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Die dicht bei der Ziblon genannten, großen Schlucht sich erheben den Amirankuppen sind mit Felsstücken und Fichten bedeckt und der Aufenthalts-Ort der mächtigsten kaukasischen Adler, wilden Ziegen, Hirsche, Auerochsen und Bären der wildesten Art, Den Ausgang der Alaschnistawi-Schlucht schließt der hohe Bokbala-Berg, aus deffen Schooße zahlreiche Quellen hervorströmen, welche die größeren und kleineren Flüsse speisen. Etwas weiter an der Gränze der Zower und Kiftiner ragen, gleich einer Reihe glißernder Säulen, die himmelhohen Stautster Gipfel empor, die oft in den herrlichsten Regenbogen Farben schimmern und in diesem Lichte seltsam gegen die fie umgebende Wüste, den Tummelplag wilder Bären und Auerochsen, die sich im hohen Sommer der Kühle wegen hierher zurückziehen, abftechen. Selten nur wagt sich der kühne Jäger in diese jungfräulichen Einöden, und that er es ja, so bindet er sich aus Vorsicht ein großes Hölzernes Kreuz auf den Rücken, das seinen Fall aufhalten, ihn vor dem Zerschmettertwerden schüßen soll, wenn er das Unglück hat, in einen Abgrund zu stürzen, den die leichte Schneedecke seinem forschenden Auge verbirgt.

Nördlich vom kaukasischen Bergrücken dehnt sich die gleichnamige Steppe bis zum Don aus und schließt sich an die Wolga-Steppe an; westlich zweigt sich von der Hauptkette ein nach Norden laufender Höhenzug ab, der mit dem fünfgipfligen Beschtay endigt, fich dann senkt und endlich bei Georgijewsk in der Steppe verschwindet.

Der Boden der ausgedehnten Ebene ist meist ein mit Sand gemischter und von Salz geschwängerter Lehm. Das Waffer der Brunnen sowohl, wie auch der Seen und selbst der Flüsse hat alkalischen Geschmack, was wohl die Annahme rechtfertigt, man stehe hier auf ehemaligem Meeresgrunde. Stellenweise kömmt herrlicher schwarzer Boden vor, auf welchem ohne große Mühe und Arbeit treffliches Getraide und saftreiche, riesengroße Melonen wachsen. Der öftliche Theil der Ebene zeigt neben üppigen Wiesen viel Flugsand, welchen der Wind zu Hügeln - Borun genannt aufwirbelt und von Ort zu Ort treibt, längs des Terek dagegen findet man zahlreiche Weinberge, den Hauptreichthum der Kosaken der Linie.

Den sich über die Ebene erhebenden Bergen entströmen manchers lei Mineral-Quellen; der Maschuf, einer der Beschtau-Berge, hat Schwefelwasser, und in Kislowodsk giebt es Säuerling. NaphtaQuellen sind gleichfalls viel vorhanden, und das Klima ift demjenigen des südlichen Rußlands ähnlich.

Daghestan, als ein am Kaspischen Meere liegendes Gebirgsland, trägt einen ganz verschiedenen Charakter. Es ist eine Hochebene, an deren nördlicher Gränze sich von Westen nach Osten eine Bergreihe hinzieht, welche bei der Hauptkette beginnt, viele zerklüftete Krümmungen zeigt und bei der Festung Derbent endet, die gewissermaßen eine natürliche Schanze bildet. Der größte Theil der Daghestan in allen möglichen Richtungen durchziehenden Berge ift bewaldet und trägt mächtige Pappeln, Ahorn, Buchen, Aeschen und Linden, von denen mancher Stamm wohl seine tausend Jahre zählt. Die Ebenen find von vielen Flüffen durchschnitten, und die Vegetation ist die üppigste, welche man sich denken kann. Granaten, Pfirsiche, Pflaumen, Aepfel, Kirschen, Maulbeeren und Wein wetteifern mit einander, ihre Schäße zu entfalten.

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denjenigen Stellen, wo die Seeluft Zutritt hat, ober die etwas höher liegen, reifen die herrlichßten Wein- und Granatengattungen, ja, an der Südküfte des Kaspischen Meeres selbst Citronen, Orangen und Baumwolle.

Wie eigenthümlich die Natur oft bei ihren Schöpfungen verfährt, dazu liefert auch der Kaukasus Beispiele. Die ungeheuren Bergriesen ebnen sich in dem Grade, wie sie dem Kaspischen Meere näher rücken, und verlieren sich endlich in die Küften-Niederung, wo der Boden stark mit Salz getränkt ist, Naphta aus ihm hervorquillt und Gasvulkane sich erheben. Ganz anders ist sie im Süden zu Werke ge gangen. Dort in Transkaufasien steigt das Terrain fortwährend, bildet die armenische Hochebene mit dem von keinem fließenden Waffer gespeisten Hek-Tschai-(Goktscha-)See, und der fette, schwarze Boden daselbst bringt Weizen, Mais und Baumwolle im Ueberfluß hervor.

Das Araratgebirge, welches das russische Armenien im Süden begränzt, ift in seinem füdwestlichen Theile felfig und in der Formation der südlichen Kaukasus-Abdachung ziemlich gleich; nordöftlich dagegen trifft man häufig auf trocken liegendes Sumpfland. Aus dieser allgemeineren geographischen Uebersichtsskizze der Ge staltung des Landes läßt sich leicht auf die große Mannigfaltigkeit des Klimas und atmosphärischen Standes der verschiedenen Orte des Kaukasus und Grusiens schließen. Auf dem zwischen 43° 30" und 39o 8′′ liegenden, von zwei Seiten durch Meere gedrängten und in gerader Linie kaum fünfhundert Werft (einundsiebzig Meilen) langen Flächenraum findet man die Frößte Finnlands und kann auf den Höhen über der Schneegränze während der Julihiße erfrieren, andererseits glaubt. man sich wieder in die Zone der Wendekreise verseßt und betrachtet Defen und Pelze als überflüssige Dinge. An einem Orte herrscht die reinste, köstlichste Luft und gießt durch ihre Frische neue Lebenskräfte in die von den brennenden Sonnenstrahlen ermatteten Glieder; doch gleich daneben, an ftehenden und faulenden Wassern, wüthen tödtliche Fieber, Skorbut u. dgl. m, und werfen auch den gesundesten Menschen bald zu Boden. Solche wahrhaft unter einem Fluche liegenden Striche sind die Umgegend von Georgijewsk, Kislar am Schwarzen Meere, dann Gurien, Imeretien die Tiefebenen des Rion und die Oftküfte des Eurinus.

