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in Bier und Branntwein zu berauschen, ergo der Deutsche ist ein ver. ächtliches Wesen und deutsche Kultur Frevel! So urtheilt die große Masse des Volkes und findet darin einen willkommenen Anhalt zu dem durch Eifersucht geborenen Haß. Aber thut er daran recht? Ift etwa der Yankee wegen des Mormonismus in seiner Gesammtheit gering zu schäßen? Lezteres wäre sogar noch eher zu entschuldigen, denn die seichten atheistischen Flunkereien deutscher Redacteure find viel weniger Mißgeburt deutscher Bildung, als der Mormonismus Erzeugniß amerikanischer Phantasterei und Unsittlichkeit.

Zum spezielleren amerikanischen Leben zurückkehrend, habe ich vornehmlich von zwei Meetings zu berichten, die beide so recht geeignet find, auf die Widersprüche des Landes aufmerksam zu machen. Die eine Versammlung ist der wissenschaftliche Kongreß der Association for the Advancement of Science in Providence, die andere die NewYork State Woman's Rights Convention (Frauen-Emancipations-Konvent) in Saratoga. Schade, daß wir uns so aussprechen müssen über eine Zusammenkunft, welche die mühseligen Forschungen der Wissen Wissenschaft dem großen Haufen zugänglich machen soll, von einer Zusammenkunft, die durch die Namen Agassiz, Peirce, Bache, Schott 20. glänzte und der Nation durch ihre Würde imponiren und zum Stolz gereichen sollte. Diese Association hatte es sich zur Aufgabe gestellt, durch Austausch der Entdeckungen und Ansichten auf jedem Gebiet der Wissenschaft das Interesse an der Wissenschaft überhaupt zu heben, und die hervorragendsten Männer glaubten ihren Zweck nicht besser erreichen zu können, als wenn sie den Verein jedem Anklopfenden öff neten, mit Recht das lebendige Wort dem verwirrten Bericht des Zeitungs-Reporters vorziehend, überblickten dabei aber leider die rasche Fassungsgabe und das schnelle Urtheil des Yankee, der nicht, so wie der Deutsche, sich drängt, aufmerksam zuhorcht, wenn ein begabter Mann ihn belehrt und das Dargebotene gehörig zu digestiren sucht, sondern gleich eine Widerrede auf die gründlichen Studien seiner Lehrer zwischen den Zähnen fühlt und nicht eher ruht, bis er seinen ungeduldigen Mitmenschen seine unmaßgebliche, aber unumstößliche Meinung vorgepauckt hat. Der Verein mußte bald diese Eigenthümlich keiten der Nation wahrnehmen und gab in kurzer Zeit das Bild der Republik wieder, worin sich eben so Knownothings und Knowsomethings lebhaft befehdeten. Die Auftritte des diesjährigen Landtags der Wissenschaft glichen zwar nicht den blutigen Polen-Reichstagsscenen, doch waren sie durch Freiheit und Ungebundenheit der Reden den unparlamentarischen Versammlungen unserer Handwerker-Auflagen gar zu sehr verwandt. Glücklicherweise trat diese Ausgelassenheit der Knownothings erst beim Schlusse ein, nachdem die besten wissenschaftlichen Vorträge Agassiz's und Anderer vorüber waren. Von den vielen interessanten und uninteressanten Streifzügen der Redner, welche das größere Publikum leider durch die unklare Brille des Reporters beschauen muß, möchte den Leser der Vortrag des Professors Agassiz über die Systematisirung der Zoologie und von Peirce über Morpho logie vornehmlich interessiren.

Agassiz gesteht ein, daß ein System der Zoologie anlegen wollen, eine Unmöglichkeit scheine, denn je mehr man durch wissenschaftliche Forschungen ein solches Ziel zu erreichen strebe, desto mehr würde man durch die Mannigfaltigkeit der Natur verwirrt und zur Verzweiflung gebracht. Cuvier sei durch seine gelehrten Untersuchungen von dem ursprünglich richtigen Weg abgelenkt worden, und die deutschen Naturforscher seien ihm gefolgt, wodurch die feltsamften Mißgriffe gemacht seien. Man müsse bei Eintheilung in Familien sich nur auf die Form, die äußere Erscheinung verlassen, und wie z. B. das Auge beim ersten Blick uns die Ueberzeugung aufdränge, daß die Lanne der Eiche nicht verwandt, so müsse man auch gleich wahrneh. men, daß Möwe und Falke ganz verschiedenen Familien angehören, und so dürfe weniger der Unterschied im Plane als der in der Struk tur bei Eintheilung der Wesenfamilien maßgebend sein. Der Krebs könne z. B. keiner Ordnung angehören und bilde eine Familie für fich. Sei eine solche Eintheilung festgestellt, so sei es die Aufgabe der Gelehrten, die einzelnen Geschlechter der Familien zu sondern. Im Uebrigen sei die Idee des Systems nicht unser, sondern des Schöpfers, und bei Betrachtung des Ganzen könne man den Gedan ten nicht unterdrücken, daß der Mensch der Culminationspunkt der Schöpfung und sein Werden seit Millionen von Altern als der Schlußstein des göttlichen Werkes vorausbestimmt sei. Nur diese Ueberzeugung und der Gedanke, daß wir die Vernunft von ihm in seinem Bilde haben, mache uns möglich, seine Schöpfungen zu begreifen. - Sollte übrigens jene Ansicht des gelehrten Profeffors von der Eintheilung maßgebend und leitend werden, so möchte mit mir fich Mancher zum ersten Male darüber freuen, daß die schönen Jahre der Schule dahin, denn wie werden unsere Nachkommen sich abquälen müssen, die zahllosen Familien der augenscheinlichen Eintheilung auf Examen ohne Anstoß hersagen zu können!

An den Gedankengang Agassiz's anknüpfend, erklärt Profeffor Peirce den Laien Morphologie mit Wissenschaft organisirter Formen

