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Literatur des Auslandes.

Italien.

Berlin, Sonnabend den 15. Dezember

Literatur-Berichte aus Italien.

Zur Geschichte des Littorale. Jahrbücher der Statistik. Der Magnetismus als Heilmittel. Architektur in Italien. Der Philosoph Rosmini. Kirche und Staat. Aegyptische Alterthümer in Turin. Dem Lloyd Austriaco in Trieft, deffen literarisch-artistische Abtheilung die trefflische Monatschrift,, Letture di Famiglia” heraus giebt, verdanken wir auch die Herausgabe eines für die Geschichte höchst wichtigen Werkes von dem berühmten Alterthumsforscher Dr. Kandler, welches den bescheidenen Titel führt: Nachweisungen für die geschicht lichen Thatsachen des Littorale". Obwohl, fireng genommen, das Küftenland (Littorale) nur Triest mit Istrien und den umliegenden Landschaften umfaßt, hat doch der gelehrte Verfaffer in diesem Werke in chronologischer Folge alle Begebenheiten aufgezählt, welche die ganze für Deutschland so wichtige Küstenstrecke des Adriatischen Meeres betreffen, welches die Bestrebungen der unter dem Namen Lloyd bekannten Handelsgesellschaft eigentlich zuerst zu einem deutschen Meere gemacht haben. Kandler hatte in seiner archäologisch-geographischen Zeitschrift Istria bereits sehr viel Material zur Geschichte jener Landestheile gesammelt. Jest hat er dieselben zu einem Ganzen verbun den und vervollständigt.

Im Gebiete der Staats- und Rechtswissenschaft zeichnen sich durch gediegene Auffäße die „Jahrbücher der Statistik, Staatswissenschaft, Gefeßgebung u.f.w.“ aus, von welcher eben in Mailand von G. Sacchi der fünfte und sechste Band erschienen sind.) Unter Anderem findet man darin eine Nachricht über die in der Lombardei befindlichen Taubftummen-Anstalten, über den Zustand des Handels in den sardinischen Staaten, über den Zustand der Hypotheken-Gefeßgebung in Frankreich und über die dieserhalb in der Lombardei zu erwartenden Verbesserungen u. s. w.

Obwohl viele Geistliche und Laien auch in Italien gegen den Magnetismus eifern, so fehlt es doch nicht an Aerzten, welche denselben anwenden, und an Schriftstellern, welche denselben verbreiten. Von diesen haben wir früher den Profeffor Taddeo dei Consoni erwähnt, welcher nicht als Arzt, sondern als sehr thätiger Naturforscher sich vielfach und mit Glück damit beschäftigt. Ein praktischer Arzt, Terzaghi,") hat den Magnetismus vorzüglich als Heilmittel gegen die Epilepsie angewandt.

Wir nennen in der Anmerkung einige der jegt in Italien erscheinenden, geachteten medizinischen Zeitschriften.")

Bekanntlich sind die Italiäner unsere Lehrer in der Baukunft ge wesen; sie fahren auch noch fort, darin Großes zu leisten. Der Obera Ingenieur Ghenga, welcher die Sömmering-Bahn baute, ist ein Italiäner, wie Paleocappa, welcher den größten Tunnel in Europa durch die Apenninen zwischen Genua und Turin führte; als Schrift. steller über den Bau der Eisenbahnen verdient Erwähnung Milesi†). und über öffentliche Bauten überhaupt Reibell und Saldi. tt)

Die italiänische Literatur hat einen großen Verlust durch den Tod des Philosophen Rosmini erlitten. Antonio Rosmini-Serbato war 1797 geboren, Geißtlicher, und als solcher stand er auf dem Standpunkte des heiligen Thomas von Aquino. Man macht ihm den Vorwurf, daß er auf jesuitische Weise eine reiche Dame bewogen, ihr

*) Annali universali di statistica, economia publica, legislazione, storia, viaggi e commercio, compilati da Giuseppe Sacchi. Vol. V. e VI. Milano, 1855, presso la societa degli editori.

**) Cronaca del magnetismo animale dal Dott. Giuseppe Terzagbi. Milano, 1855. ***) Annali universali di medicina, compilati dal Dottore Annibale Omodei. Milano, presso la società degli editori.

Gazetta medica Italiana dal Professore B. Panizza. Milano.
Giornale Veneto di scienze mediche, dal Dottore Forio. Venezia.
Il Veterinario dal Dott. Corvini Lorenzo. Milano.

†) A. Milesi, la construzione delle Strade Ferrate. Venezia, 1855. ††) Nuovo corso di publiche costruzioni compilato dei Reibell e D. Nicoletti. Venezia, 1855.

Giornale dell' Ingeniere-Architetto ed Agronomo, dal B. Saldi. Mi

lano, 1855.

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1855.

schönes Schloß zu Stresa nebst ihrem Vermögen zu einem geistlichen Seminar herzugeben, dem Rosmini vorstand. Er war bei der Akademie der italiänischen Philosophie, welcher Mamiani vorsteht, in großem Ansehen. Besonders aber find es jezt die Neapolitaner, welche sich mit Philosophie beschäftigen. Ein solcher, Namens Manzoni, ein gelehrter, junger Mann, hat in den Akten der Akademie seinen Lehrer Rosmini in dialogischer Form trefflich geschildert. Ein anderer junger Neapolitaner, Borghi, ebenfalls Rosmini's Schüler, hat sich durch Uebersegungen von Aristoteles und Plato ausgezeichnet. Des gelehrten Neapolitaners Arbarella d'Afflitto, welcher in Turin viel zur Ausbreitung der evangelischen Kirche beiträgt, haben wir bereits erwähnt.

Aber es fehlt dort auch nicht an Vertheidigern der katholischen Kirche. Zu diesen gehört der Priester Mangotti, einer der hauptsächlichsten Mitarbeiter der ultra-flerifalen Zeitschrift L'Armonia, welche von dem Marchese Birago geleitet wird, der von Rußland das Heil der Welt erwartet, da ihm die jeßige Civilisation sehr verächtlich vorkömmt. Margotti's Werk) über die Trennung der Kirche vom Staate in Piemont ist eine Widerlegung des früher erwähnten Werkes des Advokaten Boggio,,,die Kirche und der Staat in Piemont", welcher ganz zu Gunsten der Monarchie ist; so wie überhaupt der Sinn in diesem Lande durchaus monarchisch ist, die Dynastie geachtet und der jeßige König wahrhaft geliebt wird. Er hat den Namen: „Der ehrlichste Mann im Staate". Mangotti führt aus, daß die Welt drei Revolutionen durchgemacht habe: die Reformation war eine dogmatische, fie trennte die Vernunft von der römischen Kirche; die zweite war philosophisch, indem fie 1789 die Kirche von dem Glauben trennte; die jeßige ift ökonomisch, indem sie aus materiellen Intereffen gegen die Kirche und den Glauben sich auflehnt und zum Protestantismus führt.

