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Ostindien.

Eine Probe aus den Biographieen (Taskira's) moderner Schriftsteller Hindostans.*)

„Tana Schah ist der Ehrenbeiname Abulhaffan Schah's des Königs, der des Vergnügens Freund war. Er gehörte zu der Zahl der berühmten Sultane und der Machthaber von hoher Würde in Dekan. Obgleich der Ruf der Vergnügungen und Freuden dieses Lebemannes und der Ruhm seiner Ergößungen und Luftbarkeiten bekannt sind bis zum Monde und dem Fisch“ (metaphorische Bezeichnungen der WeltEnden, von der Höhe bis zur Tiefe), so erscheint es mir dennoch nöthig, Etwas zu schreiben über die Lebensumstände dieser Zierde des Thrones in dem Palaste der Fröhlichkeit und der Fülle von Seelenluft. ,,In den Tagen, da Alanguir" (Welteroberer, Beiname des Mongolenfürsten Aurangzeb),,,der in der Unsterblichkeit wohnt, die Adil Schahi und die Nisam Schahi stürzte und sich der Soiba (Provinz) Dekan bemächtigte, wurde Abulhaffan Lana Schah nach vielen Verwirrungen zum Gefangenen gemacht. So kehrte sich das launische Glück gegen ihn und zeigte ihm etwas Anderes, als Vergnügungen und Luftbarkeiten. Die Freude der Macht war gestört, und anstatt der Gesellschaft fröhlicher Lebemänner, die ihn sonst umgaben, hatte er jezt nur einen Kreis der Trauer. Indeß ergab sich Tana in die Härte der Lage, die ihm Alanguir bereitet hatte, ließ ihm jedoch dringende Vorstellungen in Bezug auf den Gebrauch der Hukkah (Pfeife) machen: Ich liebe sie gar sehr; wenn man mir das Rauchen erlaubt, so wird das der Ausbund der Gunst für mich sein.""

"Da dieser Radschah (Tana) ein Freund des Vergnügens war und im Rausche des guten Tisches während der acht**) Pahar versunken blieb, so wich die Hucca keinen Augenblick von seinem Munde; er hatte die Gewohnheit, nachdem er eine Pfeife ausgeraucht, den Pfeifenkopf mit einer Flasche Rosenwasser abzukühlen; dann feuchtete sein Hukkah-Bardar“ (Diener, dem die Besorgung der Pfeife obliegt) „den Taback aus einer Flasche Weidenwaffer an. Ergeben wie er die sem Genusse war, schlief er nur wenig in der Nacht und verbrauchte also im Verlaufe von vierundzwanzig Stunden Hunderte von Flaschen des edelsten Rosenwassers und der Weidenwasser-Effenz. Diese Um stände mit all ihren Einzelnheiten blieben dem Alanguir nicht unbekannt. Da bat der Radschah durch eine Gesandtschaft in Demuth, daß man ihm täglich sechzehn Flaschen Rosenwasser und acht Flaschen Weidenwasser bewillige. Nach einigen Tagen lief von Seiten der erhabenen Regierung folgende Antwort ein:,,,,, Gott! die Hukkah weicht nicht von Deinem Munde während der acht Pahar, und durch den Dunst, der sich von dem Orte Deiner Gesellschaft verbreitet, wird die Eifersucht geweckt, und der Rauch des Neides sagt dem trügerischen Himmel, daß unterhalb des Firmaments, welcher der Sterblichen spottet, ein Mensch acht Hulkahs Taback am Tage und eben so viel in der Nacht raucht, und indem er den Giftqualm in Massen verschluckt, lebt er in einer ärgerlichen Erschlaffung.""

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‚Mittlerweile sprach Alanguir einige Tage nachher: „,„,Es ist eine große Verschwendung, sechzehn Flaschen Rosenwasser und acht Flaschen Weidenwasser täglich auf die Hukkahs zu verbrauchen. Inzwischen, da das Gefeß das Rauchen erlaubt und keine peinliche Vorschrift obwaltet, so wollen wir ihm aus meinem Palaste täglich acht Flaschen schicken."" "Tana begnügte sich demnach, sein Herz mit vier gestopften Hukkahs zu laben und nach jeder ausgerauchten Pfeife eine Flasche zur Kühlung zu verwenden.

,,Als Aurangzeb das erfuhr, zog er, entgegen seinem Versprechen, vier Flaschen ab, und Tana verlangte nun von seinem Hukkah-Bardar nur zwei gestopfte Pfeifen. Als nach einigen Tagen die Nation um noch zwei Flaschen geschmälert wurde, ließ er sich nur Eine Pfeife des Tages und Eine des Nachts reichen. Endlich blieben eines Tages auch die lezten zwei Flaschen aus, und von da an wollte er nicht mehr rauchen. Nach drei Tagen sprach sein Hukkah-Bardar zu ihm:,,,,Dein ergebener Sklave ist durch die Huld der Zuflucht der Welt (seines Herrn) in den Stand gefeßt worden, so viel zu ersparen, daß für Eure Majestät genug da ist, außer den Kosten für die Trinkschale, auch die von zehn Pfeifen täglich für die Dauer mehrerer Jahre zu bestreiten. Er hofft, Eure Majestät werde geruhen, ihm den Befehl zu geben, den Rauchsaal einzurichten, damit das Reis eingepflanzt werde in den Boden der Ehre."" Tana antwortete:,,Seine Majestät (Aurangzeb) Seine Majestät (Aurangzeb) bekümmert sich angelegentlichst um die Vorschriften des Gesezes, "")

*) Ueberseßung eines Artikels aus dem hindustanischen Gulschan-i-hind (Garten Indiens), von Mirza Ali Khan oder Lutf. Nach Garcin de Laffy. **) So viel wie „Tag und Nacht"; denn jener wie diese wird in vier Pahar getheilt.

***) Die strengen Muhammedaner enthalten sich alles Lurus in Kleidern und Speisen.

obwohl er keinen Anstand genommen, die Moschee (von Mekka) zu durchwühlen und sich des Schazes zu bemächtigen. Wenn er das erfährt, so wird er verlangen, daß Du ihm das Kapital der Summe, die Du auf meine Hukkah verwendest, in sichere Verwahrung übergebest."" Da legte der Hukkah-Bardar die Hand auf den Kopf und fing an zu weinen.

,,Seit dem Lage rauchte Lana nicht mehr, so lange er Gefangener blieb und bis er überging aus dieser vergänglichen Wohnung zur Herrlichkeit der ewigen Stätte. zur Herrlichkeit der ewigen Stätte. D, Gott! Betrachtet man die Dinge mit dem Auge der Gewißheit, so überzeugt man sich, die Welt sei zumal ein Ort des Mühsals und eine Wohnftätte der Verwarnung,

,,Ein Vers: Wo find die glücklichen Kosroës und Jamsched? Wo ist Kubad? Wo sind Alerander und Darius? Wo ist Kaïfâus? Beschaut man mit beiden Augen der Beobachtung diese Männer, die berauscht waren von ihrem Range, so kann man ihr Loos nur bedauern und beklagen.