Der Grund der wirklich überraschenden Verschiedenartigkeit von Klima und Stand der Atmosphäre ist vorzugsweise, wenn nicht einzig und allein, in Form und Richtung der Gebirge, so wie in dem Einfluß der benachbarten Meere, zu suchen. Der, so zu sagen, quer über den Weg liegende Hauptzug hält die aus Norden wehenden Winde zurück und bewirkt das strenge Klima, welches man unter Stawropol und Alexandrov herum findet und das diefen Strich Landes den ganzen Winter hindurch unter eine dicke Schneebecke begräbt. Jenseits des Kaukasus weiß man kaum, was Schnee ist, ja, man ftaunt ihn ftellenweise als feltene Merkwürdigkeit an. Der Sommer bringt die Hiße eines glühenden Ofens, die alles Grün der Steppe versengt, um dafür zahllose Schwärme von Heuschrecken hervorzurufen; in den Gegenden indessen, auf welche die beiden Meere Einfluß ausüben können, bilden sich Wolken, welche mit ihrem Regen die durftende Erde tränken und die Atmosphäre erfrischen.

Bei so vielen Widersprüchen in Betreff des Klimas und der Atmosphäre muß natürlich auch die Erzeugungsfähigkeit des Bodens eine höchft mannigfaltige fein. So ist es auch in der That, und wenn die Einen nicht wissen, wo sie mit der Fülle von köftlichen Südfrüchten hinsollen, sind die Anderen glücklich, wenn der Himmel ihnen Kartoffeln und Bohnen bescheert. Die Schluchten des nördlichen Kaukafus find reich an Wald und liefern vorzügliches Bauholz; die Gegenden vor demselben kennen das Holz kaum dem Namen nach und heizen mit gedörrtem Mift oder mit Rohr.

Ueber kein Land der Erde vielleicht herrschen so verschiedene Ansichten, wie über den Kaukasus; ich selbst habe viele Schriften darüber gelesen und habe gefunden, daß die Einen das Land als ein irdisches Paradies, ja, selbst als die Wohnftätte des Urvaters Adam hinftellen, während Andere es als eine abschreckende Wüßtenei verwünschen. Beide lügen und haben wiederum Recht, wenn sie das Land nicht in

Uebersteigt man den Kaukasus, diesen natürlichen Wall zwischen Europa und Asien, so betritt man, hat man erst die nackte, felsige Südwand erreicht, so zu sagen, eine neue Welt. Die Watchanischen Gebirge, welche sich inmitten Transkaukasiens erheben und gleichsam eine Brücke nach dem Armenischen bilden, entsenden nach Osten und Westen zahlreiche Flüsse, so wie auch mancherlei Ausläufer, durch die längs der Wasserstraßen sowohl, als auch auf den Höhen, die unzähligen Hoch- und Tiefebenen entstehen, die in Klima, Boden und Natur-Erzeugnissen so unendlich verschieden von einander find. So haben beispielsweise die zwischen Alasan und Kur sich hinziehende Ebene von Wosdach, so wie die Kartaliner an den Quellen des legtgenannten Fluffes und die 5500 Fuß über dem Meeresspiegel erhabene Armenische, als hochgelegene, kühlere Temperatur, bei der, jedoch noch ohne Bewässerung, das Getraide, wenn auch spät, reift. Im Alexandro-seiner Gesammtheit kennen gelernt haben oder ihre Berichte sich gar poler Kreise und in Achalkalaki kann der Weizen erst Ende August bis Mitte September geschnitten werden. Die Ebenen um die Flüsse herum, wie z. B. die Rioner Tiefebene, das Küftenland längs des Kaspischen Meeres, ferner die Kachetiner oder Alasaner Niederung nahe den Schneebergen zeichnen sich durch warmes, feuchtes Klima und herrliche Vegetation aus. Winter und Sommer ist Alles grün und Anfangs Juni die Aerndte vollständig beendet. Es giebt auch viele Striche, wo auf einen entseßlich heißen und trockenen Sommer ein eisiger Winter folgt. So steigt in der von Seite des Meeres von Bergen umgebenen Araxes-Ebene die Hiße im Sommer bis zu sech zig (?!) Grade, die Kälte im Winter bis zu zwanzig. Solch außer ordentliche Temperatur-Verschiedenheit kann weder der menschliche Körper, noch selbst die Pflanzenwelt auf die Länge aushalten; man findet deshalb auch dort nichts weiter als Wermuth und Dorngebüsch. An

auf Gehörtes gründen. Bei dem, was erzählt wird, ist gewöhnlich die Phantasie sehr betheiligt, und so erfährt man oft ftatt der Wahrheit - Märchen! Ich habe es mir angelegen fein laffen, in gegenwärtiger flüchtiger Skizze die Leßteren nicht um Eine zu vermehren.

Das laukasische Land, d. h. der eigentliche Kaukasus nebst dem auch Grusien benannten Transkaukasien, zieht sich zwischen beiden Meeren von den Bergen nördlich bis zum Lande der donischen Kosaken und dem Gubernium Aftrachan, füdlich dagegen bis zu den Gränzen der asiatischen Türkei und Perfiens, wo der himmelan ftrebende Ararat, so zu sagen, die Scheidemark bildet. Er stellt sich uns als ein ungeheures unregelmäßiges Achteck dar, dessen größte Breite - eine Linie von dem ins Schwarze Meer fallenden Tschoroch bis zum Kap Apscheron am Kaspischen Meere Siebenhundert Werft (hundert Meilen), die größte Länge dagegen — durch eine zweite Linie vom füd

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lichsten Punkte, d. h. von der Einbiegung des Gränzfluffes Araxes, bis zum nördlich fließenden Kuma bezeichnet achthundertfunfzig Werft (hunderteinundzwanzig Meilen) beträgt. Der ganze Flächenraum soll, nach Platon Subov, an vierhundertsechzigtaufend Quadratwerft enthalten. Der nördliche Theil oder eigentliche Kaukasus umfaßt das Gubernium Stawropol, das Land der Kosaken am schwarzen Meere, Daghestan und zahlreiche Bergstämme; der südliche, gemeinhin noch Grusien genannte dagegen (mit den fünf Gubernien Tiflis, Kutais, Eriwan, Schemachi und Derbent) begreift jene vier Theile in sich, die man schon bei Beginn der chriftlichen Zeitrechnung kannte, nämlich: das in der Mitte liegende eigentliche Grafien oder Jberien, das Gurien, Imeretien und Mingrelien umfassende westliche Lasika (die Rion-Niederung), das füdliche Armenien und östlich Albanien, deffen Bewohner zur Zeit der Griechen sechsundzwanzig verschiedene Sprachen redeten, und das heute von zahlreichen muhammedanischen Stämmen bevölkert ist, welche sich an demjenigen Theile der kaspischen Küste niedergelassen haben, die den öftlichen Theil des kaufafischen Bergrückens umgiebt.

Polen.