und sagt, man könne die Organisation des Univerfume, wie auch jedes menschlichen Werkes, nur dann verstehen, wenn man sich von seinem niedrigen, menschlichen Standpunkte zu dem des Schöpfers erhebe. Diese schwindelnde Höhe zu erreichen, stellt er sich ganz gemüthlich vor; er guckt gleichsam dem lieben Gott durchs Küchenfenfter, wie wenn er einer Köchin das Rezept eines Puddings ablauschen wollte, und kehrt mit der allerdings begründeten Entdeckung heim, daß das Werk den dazu verwendeten Materialien entspreche. Die Grund-Jdee der Struktur aller organischen Körper sei der fortwährende Zustand des Gleichgewichts, weshalb auch die meisten organischen Körper so konftruirt seien, daß die festen Theile derselben durch mehr oder weniger flüssige Theile verbunden. Unorganische Körper seien hingegen im Zustande unsteten Gleichgewichts. Er wolle bei den Flüssigkeiten darlegen, was die allgemeine Classification sein könnte. Eine Flüssigkeit könne in einer anderen von derselben spezifischen Schwere nur vier Gestalten annehmen, wenn sie das Gleichgewicht behalte und nicht zu einer Kugel sich zusammenballe. Die erfte sei die des Ringes, um seine eigene Are strahlend, dem Strahlenthier entsprechend, dann die des ellipsenförmigen Cylinders, die Mollusken, die dritte für die Gliederthiere ein Cylinder mit regelmäßig entfernten Zusammenziehungen, durch eine wellenförmige Linie um die Are des Cylinders entstanden, und endlich für die Rückgratthiere die komplizirteste, ein doppelter Cylinder, den Rückgrat und das Bauchbecken bildend. Das hört sich ganz hübsch an, aber sind die gleich schweren Flüssigkeiten in der That so gefällig, nur diese vier Gestalten anzunehmen? Andere treffliche Vorträge, Papierschnißel vom Studirtisch und feltsame Randglossen Berufener und Unberufener, übergehe ich, um zu sehen, wie denn die Nation sich dieser,,Show" gegenüber verhält. Nun, sie kaut ganz ruhig Taback dazu; nur ist ihr unangenehm, zu erfahren, daß Marmor von der Luft und der Elektrizität so verzehrt werde, daß nach langer Zeit, ich glaube, einem Jahrtausend, ein ganzer Zoll (engl. Maß) abgenagt ist. Die schönen Bauwerke, die uns so viel Geld gekostet! hat noch Niemand ein Patent auf einen schüßenden Firniß verlangt?

Der Frauen-Emancipations-Konvent" wird dem ehemännlichen Yankee durch sein besseres Ich schon mehr zu Gemüthe geführt; er durchließt die Berichte desselben mit dem aufrichtigen Wunsche, daß fie bald zu Ende seien, und hoffend, daß die prunkenden Anzeigen der Broadway-Magazine die schönen Augen seiner treuen Ehehälfte mehr feffeln, als die unpraktischen Reden der unpraktischen Damen über Weiberrecht. Doch was hilft das unzeitige Hoffen? Hat der gute Redacteur vielleicht eben so sehr aus Gefälligkeit gegen seine verehelichten Leser, aus Egoismus auch den Berichten nur ein verborgenes Pläßchen in den Spalten seines koloffalen Blattes eingeräumt, das scharfsichtige Auge des schönen Geschlechts hat sie doch herausgefunden. Daß wir jedoch das Geschwäß hier nicht weiter berühren, werden Sie gewiß in der Ordnung finden.

Da wir einmal von fortschrittlichen Associationen gesprochen, so seien hier auch gleichzeitig die „Free Love Union" und der Verein für den Fortschritt des Unterrichts erwähnt. Da inzwischen die ausführliche Besprechung des legteren Thema mich heute zu weit führen würde, so beschränke ich mich darauf, zu bemerken, daß die Frage, ob Kirche oder Staat die Schule regieren solle, erörtert wurde, ohne indeß zu einem bestimmten Resultat zu kommen; eben so wurde die Frage, ob klassische Studien praktisch feien, aufgeworfen, wie aber schon aus der Fragestellung hervorgehen kann, nur einseitig behandelt und schließlich verneint. Was hat auch Plato mit den Maschinen, Homer mit den Waarenballen zu thun? Die,,Free Love Union" (freie Liebes-Union) ist das Hirngespinnst eines gar zu sehr fortschreitenden Kopfes; zarte Rücksichten verbieten mir die Art und Weise, wie die sklavische Einhegung der Liebe und der Lod der Gefühle“, die Ehe, abgeschafft und wieder erfeßt werden soll, näher zu beleuchten; ich muß aber leider bekennen, daß gerade die Manie des Fortschritts hier solchen Samen nicht auf ganz fterilen Boden fallen läßt. Das Ganze ist übrigens eine Mischung von Fourierismus und anderen Ismussen, und begegnen wir hierbei wieder der schon öfters gemachten Wahrnehmung, daß die heranwachsende Generation Nord-Amerika's für Annäherung zur Monarchie schwärmt. (Schlußfolgt.)

"

Arabien.

Burton's Pilgerfahrt nach Medinah und Mekka.

(Schluß.)

Dank den Belehrungen Scheich Muhammed's konnte unser Reisender, ohne Verdacht zu erregen, sich in den verschiedenen Städten Arabiens aufhalten und allen Ceremonien des muselmännischen Ritus, wie fie an den hohen Fast- und Festtagen des Islam stattfinden, beiwohnen. Seine Schilderungen derselben sind ungemein lebhaft; als Probe geben wir folgende Episode aus dem Ramazan:

,,Nach dem muselmännischen Quartier zurückgekehrt, fühlt man fich betäubt durch die Mannigfaltigkeit der Löne, die aus demselben hervorschallt. Jeder spricht, und zwar immer in Extremen, entweder lispelnd oder kreischend; das Gestikuliren greift die Lunge an, und der Ausländer kann nicht glauben, daß man sich auf diese Art unterhalten tann, ohne rasend zu sein oder zu werden. Ein gellender Diskant hallt unaufhörlich durch die Straßen. In Deinen Schuß! in Deinen Schuß!" schreit ein Fellah der Schildwache zu, die ihn nach der Wache hinpeitscht, gefolgt von einem Schweif von Weibern mit dem Geheul: ,,, mein Jammer! D, meine Schande!" Die Jungen haben einen Pascha gewählt, den sie in Prozession entlang führen, mit Strohbunden oder Fackeln und Vorläufern, die ein furchtbares Hurrah erheben. „D, Deine Rechte! O, Deine Linke! O, Dein Geficht! D, Deine Ferse! D, Dein Rücken!" ruft der feuchende Lakai, der mit einer Fackel auf der Schulter vor der Kutsche eines Großen läuft; segne den Propheten und gehe aus dem Wege!",,, Allah, segne ihn!" antworten die guten Muselmänner, indem einige fich an die Mauer drücken, um dem Stock zu entgehen, und andere über den Weg ftürzen, auf die Gefahr hin, umgeworfen zu werden. Der Eseltreiber schlägt sein Thier mit einem schweren Palm-Knüttel, es mit lauter Stimme als einen „Kuppler", einen „Juden“, einen „Chriften“ und einen,,Sohn des Einäugigen, deffen Loos ewige Verdammniß ift", verfluchend.,,, Kichererbsen! O, Apfelkerne!" singt der Verkäufer von gedörrtem Korn, indem er mit seiner unschmackhaften Laft im Korbe raffelt. Aus dem Wege und sprich:,,,,Es giebt nur Einen Gott!"""" feucht der geplagte Wafferträger, mit einem vollen Schlauch auf dem Rücken, der für einen Büffel schon schwer wäre. „Süßes Wasfer und erfreue Deine Seele daran. O, Limonade!" läßt sich der Verkäufer dieses Lurus-Artikels hören, wobei er seine meffingenen Becher zusammenschlägt Dann kommen die Bettler, diese charakteristischen Figuren in einer orientalischen Scene. Mein Abendbrod ist in Allah's Händen! Was Du giebst, das wird mit Dir gehen", leiert der alte Bagabund, dessen Quersack vielleicht mehr Lebensmittel enthält, als der Marktkorb manches ehrbaren Bürgers.,,Raal' abuk — verflucht sei Dein Vater, o Bruder einer lüderlichen Schwester!" antwortet ein mürrischer Grieche, den des alten Mannes Stock berührt hat. „Das Grab ist Finsterniß, und gute Thaten find die Lampe darin!" fingt die blinde Frau, indem sie zwei Stöcke an einander schlägt. „Bei Allah! Tochter!" rufen die Herumstehenden, wenn die hartnäckige Alte ihre Hände ergreift und sie ohne eine Kupfermünze nicht loslaffen will. Bring das Süße und nimm das Volle", ruft der wilde schnurrbärtige Arnaute dem Wirthe des Kaffeehauses zu, der von den reimenden Gegenreden, die ihm so schnell von den Lippen fließen, wie bezaubert dasteht. „Hanien“ (möge es Dir angenehm sein) ist das Signal zum Wortkampf. „Du trinkft für zehn“, erwiedert der Andere, anstatt des gewöhnlichen religiösen Grußes.