,,Da der Verstand, zu regieren, in der Eroberung und dem Besize der Königreiche, in vollem Besiße der Könige aus erlauchter Abkunft ist, wie vermag dieser Arme (der Verfaffer) aus dem Winkel, den er bewohnt, sich in diese Sachen mischen? Indeffen fagen einige Weisen, daß Aurangzeb, der die Könige von Dekan, troß ihrer Vorstellungen, so hart behandelt, der die Moschee von Mekka durchwühlt hatte, um daraus den Schaß zu rauben, eine tadelnswerthe Handlung sich auf den Hals geladen habe. Gott weiß, welche Vergeltung dieser Handlung vorbehalten sei. Noch kann man hinzufügen, daß bei Aurangzeb, bevor er Dekan erobert hatte, die Auflagen und Steuern aus dieser Landschaft einliefen, und er wurde Schahin Schah (König der Könige) genannt; und dennoch dänkte ihn die Summe, die er dem Lana abquälte, ungeheuer groß, und es scheint, daß er durch diese Maßregel, die er für eine haushälterische in der Verwaltung hielt, an Würde steigen wollte.

„Ein Vers: „Die Könige sind unterrichtet von den Schwierigkeiten der Herrschaft. Du, armer Unglücklicher, aus dem Winkel, wo Du figest, bilde Dir nicht ein, daß Du etwas Gutes fagst.“

,,Kurz, man schreibt dem erhabenen Schah Abulhassan Tana Schah, dieses matla" (Anfangsvers eines Gedichtes) „zu:

,,,,An welche Thür soll ich gehen, mein Leid zu klagen? Wohin werd' ich gehen können? Ich will an mein eigenes Herz mich wenden; es sei für mich mein mihrab” (die Blende in der Moschee, gegen die man sich zum Gebete kehrt).

"Wenn meine Freunde nur ein Wort mir sagen, es wird für mich ein kühles Zelt in der Sommerzeit sein.""

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Mannigfaltiges.

Die englische Gesellschaft. Die Geduld des lesenden Publikums würde sicherlich durch den langathmigen Roman von Thackeray, die,,Newcomes", erschöpft worden sein, wenn es nicht die leidige Luft an Karikaturen dabei hätte befriedigen können. Es ist unbegreiflich, daß die stolzen Engländer einem Schriftsteller ihre Gunft zuwenden, der sie so gründlich lächerlich macht, der sie nicht nur als übermäßig eitel, hochmüthig und dumm, sondern auch als boshaft und gemein schildert. Einzelne Züge mögen der Wirklichkeit entnommen sein, aber die ganze englische Gesellschaft kann unmöglich eine solche Fraße sein, wie Thackeray und wie mitunter auch im ,,Magazin“ defsen Londoner Korrespondent sie zeichnet. Der Drang, vornehm zu scheinen, ist nach Thackeray die Triebfeder alles Dichtens und Trachtens in England - in Deutschland und Frankreich macht sich eine ähnliche Tendenz geltend, aber so elende, so herzlose Mittel zum Zweck hat gewiß vor Thackeray Niemand für möglich gehalten. Die Grobheiten, die er seinen Landsleuten sagt, scheinen diesen völlig zu imponiren; sie laffen sie sich nicht nur ruhig gefallen, sondern schweigen auch zu den unzähligen Fehlern und Langweiligkeiten seines Buches. Es ist ohne Zusammenhang, ohne Spannung, ein konfuses Durcheinander uninteressanter Personen, deren Lebensgeschichte man dennoch ab ovo anhören muß. Es erfordert ein übermenschliches Gedächtniß, um nur die Namen zu unterscheiden und zu behalten, während man liest. Die Erzählung ist so slizzenhaft, so nachlässig und doch so gränzenlos weitläufig, daß es faft unmöglich ist, ihr zu folgen. Alles das haben die Engländer ohne Murren ertragen; es ist nirgends ein Ladel laut geworden, und unsere deutschen Kritiker, die nicht einmal Zeit haben, die vaterländischen Erzeugnisse durchzulesen, arbeiten sich mühsam durch die vielen Bände des englischen Schriftstellers und loben ihn ! F. v. H.

*) Die englische Kritik äußert sich nicht so über diesen Liebling der Das men-Lesewelt. Wir werden nächstens Gelegenheit haben, ein von dieser Ansicht sehr abweichendes Urtheil über Thackeray mitzutheilen. D. R.

Wöchentlich erscheinen 5 Nummern. Breis jährlich 3 Thlr. 10 Sgr., halbfährlich 1 Thlr. 20 Sgr. und vierteljabrlich 25 Sgr., wofür das Blatt im Inlande portofrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird.

No 149.

für die

Bestellungen werden von jeder deutschen Buchhandlung (in Berlin bei Beit u. Comp., Jägerstr. Nr. 25, und beim Spediteur Neumann, Riederwallfir. Nr.21), fo wie von allen königl. Voßt-Aemtern, angenommen.

Literatur des Auslandes.

England.

Berlin, Donnerstag den 13. Dezember

Das englische Heer, nach amerikanischer Darstellung. Aus der Rundschau über die europäischen Heere von einem Amerifaner in Putnam's Monthly, die in unserem Blatte kürzlich mitgetheilt wurde, heben wir noch, als das Intereffe des Tages nahe berührend, den Artikel über das britische Heer heraus:

,,Das britische Heer bildet den schärfften Gegensaß zum franzöfifchen. Worin das französische stark, ist das englische schwach, und umgekehrt. Wie Alt-England selbst, so ist sein Heer unter üppig wuchernden Mißbräuchen verrottet bis ins Herz hinein. Alles scheint darauf abgesehen, jeder Möglichkeit, zu einem vorgesteckten Ziele zu kommen, vorzubeugen. Durch einen unerklärlichen Zufall taucht unter einem Wuft verjährter Erbärmlichkeiten die kühnste Verbesserung auf. Und doch, so oft die plumpe, knarrende Maschine ins Werk gesezt wird, so thut sie hin und wieder ihre Schuldigkeit.

Die Organisation des britischen Heeres ist schnell beschrieben: Es besteht aus drei Regimentern Garde-Infanterie, fünfundachtzig Regimentern Linie, dreizehn Regimentern leichte Infanterie, zwei Regimentern Schüßen. Während des gegenwärtigen Krieges haben die Garde-Schüßen und einige andere Regimenter drei, die übrigen zwei Bataillone; eine Compagnie in jedem bildet das Depot. Die Rekrutirung reicht jedoch knapp aus, die durch den Krieg verursachten Lücken auszufüllen, und von dem zweiten Bataillon kann man kaum fagen, daß es vorhanden sei. Der jezige Effektivbestand der Gesammts Infanterie übersteigt gewiß nicht die Ziffer 120,000.