Reise nach dem Orient, von Moris Mann.*)

Wie so viele Tausende seiner slavischen Landsleute, beschäftigte früher auch den Autor des vorliegenden Werkes der Westen Europa's in so hohem Grade, daß er den übrigen Theilen unserer Erde und dem, was dort geschah und geschieht, eine verhältnißmäßig nur geringe Aufmerksamkeit schenkte. Eine Reise nach dem Orient kam ihm des halb eben so unerwartet, wie sie ihn unvorbereitet fand. Es mangelten ihm sowohl die Kenntniß der nöthigen Sprachen, wie auch spezielle Studien derjenigen Länder, welche er durchwandern sollte, und er mußte fich demzufolge in einer Beschreibung deffen, was er gesehen und erlebt hatte, sehr enge Gränzen ziehen, konnte nur die eigenen Eindrücke und Betrachtungen geben, die mehr den Menschen zum Gegenftande hatten, als das Land. Es war ihm weniger darum zu thun, zu erzählen, was er gesehen, als vorzüglich, wie sich ihm Alles gezeigt hatte, und er berücksichtigte deshalb vornehmlich dasjenige, was das Leben des Orients charakterisirt, also Sagen, Gewohnheiten, intereffante Ereigniffe.

Im ersten Bande seines Werkes führt uns der Verfaffer von Alexandrien aus den Nil aufwärts bis zum zweiten Katarakte und zurück nach Kahira; im zweiten begleiten wir ihn durch die Wüste über El Arisch und Chan Junes, gelangen über Gaza nach Jerusalem, besuchen alle denkwürdigen Orte der Stadt des Erlösers und gelangen auf dem Rückwege zur Heimat bis nach Jaffa; im dritten endlich lernen wir Kaiffa, Nazareth, den Berg Karmel, Sur (Tyrus), Saida (Sidon), Bairnt und den Libanon mit dem berühmten Balbek kennen, sehen uns in Konstantinopel um und kehren endlich, an den Inseln des Archipel vorbei, nach dem Ausgangspunkte Trieft zurück.

Wir sagen nicht zu viel, wenn wir behaupten, daß mit jedem neuen Bande des Werkes, den wir zur Hand nehmen, das Interesse an einem Erdtheile wächst, den der Westen aufs neue zu öffnen bestimmt scheint, und welchem wir durch die Dampffraft bereits merklich näher gerückt find. Mit großem Geschick weiß der Verfasser dasjenige in den Vordergrund zu stellen, was den Leser zu feffeln vermag, und so zeigt er diesem theils die Länder in ihrer jeßigen Gestalt, theils ihre gleichsam versteinerten Völkerschaften. Er läßt und theilnehmen an dem Kampfe des Islams mit der chriftlichen Civilisation und benußt jede Gelegen heit, wo er uns durch Thatsachen überzeugen kann, daß der Halbmond in fortwährendem und schnellem Sinken begriffen ist. Außerdem theilt er uns mancherlei neue Beobachtungen mit und erzählt besonders viel Interessantes von den Drusen und Arabern.

Mann's Werk über den Orient gereicht nicht nur jeder polnischen Bibliothek zur Zierde, sondern es würde, der klaren Auffaffung wegen, der man überall darin begegnet, gewiß auch in Deutschland zahlreiche Leser finden, wenn davon eine gute Ueberfeßung veranstaltet würde. Darauf hinzuweisen, diese anzuregen, ist mit der Zweck dieser Zeilen. J. N. F.

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der Festlichkeiten enthält, die am 8. Januar d. J. zur Feier des funfzigjährigen Jubiläums des bekannten Staatsraths Nikolaus Gretsch in Petersburg veranstaltet wurden. Die Details dieses Festes wurden be reits zur Zeit in den politischen Blättern mitgetheilt; intereffanter als die Wiederholung derselben im vorliegenden Berichte find daher für uns die angehängten Beilagen, unter denen eine von dem General Wiskowatov verfaßte biographische Skizze des Jubilars die erste Stelle einnimmt. Wie man weiß, stammt die Familie Gretsch ursprünglich aus Böhmen, von wo sie zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts wegen der gegen die Protestanten erhobenen Verfolgungen nach Preußen auswanderte und sich von dort nach Rußland wandte, wo sie seit mehreren Generationen domizilirt ist und sich im Civil- wie im Militairdienst ausgezeichnet hat. Ein Oheim des Herrn Gretsch blieb 1770 im Türkenkriege; einer feiner Brüder wurde 1812 bei Borodino tödtlich verwundet, ein zweiter starb 1850 als General und Kommandant von Petersburg. Ob die Familie dem Protestantismus treu geblieben, können wir nicht angeben, glauben aber, daß Nikolai Iwanowitsch selbst zu den Prawosławny zählt. Am 3. (14.) August 1787 in Petersburg geboren, verlor er frühzeitig seinen Vater, der, obwohl beim FinanzDepartement angestellt, eine Witwe und fünf Kinder in bitterer Armuth hinterließ, und mußte schon als sechzehnjähriger Jüngling den Unterhalt der Seinigen durch Stundengeben in verschiedenen Pensions-Anftalten der Hauptstadt bestreiten helfen, während er selbst seine in der sogenannten,,Junkerschule" begonnene Erziehung im pädagogischen Institut vollendete, worauf er die Stelle eines Lehrers der russischen Sprache bei der deutschen St. Petrischule erhielt. Sein erster litera rischer Versuch war (1806) eine Uebersehung der bekannten Flugschrift unglücklichen Palm das Leben kostete, wogegen die russische Version ,,Deutschland in seiner tiefften Erniedrigung“, deren Herausgabe dem in die politisch-journalistische Carrière einführte, welcher er feine hauptdem Herrn Gretsch hochgeftellte Gönner und Freunde erwarb und ihn sächlichsten Erfolge verdankt. Auch das Ausland hat ihn vorzugsweise in seiner publizistischen und polemischen Wirksamkeit als stets kampffertiger Vertheidiger der russischen Regierung kennen gelernt; nachhaltigeres Verdienst hat er sich jedoch um die Literatur seines Vaterlan des durch seine grammatikalischen Arbeiten und die von ihm redigirten encyklopädischen Werke erworben. Der Abend seines Lebens ist durch den Verlust feiner beiden Söhne getrübt worden, die im blühenden Alter starben. Der biographischen Skizze folgt eine Reihe von Gedichten zum Lobe des Jubelgreises in ruffifcher, deutscher und lateinischer Sprache, nebst Festreden und Glückwünschungsschreiben von Privatpersonen und Vereinen, unter anderen von der Militair-Gesellschaft in Potsdam, zu deren Mitgliede Herr Gretsch vor einigen Jahren erwählt wurde. Den Schluß machen Zeitungs-Artikel: einer aus dem Journal de St. Pétersbourg und einer aus der Times, welcher leßtere, wie es in einer Anmerkung heißt, in derselben Absicht mitgetheilt wird, welche die Römer veranlaßte, einen Sklaven hinter den Wagen des Triumphators zu stellen, um durch seinen höhnischen Zuruf den Uebermuth des Glückes zu mäßigen! Da übrigens die Bemerkungen des englischen Journals ziemlich unschuldiger Natur find, so werden fie hoffentlich nicht allzu viele Wermuthstropfen in den schäumenden Glücksbecher des moskowitischen Triumphators gemischt haben.