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"Ich bin der Hahn, und Du bist die Henne!" ist die beißende Replik. „Nein, ich bin dick, und Du bist dünn!" verseßt der erste Sprecher, und so geht es fort, bis man zu Zweideutigkeiten kömmt, die sich nicht wörtlich überseßen lassen.

,,Und von Zeit zu Zeit erhebt sich hoch über dieses Getöse die melodische Stimme des blinden Muezzin, der von dem Balkon des überhängenden Thurmes ausruft: „Eilet zur Andacht! Eilet zur Seligkeit! Andacht ist besser als Schlaf! Andacht ist besser als Schlaf!" Dann stehen die frommen Muselmänner auf und murmeln vor dem Gebet: „Hier bin ich Deinem Rufe gemäß, o Allah! Hier bin ich Deinem Rufe gemäß!"'

Wir übergehen die mancherlei bald luftigen bald bedrohlichen Abenteuer, die ihm auf dem Zuge von Jambu bis El-Medinah aufftießen, und kommen auf das Bild, das er von der Gesellschaft in der heiligen Stadt entwirft:

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„Es ist üblich, daß alle Verwandten und Freunde den Rückkehrenden von einer Reise noch an demselben Tage besuchen. Und so stan den die Pfeifen gestopft, die Divans in gehöriger Ordnung, und der Kaffee fiedete auf einem Kohlenbecken am Eingange. Kaum hatte ich auf dem kühlen Fenstertritt den bequemßten Plaß genommen, als die Besucher hereinströmten. Der Scheich" Hamid, der Reisegefährte Burton's, bei dem dieser gaftliche Aufnahme gefunden — „erhob sich, Fie zu bewillkommnen und zu umarmen. Sie ließen sich nieder, rauchten, plauderten von Politik, erkundigten sich nach den anderen Karawanen-Genoffen und abwesenden Freunden, tranken Kaffee, und nach einem halbstündigen Besuche standen sie plöglich auf und entfernten sich unter gegenseitigen Umarmungen. Wie gewöhnlich war der heilige Krieg der Hauptgegenstand der Unterhaltung. Der Sultan hatte den Zar aufgefordert, den Turban zu nehmen. Der Zar hatte um Frie den gebeten und Tribut und Lehnstreue angeboten. Allein der Sul tan hatte ausgerufen: Nichts da, bei Allah! der Islam! Es ließ fich nicht erwarten, daß der Zar einen solchen Schritt ohne einigen Anstand thun würde; aber „Allah schlug das Angesicht der UngläuBigen!

...

„Abdul Medschið wird in kurzem mit den „Moskovs" fertig wer den, dann seine fiegreichen Waffen gegen alle Gößendiener von Feringiftan wenden, mit den Engländern den Anfang machen und der Reihe nach die Franzosen, die Arom oder Griechen u. f. w. zu Boden werfen.“ Fast der ganze zweite Theil des Burtonschen Werkes ist einer topographischen Beschreibung Medinahs und der Merkwürdigkeiten dieser Stadt gewidmet: ein Thema, das um so mehr Interesse hat, da Burckhardt durch Krankheit außer Stand gesezt war, uns einen genauen Bericht darüber zu liefern. Von der Hudschrah oder dem Gemach, das das Grab des Propheten und seiner Gefährten enthält, das Burton, nach den üblichen Ceremonien und angethan mit den ,,bei dem Propheten beliebten" weißen Gewändern, besuchte, giebt er folgende Schilderung:

"Im Innern befinden sich, oder sollen sich befinden, drei Gräber mit der Fronte nach Süden, von Mauern ohne Deffnung, oder, wie Andere behaupten, von einem starken Pfahlwerk umgeben. Die Außenwand ist mit Vorhängen bekleidet. Um das Ganze läuft ein eisernes Doppelgitter, mit einem engen dunkeln Gang zwischen beiden; durch die feine Filigran-Arbeit des äußeren Gitters, von lebhaft grasgrüner Farbe, winden sich die langen und anmuthigen, vergoldeten Buchstaben der Sul-Schrift, die das muhammedanische Glaubensbekenntniß und andere religiöse Sprüche bilden; an der Südseite ist das Gitter versilbert. Der Zutritt in das Innere ist keinem Menschen gestattet. Die Umhegung hat vier Thore: in Süden das Bab-el-Muwajihah, in Often das Bab-el-Fatimah, in Westen Bab-el-Taubah (das Thor der Buße), das in den Rauzah oder Garten öffnet, in Norden das Bab-el-Schami oder das syrische Thor. Sie bleiben beständig verschlossen, mit Ausnahme des vierten, das in den oben erwähnten dunkeln Gang führt und das sich den Auffehern der Schäße, die hier aufgehäuft sind, so wie den Verschnittnen öffnet, die den Boden zu fegen, die Lampen anzuzünden und die Geschenke aufzunehmen haben, welche von den Frommen hineingeworfen werden. An der Südseite find vier oder fünf Fuß hoch vom Boden drei etwa einen halben Quadratfuß große Deffnungen in der Mauer; die westlichste soll dem Grabe Muhammed's — daher: Schubak-el-Nabi, das Propheten-Fenster- die nächste, zur Rechten des Beschauers, dem Grabe Abubekr's und das östlichste dem Omar's entsprechen.