Eben hat zu Turin ein bedeutendes antiquarisches Werk die Preffe verlassen, nämlich der Katalog der ägyptischen Alterthümer in dem königl. Museum zu Turin, von dem Profeffor Orcutti, wovon der erste Theil 1852 herauskam."*) Der Verfaffer zeigt die hohe Bedeutung der ägyptischen Alterthümer überhaupt und würdigt die Verdienste Champollion's, Rosellini's und Lepfius' um diefelben. Dann erzählt er die Entstehung des Turiner Museums, von Drovetti 1820 angefangen, wobei die Verdienste erwähnt werden, welche fich der berühmte Orientalist Peyron, der Bibliothekar und Archäolog Gazzera, der Graf Prosper Balbo und Ritter San Quintino um diese Sammlung erworben haben. J. F. Neigebaur.

Frankreich.

Ueber die öffentliche Ernährung, die Cerealien und das Brod.

(Schluß.)

III. Das Brodbacken.

Um die Aufgabe, gutes Brod zu erhalten und so auf die Gesundheit der Bevölkerung mittelbar zu wirken, vollständig zu lösen, muß zunächst für die Erhaltung des Getraides und Mehls und dann für die Verbefferung des Knetens und Backens gesorgt werden. Gründliche Studien und zahlreiche Erfahrungen in Frankreich geben die Hauptbedingungen zur Lösung an die Hand.

Zuvörderft muß das Korn vor Insekten und Feuchtigkeit bewahrt werden, und das geschieht am zweckmäßigsten in sogenannten Silos (unterirdischen Behältern), wie in Spanien, Italien und Algerien; in Ländern, wo die Luft feuchter ist, sind bewegliche Scheunen, versezbare Magazine mit Ventilatoren am besten anzuwenden. Je nach den® Dertlichkeiten füllt man mit Nugen das vorher getrocknete Korn in große verschloffene Behälter. Beim Mehl verhütet man in nassen Jahren das Verderben am sichersten durch Austrocknung.

*) Alcuni considerazioni intorno la separazione dello stato dalla chiesa in Piemonte. Torino, 1855.

***) Catalogo illustrato dei monumenti Egizj del Regio Museo, compilato da Professore Pier Camillo Orcutti. Torino, 1855.

Die Veränderungen, welche die Behandlung des Teiges heischt, interessirt die Bäcker nicht minder, als die Konsumenten: jene werden bei der gewöhnlichen Verfahrungsart übermäßig angestrengt; diesen dürfte die Vorstellung von gewissen Handhabungen, die überdies von ungefunden Einflüssen nicht frei sind, ein Gefühl des Ekels erwecken. Beiden Uebelständen begegnet man durch die Anwendung der mecha nischen Backtröge, von welchen zehn verschiedene merkwürdige Modelle auf der Pariser Ausstellung waren, wie sie bereits in den großen Haushaltungen der Armen-Anstalten, in mehr als zweihundert französischen und in zwanzig Pariser Bäckereien eingeführt sind. Mehrere Backöfen, wovon die Erfinder Modelle zur Ausstellung geschickt haben, ersparen den Arbeitern den mühsamen Dienst der alten Backöfen.

Das bisherige Verfahren da, wo die neuen Geräthschaften noch nicht eingeführt sind, ist folgendes: Das Einfäuren, Einrühren und Kneten wird mit den Händen bewirkt; das Kneten besonders ist eine abspannende Anstrengung; die Bäckerjungen arbeiten halbnackt, den Unannehmlichkeiten, ja, den Gefahren einer jählings wechselnden Tem peratur ausgefeßt. Kaum haben sie einige Minuten mit aller Kraft und mit einem stöhnenden Ruck die Teigmasse gehoben und gesenkt, so sind sie in Schweiß gebadet, der in den Backtrog rinnt und sich mit dem Teige vermischt. Und das Ekelerregende, vielleicht auch das Gesundheitbedrohende dieses Verfahrens - denn es ist noch gar nicht so ausgemacht, daß der allerdings hohe Grad der Ofeuhige alle gif tigen Beimischungen bis in die Krume hinein aufzehrt - kann sehr einfach durch das mechanische Verfahren beseitigt werden, das von Seiten des Bäckers nur eine leichte Ueberwachung anspricht und den Konsumenten den Genuß durch keine widerwärtige Vorstellung vergällt. Man würde die wünschenswerthen Verbesserungen in der Bäckerei vervollständigen durch den Gebrauch der neuen Defen, wovon die Ausstellung mehrere Modelle darbot. Sie werden mittelst be sonderer Feueressen geheizt, so daß der Heerd, wo die Brote gesezt werden, von dem Brennmaterial unberührt bleibt. Man erspart da. durch das sehr mühsame Abfegen des Heerdes zwischen einem Gebäck und dem anderen, wobei unvermeidlich Asche und Kohlen zurückbleiben, die sich an die Bodenkruste des Brodes anhängen. Einen noch wichtigeren Vortheil hat der Backofen mit besonderer Esse, daß die Arbeiter die Glutmaffe, die namentlich das Auge so sehr angreift, nicht auszuscharren brauchen.

In England ist das Bäckergewerbe frei, der Brodpreis keiner Tare unterworfen. Troß der Konkurrenz der von der Stadt entfernten Bäckereien, halten die Stadtbäcker im Einverständniß auf einen Preis, der ihnen einen größeren Gewinn abwirft, als die der Lare unterworfenen Bäckereien in Frankreich jemals erzielen können. So wird das Kilogramm Brod (21 Pfund) in Paris mit funfzig, in London mit zweiundsechzig Centimes verkauft.

In Frankreich wie in England stößt die Gründung großer Bäcke reien auf bis jezt unübersteigliche Hindernisse. Ein Punkt jedoch steht fest: Eine solche wird nur da mit Vortheil operiren, wo ihr eine zahlreiche Kundschaft von Armenhäusern, Gymnasien, Schulen und anderen öffentlichen Anstalten gesichert ist und ihr gestattet, die mechanische Kraft des Dampfes und verschiedene Verbesserungen anzuwenden, indem sie nur unter dieser Bedingung die Kosten der Einrichtung und Unterhaltung zu tragen vermag.

Wie eine Bäckerei aufs beste organisirt sein müßte, haben wir gesehen; untersuchen wir nun, welchen Forderungen sie zu genügen hat. Einerseits sind die wohlhabenden Klaffen, für welche das feine Brod gebacken wird, andererseits ist die Mehrzahl der Bevölkerung, für welche die Fabrication vorzugsweise die Sparsamkeit im Auge haben muß. Man begreift, daß dem Interesse dieser Mehrzahl der erste Plas gebührt.