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- Fünfmalhunderttausend Francs Rente. Herr Dr. Bé ron hat sich durch den Beifall, den feine,,Denkwürdigkeiten eines Bürgers von Paris" gefunden, veranlaßt gesehen, eine Fortseßung diefer chronique scandaleuse der Parifer Bourgeoisie in die Form eines Romanes zu kleiden, dem er den Titel: „Cinq cent mille Francs de rente" gegeben hat, und der so eben in der „Librairie Nouvelle” erschienen, einer Firma, bei welcher wahrscheinlich Herr Véron selbst als stiller Compagnon betheiligt ist. Der Held seines Romanes ist ein Banquier, Namens Picard, der es durch glückliche Speculationen zu einem jährlichen Einkommen von einer halben Million Francs gebracht und der nun mit Hülfe politischer, artistischer und poetischer Freunde dieses Einkommen sehr anständig zu verthun weiß. Wie ge= nan Herr Véron in seinen Details ift, in deren minutiöser Ausmalung er es mit Walter Scott aufnehmen zu wollen scheint, beweist unter Anderem der Küchenzettel eines großen Diners, das Herr Picard mit Hülfe der ersten gastronomischen Autoritäten der Hauptstadt veran staltet. Dieser Küchenzettel wird allen Millionären, die den Romandes Herrn Véron lesen, eine willkommene Belehrung sein. Ohne uns auf die sehr fein gewählten, imponirenden Namen der einzelnen Gerichte einzulassen, bemerken wir nur, daß der Küchenzettel vier verschiedene Potagen (Suppen), vier Hors d'oeuvres (chauds), vier Relevés, acht Entrées, zweierlei Sorbets, acht Braten, neun Entremets, zweierlei Refraichements (la Mousse suisse und la Cascade italienne), vier Desserts (worunter ganze Fruchtbäume) 2c. darbietet.

Wöchentlich erscheinen 3 Nummern. Preis jährlich 3 Thir. 10 Sgr., halbjährlich 1 Thlr. 20 Sgr. und vierteljährlich 23 Sgr., wefüz das Blatt im Inlande portofrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird.

No 148.

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Literatur des Auslandes.

Frankreich.

Berlin, Dienstag den 11. Dezember

Ueber die öffentliche Ernährung, die Cerealien und das Brod.*) Zu allen Zeiten haben Dekonomisten und Gelehrte den so mannig, faltigen wie schwierigen Fragen, welche die Production und Vertheilung der Nahrungsstoffe betreffen, ihre Aufmerksamkeit zugewendet. Bald handelte es sich um den Schuß der öffentlichen Gesundheit, bald um das Verproviantiren der Städte, Festungen, Schiffe, das mit den Bedürfnissen der Bevölkerung, der Truppen, der Schiffsmannschaft in Verhältniß zu bringen war. Bis auf eine sehr neue Zeit jedoch wurde man bei dem Versuchen, diese ernsten Aufgaben zu lösen, nur von allgemeinen Thatsachen einer unsicheren Praxis geleitet, und konnte daher auch zahlreichen Irrthümern, selbst gefährlichen Mißgriffen nicht entgehen. Von der ältesten Zeit bis zum Ende des legten Jahrhunderts fehlte es an den sicheren Grundsägen, welche die organische Chemie und die Experimental-Physiologie, besonders in ihrer fruchtbaren Vereinigung, an die Hand gaben. Heutzutage sind die aus diesen Wissen schaften hergeleiteten Lehren in Bezug auf die öffentliche Gesundheit fo sehr Gemeingut geworden, daß jede Volksschicht, von dem hochbegüterten Lebemann bis zu dem hartschaffenden Arbeiter, sie sich leicht aneignen kann. Und welches Glied der Gesellschaft hat nicht ein Intereffe, die Mittel kennen zu lernen und anzuwenden, die, seiner Stellung angemessen, ihm jenen mit Recht beneideten Zustand, ohne den kein irdisches Glück denkbar ist: eine mens sana in corpore sano erwerben und erhalten können? Nun aber ist eine Hauptbedingung, dieses Ziel zu erreichen: eine normale und gesunde Kost.

Sind aber die Wissenschaft und die administrativen Staatsbehörden berechtigt, einzuschreiten, um der Bevölkerung die gesundesten Nahrungsmittel anzugeben? Bei den Franzosen ist die öffentliche Meinung für dieses Einschreiten; nicht also bei den Engländern vor gar noch nicht langer Zeit. Dafür führt der Verfaffer zwei Thatsachen an:

,,Gegen das Ende des Jahres 1850, von dem Ackerbau-Ministerium mit einer speziellen Sendung nach England beauftragt, sollte ich hier mehrere Fragen in Bezug auf Nahrungsmittel studiren. Bevor ich an die Prüfung der praktischen Thatsachen ging, die eine der wichtigsten Fragen, das Bäckereiwesen, berühren, und in der Hoffnung, mir die Prüfung leichter zu machen, glaubte ich, zuvörderst die von der Staatsverwaltung eingeführten Regeln und die den Bäckern in Groß britannien auferlegten Pflichten kennen lernen zu müssen. Keiner, fagte man mir, könnte mich darüber beffer belehren, als Lord Granville. Ich wandte mich demnach an ihn, und seine ganze administra tive Bibliothek wurde mir mit der liebenswürdigsten Zuvorkommenheit zur Verfügung gestellt. Lord Granville rieth mir feruer, mich mit dem Chef der Polizei in Verbindung zu seßen, der mir über die Maßregeln zur Ausführung der Vorschriften, so wie über die gewonnenen Resultate, Auskunft geben könnte. Nachdem ich mir die Gewißheit verschafft hatte, daß nach englischen Gefeßen das Bäckergewerbe frei, die Beimischung aller nährstofflichen Cerealien und Schotengewächse zu dem Brode erlaubt, der Gebrauch ungefunder Salze und anderer Subftanzen verboten sei, ging ich zu dem Polizei-Chef, der mir noch manche Einzelnheit in dem Geschäftsgange mittheilte. Auf die Frage aber, ob es ihm leicht würde, die vorschriftlichen Maßregeln in Ausführung zu bringen, meinte er: „Ich kann Ihnen die Versicherung geben, daß hier, wie bei vielen anderen Anläffen, meine Aufgabe mir keine Schwierigkeiten bietet, denn die Bevölkerung ist nichts weniger als anspruchsvoll. Im Allgemeinen hat sie es nicht gern, daß der Staat sich in ihre Angelegenheiten mische. Die Engländer, sehen Sie, wollen nach ihrer Façon sich unterhalten und langweilen, effen und trinken, sterben und sich begraben laffen, ohne daß sich die Regierung darum kümmere; und wir laffen sie machen. So vereinfachen wir unser Geschäft und thun es ihnen zu Danke."

„Noch ein Beispiel: Ein junger und geschickter Chemiker, in den Pariser Laboratorien gebildet, hatte sich seit einigen Jahren in Man*) Nach Payen in der Revue des deux Mondes. Egl. Nr. 146 des ,,Magazin".