Ueber der Hudschrah wölbt sich der grüne Dom, mit einem großen vergoldeten Halbmond an der Spiße, der aus einem Kranz von Kugeln hervorragt. Die glühende Einbildungskraft der Moslems schmückt denselben mit einer Säule himmlischen Lichts, die auf drei Tagereisen weit den Pfad der Pilger nach Medinah erleuchtet. Leider genießen nur heilige Männer oder die mit wunderlichen Sinnen Ausgestatteten das Vorrecht, diesen poetischen Glanz zu schauen.“

Jedenfalls ist ein Besuch in des Propheten Moschee ein kostspieliges Ding; denn außer den Geschenken an die Wärter wird man von dem Bettlerschwarm, von dem der Plaz wimmelt, gehörig in Contribution geseßt. Indeffen stellt der Verfaffer die Vermuthung auf, daß sich das Grab des Propheten nicht in der Moschee zu Medinah be= findet.

„Obgleich", sagt er, „jeder Muselmann, Schriftgelehrter oder Laie, den festen Glauben nährt, daß Muhammed's Afche in der Hudschra zu Medinah begraben liegt, so kann ich doch nicht umhin, den Verdacht zu hegen, daß die Stätte wenigstens eben so zweifelhaft ist, als die des heiligen Grabes in Jerufalem. Man muß bedenken, daß ein großer Tumult der Ankündigung vom Tode des Propheten folgte, indem das Volk, das ihn für unsterblich hielt, sich weigerte, dem Gerüchte zu trauen, und Omar sogar Jedem den Untergang drohte, der solches zu behaupten wage. Ueberdies war die Leiche noch nicht kalt, als schon der Streit wegen der Nachfolge zwischen den Flüchtlingen von Mekka und den Hülfstruppen von Medinah entbrannte, während deffen, den Schiahs zufolge, man das Haus des Ali und der Fatima kaum einige Fuß von der Stelle, welche man jeßt für das Grab des Propheten ausgiebt — in Brand zu stecken drohte und Abubekr an demselben Abend zum Chalifen wählte. Wenn es Jemand Wunder nehmen sollte, daß die lezte Ruhestätte einer so wichtigen Persönlichkeit nicht für ewige Zeiten festgestellt wurde, so kann er manchen ganz ähnlichen Fall in Medinah finden. Um anderer nicht zu erwähnen, wird z. B. von drei verschiedenen Stellen die Ehre in Anspruch genommen, die fterblichen Ueberreßte der Fatima in sich zu schließen, obgleich man vermuthen müßte, daß die Tochter des Propheten und Mutter der Imam nicht in einem unbekannten Grabe ruhen würde. Die Gründe für meine Ungläubigkeit sind folgende:

,,I. Von den frühesten Zeiten an war die Gestalt des Grabes des Propheten im Islam nie allgemein bekannt. Aus dieser Ursache wurden die Gräber in einigen Ländern konver und in anderen flach gemacht; wäre ein Sunnat da gewesen, so hätte man darüber nicht im Zweifel sein können.

II. Die Nachrichten der muhammedanischen Gelehrten wider Streiten sich; ja, El Samasudí, vielleicht die beste Autorität, ist mit

sich selbst im Widerspruch. An einer Stelle beschreibt er den Sarg; an einer anderen erklärt er ausdrücklich, daß er die Hudschra besucht habe, als sie von Kaid-Bey ausgebeffert wurde, und daß er inwendig drei tiefe Grüfte, aber keine Spur von Grabmälern fah. Es hatten sich daher entweder - dem muselmännischen Aberglauben zum Troß — die Gebeine des Propheten mit dem Staube vermischt (was, nachdem fie beinahe 900 Jahre in der Erde gelegen, ein wahrscheinlicher Umstand ift), oder, was noch eher zu vermuthen, sie sind von den schiitischen Schismatikern, die Jahrhunderte lang die Bewachung des Grabes hatten, fortgeschafft worden.

III. Und endlich kann ich die Sage von dem blendenden Licht, welches das Grab des Propheten umgeben soll und jeßt auf Autorität der Eunuchen-Wächter, die doch selbst wissen müffen, daß die Angabe falsch ist, allgemein geglaubt wird, nur als einen priesterlichen Kunstgriff betrachten, den man in der Absicht erfunden hat, einer näheren Untersuchung vorzubeugen."

Außer dem wirklichen oder dem eingebildeten Grabe Muhammed's darf ein frommer Zair oder Wallfahrer es nicht unterlaffen, die Chamfah Mesdschid, die fünf Moscheen, den Friedhof el Bakia und das Grab des Märtyrers Hamzah, am Fuße des Berges Ohod, zu besuchen. Vor der Thür der leztgenannten heiligen Stätte,,zog der Araber mit großem feierlichen Wesen einen Bund wunderlich gearbeiteter Schlüffel aus seiner Tasche und schärfte mir ein, weit von der Thür weg stehen zu bleiben. Als ich murrend gehorchte, begann er an den Schlössern zu raffeln, öffnete sie langsam, schüttelte fie und machte möglichst viel Geräusch. Der Grund dieser Vorsichtsmaßregel ist der Glaube, daß die Seelen der Märtyrer, wenn sie ihre leblosen Wohnungen verlassen, gern beisammen fißen in geistiger Unterhaltung, und es sei ungeziemend, daß profane Blicke auf diese Zusammenkünfte fallen. Welche Bilder sehen diese phantasiereichen Araber! Denkt Euch die majestätischen Gestalten der Heiligen - denn die Seelen sind bei den Muhammedanern, wie die Geister der alten Europäer unstoffliche Dinge in der Gestalt des Leibes mit ihren langen grauen Bärten, ihren ernsten Gesichtern, ihren feierlich blickenden Augen, wie fie unter den Palmen ruhen und sich über Ereignisse besprechen, die nun seit einem Jahrtausend in Dunkelheit begraben sind!"

Burton meint mit Recht, so lange wir unser tausend und einen Aberglauben haben: Irland seine banshees (die todtverkündenden Feen), Schottland sein zweites Gesicht, Frankreich seinen Wärwolf, Italien und Spanien ihre blutenden Bilder und winkenden Madonnen; so lange das Tischdrehen praktizirt wird und die gebildete Welt an Hellsehen und Klopfgeister glaubt: so lange steht es dem civilifirten Europa nicht zu, über diese großartigen alten Fabeln der Moslems zu lachen. Die Madani oder Bewohner der heiligen Stadt Medinah genießen gewiffe Vorrechte. Wenn z. B. einer nach Konstantinopel reisen will, so werden ihn von der Regierung nach Rang und Stand Reisekosten gewährt. Burton beschreibt die Bevölkerung als anständig, höflich und wohlgesittet. Wie sie über die Frauen benken, zeigt fol gende eben nicht galante Illustration der sechs Stationen des weiblichen Lebens:

Von 10-20 eine Augenluft des Beschauers.

=

20-30 noch immer hübsch und voll an Fleisch.
30-40 Mutter einer Knaben- und Mädchenschaar.
40-50 ein alt Weib trüglichen Sinnes.

50-60 abzuschlachten mit einem Meffer.
60-70 Allah's Fluch über fie männiglich!

Am 1. September verließ Burton El-Medinah, um mit der Damastus-Karawane nach Mekka zu reifen.