Für die reguläre Truppe bildet die Miliz eine Art Reserve oder Pflanzschule. Sie hatte nach einer Parlaments - Akte 80,000 betragen, zählt aber gegenwärtig nur 60,000. Nach dem bestehenden Gesez kann sie in den Kolonieen freiwillig dienen, aber nicht auf die Schlachtfelder außer Landes geführt werden. Sie ist daher nur zu verwenden, die Garnisonen der Linie in Korfu, Malta, Gibraltar und vielleicht späterhin in noch ferneren Niederlassungen abzulösen.

Die Kavallerie zählt drei Regimenter Garde-Küraffiere, sechs Garde-Dragoner, drei schwere Dragoner, drei leichte Dragoner, Fünf Regimenter Husaren, vier Regimenter Lanziers. Das Regiment auf dem Kriegsfuß soll außer einem Depot aus vier Schwadronen zu 250 Mann bestehen. Einige Regimenter rückten in dieser Stärke aus; allein der Winterfeldzug in der Krim, der kopflose Angriff bei Balaklava, der Mangel an Rekruten brachten sie durchgehends auf den alten Friedensfuß herab. Schwerlich zählen die sechsundzwanzig Regimenter 10,000 Reiter oder durchschnittlich vierhundert Säbel.

Die Artillerie besteht aus einem Regiment Fuß-Artillerie (zwölf Bataillone mit sechsundneunzig Batterieen) und einer Brigade reitende Artillerie (sieben Batterieen und eine Raketen-Batterie). Jede Batterie hat fünf Kanonen und eine Haubige; bei jenen ist das Kaliber drei-, sechs-, neun-, zwölf- und achtzehnpfündig, bei diesen 4, 41, 51, 8 Zoll. Jede Batterie hat überdies zwei Musterkanonen von fast jederartigem Kaliber, schwere und leichte. Im Ganzen aber sind die Neunpfünder und die fünftehalbzölligen Haubigen (Vierundzwanzigpfünder) in der britischen Artillerie neben den sechs- und zwölfpfündigen Raketen allgemein eingeführt.

Da das britische Heer auf dem Friedensfuß nur den Stamm für den Kriegsfuß bildet und da es sich nur durch freiwillige Werbung ergänzt, so ist seine wirkliche Stärke in einem gegebenen Momente niemals genau zu bestimmen. Nach einem ungefähren Ueberschlag dürfte das Heer gegenwärtig bestehen aus 120,000 Mann Infanterie, 10,000 Mann Kavallerie, 12,000 Mann Artillerie mit 600 Kanonen (von welchen nicht ein Fünftel bespannt ist). Von diesen 142,000 Mann sind etwa 32,000 Mann in der Krim, 50,000 in Indien und den Kolonieen und der Rest von 60,000, wovon die Hälfte noch ungeschulte, die andere Hälfte in der Einübung begriffene Neuangeworbene find, in der Heimat. Dazu kommen noch 60,000 Mann Miliz. Die Pensionirten, die berittene Leibgarde und andere Corps, die zum auswärtigen Dienst nicht herangezogen werden, kommen gar nicht in Anschlag.

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1855.

Das System der freiwilligen Werbung macht es in Kriegeszeiten sehr schwierig, das Heer in seiner vollzähligen Stärke zu erhalten; was die Engländer erst neulich wieder erfahren haben. Wir sehen, daß jest, wie unter Wellington, 30-40,000 Mann das Maximum ist, was sie auf einem Kriegsschauplaße konzentriren können; und da sie jest nicht Spanier, sondern Franzosen zu Verbündeten haben, so verliert sich fast die heroische kleine Truppe" in dem alliirten Heere." Eine einzige Einrichtung im britischen Heere genügt vollkommen, die Volksschicht, aus welcher der britische Soldat geworben wird, zu charakterisiren: die Strafe des Peitschens. Im französischen, preußischen und verschiedenen anderen Heeren kleinerer Staaten besteht keine körperliche Züchtigung, und selbst in Oesterreich, wo die Angeworbenen meist Halbbarbaren find, bestrebt man sich augenscheinlich, sie abzuschaffen; so ist das Spießruthenlaufen aus dem Kriegsgesehbuch gestrichen. In England dagegen wird die „Neunschwänzige" — ein Marterwerkzeug, das der russischen Knute um kein Haar breit weicht in voller Kraft gehandhabt. Seltsam, so oft im Parlamente eine Reform des Militair-Gesezbuches besprochen wurde, waren es die alten Haudegen, und keiner eifriger als Wellington, die sich an der Neunschwänzigen fest anklammerten. Ein ungepeitschter Soldat erschien ihnen als ein Ungeheuer, mit welchem nichts anzufangen sei. In ihren Augen waren Tapferkeit, Mannszucht, Unbesiegbarkeit ausschließlich die Tugenden eines Menschen, der die Narben von mindestens funfzig Streichen auf seinem Rücken trägt.

Nicht zu vergessen, die Neunschwänzige ist nicht blos ein Werkzeug, das schmerzliche Wunden schlägt — es zeichnet durch die zurückgelassenen Narben den Mann fürs Leben; es brandmarkt, ja, selbst bei seinen Kameraden im britischen Heere zu ewiger Schmach. Und dieses Mittel, das nach der Meinung seiner Vertheidiger die Mannszucht aufrecht erhalten soll, richtet sie gerade dadurch zu Grunde, denn sie zerstört das edle Selbstbewußtsein, den point d'honneur in dem Soldaten.

Daraus erklären sich zwei Thatsachen: Zuerst die große Zahl englischer Ueberläufer vor Sebastopol. Im Winter, als den britischen Soldaten die übermenschliche Aufgabe zugemuthet wurde, die Laufgräben zu bewachen, bekam die Peitsche, wer nicht 48-60 Stunden ununterbrochen wach bleiben konnte! Männer, die sich in den Laufgräben als Helden erprobten, die, troß ihrer Führer, den Tag von Infjerman gewannen, zu peitschen! Aber die Kriegsartikel ließen keine Wahl. Der beste Soldat im Heere, von Anstrengung übermannt, mußte den Rücken herhalten, und entehrt, wie er war, lief er zu den Russen. Kann es ein mächtigeres Argument gegen diese Menschenschinderei geben? In keinem früheren Kriege kamen in irgend einem Heere solche maffenhafte Ueberläufer zu den Ruffen vor; sie wußten, daß sie hier schlimmer als zuhause behandelt werden. Dem britischen Heere war es vorbehalten, ein so reiches Kontingent an Ueberläufern abzugeben, und nach der Aussage der Engländer selbst war es die Peitsche, die sie zum Feinde trieb. Die zweite Thatsache ist das Fehlschlagen des Versuchs, eine Fremden-Legion unter den Bedingungen des britischen Militair-Koder aufzurichten. Die Nicht-Briten sind etwas kiglich auf dem Rücken. Die Aussicht auf die Peitsche überwand das Gelüften nach dem hohen Handgelde und der guten Besoldung. Bis Ende Juni waren erst tausend Mann eingeschrieben, wo man funfzehntausend Mann brauchte. Und gewiß, sollten es sich die Oberen einfallen lassen, auch bei diesen tausend Taugenichtsen die Kaße einzuführen, dürften sie sich auf einen Sturm gefaßt machen, dem sie entweder nachgeben, oder die Legion auflösen müßten.