1855.

chefter niedergelassen und war anfangs durch öffentliche Vorträge, später durch chemische Arbeiten, angewandt auf Bleichen, Färben und Mewärtig eine bedeutende Rolle in mehreren großen englischen und frantallurgie, vortheilhaft bekannt worden. Seine Prozeduren spielen gegenzösischen Fabriken; Zeugnisse davon geben im Augenblick manche Productionen in der Welt-Ausstellung. Als ich ihn mit dem Zweck meiner Mission bekannt machte und seinen Rath ansprach, theilte er mir zuvorkommend seine zahlreichen Analysen von Mehl- und Brodarten mit, und aus einer genauen Prüfung der gewonnenen Resultate ging hervor, daß ein großer Theil der Mehl-Quantitäten, die 1847 und 1848 über Liverpool eingeführt worden, mehr oder weniger durch Beimischungen von Reis, Mais, Feldbohnen verfälscht waren; daß das Brod in Manchester überdies faft durchgehends Alaun, schlechtes Salz, Waffer in unverhältnißmäßiger Menge enthielt. Die Arbeiten des jungen Profeffors, wodurch er sich wohl den Dank des Manchesterer Publikums verdient hätte, wurden indeß noch im Laufe desselben Jahres unterbrochen. Die Erklärung dieser überraschenden Erscheinung gab er mir selbst mit den Worten: Ich war eben im vollen Gange, meine mühsamen chemischen Forschungen in Bezug auf die Nahrungsmittel durch mündliche Mittheilungen in die Oeffentlichkeit zu bringen, als eine Deputation von Fabrikanten und Handelsleuten aus Manchester und Liverpool in meinem Laboratorium erschien, und Einer aus ihrer Mitte kam ohne weitere Einleitung zur Sache, indem er mir geradezu erklärte, daß, wenn ich fortfahre, meine kleinlichen Untersuchungen über Mehl, Brod und verschiedene Nahrungsmittel zu veröffentlichen, ich auf ihre Mitwirkung zu einer Belehrung, welche die Bevölkerung beunruhigt und den Handel stört, nicht zu rechnen habe."" Man begreift leicht, daß der junge Chemiker sofort eine andere Richtung einschlug, deren nüzliche Früchte nicht lange auf sich warten ließen."

Dieselbe nationale Stimmung fand der Verfasser in Glasgow, Belfast, Edinburg, Birmingham, überall in den drei Reichen herrscht eine tiefe Abneigung gegen Alles, was den Gang und die Freiheit des Handels irgend hemmen könnte, auch auf die Gefahr der allgemeinen Gesundheit hin. Indeß hat die Stimmung in diesem Bezuge neuerdings eine Modification erfahren, und seit 1851 wett eifert England mit Frankreich auch in diesem wichtigen Punkte der Wohlfahrt. Kapitalisten, Landbauer und Fabrikanten richten ihre Unternehmungen und Arbeiten auf den Wachsthum der Production und die möglichst dauernde Erhaltung der Nahrungsmittel, so wie auf die Vervollkommnung ihrer Zubereitungsweisen.

Wie sind nun die verschiedenen Nährstoffe aus allen Naturreichen aufs billigste und in einem der Gesundheit zuträglichen Zustande zu gewinnen? Die Lösung dieser Doppelfrage soll der Gegenstand dieses Auffages sein.

1. Die Cerealien und ihr Anbau.

Unter dem Namen Cerealien begreift man die nährende Kornfrucht mehrerer Pflanzen aus der Gräferfamilie: Weizen, Roggen, Gerßte, Hafer, Mais und Reis. Einige fügen noch die Moorhirse und die Hirse, so wie den Buchweizen und anderes, hinzu. Hier haben wir es mit den Getraide-Arten zu thun. Man kennt zwar sieben unterschiedene Weizen-Arten, die noch in zahlreiche Varietäten auslaufen; unter dem ökonomischen Gesichtspunkte können indeß alle Klassen auf eine einzige zurückgeführt werden, die drei Hauptgruppen in sich faßt: der harte, halbharte, weiche oder weiße Weizen. Der harte Weizen unterscheidet sich abgesehen von seinen äußeren Merkmalen und namentlich von seiner festen Konsistenz, die ihn für eine längere Aufbewahrung eignet - durch seine Reichhaltigkeit an Stickstoff und Fett und wird mit Recht als diejenige GetraideArt angesehen, die alle anderen an Nahrungsgehalt übertrifft. Er wirft weit weniger Kleie ab, als der halbharte Weizen, giebt demnach auch mehr Mehl; allein eben wegen seiner derberen Konfiftenz ist das Mehl nicht so fein, oder mehr gekörnt und überdies minder weiß.

Der halbharte Weizen, weniger konsistent und schwieriger aufzubewahren, als der harte, wird noch allgemeiner in Frankreich zur Bereitung der feinen Mehlarten verwendet.

Noch zerreiblicher ist der weiche oder weiße Weizen; er liefert ein schönes Mehl; desto schwieriger läßt sich daraus Gries bereiten. Ohne Mühe kann aus den beiden leßteren Arten der Kleber und die Stärke ausgeschieden werden.

Während des Keimens kömmt der Weizen in Regionen, wo die gewöhnliche Temperatur noch so sehr differirt, z. B. zwischen dreizehn und vierzehn Grad, gleich gut fort; die Fortschritte des Wachsthums aber bis zur Reife sind um so rascher, je stärker die Besonnung und je höher die Temperatur bis zu einem gewissen Grade ist. Folgendes Schema wird das Gesagte verdeutlichen:

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Durchschnittliche Temp. 13,4 Grad, 18-19

22,1 24

Nach einer chemischen Analyse, die der Verfasser gemeinschaftlich mit Boussingault angestellt, giebt der Weizen unter dem Einfluß einer höheren Temperatur mehr Stickstoff, Delsubstanz und Salz. So enthielt auf hundert Theile:

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der Weizen von Venezuela 22,57 Stickst. 2,1 Delft. 3,02 Salz, der afrikanische Weizen 19, 2,12 2,71 Im Allgemeinen sind die harten Weizen im Süden am reichsten, die weichen im Norden am ärmften an Stickstoff, der hier bis auf sechzehn Prozent, ja, zwölf Prozent herabsinkt; er kann aber bei reicher Düngung bis auf funfzig Prozent steigen.

Der Weizen kömmt nur in ziemlich festen, lehmig-sandigen, mit einigen Prozenten Kalk vermischten Boden fort. Allerdings läßt sich auch einem sandigen, etwas kalkhaltigen Boden Weizen abgewinnen; ohne reichlichen Regen aber tragen die mageren Aerndten kaum die Koften des Anbaues. Da, wo man den Weizen nicht mit Nußen anbauen kann, wird man immer noch eine lohnende Roggen-Aerndte erzielen; die Aerndten gestalten sich überhaupt günstiger, wenn die Schicht der Frucht-Erde tief genug ist zum Anbau der Jätepflanzen und der Kunstwiesen. Beide haben den Vortheil, daß sie das Unkraut nicht aufkommen lassen. Die Aerndten lassen ein sehr nügliches Hülfsmittel an Pflanzendünger zurück; außerdem vermehren das Ausraufen und das tiefe Pflügen die Mächtigkeit des Bodens. So wird die schwache Düngung mehr als aufgewogen, welche die Brache dadurch gewährt, daß der ruhende Boden und die wildwachsenden Pflanzen das Gas und den Stickstoff aus der Luft einsaugen und untergepflügt werden. Auf diese Art werden in manchen Gegenden Frankreichs und Englands ergiebige Aerndten gewonnen.

