der Pesther Zeitung von 1840, n. s. f.

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