Uniform und Rüstung der britischen Soldaten sind ein Muster von dem, was sie nicht sein sollten. Bis zur Stunde ist die Soldatentracht dieselbe, wie sie bis 1815 in allen Heeren im Gebrauch vor; keine Verbesserung wurde zugelassen. Der alte schwalbenschwänzige Frack, durch garstige Aufschläge verunstaltet, zeichnet noch immer den britischen Soldaten vor jedem anderen aus. Die Hosen sind knapp und unbequem; noch immer herrscht die Kreuzkuppel, welche Bajonettscheide, Tornister und Patronentasche festhält, in fast allen Regimentern vor. Die Reiterei ist paffender und weit feiner gekleidet; aber doch ist Alles

zu knapp und unbehaglich. Ueberdies ist das englische das einzige Volk, das in seinem Heere den stolzen rothen Rock", wie Napier ihn nennt, beibehalten hat. Dieser Rock, der dem Soldaten das Ansehen eines aufgestußten Affen giebt, soll, wie behauptet wird, durch seinen blendenden Glanz Schrecken unter die Feinde verbreiten. Du lieber Gott, wer jemals einen ziegelfarbigen Trupp englischer Soldaten gesehen hat, wird gestehen, daß ihre Röcke nach einem vierwöchentlichen Gebrauch in uns weit eher die Vorstellung der Schäbigkeit, als des Schreckens hervorrufen, und daß jede andere Farbe bei weitem mehr Schrecken einflößen würde, wenn sie gegen Staub, Koth und Näffe Stand hielte. Die Dänen und Hannoveraner, die den rothen Rock angezogen hatten, legten ihn bald wieder ab. Der erste Felbzug in Schleswig bewies den Dänen, daß der rothe Rock und die weiße Kreuzkuppel dem Feinde ein todbringendes Ziel bieten.

Die neue Uniform-Ordnung brachte den preußischen Waffenrock, den österreichischen Tschako für die Infanterie, den preußischea Helm für die Kavallerie; die Kreuzkuppel, die rothe Farbe und die knappen Hosen sind geblieben, und der englische Soldat nimmt sich nach wie vor wunderlich genug unter den anderen europäischen Heeren aus.

Eine Verbesserung jedoch, die Alles übertrifft, was in anderen Ländern für eine Vervollkommnung des Heerwesens geschehen ist, kam in der britischen Armee zur Ausführung: die Bewaffnung der Infanterie mit der von Pritchard vervollkommneten Minié-Büchse. Wie die abgelebten Männer an der Spiße des britischen Heeres, Männer, die im Allgemeinen in ihren Vorurtheilen erstarrt sind, zu einem so kühnen Entschluß kommen mochten, ist schwer zu erklären; aber sie thaten es und verdoppelten dadurch die Wirksamkeit ihrer Infanterie. Es ist außer allem Zweifel, daß bei Inkjerman die Minié-Büchse durch die tödtliche Sicherheit und größere Kraft ihres Schuffes den Tag zu Gunften der Engländer entschied.

Die Kavallerie besteht aus schönen, wohlberittenen Männern, und was sie leisten kann, hat sie bei Balaklava gezeigt. Allein im Ganzen ist der Mann für sein Roß zu schwer, und ein thätiger Felddienst von wenigen Monaten bringt daher die britische Reiterei auf Null herab. Davon hat uns die Krim ein frisches Beispiel geliefert. Wenn man das Maß eines schweren Kavalleristen auf fünf Fuß sechs Zoll und eines leichten auf fünf Fuß vier oder zwei Zoll reduzirte, so würde der Fall nicht eintreten, daß die zu beschwerten Pferde zusammenbrechen, bevor sie noch gegen den Feind geführt werden.

Auch bei der Artillerie sehen die Engländer mehr auf Größe und Stattlichkeit, als auf eine gedrungene und unterseßte Statur, die sich für einen tüchtigen Artilleristen so sehr eignet. Ihr Schießmaterial ist vom ersten Range. Ihre Kanonen sind die besten in Europa; ihr Pulver ist anerkannt das stärkste in der Welt; Kugeln und Bomben von einer sonst wo unbekannten Glätte. Allein keine Artillerie wird von Offizieren kommandirt, die so geringe Berufsbildung haben, als die englische. Ihre Kenntniß geht selten über die Elemente der Artillerie-Wissenschaft hinaus, und im Praktischen ist das Handhaben eines Feldstückes Alles, was sie, und auch das nur unvollkommen, verstehen. Zwei Eigenschaften zeichnen Soldaten und Offiziere in der britischen Armee aus: ein ungewöhnlich gutes Augenmaß und große Ruhe beim Feuern. Im Ganzen liegt die Wirksamkeit des Heeres durch die theore tische und praktische Unwissenheit der Offiziere sehr im Argen. Die Prüfung, der sie jest unterworfen werden sollen, ist lächerlich genug: Ein Oberst über die drei ersten Bücher des Euklid examinirt! Allein die englische Armee ist hauptsächlich dazu da, die jüngeren Söhne der Aristokratie und Gentry respektabel unterzubringen, und das Bildungsmaß der Offiziere richtet sich daher nicht nach den Erforderniffen des Dienstes, sondern nach dem Minimum von Wiffen, das gemeinhin bei einem,, gentleman", vorausgeseßt wird. Und so ungenügend, wie das theoretische Wissen, ist das praktische Können. Der britische Offizier glaubt nur eine Pflicht zu haben: am Schlachttage seine Leute ftracks gegen den Feind zu führen und ihnen das Beispiel von Bravour zu geben; die Gewandtheit, in der Leitung der Truppen den günftigen Moment zu ergreifen und dem Aehnliches, muß man von ihm nicht erwarten; sich um seine Leute und ihre Bedürfnisse zu küm mern, kömmt ihm nicht in den Sinn. Die Hälfte der Unglücksfälle der Briten in der Krim rührt von der allgemeinen Unfähigkeit der Offiziere her. Da sie indessen größtentheils leidenschaftliche Jäger find, so besigen sie die instinktartige und rasche Auffassung der Ter rain-Vortheile des Waidmannes.

Die Untüchtigkeit der Offiziere erzeugt nirgends größeres Unheil als beim Stabe. Da kein regelmäßig gebildeter Stabkörper eristirt, so bildet jeder General seinen eigenen Stab aus den Offizieren des Regiments, die in jedem Zweige ihres Berufes unwissend find. Ein solcher Stab ist schlimmer, als keiner. Das Rekognosziren namentlich geschieht stets in der lüderlichsten Weise, wie sich von Männern erwarten läßt, die nicht wissen, was sie zu thun haben.