Zu verschiedenen Zeiten sehen wir angebliche Erfinder auftauchen, welche die Mittel entdeckt haben wollen, das Brod wohlfeiler liefern zu können. Durch Spezial-Kommissionen sorgfältig geprüft, liefen diese Erfindungen im Allgemeinen darauf hinaus, Kartoffel, Kleie oder Reis, den lezteren ganz oder gestampft, dem Brodteig beizumischen. Die Ergebnisse der angestellten Versuche laffen sich leicht zusammenfassen.

Die Beimischung der Kartoffel in bedeutendem Verhältnisse, z. B. von funfzehn bis dreißig Prozent, verlangt ein vorgängiges Kochen, Reinigen und ein mühsames Einrühren, was zusammen einen kostspieligen Tagelohn herbeiführt. Das so gewonnene Brod ist schwärzer, fester, etwas minder nahrhaft, als Brod von reinem Mehl, und doch kömmt es im Kostenpreise eben so hoch zu stehen. Unter allen Um ftänden kostet die Kartoffel, in ihrer unveränderten Gestalt gekocht und verzehrt, weit weniger, als in Brod verwandelt.

Die Kleie, als Bestandtheil in das Brod aufgenommen, muß in kaltem oder heißem Wasser kräftig ausgewaschen werden; die mittelst wiederholten Preffens ausgezogene, stärkemehlige oder schleimige Flüs figkeit dient statt des Waffers zur Verdünnung des Sauerteigs. Man erhält dadurch ein an Umfang und Gewicht größeres Brod, das aber

diesen trügerischen Zuwachs nur dem Waffer verdankt, das sich in der Krume verhalten hat; es steht an Weiße und Geschmack tief unter dem Brod von reinem Kornmehl und mag überdies manche der Kleie anhängenden, mehr oder weniger ungefunden Substanzen enthalten. Auch der Kostenpreis bietet keine Ersparniß, man müßte denn den Rückstand der ausgewaschenen Kleie als Viehfutter in Anschlag bringen. Das dritte Mittel giebt scheinbar günstigere Resultate. Kocht man fünf Kilogramme ganzen oder gestoßenen Reis in einer Quantität Wasser, dessen Gewicht sich zu jenem wie 13: 1 verhält, und rührt man in diesen Brei fünfundneunzig Kilogramme Mehl zu einem Teig, so gewinnt man 140-142 Kilogramme Brod von schönem Aussehen, während hundert Kilogramme reines Weizenmehl nur 133-135 Kilogramme Brod geben. Allein es ist leicht einzusehen, daß der ganze Ueberschuß aus Wasser besteht, ohne reellen, nahrhaften Werth und die Ersparniß bloßer Schein ist. Die Bäckerei in der Avenu de Neuilly, die vor einigen Jahren dieses wasserreiche Produkt mit dem Namen pain hydrofuge (gleichsam wasserscheues Brod) taufte, hat diesen Puff auf eigene Verantwortlichkeit zu vertreten.

Sollte denn demnach der Bäcker für die Verminderung der Brodpreise gar nicht mitwirken können? Das wollen wir nun untersuchen.

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In den Jahren, wo die Unzulänglichkeit der Aerndte zwar mit keiner Hungersnoth bedroht, aber doch den Preis steigert, ist das äußerst selten die Wirkung eines wahren Ausfalls, der auf die Dauer von vierzehn Tagen der Consumtion des Landes gleichkömmt oder sie übertrifft. Jede der im Verlauf dieser Studie erwähnten Verbefferungen einzeln genommen - vorausgeseßt, sie würde in einem Theil Frankreichs allgemein durchgeführt könnte zur Deckung des Ausfalls ausreichen. Da nun dieser, die einzige Ursache der PreisErhöhung des Mehls, kaum vier Prozent beträgt nach dem ungefähren Verhältniß von vierzehn zu dreihundertfünfundsechzig Tagen so ist klar, daß die Beimischung von nur einem Vierundzwanzigstel Gewicht an anderen nahrstoffigen, verbacklichen Substanzen das Defizit ausfüllen würde; das Sinken der Preise in natürlicher Folge der verfügbar gewordenen Mehl-Quantitäten käme bald der ganzen Bevölkerung zu Gute.

Welches sind nun die Cerealien, die in so schwachen Verhältnissen wie 1:24 dem Weizenbrode beigemischt werden können, ohne dessen Genießbarkeit und Gesundheit zu beeinträchtigen? Am tauglichsten wären: der Reis, der Mais — dieser hat Ziland zu der Zeit, wo die unglückselige Bevölkerung von der durch die Kartoffel-Krankheit herbeigeführten Hungersnoth dezimirt worden, die ersprießlichsten Dienste geleistet die Bohne, die Gerste und der Roggen. Ein schwacher Beisaß dieser Nahrungsmittel zum Brode würde ohne jeglichen Uebelstand den Preis desselben herabdrücken. Warum aber, frägt man, der Reis nicht in Wasser gekocht, wie in Judien, den Mais nicht als dicker Brei, als polenta, wie in Italien, die Bohnen nicht durchgeschlagen als besonderes Gericht zum Theil an der Stelle des Brodes genießen? Wesbalb sie erst unter Brodgestalt verzehren? Weil die Bevölkerung in keinem Theile Frankreichs mit diesem Surrogat sich begnügen würde. Ohne eine gewisse Ration Brod, oder was nur Brodgestalt hat, glaubt sie nicht satt werden zu können. Die Bauern in den Landes backen den Maisteig in Näpfen und geben dieser mehr oder weniger festen Masse den Namen Brod, das sie, wenn es schon verschimmelt und höchst ungesund geworden ist, ohne Anstand genießen. In der Dauphiné wird meistens nur zwei oder dreimal des Jahres Brod in ungeheuren Laiben gebacken; es wird freilich steinhart; bei feuchtem Wetter wachsen Pilze darauf schadet nichts: es wird gegessen, und wirkte es auch noch so nachtheilig auf die Gesundheit, es ist einmal Brod. Bei dieser Vorliebe der französischen Bevölkerung für die Brødform, ohne über den Inhalt sehr skrupulös zu sein, ja, ohne zu beachten, daß ihr andere, an Nährstoff bei weitem reichere Nahrungsmittel oft billiger zu Gebote stehen, bleibt nun kein anderer Ausweg, als auf die angegebene Weise den Ausfall zu decken.

Wir kommen nun zu der Fabrication des Lurusbrodes. In Paris, wie in London werden Phantasiebrödchen gebacken, die dem Bäcker einen etwas höheren Gewinn abwerfen und ihn dadurch in den Stand seßen, das gewöhnliche Brod um so viel billiger abzulaffen. Es giebt Bäcker in London, die sich ihre Brode, von jeglichem Umfang und jeglicher Form, zuweilen von etwas feinerem Mehl, jedes Mal theurer bezahlen lassen; diese führen daher den Namen full price (Vollpreis). Diese Speculation wäre unbegreiflich, wenn man nicht wüßte, daß in diesem Lande der Adel und aus Nachäfferei ein großer Theil der Bürger eine Ehre darin sucht, theurer zu kaufen, als der gemeine Mann. Diesem Publikum der Elite sind die ersten Sigungen, die ersten, bisweilen die zweiten Tage der mit Eintrittsgeld verbundenen, das heißt also fast aller Schaustellungen in England vorbehalten.