Ich hatte alle Ursache, mir zu der überstandenen ersten Gefahr Glück zu wünschen. Metka ist der Küste so nahe, daß der Reisende, wenn entdeckt, in wenigen Stunden nach Jeddah entwischen kann, wo er durch den englischen Vice-Konsul bei den türkischen Behörden Schuß oder möglicherweise bei einem britischen Kreuzer im Hafen Aufnahme fände. In Medinah aber würde eine Entdeckung schon weit bedenklicher sein. Die nächste Gefährde, die mir bevorstand, war auf der Reise zwischen den beiden Städten; denn hier haben die lokalen Beam. ten das bequemste Mittel, einen verdächtigen Reisenden ohne Aufsehen aus der Welt zu schaffen: für einen Piafter that es jeder Beduine." Der nächstens erscheinende dritte Band des Werkes beschreibt die Wallfahrt nach Mekka, auf die wir zurückkommen werden.

Frankreich.

Philosophie und Christenthum.

Die religiösen Bestrebungen in Frankreich haben sich durch ein merkwürdiges Buch bekundet, deffen Verfasser ein Friedensrichter zu

Bordeaux, August Nicolas, ist.) Es ist in Deutschland noch wenig bekannt geworden, obgleich sein Inhalt sehr bedeutend ist. Man muß die tiefen Studien des Verfassfers bewundern, der alle Schriftgelehrten und Kirchenväter, alle Philosophen alter und neuer Zeit, alle Dichter und auch eine Schriftstellerin, sogar alle Deisten und Atheisten studirt hat, um sie als Zeugen für die Wahrheiten des Christenthums aufzurufen. Voltaire und Rousseau findet man unter ihnen, auch Georges Sand mit ihrem Ausspruche: „Die Liebe ist der heilige Drang unserer Seele zu dem Unbekannten“ (in dem Roman „Lelia“). Auch Napoleon tritt hier auf mit seinen Betrachtungen über das Evangelium, die er auf St. Helena ausgesprochen:,,Das größte Wunder Chrifti ist das Reich der Liebe, das er geschaffen.“

Obgleich der Verfaffer sich zur katholischen Religion bekennt und der Erzbischof von Bordeaux sowohl, wie der berühmte Pater Lacordaire, sein Buch genehmigt und empfohlen haben, so ist er doch weit entfernt, eine blinde Unterwerfung zu verlangen; vielmehr betrachtet er die Philosophie als die Helferin der Religion, aber nicht eine solche Philosophie, die, von allen Fähigkeiten und Kräften unserer Seele abftrahirend, ihr nur ein Organ, den Verstand, läßt und „,darum zum Verderben führen muß." Plato ist das menschliche Vorwort des Evangeliums und jeder wahre Philosoph ein entwickelter Gläubiger. Die Frömmigkeit ist Gerechtigkeit gegen Gott schon nach Cicero's Ausspruch und das Christenthum der Inbegriff aller Systeme der Moral und Philosophie. Die Erlösung hat uns Gott zum Eigenthum ge= geben und seine höchste Verheißung ist die Gemeinschaft mit ihm, keine andere Religion gewährt sie. Die europäische Civilisation entsprang aus dem Christenthum und kann nie wieder untergehen, weil das allgemeine Bewußtsein durch sie christlich geworden ist. Die göttliche Wahrheit ist jegt das innere Leben unserer Geseze, alle Sünden und Lafter sind nur noch Privatverbrechen. Dem Chriftenthum fann der Zweifler nichts vorwerfen als seine Mysterien, und diese werden alle dadurch gelöst, daß Chriftus Gott."

Das sind die Ansichten des Verfassers, mit Klarheit und Enthufiasmus vorgetragen. In seiner Parallele der Baukunft des Alterthums und der des Christenthums sagt er, feiner Bestrebung getreu: In der griechischen Baukunst ist Formenschönheit; sie wurde nach dem Fleische gebildet, jedoch spricht sich in ihren höchsten Meisterwerken eine Reminiscenz des goldenen Zeitalters, des Zustandes vor der Sünde, aus. In der chriftlichen Baukunft dagegen begegnen wir einer Ahnung göttlicher Zukunft. Erftere eignet sich trefflich zu einem Theater, einer Börse, einem Palaßt, aber sie verhöhnt den Schmerz, das Opfer, den Glauben, die Hoffnung und alle geistigen Richtungen; diese bedürfen der gothischen Baukunft, des himmelanstrebenden von festen Pfeilern getragenen Domes." E. von Hohenhausen, geb. von Ochs.

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Armenhäusern ...

Farb. Eingew. 10, 18 .. 3,551

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Aus diesem Verhältnisse in Zufluchts- und Armenhäusern ergiebt fich allerdings, daß die Eingeborenen weißen Stammes viel wohlhabender als die Farbigen und Eingewanderten find, was zum Theil auch eine Erklärung dafür liefert, warum unter ihnen weniger Verbrechen und Vergehen vorkommen. Der auffallende Umstand, daß sich in den Armenhäusern mehr Eingewanderte, als freie Farbige befinden, wird dadurch erklärt, daß in mehreren Staaten die Farbigen in Armenhäuser gar nicht zugelassen werden. Das Verhältniß derjenigen, welche nicht schreiben und lesen können, stellt sich folgendermaßen her. aus: 1 Eingeborener, 5,.. Farbige und 2,.. Eingewanderte.

*) Philosophische Studien über das Christenthum. Vier Bände. Ueberseßt nach der siebenten Auflage. Paderborn. Schöningh.

Böchentlich, erscheinen 8 Nummern. Breis jährlich 3 Thlr. 10 gr., halbjährlich i Tblr. 20 Sgr. und vierteljährlich 25 Sgr., wofür das Blatt im Inlande portofrei und in Berlin frei Ind Haus geliefert wird.

No 125.

für die

Bestellungen werden von jeder deutschen Buchhandlung (in Berlin bei Beit u. Comp., Jägerftt. Nr. 25, und beim Spediteur Neumann, Niederwallstr. Nr.21), so wie von allen königl. Boft-Aemtern" angenommen.

Literatur des Auslandes.

Rußland.

Berlin, Donnerstag den 18. Oktober

Aus dem Tagebuche eines Verbannten im Kaukasus.
(Nach polnischen Quellen.)

1. Vom Don nach Stawropol.

So ziemlich auf der Hälfte des Weges, welcher von Ro stov am Don nach Stawropol führt, erhebt sich ein Hügel und auf diesem ein Pfeiler. Er bezeichnet die Gränze zwischen dem Lande der donischen Kosaken und den kaukasischen Provinzen. Ich werde nie den Augenblick vergessen, als wir an diesem Punkte Halt machten. Obgleich wir kaum den Frühling hinter uns hatten, so brannte doch die Sonne schon mit wahrhaft tropischer Gluth, und der Schweiß ergoß sich in Strömen über unsere verbrannten und mit Staub bedeckten Gesichter. Noch einen Schritt vorwärts, und wir standen in einem anderen Welttheile, hatten das alte Europa mit seiner Civilisation und dem Glanze chriftlicher Aufklärung, mit allen seinen Vorzügen und Mängeln im Rücken.