Zeugniß von dieser Unwissenheit giebt die kriegswissenschaftliche Literatur. Nicht ein Werk, das nicht von Fehlern wimmelte, die man

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anderswo kaum einem Aspiranten zu einer Lieutenantsstelle nachsehen würde. Ein Bericht über Thatsachen wird in einer schlotterigen, ungeschäftsmäßigen und unfoldatischen Weise gegeben - kurz, man erkennt daraus, daß der Schreiber seiner Sache nicht gewachsen ist. Nur wenige ehrenvolle Ausnahmen sind zu merken: Napier's,,Halbinselkrieg" und Howard Douglas',,das Flottengeschüßwesen" stehen in erster Reihe. Die Verwaltung in all ihren Zweigen ist im traurigsten Zustande, wie die Erfahrung in der Krim gelehrt hat. Von dem Bestreben, fie durch Centralisation zu verbessern, läßt sich, so lange die Civil-Verwaltung und das ganze Regierungsgetriebe dasselbe bleibt, wenig Gutes erwarten.

Bei all diesen Mißgriffen, Irrthümern und zwecklosen Lebensverluften, die uns im Vergleich mit anderen Heeren unter gleichen Umständen in Staunen seßen, schleppt sich das britische Heer dennoch durch einen Feldzug, wenn auch ohne Erfolg, doch ohne Schande; selten erfährt es einen Rückstoß, nie eine völlige Niederlage, davor schüßen es die persönliche Bravour, die Zähigkeit, die Mannszucht und der blinde Gehorsam. So plump, unwissend und hülflos der britische Soldat sich gebahrt, wenn er auf seine eigenen Quellen angewiesen oder zum Dienst der leichten Truppen aufgerufen wird, so übertrifft ihn Keiner in geordneter Schlacht, wenn er in der Masse agirt. Seine starke Seite ist die Action in der Linie. Eine englische Schlachtlinie thut, was vor ihr kaum jemals von einer anderen Infanterie gethan worden: Sie nimmt die Kavallerie in ihre Reihen auf, bleibt im Anschlage bis zum letzten Moment und giebt dem Feinde, wenn er sich auf vierzig Schritt genähert hat, die volle Ladung und bei jeder Wiederholung mit vollkommenem Erfolg. Keine Truppe feuert in dem äußerst kritischen Moment mit solcher Kaltblütigkeit. So warfen die Hochländer in Linie die russische Kavallerie bei Balaklava zurück. Die unbeugfame Zähigkeit dieser Infanterie zeigte sich nirgends in größerem Vortheile, als bei Inkjerman, wo die Franzosen unter gleichen Umftänden unfehlbar den Kürzeren gezogen hätten; dagegen hätten sich diese nimmer in einer solchen Stellung überraschen lassen. Diese Festigkeit und Zähigkeit in Angriff und Vertheidigung haben das britische Heer von mancher wohlverdienten und durch unfähige Offiziere, durch unverständige Verwaltung, durch schwerfällige Bewegungen absichtslos vorbereiteten Niederlage gerettet."

Frankreich.

Ueber die öffentliche Ernährung, die Cerealien und das Brod.

(Fortsegung.)

In Frankreich giebt es leider noch sehr viele Anhänger des alten Schlendrians, bei denen jeder gute Nath in den Wind gegeben wird, wenn nicht das Beispiel eines Nachbars, der mit Hülfe der oben angegebenen einfachen Vorkehrungen sich eine beffere Aerndte sichert, sie zur Nachahmung spornt. Hoffen wir, daß die Grundbesißer, die vermöge ihrer Stellung und Bildung hier den Vortritt zu nehmen berufen sind, nicht lange auf sich werden warten lassen.

Die Ereignisse des gegenwärtigen Jahres veranlassen uns, hier ein Wort über die Hülfsquellen zu sagen, welche der Cerealienbau der Consumtion verheißt. Die Hoffnung, die eine von mildem Regenwetter begünstigte rasche Entwickelung der Saaten erweckt hatte, haben sich leider beim Ausdrusch nicht verwirklicht. Erst da bewährten sich die trüben Besorgnisse, die durch einige örtliche Beobachtungen hervorgerufen worden. Die hohen, dichtgedrängten Halme mit ihren zahlreichen großen Aehren gaben allerdings, als sie unter der Sense fielen, die erwartete Menge Garben; allein der Körner-Ertrag nach dem Dreschen bot nur die Hälfte, höchstens zwei Drittel einer gewöhnlichen Aerndte. Die Beschädigung der Halme und Blüthen-Organe durch Insekten oder Kryptogamen hatte das Korn auf die eine oder andere Weise verlegt, daher der bedeutende Ausfall beim Dreschen. Man hatte volle Garben und leere Scheunen. Kein Wunder, daß die Getraidepreise gestiegen sind und noch immer steigen werben. Sehen wir nun zu, von wo dem Bedarf die Hülfe kommen kann.

In Frankreich wird der Ausfall durch die Kartoffel- Aerndte gedeckt werden. Wohl waren den Hoffnungen, welche die Landleute auf die treffliche Vegetation dieser Frucht gegründet, neue Besorgnisse gefolgt; glücklicherweise haben sich diese nicht bewährt. Die Thatsache, die diese entgegengeseßten Strömungen der öffentlichen Meinung hervorgerufen hat, ist in der Krankheitsgeschichte dieser Pflanze bemerkenswerth. Die Wachsthumsperiode derselben verlief unter den günstigsten Witterungsverhältniffen und schien ihr Schuß gegen Krankheits-Anfälle zu verbürgen. Da plößlich kündigten die welken, anfangs gelblichen, später braunen Stengel und Blätter den Einbruch der gefürchteten Geißel an. Schon hatte sich durch die landwirthschaftlichen Vereine, wie durch die Lokalblätter die betrübende Kunde nach allen Richtungen verbreitet: als man glücklicherweise darauf kam, die Knollen zu untersuchen, die sich dann als gesund zeigten. Die Aerndte

gesunder Kartoffeln wird also im Allgemeinen reichlicher ausfallen, als_ftanzen, jener enthält davon ein Zwanzigstel, diefer ein Zwölftel des man gehofft hatte. Zu dieser Hülfsquelle kommen noch der eben so Gesammtgewichts; der Reis ist am ärmften an stickstoffigen, fetten und reichliche Ertrag der Hülsenfrüchte: Bohnen, Erbsen u. f. w., und der falzigen Subftanzen und bietet daher das dürftigste und unvollständigste verfügbare Ueberschuß der Cerealien-Aerndte in Algerien. Indessen Nahrungsmittel. würde das alles nicht ausreichen, den Ausfall von sechs bis sieben Millionen Hektoliters (1154–134; Millionen Berliner Scheffel) zu decken, wenn wir nicht auf den auswärtigen Handel zu zählen hätten. Der Seehandel, von allen Hemmketten befreit, wird, durch die hohen Getraidepreise angefeuert, feine Speculation nach Amerika richten, wo der diesjährige Ueberschuß unseren Ausfall um das Vierfache über steigt, wo der Mais-Ertrag an die zweihundert Millionen Hektolitres (3850 Millionen Berl. Scheffel) reicht. Aegypten kann ziemlich starke Quantitäten Körner liefern, die, zwar fahrläffig geärudtet, durch die geschickten Apparate unserer Müller aber gereinigt, auch in der Qualität befriedigen werden. Auch Sicilien, deffen Regierung wohl nicht lange zum Nachtheil der Gutsbesißer das Verbot der Ausfuhr aufrecht halten wird, dürfte mit einem Aerndte-Ueberschuß einen erklecklichen Beitrag an den Handel abgeben. Außerdem haben Spanien und die Türkei konstatirte Aerndte-Ueberschüffe, welche die Lücken in Frankreich und England werden ausfüllen helfen

Wir haben nun das Getraide von der Aussaat bis zur Aerndte verfolgt; eine weitere Reihe von Operationen fordert in gleicher Weise die Intervention der Wissenschaft.