Die Lurusbrödchen in London lassen sich auf drei Hauptsorten zurückführen: 1) Rolls, von ihrer meist walzenförmigen Gestalt, bald einfach, bald doppelt oder geflochten, von mehr oder weniger Dicke. Dem Gehalte nach unterscheidet sich diese Sorte durchaus nicht von

dem gemeinen Brode, nur bekömmt der beffer durchgearbeitete Teig etwas mehr Hefen und wird also leichter; 2) Muffins, unter der Gestalt weißer, leichter Scheiben mit einem feinen Häutchen statt der gewöhnlichen Kruste; 3) die dritte Sorte scheint nur den Namen und den Preis der Lurusbrödchen zu haben; denn der Teig besteht aus Mehl, in welchem die Kleie zurückgeblieben ist, dem man bisweilen Roggen mehl beimischt. Diese Sorte Kleienbrod, leicht abführend, wird als erfrischend angesehen. Man genießt es in London ein- oder zweimal in der Woche.

In Paris zählt man mehr denn zehn Varietäten von Lurusbrød: es giebt z. B. würfel- oder walzenförmige Brode, die in Pauken gebacken werden, um ihnen eine feine und minder gefärbte Kruste zu geben; ferner die Kaffeebrödchen, die Wiener Milchbrödchen u. f. w. Unsere besondere Aufmerksamkeit nimmt die Bereitung folgender Brod. forte in Anspruch: wenn man den Weizenmehlteig unter einem schwachen Wafferstrahl vorsichtig auswäscht, so zieht das Wasser die Stärkkörnchen und die auflöslichen Substanzen aus, während der Kleber, mehrere unmittelbare Urstoffe enthaltend, sich zusammenschließt und sich zu einer sehr schmiegsamen, dehnbaren, elastischen Substanz ballt. Durch diese einfache analytische Operation des Laboratoriums, weit ökonomischer mittelst eines sinnreichen Geräths in einem großen Maßstabe vollbracht, wird zugleich die Stärke, die im Waffer niederschlägt, und der Kleber, der sich an die durchdringlichen Wände des Gefäßes heftet, ausgezogen. Das ist im Wesentlichen das heilsame Verfahren bei der Stärkebereitung, das die frühere auf die Gesundheit nachtheilig wirkende Methode vertritt: sie bestand darin, den Kleber auf dem Wege der sauren und faulen Gährung zu trennen und aufzulösen, um die Stärke frei zu machen.

Sonst gab man den Kleber preis, um die Stärke zu isoliren und auszuscheiden, jezt extrahirt man die Stärke in großer Menge, sammelt aber den Kleber, der, mit außerordentlich nahrhaften Eigenschaften be gabt, unter verschiedenen Gestalten eine nüßliche Kost gewährt. Bald wird er unter dem Namen „Kränzel- Kleber" in der Suppe gebraucht und nimmt es mit den besten Nudeln von Auvergne, Lyon und Italien auf; bald wird er frisch dem Mehl beigemischt und macht das Brod weit nahrhafter. Aus hundert Theilen Mehl und hundert Theilen des eben extrahirten Klebers bereitet man das Kleberbrod, das sehr leicht, dauerbar und verdaulich ist. Noch gesunder wird das Brod, nach Bouchardot, wenn man den beizumischenden feuchten Kleber einer Hiße von sechzig bis hundert Grad ausseßt. Dieses Brod ist seit einigen Jahren. in Gebrauch, um dem Uebel der sogenannten Zuckerharnruhr entgegenzuwirken, daß unter dem Einfluß des Genusses von gewöhnlichem Brode sich verschlimmern würde.

Man sieht, daß die Wissenschaft bei den mannigfaltigen Fragen, die sich an den Cerealienbau und die Brodbäckerei knüpfen, eine gewich. tige Stimme hat. Einen bedeutenden Zuwachs unserer Cerealien und anderen ernährenden Pflanzen verspricht uns die größere Entwickelung der gejäteten Saatfelder und künstlichen Wiesen, so wie die weitere Ausdehnung des Trockenlegens unserer feuchten Niederungen. Neue Mittel zur Aufspeicherung unserer Körner geben uns mächtige Bürg schaften gegen eine Hungersnoth. Sinnreiche Methoden des Mahlens und Backens werden in Frankreich wie in England angewandt oder verbreitet. In Algerien unterstügen sie kräftig die Fortschritte der Colonisation. Das gegenwärtige Jahr, 1855, selbst, trog dem leichten Ausfall, den der Aerndtestand befürchten läßt, wird hoffentlich die Nothwendigkeit einer noch ausgedehnteren Anwendung der Wissenschaft auf den Anbau und die Bereitung der Cerealienfrucht, die als Grundlage der öffentlichen Ernährung angesehen ist, klar ins Licht sehen.

China.

Eine Hinrichtung in Canton.

Der Ort in Canton, welcher als Richtstätte dient, befindet sich in der südlichen Vorstadt, ungefähr inmitten derjenigen Befestigun gen, die Ausländern unter dem Namen der holländischen und französischen,,Thorheiten" (Follies) bekannt sind. Er liegt übrigens etwas hinter dem Flusse, ungefähr auf halbem Wege zwischen diesem und der füdlichen, mit dem Flusse parallel laufenden Stadtmauer. Keine Straße führt unmittelbar dahin. Rings umher wohnt eine dichte Bevölkerung, die gegen Nord und West, unmittelbar am Plag, aus Laden- und Haus miethern besteht, aber in dem Maße wohlhabender wird, als sie den etwa eine Mile entlegenen ausländischen Faktoreien näher rückt. Südwärts und oftwärts ist die Vorstadt im Allgemeinen arm, von einer niedrigen und sogar verbrecherischen Volksklasse bewohnt. Die Richt ftätte selbst ist eine kleine, von Süden nach Norden laufende Gaffe, etwa funfzig Ellen lang und am nördlichen Ende acht Ellen breit; fie verengt sich allmählich nach Süden zu, bis ihr der vorspringende Winkel eines Hauses auf fünf Ellen Länge nur anderthalb Ellen Breite läßt. Am Ende des Leßteren ist ein hohes und starkes Thor angebracht, das