Außer einer verständigen Eintheilung in Schläge steht in erster Reihe als Mittel, gewiffe Gegenden fruchtbarer und ertragreicher zu machen: die Entwässerung oder Dränirung des festen oder thonigen Bodens. Darin haben die englischen Landwirthe den sichersten Weg eingeschlagen. Die Dränirung durch Röhren ist die größte ackerbau liche Verbesserung des neunzehnten Jahrhunderts, und über ihre Vortheile herrscht heutzutage kein Zweifel. Durch das Arbeiten des stagnirenden unterirdischen Wassers wird der Luft, die den Wurzeln der Pflanzen unumgänglich nothwendig ist, der Zufluß gestattet, das Keimen wird in größerer Bodentiefe möglich gemacht, und eine der erkältenden Ursachen, die auf die Vegetation störend einwirken, aus dem Wege geräumt. Ueberdies hat die Dränirung, indem sie die andauernde, endemische Fieber erzeugende Feuchtigkeit der Luft beseitigen helft, auch auf die Gesundheit einen wohlthätigen Einfluß.

Außer der nothwendigen Vorbereitung des Bodens muß aber auch das Samenkorn, das ihm anzuvertrauen ist, sorgfältig ausgewählt werden, und das können wir durch neuerfundene sehr wirksame Mittel. Mit Hülfe des finnreichen Vachouschen Ausscheiders lassen sich die minder gefunden von den kräftigen Körnern, die man zur Aussaat beftimmt hat, leicht absondern. Doch nicht immer reicht diese Vorsichtsmaßregel aus; denn in dem scheinbar gesunden Korn, namentlich in der Kerbe zwischen den beiden Samenlappen, befinden sich oft die Samenstäubchen von Schmaroßerpilzen. Um die Keimkraft dieser Sa men zu zerstören, bediente man sich seit lange pulverisirten ungelöschten Kalks, der unter das angefeuchtete Saatkorn gemischt wird. Man nennt dieses Verfahren: das Einkalken; eine Benennung, die uneigentlich auch von anderen noch sicherer zum Ziele führenden Verfahrungs. weisen, wobei andere Substanzen, z. B. eine schwache Dosis Arseniksäure, kupferiges schwefelsaures Salz u. a., zur Anwendung kommen, gebraucht wird.

Die Quantität des Saatkorns steht in geradem Verhältniß zu der Tragekraft des Bodens. Steht das Getraide hoch im Preise und der Arbeitslohn niedrig, so dürfte es vortheilhaft sein, Korn bei Korn in gewissen Zwischenräumen zu säen; man hat dann auf eine im Verhält niß zur Aussaat reiche Aerndte zu rechnen.

Die Saatzeit wechselt natürlich nach Klima, Lage und anderen örtlichen Umständen. Die Wintersaat muß im Allgemeinen früh genug bestellt werden, damit der Keim sich zeitig genug so weit entwickelt,

um der Strenge des Winters Stand halten zu können. Das Säen selbst geschieht, namentlich in England und in Nord-Frankreich, mit der Säemaschine nach der Linie; in Gegenden, wo der Boden nicht fruchtbar, nicht durchgearbeitet und pulverifirt genug ist, ist jenes Verfahren nicht anwendbar und das Säen auf den Wurf vorzuziehen.

Beim Schneiden des Getraides halten die Engländer treu an den Grundsaß: das Sicherste das Beste (the best is to make things sure). Wenn die Keimhülle noch weich ist, ohne die volle Reife abzuwarten, wird geschnitten, mag das Wetter sein, wie es wolle. Sind die Halme unter der Sense, der Sichel oder der Maschine gefallen, dann beeilen sich Männer, Frauen, Kinder, fie in Gebinde zu sammeln und diese in Reihen neben und über einander so aufzustellen, daß ihnen der Regen nichts anhaben kann. Diese Methode, die übrigens auch bei den Hülsenfrüchten und beim Lein angewendet wird beugt dem Nachtheil vor, daß die überreifen Körner bei der geringsten Bewegung leicht ausfallen. Dank diesem Verfahren, bekömmt der Landmann besseres, schwereres, leichter zu bewahrendes Korn, das beim Mahlen weit weniger Abgang giebt. (Fortseßung folgt.)

Palästina.

Die Fürstin Belgiojoso über die Alterthümer Jerusalems. *) Die in einem Thalgrunde des Calvarienberges erbaute Kirche des heiligen Grabes erscheint wie eine noch nicht vollendete Kirche des Mittelalters, die gerundeten Linien, die geräumigen Arkaden zeigend, die man an den alten Klöstern in Pavia und Monza bemerkt. An der linken Seite des Eingangs erhebt sich ein halb verfallener Thurm; an der rechten Seite steht mehr im Vordergrunde eine kleine, mit einer Kuppel versehene Kapelle. In die Basilika eingetreten, befindet man sich in einer großen Vorhalle, deren Seitenwand zur Rechten eine Art von Loge enthält, die für den muselmännischen Kadi und seine Beisißer bestimmt ist. Es ist nämlich, um den Konflikten zwischen den drei chriftlichen Gemeinschaften, die sich in der Kirche begegnen, ein Ende zu machen, auf den Antrag der Christen selbst, ein permanenter muselmännischer Gerichtshof errichtet worden. Ist man einige Schritte weiter vorgetreten, so befindet man sich in dem Hauptraume der Bafilika, d. H. in einer Rotunde, die an den Wänden Kapellen und in ihrer Mitte den Hauptaltar hat. Nahe bei dem Altar führt eine Fallthür in das Heiligthum, in dem sich das Grab Chrifti befindet. Ein kleiner Quaderstein vor der Eingangsthür ist dem griechischen Kultus vorbehalten. Unter den Kapellen zog die der habyfftnischen Chriften zunächst meine Aufmerksamkeit auf sich. Die vor dem Altar ziemlich zahlreich versammelten Habyssinier waren Männer von hohem Wuchs, mit regelmäßigen Gesichtszügen, nur durch ihr wolliges Haar, ihre schwarze Hautfarbe und ihre etwas dicken Lippen an die afrikanische Rage erinnernd. Ein Wamms von blauem Zeuge, ein Mantel von derselben Farbe, ein großer Turban und Sandalen bildeten das Kostüm. Den verschiedenen Momenten in der Passionsgeschichte entsprechen eben so viele Kapellen.