II. Das Mahlen des Getraides.

Um gewiffe Ursachen der Verschlechterung der Körner, die Bedingungen eines wirksamen Einkalkens, die Hauptergebnisse der verschiedenen Mahlsysteme zu begreifen, ist es nöthig, den Bau der Körner und die eigenthümliche Zusammenseßung jedes einzelnen Theiles derselben zu kennen. Wir nehmen ein Weizenkorn als Beispiel, denn dieses unterscheidet sich von den anderen Cerealfrüchten nur durch den verhältnißmäßig größeren Kleberbestandtheil.

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Das Korn hat einen äußeren Theil, die sehr biegsame Rinde oder Hülse - fie giebt die Kleie — und einen inneren Theil, den mehligen, zerreiblichen Kern. Die Geschicklichkeit des Müllers besteht nun darin, die Kleie sehr fein und so breit abzuschälen, daß sie in dem Beutel zurückbleibe, und ein möglichst weißes Mehl zu gewinnen.

Nach der Methode des Weißgriesmahlens (mouture à gruaux blancs) — beim weichen oder lieber halbharten Weizen anwendbar zerreibt man das Korn zwischen den etwas von einander gerückten Mühlsteinen, um dann durch wiederholtes Beuteln und Sieben die Kleie defto beffer auszuscheiden. Der so zubereitete, vom Staubmehl und von aller Kleie befreite Gries wird nun von neuem auf den Mühlstein gebracht und zu jenem schönen Mehl mit geschmeidigem und sehr dehnbarem Kleber gemahlen, aus welchem die sogenannten Griesbrode mit sehr weißer Krume gebacken werden.

In der Weizenfrucht sind in verschiedenen Verhältnissen sechs Haupt-Ingredienzien von Nährstoffen, die, außer dem Kleber, fich in den anderen Cerealien wiederfinden:

a) Die Stärke, als respiratorischer, wärmezeugender Nährstoff angesehen, eine organische, weiße, faulige, mehlige Substanz, die den größten Theil der Frucht ausmacht.

b) Die stickstoffigen Substanzen (Kleberstoff, Faserstoff, Käsestoff, Eiweißstoff), die eine solche Analogie mit den weichen Theilen des thierischen Organismus haben, daß sie in ihrer Zusammenfeßung fast identisch mit denselben sind. Diese Stoffe, die sich unseren Organen assimiliren, gelten daher auch für vorzugsweise nahrhaft, und durch das Verhältniß, nach welchem sie in den Nahrungsmitteln enthalten find, wird der Werth der legteren bestimmt.

c) Das Dextrin, eine auflösliche, etwas schleimige Substanz, von derselben Zusammenfegung und Nahrung wie die Stärke, nur ist sie aoch verdaulicher.

d) Die Fettsubstanzen, den verschiedenen Pflanzén-Delen analog; ihre Bestimmung, ist die Athmungs-Organe zu ernähren oder, nach Umständen, die Fettsecretionen zu vermehren, d. h. das Fettwerden zu fördern.

e) Der Zellkoff in dünnen Häutchen, der das Gewebe der Pflanzen und vielleicht im zersezten Zustande zum Theil als respiratorisches Nährmittel die Stärke oder das Dextrin ausmacht. f) Die alkalischen und erdigen Salze, namentlich phosphorsaurer Kalk und phosphorsaure Magnesia, die in ihren Bestandtheilen identisch sind mit den phosphorsauren Salzen, die einen Bestandtheil der Knochen bilden und also ihrer Natur nach sich denselben assimiliren; ihre Bestimmung wäre demnach, in dem festen Theile des thie rischen Organismus die Verlufte zu ersehen oder die Entwickelung zu befördern.

Vergleicht man die Verhältniffe dieser verschiedenen Bestandtheile in den verschiedenen Cerealien, so ergiebt sich Folgendes:

Der Weizen, besonders der harte, ist am reichsten an stickstoffigen Nahrungsfubftanzen; Hafer und Mais sind am reichßten an Fettsub

Die Kleie enthält vierzig Prozent unverdauliche Substanz, und man follte nun meinen, es könnte darüber gar kein Streit sein, daß die Vorzüglichkeit des Mehls eben in der gänzlichen Befreiung von jenem zur Ernährung untauglichen Stoff bestehe. Dem ist aber nicht so. Noch zur Stunde giebt es ausgezeichnete Physiologen und Chemiker, die uns zum Gebrauche des Brodes, das noch die gesammte Kleie enthält, zurückführen möchten! Sie gründen ihre Ansicht auf die übrigens währe Thatsache, daß in der Kleie phosphorsaure und andere Salze, organische, stickstoffige, fettige, stärkemehlige, gummige, die Verdauung befördernde Substanzen vorhanden seien. Auf dieses 'Argument erwiedern wir: Allerdings enthält die Kleie Substanzen, die das Stärkemehl flüffig und die Verdauung geschickter macht, und wäre der Mensch genöthigt, hauptsächlich und fast ausschließlich vom Brode zu leben, dann müßte es das Gesammtprodukt der Mühle, Kern und Schale, Mehl und Kleie, enthalten. So ist es aber nicht, oder follte nicht sein in einem civilifirten Lande, selbst nicht unter den arbeitenden Klaffen. Hier muß im Gegentheil die Nahrung, wenn sie kräftigend, wohlschmeckend, ja, selbst aus Dekonomie, außer dem Brode und deffen Aequivalenten (Kartoffel, Reis, Mais) auch animalische Substanzen: Fleisch, Fische, Eier, Käse, begreifen. Auf das Brod allein beschränkt, würde ein hartschaffender Arbeiter täglich etwa 41 Pfund verzehren und im Verhältniß zu seiner unvollständigen Nahrung oder einer mühsamen Verdauung einen Theil seiner Kräfte verlieren. Nimmt er aber nur Pfund Fleisch zu Hülfe, so braucht er nur 2 Pfund Brod, und doch ist seine Kost vollständiger, gesunder und kräftigender, was durch zahlreiche Thatsachen bestätigt wird. Die englischen Unternehmer von Werken, die anstrengende und dringende Arbeiten fordern, machen ihren Arbeitern die gemischte Diät von vegetabiler und animalischer Kost zur Pflicht. Aus noch stärkerem Grunde ift der wohlhabende Theil der Bevölkerung nicht ausschließlich auf das Brod angewiesen. In diesem Falle nun, der mit dem Fortschritt der Industrie allgemein werden muß, wird man unbestritten einräumen, daß es vortheilhaft ist, völlig von aller Kleie gereinigtes Mehl zum Brøde zu nehmen. Die Neigung, ja, man könnte fast sagen, der natürliche Trieb, drängt die Bevölkerung in diese Richtung, und es ist kein Grund vorhanden, es zu bedauern; denn die aus der menschlichen Nahrung ausgeschiedene Kleie giebt den grasfreffenden Thieren ein Futter, nach dem fie begierig sind, das sie besser als wir verdauen und in Milch und Fleisch verwandeln, in eine Koft, die den Verdauungskräften unseres Organismus und unserem Geschmack weit besser zusagt.