Die

während einer Hinrichtung verfchloffen und bewacht wird. Die öftliche Seite begränzt in ihrer ganzen Ausdehnung eine kahle Mauer aus Ziegeln von ungefähr zwölf Fuß Höhe, welche die Rückseite einiger Wohnungen oder kleiner Waarenläger bildet. An dieser Mauer ist, in ziemlich gleicher Entfernung von beiden Enden der Gasse, ein Gerüst errichtet, auf welchem man immer eine Anzahl Menschenköpfe in ver schiedenen Stadien der Verwesung sieht. Weiter gegen das nördliche Ende zieht sich an derselben Mauer ein Wetterdach, unter welchem die Nachrichter u. s. w. auf die Ankunft der Verbrecher warten. westliche Seite der Gaffe besteht aus einer Reihe Werkstätten, in welchen die gröbste Art unverglafter irdener Geschirre gefertigt wird. Die Thüren und die kleinen, als Fenster dienenden Deffnungen dieser Werkstätten sind der Gaffe zugekehrt, die man, so oft keine Hinrichtung stattfindet, mit der alsdann in der Sonne trocknenden Töpferwaare theil weise anfüllt. Der enge Durchgang am südlichen Ende der Gasse führt auf einen schmußigen viereckigen Plaz, den ähnliche Töpferwerkstätten umziehen; das nördliche Ende aber wird von einer ziemlich sauberen Straße in rechten Winkeln durchschnitten. Das nach der Gaffe zu offene Stück dieser Straße ist mit einem Ziegeldach überbaut, unter welchem die Aufsicht führenden Würdenträger während der Executionen sizen; ein dahinter befindlicher Laden wird alsdann geschlossen, und die Straße zu beiden Seiten besezt das dienende Gefolge. Man stellt übrigens eine spanische Wand vor die Siße der hohen Herren, so daß sie nie eigentlich sehen, was vorgeht.

In dieser Gasse, die nicht breiter ist, als das Verdeck eines Schiffes, find während der vergangenen acht Monate gegenwärtigen Jahres (1851) über vierhundert Menschen hingerichtet worden. Immer hat man hier den Geruch verwesender Köpfe und den Brodem einzuathmen, welchen die glühende Sonne einem mit Menschenblut getränkten Boden entsteigen läßt. Zuweilen gestattet die Behörde, daß Körper derjenigen Verbrecher, welche Freunde haben, so lange liegen, bis diese sie zur Bestattung abholen. Als ich den Ort das erste Mal betrat, sah ich vier solcher Körper, die in verschiedener Haltung dalagen, wie sie gefallen waren; ihre Köpfe lagen bei ihnen, und zwei Schweine bewegten sich um sie herum und labten sich in der Lache des Blutes, das aus den Rümpfen geströmt war. Etwa sieben Ellen weit davon und dieser Scene gegenüber saß ein Weib an der Thür eines der Töpferschuppen, ein kleines Kind zärtlich auf dem Schooße haltend: Beide stierten verwundert, nicht die am Menschenblut fich lezenden Schweine, sondern die seltsam gekleideten Fremden an!

Da ich am Abend des 29. Juli (1851) erfahren hatte, daß vierunddreißig Rebellen oder Banditen am folgenden Tage zwischen acht und zehn Uhr hingerichtet werden sollten, so ging ich um halb acht Uhr mit zwei anderen in Canton wohnenden Engländern, die bis dahin keiner Execution beigewohnt, nach dem mehr erwähnten Orte. Wir fanden nur einige der niedrigsten Gerichtsdiener. Ein Loch in der Erde, bei welchem ein roh ausgehauenes Kreuz gegen die Mauer lehnte, überzeugte mich, daß mindestens Einer die höchste gerichtliche Strafe des lebendig Zerschnittenwerdens, welche ling-tsch'i heißt, aus zustehen habe.") Wenige Schritte vor dem Siße der Würdenträger am nördlichen Ende brannte ein Stoß wohlriechenden Sandelholzes am Boden. Da ich wußte, daß man, wenn Hinrichtungen stattfinden, einen Jeden, der nicht amtsmäßig anwesend ist, auszusperren pflegt, so wählte ich uns eine Stellung auf einem Haufen trocknen Schuttes im südlichen Winkel der Gasse. Nachdem wir hier lange gewartet und unsere Taschentücher reichlich mit Kölnischem Waffer getränkt hatten, sahen wir endlich das Gros der Gerichtsdiener anrücken. Das hölzerne Kreuz wurde in der Grube aufgepflanzt und befestigt, worauf man den zudringlichen Pöbel aus der Gasse hinausprügelte. Ein Büttel winkte uns, daß wir unseren Standort verlassen möchten: als ich ihm aber ruhig erklärte, wir würden dies nicht eher thun, bis die Würdenträger es ausdrücklich verlangten, ließ man uns ferner ungestört. Das Thor am südlichen Ende wurde jeßt geschlossen und von innen eine Wache postirt. Bald darauf brachte man die Verurtheil ten herein; die Meisten kamen zu Fuße, viele Andere aber wurden in großen Körben an Stangen getragen. Die Getragenen mußten in einem Zustande gänzlicher Erschöpfung sein; denn als man sie aus den Körben fallen ließ, blieben sie ohnmächtig liegen. Dann wurden sie in knieende Stellung gebracht und von Männern, die hinter ihnen ftanden, unterstüßt. Die Enthauptung geht also vor sich: Ein Kloß ist nicht vorhanden; der Delinquent kniet so, daß sein Gesicht mit der Erde parallel ist und der Nacken eine horizontale Lage erhält. Zu weilen, jedoch selten, widerstrebt er bis zum Aeußersten, indem er den Kopf zurückwirft. In solchen Fällen stellt sich ein zweiter Büttel vor ihn, faßt ihn an seinem langen (sonst auf dem Kopfe des Delinquenten zum Knoten aufgerollten) Zopfe und zieht ihm den Kopf wagerecht.

*) Mandschuisch faitarame vambi, d. i. stückweise tödten. Die Erklärung im großen Wörterbuche der Mandschu-Sprache lautet: amba wejlengge nialmai jalibe faitame garmime varabe faitarame vambi sembi, d. h. eines großen Verbrechers Fleisch zerstückend, ihn tödten, nennt man f. v. A.d. Ueb.