Es hatte sich unser Aller eine eigenthümliche Stimmung be mächtigt; wir waren nachdenkend und schweigsam und fühlten wohl die hohe Scheidewand, welche sich fortan zwischen uns und demjenigen aufthürmen würde, was wir im Vaterlande Liebes und Theures zu rückgelaffen hatten. Noch einen Blick zurück, und wir sahen die in unendliche Ferne sich hinziehende Steppe mit ihren fandigen Kurganen, die vielleicht der Hand des Menschen, vielleicht auch nur einem heftigen Wirbelwinde ihr Entstehen verdankten, erkannten die Niederlassungen der donischen Kosaken, welche, so zu sagen, den Vorhof Afiens bilden. Es war noch der Welttheil, dem wir angehören, und doch 'trug schon Alles, die Stanißen (Kofakendörfer), die Gegend umher und das, was in ihr lebt, den Charakter des Orients. Das Volk scheint mit dem jenigen Klein-Rußlands und der Ukraine verwandt, und doch herrscht in ihm ein anderer Typus; betrachtet man diese von Rabenhaaren eingefaßten Gesichter mit den schwarzen, funkelnden Augen, so denkt man eher an den märchenreichen Often oder den brennenden Süden, als an die slavischen Ebenen, welche von einem Stamme bewohnt sind, der sich von anderen durch weiße Gesichtsfarbe, blaue Augen und blondes Haar unterscheidet.

Die Steppe, welche uns ringsum umgab, war eben wie eine Tischplatte, und wo möglich noch einförmiger, als diejenige, durch welche der Weg uns bereits geführt hatte; das Grün zeigte auch nicht die geringsten Schattirungen. Wir mochten, nach kurzer Raft, kaum zwanzig Schritt gegangen sein, da erhob sich, bei vollkommen ruhiger Atmosphäre, plöglich ein heftiger Wirbelwind, der den Sand auf dem Wege vor uns in schnellen Kreisen herumtrieb und aus diesem zuleßt einen umgekehrten Kegel bildete, der majestätisch vor uns herzog und gleichwie früher die Kinder Israel's durch die Wüste (2. Mos. 13, Vers 21) uns gewissermaßen in den fremden Welttheil einführte. Er verschwand zulegt in den Wolken, doch bald trat ein anderer an seine Stelle, der das Amt des Zugführers übernahm, und wir waren wirk lich versucht, in der für uns so ganz neuen Erscheinung Geister zu vermuthen, welche unter dem Zischen und Heulen der Windsbraut uns unsichtbar geleiteten.

Allmählich fing die Landschaft, durch welche unser Weg führte, an, sich zu beleben, und wir erblickten in der Tiefe der grünen Steppen ungeheure Heerden weißer Schafe und Rindviehs. Einem von der Hand des Menschen bearbeiteten Acker begegnet man nur selten; der Boden, obgleich fett und voll Tragfähigkeit, liegt unbenügt und liefert, ftatt reichlicher und hier so leicht zu erzielender Feldfrüchte, nichts als Viehfutter. Von Bäumen ist eben so wenig eine Spur zu finden, denn das Holz fehlt der Steppe und Klein-Rußland eben so sehr wie gutes Waffer. Trifft man irgendwo einen Brunnen an, so ist deffen Waffer salzig und bitter, wie dasjenige der Bäche unrein und fumpfig. Die lettere Erfahrung machten wir gleich im ersten Dorfe, deffen Namen dem Flüßchen entlehnt ist, das durch daffelbe fließt und stinkender (Bоночiй) Jegorlik heißt. Das langsam über einen Moosboden dahin schleichende Wasser war grünlich und verdiente seinen Beinamen in jeder Hinsicht.

1855.

In dem genannten Dorfe famen wir kurz vor Abend an und mach ten daselbst Halt. Die weiß angestrichenen Bauernhütten mit ihren reinen Fensterchen und netten Gärtchen machten auf uns einen recht angenehmen Eindruck; sie erinnerten lebhaft an die Dörfer Klein-Rußlands und der Ukraine und uns zugleich an die dort heimische Gaftfreundschaft, welche wir, als wir erst den Don überschritten hatten und Aufnahme bei den unfreundlichen Kosaken suchen mußten, so schmerzlich vermißten. Wir waren kaum am ersten Häuschen angelangt, so trat uns auch schon der Aufseher (comeкïй) mit dem Zeichen seiner Würde, einem langen Stocke, entgegen und bezeichnete uns die Stellen, wo wir übernachten sollten. Natürlich war Jeder von uns neugierig, sein Quartier, so wie deffen Bewohner, kennen zu lernen; wir trennten uns daher schnell, doch mit der Verabredung, recht bald wieder zusammenzukommen, und dann sowohl einen sicheren Plag für Pferd und Wagen aufzusuchen, als auch über die Abendmahlzeit, deren wir nach eintägigem Marsche sehr bedürftig waren, zu berathen. Ueber Eines und das Andere hatten wir diesmal nicht nöthig uns den Kopf zu zerbrechen, denn es war dafür gesorgt, sobald ich mit meinem Fuhrwerk auf dem Hofe meines Wirthes anlangte.

Der Mann, als deffen Gast ich mich meldete, war gleich von der ersten Begrüßung an die Freundlichkeit, die Zuvorkommenheit selbst. selbst. Er nahm sofort mein Pferd an der Leine, führte es in den Stall, um ihm dort Heu vorzuwerfen, und befahl dann seiner Frau, den cдуживый (sо nennt man dort den Soldaten) mit Speise und Trank zu versehen. Als meine drei Kameraden sich zur verabredeten Sigung einstellten, war ich, ausgerüftet mit einem hölzernen Löffel, bereits in voller Thätigkeit über einer aus Runkelrüben und Sauerampfer zubereiteten, mit Schweinefett geschmälzten und durch Dill gewürzten, fauren Suppe, die ich mit der Gier eines Menschen verschlang, der, ohne etwas zu sich zu nehmen, fünfundzwanzig Werft zu Fuß zurückgelegt hatte.

„Gieß doch noch Suppe zu und gieb noch ein paar Löffel, Olona" — sagte mein Wirth, als er wieder hereinkam und die neu Angekommenen bemerkte,,die Herren verschmähen vielleicht nicht unsere schlichte Bauernkoft." Das ließen sich denn auch die „Herren" nicht zweimal bieten; schnell faßen sie um die dampfende Schüffel herum und arbeiteten so wacker darauf los, daß die massiven Holzlöffel unter den Zähnen ordentlich krachten. Sehr bald waren wir auf dem Grunde des Gefäßes angekommen und bekannten sämmtlich, die einfache, gern gereichte Koft habe uns beffer gemundet, als früher die ausgesuchtesten Gerichte in den feinsten Restaurationen der Hauptstadt.