Nach diesen Grundsäßen haben die Verpflegungs-Behörden der Armee und der Marine die Kleie in dem Brod für die Truppen und die Schiffsmannschaft allmählich vermindert und endlich ganz verbannt; zugleich beseitigten sie eine der Haupt-Ursachen zur Entwickelung des ungefunden Verschimmelns der Brode: die Gährung durch Sauerteig. (Schluß folgt.)

Vorlesungen des Herrn Philarete Chasles in Berlin,

Bei dem öffentlichen Unterrichte ist es nothwendig, daß Lehrer und Zuhörer an einander gewöhnt sind und sich genau kennen. Dadurch wird vielen Mißverständnissen und ungerechten Urtheilen vorgebeugt; dadurch besonders entsteht auch jene Sympathie, die dem Unterrichte so sehr förderlich, ja, gewissermaßen unentbehrlich ist. Diese Betrachtung wurde uns durch die Vorlesungen eingegeben, die Herr Philarète Chasles über den „Roman im neunzehnten Jahrhundert" am hiesigen Orte gehalten hat, und wovon die leßte am Sonnabend den 1. Dezember stattfand.

Da der französische Gelehrte seine Zuhörer nicht kannte, so hat er ihnen, troß des besten Willens, manche Veranlassung gegeben, an dem Gebotenen Ausstellungen zu machen. Man sieht es z. B. bei uns nicht gern, wenn der Lehrer zu subjektiv ist, sich häufig über sich, seine Persönlichkeit, seine Absichten ausspricht, wie es hier öfter geschah. Auch hat Herr Chasles Manches als bekannt vorausgeseßt und unberührt gelaffen, was die Zuhörer gern erwähnt oder näher erklärt gesehen hätten. Er hat hingegen Mehreres ausgelegt, wie, um nur Eines anzuführen, den Geist und den Einfluß Goethe's, was man genauer kannte, als er, oder wenigstens ganz anders auffaßte und beurtheilte. Andererseits ist das hiesige Publikum an die Methode des höheren Unterrichts in Frankreich nicht gewöhnt. Die französischen Gelehrten haben z. B. oft die Eigenthümlichkeit, einen speziellen Gefichtspunkt als Grundlage eines Buches oder einer Vorlesung anzunehmen, um durch denselben Alles erklären zu wollen. Die Grund-Idee des Herrn Philarète Chasles ist nun der Einfluß der englischen und deutschen Literatur auf die französische seit der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts und sogar seit

längerer Zeit. Dieser Einfluß aber ist nach ihm eigentlich nur eine Seite einer viel allgemeineren Thatsache, der durch den Fortschritt der Zeit immer innigeren Annäherung und, so zu sagen, der allmählichen Verschmelzung (exceptis excipiendis) der drei Hauptvölker Europa's. Diese Idee, deren Werth wir nicht besprechen können, mag sehr intereffant sein; fie reicht aber gewiß nicht hin, den Geist, die Tendenzen, überhaupt den Charakter des modernen „Romans" zu erklären, und der Vorwurf der Einseitigkeit trifft unvermeidlich den geistreichen Redner. Dieser bei französischen Gelehrten sehr häufig anzutreffende Fehler hat sehr verschiedenartige und tief liegende Ursachen, auf die wir vielleicht später zurückkommen werden.

Derselbe findet sich häufig in Begleitung einer anderen Gewohnheit, welche dem Deutschen eben so wenig gefallen kann, der nämlich, einen wiffenschaftlichen Gegenstand als ein Thema zu allerlei Abschweifungen zu gebrauchen, so daß der Lehrer de omnibus rebus et quibusdam aliis spricht. Diese ganze Art hat nun mehrere Zuhörer des Herrn Chasles irre geführt und bewirkt, daß sie den Vortragenden der Oberflächlichkeit beschuldigten. Doch ist dieser Vorwurf, unserer Ansicht nach, hier durchaus nicht verdient und gerechtfertigt. Einen solchen Gegenstand in sechs Vorlesungen zu behandeln und dabei alle Aussprüche zu begründen, das war eine Aufgabe, die Niemand zu lösen im Stande gewesen wäre, und die auch Herr Chasles nicht die Absicht haben konnte erschöpfend zu lösen. Sein Zweck war mehr, anzuregen, als wirklich zu belehren, und in der That, das ist in mehreren Disziplinen, wie z. B. in der Literatur, die Aufgabe des akademischen Unterrichts mehr, als das Beibringen positiver Kenntniffe. Diese lezte ren werden viel vortheilhafter durch Privat-Lektüre, besonders der Autoren selbst, erworben, und dem Lehrer liegt mehr die Pflicht ob, seinen Zuhörern einen Sporn zu geben und ihnen neue Gesichtspunkte zu eröffnen.