Der Henker steht zur Linken seines Opfers. Das gewöhnliche Richtschwert ist mit Einschluß eines sechs Zoll langen Griffes nur etwa drei Fuß lang; die Klinge ist am Hefte nur anderthalb Zoll breit; fie verengt sich und krümmt sich etwas gegen die Spiße hin. Sie ist nicht dick und keinesweges schwer, überhaupt gar nicht ver. schieden von dem Säbel, den die chinesischen Offiziere im Dienste tragen. Der Nachrichter wird immer aus den Reihen der Armee genommen, und sehr oft verlangen Offiziere von ihm, daß er ihrem noch jungfräulichen Degen die Bluttaufe gebe; man nennt dies k'ai k'eù (die Schneide öffnen), und das Schwert soll wirksamer werden, wenn es schon dem Henker gedient hat.") Es wird mit beiden Händen geführt. Der Henker nimmt in einiger Distanz eine feste Stellung, hält den Säbel einen Augenblick rechtwinklig zum Nacken und ungefähr einen Fuß hoch darüber, um nach einem Gelenke zu zielen; dann sagt er dem Verbrecher in scharfem Tone: „Rühre Dich nicht!" erhebt das Schwert bis zu seinem eigenen Kopfe und führt einen raschen Hieb, der dadurch noch gewaltiger wird, daß er seinen Körper im Augen blick, wann die Klinge den Nacken berührt, senkrecht in eine sisende Lage sinken läßt. Ein zweiter Hieb ist niemals nöthig, und gewöhn. lich ist der Kopf glatt abgeschnitten; selten bleibt er auch nur an einem Stücke Haut hangen.

fenmark, das also getränkt worden, dient den Chinesen als ein Arznei-
mittel. Nachdem alle Hinrichtungen vorüber waren, nahm ein junger
Bursche, vermuthlich Gehülfe des Henkers, einen Säbel, feßte einen
Fuß auf den Rücken des ersten Körpers, ergriff mit seiner Linken
den Kopf (der, wie schon gemeldet, nicht vollständig abgehauen war),
und sägte ihn vollends ab. Die übrigen waren unterdessen in Särge
aus ungehobelten Brettern gelegt worden. Zuleht wurde das Thor
wieder geöffnet, und wir eilten von einem Schauspiele fort, dem ge-
wiß nur Wenige ohne ganz besondere Gründe ein zweites Mal bei-
wohnen möchten. Wenige Jahre vorher war ich auf Befehl des Sir
John Davis (damals Bevollmächtigten Ihrer Majestät in China), in
Begleitung eines Detachements Soldaten, offizieller Zeuge der Hin-
richtung von vier Chinesen, wegen Ermordung britischer Unterthanen;
und auch die eben beschriebene Execution mit anzusehen bewog mich
hauptsächlich ein Pflichtgefühl: ich wollte mich gegen eine solche Schau
(die mein Beruf mir öfter zur Pflicht machen kann) abhärten und
zugleich das gewöhnliche strafgerichtliche Verfahren der Chinesen genau
beobachten.
(Journal of the R. Asiatic Society.)

Mannigfaltiges.

Eine verwandelte Stadt. Seit den fabelhaften Tagen des Kadmus und den faktischen Wundern der Gold-Distrikte Kaliforniens und Australiens", schreibt Dickens in feinen Household Words,

dem neuverwandelten Paris. In den drei Jahren, während deren sie hauptsächlich stattgefunden, hat man ganze Reihen von engen, krummen Straßen weggeräumt, durch welche sich Ströme ekelhaften Unflaths ergoffen; welche ohne Trottoir waren und wo Fußgänger, Pferde, Wagen und Koth sich in gräueliger Verwirrung mischten; welche bei Tage wegen der Höhe der sich dicht gegenüberstehenden Häuser von der Sonne nicht befchienen und bei Nacht nur schwach von elenden, quer über der Straße hängenden Lampen erleuchtet wurden; welche vom Keller bis zum Dach vollgestopft waren von zahllosen Bewohnern, die sich durch den gemeinschaftlichen Charakterzug abschreckenden Schmuzes auszeichneten; in welche vorsichtige Leute sich nie nach Son= nen-Untergang hineinwagten und wo Unvorsichtige häufig beraubt und nicht selten durch den coup de clef oder einen anderen Zwangspaß für die Morgue qualifizirt wurden: Nester, mit einem Wort, des Unfriedens, der Krankheit und des Verbrechens. Nicht allein sind ganze Reviere dieser Art spurlos verschwunden, sondern auch jeder einzelne Stadttheil hat ein mehr oder weniger verbessertes Ansehen erhalten. Bei Straßen von mäßiger Breite ist der enge Eingang erweitert, scharfe Winkel sind abgeftumpft, Häuser, die sich vordrängten, zurückgeschoben und in gleiche Linie mit den übrigen gebracht, bequeme Durch. gänge durch Sackgassen eröffnet und getrennte Viertel verbunden wor, den. Und doch hat man nicht allein dem Nüßlichkeitsprinzip bei diesen Verbesserungen Rechnung getragen. Die Liebe zur Pracht und Großthuerei, welche die Franzosen stets charakterisirte, tritt auch hier im glänzendsten Lichte hervor, namentlich in der Rue de Rivoli und auf dem Boulevard de Sébastopol. Vor Allem aber spricht ein gesunder Sinn, dieser ungewöhnlichste aller Sinne, fich in jeder metamorphosirten Straße, in jedem umgestalteten Hause aus, und ein englischer Architekt oder ein Mitglied der Londoner Bau-Kommission, dem der lezte Rest von Gewissen und Beobachtungsgeist nicht abhanden ge= kommen ist, wird schwerlich ohne ein Gefühl der Beschämung und Demüthigung durch Paris wandeln können.“