Nach dem zu schließen, wie das Haus meines Wirths sowohl, als auch die übrigen herausgepußt waren, mußten wir im Dorfe auf einen Feiertag getroffen haben. Die Kinder, deren sich mehrere auf dem Flur und in der Stube herumtrieben, waren recht nett gekleidet; die jungen Mädchen (Moлодииы) zeigten sich in leinenen, blendend weißen Hemden mit allerlei künstlichen Stickereien in rother Farbe, Alles von eigener Arbeit, und den wohlgestalteten Burschen leuchteten die Kraft und der Frohsinn der Jugend aus jedem Zuge. Uns schien es, als ob wir eine ganz andere, so recht belebende Luft einathmeten, und unser Wirth gab sich sichtlich Mühe, ein trauliches Gespräch in Gang zu bringen, bei dem er einmal über das andere die Hände über dem Kopfe zusammenschlug, als er erfuhr, wie weit wir herkämen.

Gegen Abend war das ganze Dorf in Bewegung, und die räftigen Bauerburschen, die rothwangigen Dorfschönen zogen schäfernd und lachend durch die Häuserreihen auf und ab. Gern hätten wir uns in das bunte Treiben gemischt, kamen jedoch bald von diesem Wunsche zurück, da wir, bei den jungen Leuten wenigstens, durchgehends auf eine gewisse Zurückhaltung, ja, selbst auf Mißtrauen und Abneigung gegen Soldaten stießen. Bei den Alten war es anders; fie, mein Wirth an der Spize, suchten Alles hervor, um uns zu unterhalten. Als ich nach Hause zurückkehrte, fand ich in der Stube ein gutes Bett aufgeschlagen, das ich jedoch, zum großen Leidwesen meiner Wirthsleute, nicht benußen wollte, wobei ich erklärte, ich ziehe es vor, unter freiem Himmel, und zwar auf meinem Lederkissen, zu schlafen. Der gute Alte sparte nun zwar weder Bitten, noch Vorstellungen, um mich von diesem Vorfaße zurückzubringen; da er jedoch sah, daß

seine Worte vergeblich waren; so ließ er vom weiteren Zureden ab und geleitete mich hinter das Haus zu einem mächtigen Heufchober, auf den er hinauffletterte, über dessen Gipfel er ein reines Betttuch ausbreitete, Kissen und Mantel zurechtlegte und mir dann mit freundlichem Händedruck gute Nacht wünschte. Die glaubte ich in der That erwarten zu dürfen, denn mir war, als sich meine müden Glieder in die Heumaffe versenkt hatten, höchft behaglich zu Muthe. Ich be trachtete noch eine Weile das dunkle Himmelsgewölbe mit seinen Millionen funkelnder Sterne über mir und schwebte dann unter den von fern her tönenden Liedern der fröhlichen Jugend hinüber in das Wunderland der Träume.

Die Sonne hatte schon ein gutes Stück ihrer täglichen Laufbahn zurückgelegt, als ich auf den mehrmals wiederholten Ruf der Kameraden erwachte. Gleichwie vom hohen Olymp herab, sah ich, daß Alles schon gepackt und auch das Pferd bereits angeschirrt war; ich verließ deshalb schnell mein Lager, welches vermittelst einer Rutschpartie bewerkstelligt wurde, und stand bald in der Stube meines Wirths, wo schon eine Schüffel in Milch gekochter Hirsegrüße unser wartete. Für so vielfach erwiesene Freundlichkeit glaubte ich nicht Schuldner bleiben zu dürfen und zog deshalb meine Börse; doch da wurde der Alte förmlich böse und wollte es selbst lange nicht leiden, daß wir den Kindern wenigstens ein kleines Andenken zurückließen. Gott giebt's ja auch umsonst“, sagte er mehrmals und reichte uns zulegt noch ein Brod und ein tüchtiges Stück Speck, den Leckerbiffen der kleinruffischen Bauern, in den Wagen.

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Der Morgen war herrlich und der Himmel vollkommen wolkenlos, allein sein Blau matt und weit weniger dunkel, als in den nörd licher gelegenen Gegenden. Die Steppe prangte in üppigem Grün, doch selten nur sah man Stellen, wo Pflug oder Spriet sie aufgewühlt hatten. Der Ackerbau scheint hier ganz vernachlässigt, dafür aber der Viehzucht große Sorgfalt gewidmet zu werden, denn wir begegneten häufig Schaf- und Rinderheerden von mehreren Tausend Stück. Mit der gewonnenen Milch wissen die Leute nichts Befferes anzufangen, als daß fie sie selbst verbrauchen; Butter oder Käse machen sie nicht daraus und hätten dafür auch wohl keinen Absah.

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Je höher die Sonne stieg, desto größer wurde auch die Hiße: wir waren im Schweiße förmlich gebadet, und auch unser armes Pferd schleppte seine Laft nur mühsam und keuchend weiter. Der Waffervorrath in unserem Flaschenkürbis war bald erschöpft, die Dörfer meist fünfundzwanzig bis dreißig Werft aus einander gelegen, und hatte man endlich ein solches glücklich erreicht, so war eben so wenig ein Wirthshaus, wie ein Brunnen, oder ein Bach zu finden. Der Durst hatte uns bereits lange schon aufs fürchterlichste gequält, da wer beschreibt unser Entzücken - entdecken wir plöglich in scheinbar nur geringer Entfernung eine vom Winde leicht bewegte blaue Wasser fläche. Ein See" riefen wir Alle wie aus einem Munde und ftrengten die lezten Kräfte an, um das Element, das uns erfrischen sollte, so schnell als möglich zu erreichen. Wir schritten rüftig vorwärts, doch das Ziel, auf welches wir zugingen, wollte sich nicht nähern, ja, es schien sogar manchmal, als ob es in weitere Ferne rückte. Je weiter wir marschirten, desto öfter blickten wir einander fragend und zweifelnd an; doch die Verlockung war zu groß, um die Hoffnung schwinden zu laffen, und die Enttäuschung folgte erft, als der einladende Wasserspiegel vor unseren Augen wie Nebel zerfloß. Was wir gefehen hatten, war eine hier häufig genug vorkommende Luftspiegelung, ein die armen Menschenkinder äffendes Phantom, von dem unser Führer, welcher schon bei den ersten Ausbrüchen unserer Freude ungläubig den Kopf geschüttelt hatte, Manches zu erzählen wußte und uns dadurch wahrscheinlich die Genugthuung verschaffen wollte, zu wissen, daß wir nicht die einzigen Betrogenen seien.