Wie hat nun Herr Philarète Chasles diese doppelte Aufgabe gelöft? Wir müssen gestehen, daß hier unser Eindruck auch ein doppelter gewesen ist. Was den zuleßt bezeichneten Punkt betrifft, das Eröffnen neuer Horizonte, so müssen wir gestehen, daß die Vorlesungen uns unbefriedigt gelaffen haben. Denn Herr Chasles hat mehrere Thesen vorgebracht, die entweder nicht neu oder nicht durchweg begründet waren, wie z. B. die Bemerkung, daß die Männer von Genie gewöhnlich sehr einfach wären; andere Säße erschienen mehr parador, als wirklich originell. Ein solcher ist, daß jeder Romanschreiber, der, wie E. Souveftre, C. de Bernard, nicht den sozialen Standpunft, welchen der Redner als den einzig modernen betrachtet, annimmt, auf allen glänzenden Ruhm verzichten muß. Laffen wir aber für einen Augenblick diese in unseren Augen falsche Ansicht gelten; hätte Herr Chasles nicht hinzufügen sollen, daß der bescheidene Ruhm, den ein Schriftsteller dadurch ärudtet, daß er moralisirende Romane schreibt, ja, daß die Dunkelheit selbst dem geräuschvollen Applaus einer bethörten Menge tausendmal vorzuziehen ist? Und da wir einmal von der moralisirenden Kraft der Romane sprechen, so müssen wir erklären, daß wir mit allem dem durchaus nicht einverstanden waren, was der Redner von George Sand sagte, dieser genialen Schriftstellerin, die aber so großen Schaden angerichtet hat. Herr Chasles hat in dem ganzen Wirken G. Sand's nur Stoff zu einigen geistreichen Wißen gefunden, ihren demoralisirenden Einfluß aber ganz unberührt gelaffen. So ist es auch mit dem, was er von Eugen Sue sagte, und von mehreren ähnlichen Schriftstellern.®) Unser Vorwurf trifft ihn aber um so mehr, als er unsere moralischen Ansichten vollkommen theilt, wie wir es an mehreren Aeußerungen, sowohl in den Vorlesungen, als in der vertraulichen Unterhaltung, mit Freude wahrgenommen haEr hat wirklich Manches vortrefflich gesagt, wie unter Anderem, daß die für die Emancipation ihres Geschlechtes schwärmenden Frauen gegen sich selbst arbeiten; denn die Frau ist nur durch die Familie und in der Familie Etwas, die Emancipation aber würde die Familie vernichten. Wir müssen bedauern, daß solche Aeußerungen nicht häufiger vorkamen, denn bei jedem Unterrichte ist uns der moralische Stand. punkt bei weitem der wichtigste. Wo dieser nicht als Endzweck gilt, da ist sogar die Aufklärung mit solchen Gefahren verbunden, daß wir beinahe die Unwiffenheit vorziehen würden.

Die Vorlesungen des Herrn Chasles hätten also viel lehrreicher und wohlthuender sein können, und wären es gewiß gewesen, wenn er einigen Schriftstellern, deren Auslafsung man bedauern muß, als

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Ch. Nodier, A. de Vigny, A. de Muffset, X. de Maistre, einen Theil der Zeit gewidmet hätte, die er mit gewiffen, zwar sehr pikanten, doch etwas langen Erzählungen und Beschreibungen ausgefüllt hat. Man glaube nicht etwa, daß wir diese Episoden tadeln wollen; weit ent fernt davon, finden wir, daß diefelben mit der Art des Vortrages den Vorlesungen ihren größten Reiz verliehen haben, und dies ist die zweite, die angenehme Seite des Eindrucks gewesen, den sie auf uns gemacht haben. Herr Philarète Chasles ist in den individuellen, pittoresken, anekdotischen Details unübertrefflich, und er weiß fie so geistreich und besonders so lebendig anzubringen, daß, wie ein junger Mann von vielem Geiste uns sagte, man gleich daraus ein Bild machen könnte. Was den Vortrag betrifft, so möchte es schwer halten, wie es scheint, einen angenehmeren zu haben. Es ist viel anregender, aus dem Stegreife zu sprechen, wie Herr Chasles und die französischen Profefforen es gewöhnlich thun, als. ein Heft abzulesen. Der Ton selbst und die Sprache waren gleich entfernt von Trivialität und von einem pedantischen Vornehmthun, rein, elegant, natürlich und einer Unterhaltung ähnlich. Die Geschicklichkeit endlich, mit welcher der Redner von einem Gegenstand zum anderen gleichsam hinüberglitt, mit einem Worte, die schwere Kunst der Uebergänge, die Herr Chasles in hohem Grade besißt, verlieh dem Ganzen einen Reiz, der von den Zuhörern geschäßt wurde, wie es der immer zahlreiche Besuch hinlänglich bewies.

Wir können also schließlich sagen, daß, wenn auch Manches in diesen Vorlesungen nicht ansprach – - ein Faktum, dessen Ursachen oben erklärt worden erklärt worden - wenn diese Stunden eben nicht viel Belehrung boten, fie doch anregend und angenehm waren; und wir wünschten für unseren Theil, daß solche Gelegenheiten öfter vorfämen, unsere geistreichen und beredten Nachbarn näher kennen zu lernen, damit der Rhein, wie Herr Chasles sagte, Deutschland und Frankreich nicht mehr trennte, sondern vielmehr verbände. C. d. I. H.

Mannigfaltiges.

Klein-Dorrit. Früher noch, als das Original aus London, geht uns aus Leipzig die erste Lieferung einer von Morig Busch veranstalteten Ueberseßung des neuesten Romanes von Boz-Dickens zu.*) In Folge einer Vereinbarung, die der Verleger der „Leipziger Illuftrirten Zeitung" mit dem Verfaffer getroffen, ist der Erstere in den Stand gefeßt, seine von Dickens autorisirte deutsche Ausgabe gleichzeitig mit dem Londoner Originale erscheinen zu lassen. Gewiß kann es für den Lesetisch einer Dame faum ein reizenderes WeihnachtsGeschenk geben, als den Subscriptionsschein auf dieses neue Werk des beliebten Novellisten, verbunden mit den erften Lieferungen von „KleinDorrit." Der Anfang ist vielversprechend. Die beiden ersten Kapitel schildern einen heißen Sommertag in Marseille, im Hafen, im Gefängniß und in der Quarantaine, während uns das dritte Kapitel mit einem langen, nichts weniger als heiligen Sonntag Londons bekannt macht. Der unübertreffliche Volksdarsteller hat auch in diesem Romane die Sittenverbesserung seiner Zeit im Auge, und das ist jedenfalls für alle Leser ein Feld, auf dem fie gern verweilen.

-Whewell's Ueberseßungen aus dem Deutschen. Wir haben neulich einer Ueberseßung von Auerbach's "Frau Profefforin“ durch den berühmten englischen Gelehrten Whewell gedacht. Derselbe hat auch Goethe's „Hermann und Dorothea“ im Versmaß des Originals übertragen und so, wie er sich in einem uns vorliegenden Schreiben ausdrückt, „seine Landsleute mit dem schönsten Gedichte und der gelungensten Prosa-Erzählung neuerer Zeit bekannt gemacht." „keine von diesen beiden Arbeiten", fährt er ført, „hat in England viel Beifall gefunden. Wie das englische Publikum zu glauben scheint, daß Kant's Philosophie, obwohl für Deutsche voll mächtiger Wahrheiten, diesen Charakter in einem englischen Gewande verliert, so lebt es auch der Ueberzeugung, daß Goethe's Hexameter, so poetisch fie auch in der Ursprache sein mögen, sich im Englischen nicht mit gleichem Erfolge wiedergeben laffen, wie andere Versmaße. Dieses Vorurtheil ift ohne Zweifel ein Resultat der in England gebräuchlichen klassischen Erziehung, nach welcher der Zögling den Herameter in einer Weise lesen lernt, die ihm überhaupt allen Rhythmus benimmt."

*) Klein-Dorrit. Roman von (Charles Dickens) Boz. In zwei Büchern. Aus dem Englischen von Moriß Busch. Mit 40 Illustrationen von Hablot K. Browne. Leipzig, J. J. Weber, 1856. (In 20 Monats-Bändchen von je 5 Bogen Tert. Preis jedes Bändchens 5 Sgr.)

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