Dreiunddreißig von den Verurtheilten knieten dieses Mal in Reihen, ihre Köpfe gegen Süden, d. h. gegen unseren Standpunkt, bückend. In der vordersten Fronte ließ die Enge der Gaffe nur einem Manne Raum, der etwa fünf Ellen vor uns kniete; dann kamen zwei in einer Reihe, dann vier, fünf u. f. w. Hinter allen übrigen, etwa, hat es kein Beispiel so zauberhaft rascher Bauten gegeben, als in fünfundzwanzig Ellen vor uns, ward der Hauptverbrecher, der Führer einer Bande, ans Kreuz gebunden. Der Nachrichter, deffen Aermel aufgeschürzt waren, stand dem vordersten Verbrecher zur Seite. Er war ein wohlgebauter Mann von mittlerem Wuchs und sehr kräftigem Ansehen, dessen Gesicht keine Rohheit und Grausamkeit verkündete, vielmehr einen gutmüthigen und verständigen Ausdruck hatte. Er richtete seinen Blick unverwandt auf den die Execution unmittelbar beaufsichtigenden Unteroffizier; und sobald der Leßtere das Wort pan! (vollstrecke!) aussprach, warf er sich in die oben beschriebene Positur und begann sein Werk. Den ersten Kopf trennte er nicht vollständig vom Rumpfe, so daß die Mienen des Enthaupteten nach dem Niederfallen noch eine Zeitlang gräßlich sich verzerrten. Unterdeffen fuhr der Nachrichter in seiner schrecklichen Arbeit rasch und rüftig fort. Er schien etwas aufgeregt, warf nach der zweiten oder dritten Enthaup tung das erste Schwert hinweg, erfaßte ein zweites, das einer der Büttel schon bereit hielt, und stand mit einem Sprunge an der Seite feines nächsten Opfers. Wenn ich mich recht erinnere, so hieb er in weniger als drei Minuten die dreiunddreißig Köpfe ab, und alle, mit einziger Ausnahme des ersten, waren vollkommen von den Rümpfen losgetrennt. Die meisten Körper fielen, sobald der Kopf weg war, vorwärts nieder; nur drei oder vier derselben blieben nach der Enthauptung aufrecht und würden sich vielleicht in die Höhe geschnellt haben, wären sie von dem dahinter stehenden Manne nicht festgehalten worden; dieser gab ihnen dann einen tüchtigen Stoß, daß fie vorwärts zu ihren Köpfen fielen. Wahrscheinlich hatten die Delin quenten, denen diese Körper angehörten, ihre volle physische und moralische Kraft bewahrt. Sobald das Werk der Enthauptung zu Ende war, schritt der Henker mit einem einschneidigen Messer auf den Mann am Kreuze los, deffen einzige Bekleidung aus weiten Beinkleidern beftand, die bis an die Hüften hinabgezogen und von unten bis an die Sistheile aufgestreift waren. Dieser war ein sehr kräftig gebauter Mann über Mittelgröße und schien ungefähr vierzig Jahr alt. Er hatte sich der Behörde freiwillig gestellt, um seine verhafteten Angehörigen zu retten und ihnen die fiebentausend auf seinen Kopf gebotenen Dollars zu sichern. Die Behörde hält nämlich bei solcher Gelegenheit gewöhnlich ihr Wort, da sie künftige Fälle im Auge hat. Da der Verbrecher fünfundzwanzig Ellen weit von uns entfernt war, so konnten wir nicht die ganze graufige Operation beobachten; doch sahen wir wenigstens die zwei Einschnitte in seine Stirn, das Ab. schneiden der linken Brust und das Ablösen der Schenkelmuskeln. Vom ersten Mefferschnitt bis zu dem Augenblick, als der Körper vom Kreuze losgeschnitten und enthauptet ward, vergingen vier bis fünf Minuten. Wir hörten indeß keinen einzigen Schrei des Unglücklichen.

Gleich nach dem Niederfallen des ersten Enthaupteten sah ich, wie ein Mann an dessen Halfe niederfauerte und mit geschäftiger Miene ein Büschel Binsenmark in das Blut tauchte; als dieses wohl getränkt war, legte er es sorgfältig auf einen Haufen der anliegenden Töpferwaare und stippte dann ein anderes Bündel in das Blut. Bin

*) Wörtlich heißt k'ai k'eù (in Canton hoi hàu) den Mund öffnen.

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Deutsche Monatshefte von New-York. Die unter diesem Titel seit drittehalb Jahren in New-York erscheinende, bisher von Kolatschek herausgegebene und mit schönen Stahlstichen ausgeftattete, deutsche Zeitschrift ist seit kurzem in den Verlag des Herrn Paul Bernhard, Herausgebers der „Neuen Zeit“, übergegangen. Gleichwie die leßtgenannte deutsche Wochen-Zeitung bringt sie ebensowohl in Amerika geschriebene, deutsche Original-Artikel als aus Werken und Zeitschriften der deutschen Heimat abgedruckte Auffäge. Das Oktober-Heft enthält neben einer Original-Novelle: „Der Heerd im Westen" von Oskar Falke, Lebensbilder aus dem Süden", von Siemering, so wie Schilderungen und Skizzen von Schleiden, Franz Löher u. A.; ferner ein Portrait William H. Seward's, des amerikanischen Staatsmannes (Senators von New-York), der im Gegensaße zu den neuen Ignorantinern (Knownothings) ein Freund der Deutschen ist; endlich für das Damen-Publikum Stickmußter 2c.

Wöchentlich erscheinen 3 Nummern. Breis jährlich 3 Thlr. 10 gr., halbjährlich 1 Thlr. 20 Sgr. und vierteljährlich 25 Sgr., wofür das Blatt im Irlande portofrei und in Berlin frei ins þaus geliefert wird.

No 151.

land.

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Literatur des Auslandes.

England.

Englische Literatur - Briefe.

Berlin, Dienstag den 18. Dezember

Zwölfter Monats- Bericht. 1855.

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November, der Monat des Nebels, Mordes und Selbstmordes, dessen meteorologischer und moralischer Charakter. Beispiele der sittlich-sozialen Zustände in England. Nachtseiten ohne entsprechende lichte in dem spezifischen EngDer Einfluß des Germanismus auf England und Rußland. Kritik des deutschen Glaubens an das spezifische England. Deutschlands Mission für die Weltkultur. Germanismus der englischen Literatur als Negation gegen das spezifische England. Das,,spezifische“ und das,, übrige“ England. Die englische Literatur selbst größte Gegnerin gegen das „spezifische EngThackeray, Dickens, Carlyle u. s. w. Geschichtliche Berichte über Charakter der Kriegs-Literatur in der Tagespresse und Amerikanische Ansicht und Berechnung der Folgen.

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land". den Krim- Feldzug.

deren Wirkung.

London, Anfangs Dezember.

Der Monat des Nebels und zar’-¿§oyyv - Selbstmordes ist endlich vorüber, aber er dauerte viel länger, als selbst ein 31 tägiger Monat. So etwas von Wetter muß man sehen, um es zu glauben. Nicht Regen und Schnee und Sturm das wäre Mai, das wäre orangenblühendes Italien dagegen. In dem deutschen „Schlackenherbstwetter" liegt Poesie, liegt Leben und Bewegung. Es regnet doch, es schneit wohl auch dazwischen, und der Wind pfeift und prasselt doch hindurch und treibt lustigen Gespensterspuk mit den abgefallenen Blättern. Das ift Wetter, von dem man sogar sprechen kann, in welchem man Etwas sehen, genießen, beobachten kann, ohne gerade ein Dove zu sein. Aber Londoner November? Ja, das ist ein meteorologisches Phänomen! Ich begreife nicht, wo die meisten wirklichen Londoner die Courage hernehmen, einen solchen Monat zu überleben, und sich nicht lieber in einem kontinuirlichen Strome von der London-Brücke in die Themse stürzen. Um sich von dem Londoner November eine annähernde Vorftellung zu machen, muß man sich vier Wochen lang Tag und Nacht unaufhörlich windstill, Sack und Asche über den ganzen Himmel hinweg gespannt und stets feucht und still bis auf den Kopf herunterreichend, dazu aber dicken Rauch und Schmug, von unten stets in die Höhe strebend, denken, aber zu faul und träge, als daß Sack und Afche von unten nur die geringste Bewegung verriethe. Zwischen dieser doppelt sack- und aschewattirten, bewegungslosen Meteorologie, in der man zuweilen Mittags um zwölf Uhr zwei Lichter brennen und auf der Straße mit Fackeln fahren muß, bewegen sich stets mehrere Millionen Proletarier, mit Sack und Asche angezogen und so und so viel Tausend Omnibus, Droschken und Lastwagen, in stillen Straßen mit Leierkasten, Puppentheatern, Murmelthieren, Affen, Austern, Aepfeln, Nüffen, Scheeren, Schwefelhölzern, Stahlfedern und Bleistiften und tausenderlei öffentlich ausgeschrieenen Dingen, von denen man aber in der Regel durchaus nichts sehen kann. Man muß sich dies durchaus vier Wochen lang dauernd und festhaltend denken, sonst hilft Ihnen drüben auf dem Kontinente die ganze Vorstellung nichts. Allerdings scheint sich zuweilen der Himmel (Gott im Himmel, das muß man hier auch Himmel nennen!) aufheitern zu wollen, d. h. das tausend Meilen dicke Sacktuch über uns scheint sich zuweilen zur Heiterkeit halb geräucherter Schinkenschwarte aufklären zu wollen; aber kaum scheint es uns, als ob dies möglich erscheinen könnte, wirft man die Arbeit weg, da man nicht mehr sehen kann, und zündet Licht an, um welches sich aber das solide, massive Sacktuch der Luft sofort wie leises Morgengrauen oder lezter Schimmer des Abendroths dick herum legt. Man kann sich daher gewiß denken, was während dieses gänzlichen Mangels an Himmel und Erde, Luft und Licht die englische berühmte,,fireside", das „,cheerful fire" im offenen Kamine, das große glühende Auge von Steinkohlen in jedem Zimmer werth ist, warum der Engländer immer gern der Welt nach allen Seiten den Rücken kehrt und für nichts Sinn und Auge hat, als für dieses Feuer, vor dem er stundenlang sizen kann, ohne ein Wort zu sagen. Es ist die einzige wirksame Medizin gegen Spleen und Selbstmord bei dem, der nicht jede Mußeftunde dazu benugt, sich zu betrinken. Mauche ge