Die Mauern der heiligen Stadt gehören zu den interessantesten Denkmälern; fie rühren aus dem Mittelalter her. Das Fundament der Mauern am Thal Josaphat und am Delberg ist aus ungeheuren, funfzehn bis zwanzig Fuß langen und fieben bis acht Fuß hohen Quadersteinen erbaut; man führt dieses Fundament auf den König Salomo zurück. Gewiß ist es, daß solche Bauten dem europäischen Baustyl fremd sind. Auch gränzen diese Bauwerke an den Plaß, auf welchem der von Salomo erbaute Tempel gestanden.

Jerusalem liegt auf einer Anhöhe, die im Norden allmählich ansteigt und füdlich ein enges Thal beherrscht, während im Westen und im Often der Boden sich bis zum Bett des Kidron, der ganz ausgetrocknet ist, abdacht. Verfolgt man die Mauern außerhalb von Norden nach Weften und von Weften nach Süden, so stößt man zunächs auf eine kleine Anhöhe, welche, zur rechten Hand sich hinziehend, ein Plateau bildet, welches mit der heiligen Stadt ungefähr auf demselben Niveau liegt. Diese Anhöhe ist die Stadt David's, welche von den Armeniern zu ihrem Begräbnißplaß gemacht worden ist, und welche, obwohl sie sonst keine Spur mehr von ihrer früheren Pracht zeigt, um zweier Denkmäler willen von allen Reisenden besucht wird. Das eine dieser Denkmäler ist der Saal, in welchem Christus zum lezten Male mit seinen Jüngern zu Tisch gefeffen haben soll. Das zweite ist das kleine Gemach, in welchem er die Nacht nach seiner Gefangennehmung zugebracht haben soll. Das erste ist gegenwärtig die Wohnung eines Derwisch, der es mit der dieser Menschenklasse eigenen Unreinlichkeit entweiht. Diese Entweihung drückt aber weder Verachtung, noch feindfelige Gesinnungen aus. Die Muselmänner verachten und haffen die

*) Die hier mitgetheilten Schilderungen find den unter dem Titel: „La vie intime et la vie nomade en Orient" veröffentlichten Reise- Erinnerun= gen der Fürstin Trivulzio di Belgiojoso entnommen.

Christen; aber auf Christus und das Christenthum dehnen sie diese Gesinnnngen nicht aus. Es ist sogar wahrscheinlich, daß sie diesen Ort in ehrfurchtsvoller Gesinnung einem Wesen zur Wohnung gegeben, welchem sie, ihrer Religion zufolge, Verehrung schuldig find. Das zweite der erwähnten Denkmäler, welches die Armenier den Lateinern, die es früher besaßen, entriffen haben, ift gegenwärtig ein kleiner, mit weißem Marmor gepflasterter und mit ziemlich niedrigen Säulenhallen umgebener Hof, auf welchem die Bischöfe der armenischen Gemeinde begraben sind. Eine Kapelle nimmt die südliche Seite des Hofes ein. Dieses Heiligthum ist im Innern sehr sauber und schön gehalten; es ist ganz und gar mit kleinen quadratförmigen Platten von emaillirter Fayence bekleidet; eine Art von Ausschmückung, die man im Orient ziemlich häufig findet. Eine Thür zur Linken des Altars führt in eine Zelle, die so klein ist, daß man kaum glauben kann, fie sei jemals dazu bestimmt gewesen, einen Menschen aufzunehmen. In diesem Raum soll Christus nach seiner Verhaftung bis zum ersten Verhör eingesperrt gewesen sein. Es erinnert dieser Raum an die Garderobeschränke, die man in den Kapellen schöner Schlösser findet.

Verfolgt man die Mauern von Jerufalem weiter von Westen nach Süden, so entdeckt man bald das Thal Josaphat's, d. h. das Bett des ausgetrockneten Kidron, welches auf der einen Seite von der Anhöhe, auf welcher Jerusalem liegt, auf der anderen Seite vom Delberge eingeschloffen ist. Ein kleines arabisches Dorf, welches noch den Namen Siloah hat, liegt westlich im Thale, wo daffelbe sich etwas zu erweitern anfängt. Gegenüber diesem Dorfe, am Fuße der Anhöhe, auf der Jerusalem liegt, fließt langsam das Waffer der Quelle von Si. loah, zuerst in einem grob gemauerten Kanal, dann frei die Gärten des Dorfs bewässernd. Weiter im Thalgrunde, auf der Seite, wo das Dorf liegt, sieht man drei kleine Gebäude von auffallender Form, in denen die Ueberreste Absalon's und zweier von seinen Gefährten enthalten sein sollen. Noch etwas weiter bemerkt man fast am Fuß des Delbergs eine weiße Mauer, die eine quadratförmige Fläche einschließt, auf welcher mächtige, Jahrhunderte alte Olivenbäume stehen. Diese Fläche wird für den Garten gehalten, in den Jesus Christus sich so gern zurückzog. Ein Mönch verbringt jeden Tag, vom Aufgange der Sonne bis zum Untergange, in diesem Raume, er pflegt darin einige Blumen und empfängt die Reisenden, welche aus Frömmigkeit oder aus Neugierde herbeikommen. Die Bäume find riesig groß, und zahlreiche Sprößlinge umgeben ihre zum Theil bloßgelegten Wurzeln.

Eine über das Bett des Kidron gelegte Brücke verbindet die Stadt mit dem Delberge. Die Brücke und der auf den Berg führende Weg trennen den Garten des Delbergs von einem großen alterthümlichen Gebäude, in welchem, wie man glaubt, die irdischen Ueberrefte der heiligen Jungfrau enthalten sind. Die Christen des Orients haben bis auf den heutigen Tag um den Befiß dieses Grabes auf das Leidenschaftlichste gestritten. Das Gebäude ist eine geräumige und schöne Kapelle, zu der man auf einer großen Treppe hinabsteigt; der latei nischen Geistlichkeit ist es nicht gestattet, hier Gottesdienst zu halten. Hinter dieser Kapelle befindet sich die Grotte, in welche sich Jesus Chriftus, als die Soldaten, ihn zu verhaften, kamen, zurückgezogen haben soll. Einige Altäre in dieser Grotte gehören der lateinischen Geißtlichkeit.

Der Delberg ist nur eine kleine Anhöhe, auf deren Gipfel jezt eine Moschee steht. Der Stein, auf welchem Jesus gestanden haben 'soll, als er gen Himmel fuhr, und auf dem auch noch seine Fußspuren zu bemerken sein sollen, wird in der Moschee aufbewahrt und wird nicht blos von den Chriften, sondern auch von den Moslemin heilig gehalten. Aus dem Fenster eines nahe bei der Moschee ftehenden Belvedere hat man eine sehr befriedigende Aussicht auf die heilige Stadt und den Plaß, auf dem der Salomonische Tempel gestanden und jeßt die Moschee Omar's steht. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß in dieser noch Ueberreste von jenem enthalten sind. Die Moschee Omar's gleicht keiner der vielen Moscheen, welche man in Asien sieht. Vor denselben befindet sich gewöhnlich ein von hohen Mauern eingeschloffener, mit Bäumen bepflanzter Hof, in deffen Mitte ein Springbrunnen die Luft erfrischt. Die Moschee Omar's dagegen steht auf einem leeren, großen, quadratförmigen Plaße, der hier und da noch durch Bruchstücke von Säulenhallen begränzt ist. Die Moscheen sind gewöhnlich eine Zusammenhäufung von verschiedenen Gebäuden; bei der Moschee Omar's ist dies nicht der Fall. In der biblischen Schilderung des Salomo nischen Tempels findet man den großen leeren Plaß, die diesen Plaß umgebenden Säulenhallen, kurz, Alles wieder, wodurch die Moschee Omar's sich von allen anderen Moscheen unterscheidet. Die Moslemin halten streng darauf, daß kein Ungläubiger die Moschee Omar's betritt oder sich ihr auch nur nähert.