Als ich" so theilte er uns mit ,,mit einer Abtheilung am Terek stand, sah ich plöglich in der Ferne einen prächtigen mit sechs Pferden bespannten Wagen. Auf dem Bocke saß ein reich betreßter Kutscher, hintenauf standen Jäger und Lakai, und im Fond befanden fich zwei elegant gekleidete Damen. Der Wagen fuhr einer Gegend zu, von der wir wußten, sie sei nicht geheuer; ich vermuthete, er gehöre einem unserer Generale und machte mich deshalb mit meinen Kameraden schnell auf den Weg, um ihm als Schuß zu dienen. Wir marschirten und marschirten, und als wir bereits ein gut Stück Weges zurückgelegt hatten, war mit einem Male das ganze Fuhrwerk verschwunden, wir dagegen hatten für unseren guten Willen nichts weiter als müde Knochen wie jest Jhr!"

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(Fortseßung folgt.)

Nord-Amerika.

Amerikanische Monats - Berichte.
(Schluß.)

Der zurückgelegte Monat hat von Literatur Weniges gebracht, was allgemeines Interesse erregen könnte, wohl aber Einiges, was Streif

lichter auf amerikanisches Geistesleben wirft. Hierbei stehen die Memoiren James Gordon Bennett's, des Herausgebers und Redacteurs des New-York Herald, oben an. Von den Memoiren Barnum's eben so weit entfernt, wie von denen Véron's, giebt das Buch uns eine ziemlich schmucklose Darstellung von dem Leben dieses rüftigen Schotten, der, ungestüm die Fesseln der Schule und des häuslichen Zwangs abstreifend, in Amerika seine Laufbahn fuchte und fand. Zuerst Lehrer in Halifar, wurde er auch dieses Zwangs bald überdrüffig, und mit einem tecken go-ahead ging es nach Boston, wo er hungerte und bettelte, bis er eine Korrektorstelle in einer Druckerei fand, die ihm jedoch kaum fo viel einbrachte, um Körper und Seele vereint zu halten. Später zum Uebersezer befördert, fand er bald Gelegenheit, sich höher zu schwingen; er machte sich in New-York zuerst durch seine Vorlesungen über Staats-Dekonomie bemerklich, und nachdem er Mitarbeiter verschiedener Journale gewesen, gab er 1835 zuerst den New-York Herald als sein eigenes Blatt heraus. Sein Blatt ist nun das weitverbreitetste der amerikanischen Presse. Er ist jezt ein steinreicher Mann, aber mehr von Feinden wie von Freunden umgeben. Die Unverzagtheit, seine treue Begleiterin auf dem Lebenswege, hat ihm auf seiner journalistischen Bahn bittere Feinde zugezogen; abwechselnd tapfer, tollkühn und frech, verräth er seine hochländische Abkunft durch den ftarren Grimm, womit er den Beleidiger bis zum leßten Blutstropfen verfolgt. Ich glaube, daß er nur der Gewandtheit, alle Waffen zu handthieren, den Einfluß verdankt, den er sich allmählich über die Nation errungen. Bennett ist, obgleich von Geburt ein Schotte, seinem ganzen Wesen nach Amerikaner, und könnte der Knownothing-Orden unbeschadet seiner Statuten ihn als Vollblut in fein Gehege aufnehmen. Mit Recht sagt er in seinen Memoiren, die er scheinbar einer britten Feder entfließen läßt, daß er dem Beobachter ein unauflösliches Räthsel sein müsse; weiß aber der Beobachter, wie die Journale hier zeitweilig von den verschiedenen Parteien in Pacht genommen werden, daß der Redacteur die Fahne emporhält, welche für ihn augenblicklich den besten Traglohn abwirft, so ist das Räthsel nicht mehr so unlöslich. Doch gleichviel, Bennett hat viel mehr Anspruch auf Beachtung, als sein Gegner Barnum; er repräsentirt den Yankee mit seinem unermüdlichen Streben nach Erfolg und Geld, mit allem Aufwand seiner Geisteskräfte weit mehr, als der phantastische Barnum mit seinen Gaukeleien.

Die schreibselige Familie Beecher ist unter der vorliegenden Literatur wieder durch die ,,Letters to the People on Health and Happiness", von Katharina Beecher, vertreten, jedoch diesmal ohne ihren Strahlenkranz sonderlich zu mehren. Die Erörterung des gewiß be deutenden Themas noch aufschiebend, sei hier nur bemerkt, daß das Werk an großer Unklarheit leidet und mehr wie monoton und einförmig sich hinschleppt. Brächte das Ermahnen der guten Frau indeß zu Stande, daß die amerikanischen Küchen unseren Teller, statt mit munter hüpfenden und springenden Erbfen und dem Naturzustande allzu nahem Schweinefleisch, mit gut und mit Geduld zubereiteten Speisen versähen, wir würden ihr innig Dank wiffen.

Derby schildert in seinem „Female Life among the Mormons" mit sehr stark aufgetragenen Farben die Schattenseiten Deserets. Hätten die emanzipirten Damen diese Schrift zur Basis ihrer Besprechungen gemacht, sie hätten wohl allerwärts Zustimmung gefunden; aber es geht jenen wie den Kommunisten, welche die Aufgabe, dem dar. benden Arbeiter das Leben erträglich zu machen, für viel zu leicht halten und lieber der unlöslichen Aufgabe, wie Allen das Dasein be. quem herzustellen, nachgrübeln. Der Amerikaner kann übrigens den ziemlich dürren Worten des Verfassers entnehmen, zu welchem Vorwand die Religion in seinen Gränzen gemißbraucht wird, und daß auch seine Nation schlimmem Irrthum unterworfen sein kann.

Die Kriegsliteratur ist nun auch durch ein amerikanisches Buch, A Visit to the Camp before Sebastopol", von M'Cormick, reicher, das zwar nichts Neues bringt, aber in unverblümter Sprache lebenskräftige Schilderungen liefert. Als echter Amerikaner findet M'Cormick natürlich an den Engländern viel zu tadeln, an den Franzosen viel zu loben. Ueber Panama ist ein originelles Werkchen voller Anekdoten, aber ohne besonderen Werth, von Tomes, erschienen. Als Uebersegung ist vornehmlich zu erwähnen aus dem Französischen von Bungener, eine „History of the Council of Trent".

Von allgemeinem Intereffe ist der Atlas von Colton, dem vornehmlich die Aufgabe gestellt war, die Lücken in Amerika's Geographic zu beseitigen, dem er auch ziemlich nachgekommen ist. Das Werk ist mit den gebräuchlichen Uebersichten der Botanik, Zoologie und Ethnographie gut ausgestattet.

Ich kann meinen Bericht nicht schließen, ohne des bevorstehenden Auftretens der Mile. Rachel auf der amerikanischen Bühne zu geden ken. Werden das Resultat der Kunstreise für Rachel strogende Geldfäcke, fürs amerikanische Publikum Verfeinerung des Geschmacks sein? Schwerlich; der Yankee zieht nach einem raftlosen, mühevollen Lag der Arbeit das leichte Dessert der Bühne, Poffen und Schwänke, der schweren Koft klassischer Gerichte vor; der Pariser mag nach einem

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