1855.

brauchen auch beide Mittel, z. B. mein eigener Hauswirth nebst seiner besseren Hälfte. Sie fißen jede Nacht von neun bis ein Uhr mit ihrem Kakadu vor einem glühenden Kaminfeuer, trinken fortwäh rend Brandy mit heißem Wasser und schweigen fortwährend dazu. Selbst der Kakadu, sonst sehr redselig, verfällt jedesmal in dieselbe stille Andacht.

Immer hilft freilich die Medizin auch nicht, selbst nicht in der angedeuteten Verdoppelung, so daß die Zeitungen während des Novembers oft die Politik einschränken müssen, um nur die „interessanteften“ Morde und Selbstmorde unterzubringen, z. B. wie ein alter, respektabler Beamter der englischen Hauptbank mehrmals von Fälschungen und Unterschlagungen träumte und plöglich nach einem solchen Traume in die Küche hinunterlief, sich mit einem Meffer den Bauch aufschnitt und dann mit den Seinigen noch ganz vernünftig" sprach, bis er todt war; wie ein deutscher Tabackshändler mitten in der City sich mit Gewalt endlich doch aushing, nachdem man ihm öfter abgerathen (Engländer hängen sich nie selbst); wie ein Engländer, aus der Themse gezogen, sich doch noch einmal erfäufte; wie - doch ich will die Nachtseiten (d.h. im November in London die Tages-) des Lebens nicht weiter spezifiziren, und deshalb von den regulären Mordthaten, die alle Tage in den Zeitungen stehen, wie der Börsen-Cours, gar nicht sprechen. Es wird in England eben immer viel gemordet, besonders aber im November. Manchmal kömmt der Mörder, oder Selbstmörder, oder Gemordete auch mit einem blauen Auge (das in England aber immer schwarz aussieht: black-eye"), oder mit einigen zerbrochenen Rippen, oder, noch glücklicher, mit einer tüchtigen Tracht Prügel davon. Unter den lezteren Glücklichen machte Einer noch sein besonderes Glück mit der Tracht Prügel. Er hatte einer schönen, jungen Dame die Ehe versprochen, welche aber kurz darauf seine Verheiratung mit einer anderen Dame las. Sie grämte sich nicht ab, ersäufte sich auch nicht, klagte auch nicht auf „Bruch des Versprechens“, welches in England durch gute,,Blechung" genietet werden muß, sondern kaufte sich eine derbe, von Kuhhaut geflochtene Karbatsche (cowhide) und karbatschte den ungetreuen jungen Ehemann auf öffentlichem Markte, wo er Kartoffeln und dergleichen verkaufte, so durch, daß das ganze Gesicht entstellt ward. Dadurch ward der Mann plößlich so berühmt, daß alle Welt zu ihm strömte und Kartoffeln von ihm kaufte, blos um den merkwürdigen Mann zu sehen, der von einer Dame „gekuhhäutet" worden war. Auf diese Weise machte er so brillante Geschäfte, daß er sich von einem Anderen Kartoffeln kaufen mußte, um sie zu seinem Braten effen zu können. Es ist überhaupt ein charakteristischer Zug der großen Masse am ausgebildetften in England, daß bei derselben das Verbrechen populär macht, wenn nur irgend eine Eigenthümlichkeit damit verbunden ist. Alice Grey ward in allen Zeitungen biographisirt und selbst abgebildet in einigen.,,Viele Gentlemen" hatten viel Geld spendirt, um sie im Gefängnisse zu sehen. Dabei muß man nicht vergessen, daß sie furchtbar häßlich und roh ist. Und woher diese Popularität? Sie hatte etwa zwanzigmal unschuldige Personen des Diebstahls angeklagt, von denen die Richter mehrere verurtheilten. Gewöhnlich wollte sie, fremd und allein auf Eisenbahnhöfen angekommen, um ihre Börse mit all ihrem Vermögen gekommen sein, was sie so rührend darzustellen wußte, daß die Gerichtshöfe und Zuhörer allemal mehrere Pfund für sie fammelten. Außerdem war sie, endlich entlarvt, furchtbar grob und bediente fich der gemeinsten Schimpfreden. Das ist das ganze Fundament ihrer Popularität in der großen und gebildeten Maffe, in den Zeitungen, in der Tagesliteratur! Auch die frommen Herren Paul, Strahan und Bates wurden photographirt und in den Bilder-Zeitungen persönlich abgedruckt, ehe sie jeder zu vierzehn Jahren Transportation verurtheilt worden waren. Ein neuer Held in diesem Fache ist der hochkirchliche Geistliche, Dr. Vaughan, in einem fashionablen Stadttheile Londons, der seine Todten sehr oft doppelt begrub (?), wenigstens immer dann, wenn doppelte Bezahlung irgendwie zu erlangen war, um fein aus achtzigtausend Pfund bestehendes Privatvermögen zu verbeffern. Auch Lieutenant Austin, Direktor des Gefängnisses von Birmingham, führte doppelte Buchhaltung, wurde aber nur deshalb, weil

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