Jerusalem ist nicht blos die Stadt Chrifti, sondern auch die Stadt der jüdischen Könige und Propheten. Es begegnen uns in Jerusalem auch Denkmäler aus der Geschichte des Alten Testaments: die Grotte Jesaias' und die Gräber der Könige; in der Umgegend der Stadt die Gärten Salomo's, der Jordan und das Todte Meer.

Wenige Schritte von der Stadt entfernt, erhebt sich ein röthlicher Hügel, in welchen ein enger Weg eingehauen ist. Dieser Weg führt zur Grotte Jesaias', einer überall mit Pflanzenwuchs überzogenen Höhle. Vor der Grotte befindet sich ein von den Aesten und Zweigen eines alten Feigenbaumes überschatteter kleiner Garten, der einem Derwisch zum Aufenthaltsorte dient.

Von der Grotte Jesaias' kömmt man bald zu den Gräbern der jüdischen Könige. Auf dem Wege zu diesem Labyrinth von Bosquets und Felfen begegnet man einer alten Mauer, die eine Art von Hof einschließt. Das Basrelief auf dem in diesen Hof führenden Thor, eine Guirlande von Weinranken darstellend, kann wohl nicht auf die Zeit der jüdischen Könige und auf die jüdische Nation zurückgeführt werden. Die unterirdischen Räume auf dem Hofe find leer; früher waren sie durch massive fteinerne Thüren von einander abgesondert. Diese Thüren liegen jeßt auf dem Boden. Der Eindruck, den die leeren Grabgewölbe machen, ist ein solcher, daß man froh ist, wenn man sie wieder hinter sich hat. Wir gehen weiter, durch Bethlehem, ein hübsches fast ganz aus weißem Stein gebautes Dorf, zu den Gärten Salomo's. Der Eindruck, den die mit diesem Namen bezeichnete herrliche Stätte hervorbringt, ist um so mächtiger, da man, um zu ihr zu gelangen, einen ermüdenden Weg durch eine der dürrften Gegenden Judäa's machen muß. Reichere Teppiche von duftenden Blumen, melodischeren Gesang von Vögeln kann man sich nicht vorstellen.

Für die Exkursion zum Jordan und zum Todten Meere ist es rathsam, fich eine gute Eskorte mitzunehmen. Von Jerusalem bis zum Kloster St. Saba ist die Entfernung nicht bedeutend, aber in den wenigen Stunden hat man viel auszuhalten. Der Weg zieht sich zwischen Felsen hin, bei deren blendender Weiße und vollkommener Trockenheit man die Wärme und das Licht der Sonne doppelt unangenehm zu fühlen bekömmt. Wir vergaßen einen Augenblick unsere Leiden, als wir den Blick in eine enge Schlucht mit riesigen Felsblöcken gewannen. Diese Schlucht war das Bett des ausgetrockneten Hebronftromes. Der eine der die Schlucht bildenden Berge zeigt unzählige Grotten; in diesen, sagte man uns, hätten St. Saba und feine Schüler gelebt; der andere auf dem linken Ufer des ausgetrockneten Stromes liegende Berg ist mit verschiedenen Gebäuden: Häusern, Kirchen, Festungswerken, die von einer Mauer eingeschloffen sind, bedeckt. Diese Gruppe von Gebäuden ist das Kloster des St. Saba, welches der griechischen Kirche gehört und von Mönchen bewohnt wird, die schon öfter ihre reichen Besizungen gegen die fie angreifenden und belagernden Araber haben vertheidigen müffen. Am zweiten Tage unferer Exkursion seßten wir uns noch vor Aufgang der Sonne in Bewegung, und wir waren auf dem Gipfel der leßten das Jordanthal bildenden Berge angelangt, als die Sonne aufging. Wir fahen zu unseren Füßen Alles mit dichten Nebeln bedeckt. Die Rebel stiegen allmählich auf und verwandelten sich in Wolken über unseren Häuptern. Dies war das erfreuliche Vorzeichen eines der im Orient in dieser Jahreszeit so seltenen Regentage. Das Thal des Jordans lag frei und ausgebreitet vor uns. Zur Rechten verlor es sich in ein schwarzes Wafferbecken, auf dem noch die Morgennebel lagen. Das war das Todte Meer, dessen Wellen über die Ruinen von Sodom hingehen. Zur Linken zog sich, so weit das Auge reichte, das Thal hin, überall dürr und ohne Vegetation. Aber wo war der Jordan? Auf welchem Wege wälzt er sich ins Todte Meer? Wir bemerkten in weiter Ferne nur einen kaum wahrnehmbaren grünen Streifen. Nachdem wir zwei Stunden im Thale niedergestiegen waren, befanden wir uns an dem Ufer des Todten Meeres. Die Gegend, welche diesen See umgiebt, ist öde und trübe, aber in seinem dunklen Wasserspiegel spiegeln sich die Schönheiten des Himmels. Es ist nicht wahr, was man erzählt, daß kein Fisch im Todten Meere lebt, daß kein Vogel sich ihm nähert, daß kein Pflanzenwuchs ihn umschattet. Wir festen unseren Weg noch zwei Stunden lang fort, wie auf einer aus mächtigen Felsblöcken gebildeten Treppe, deren Ende wir nicht absehen konnten. Plöglich bemerkte ich eine Aufregung unter unseren Arabern; fie ftreckten, unverständliche Töne ausstoßend, ihre Arme nach Süden aus; unsere Pferde wicherten und richteten die Köpfe auf; fie feßten sich in Galopp, und wir ließen sie laufen; wir bemerkten noch Nichts von einem Fluffe. Bald aber vernahm ich ein dumpfes Geräusch, wir gingen noch einige Schritte, und wir genoffen eines der ergreifendsten NaturSchauspiele. Der Jordan wälzte vor unseren Augen rauschend seine etwas schlammigen, aber tiefen und reichen Wogen zwischen den von riesigen und über einander geschichteten Bäumen bedeckten Felswänden. Mit Mühe bahnten wir uns den Weg durch das Gehölz und den üppigen Pflanzenwuchs, den Myriaden von fliegenden Insekten mit ihrem Gesumme erfüllten. Der Jordan ist nicht blos ein großer, geschichtlicher Fluß, er ist auch ein großartiger, herrlicher Fluß; wie durch Zauber wandelt er die ihn umgebende Natur um.

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