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Die Geschichte der Poesie, nach Karl Rosenkranz.*)

Im Jahre 1832 gab Karl Rosenkranz ein Handbuch der allge meinen Geschichte der Poesie in drei Bänden heraus. Es war dies in der Welt der Literatur der erste Versuch, die Geschichte der Poesie aller Völker als ein aus der allgemeinen Literaturgeschichte herausgesondertes Ganzes darzustellen. Die Haupt-Eintheilung war in dieser ersten allgemeinen Geschichte der Poesie durch die damals übliche Unterscheidung der orientalischen, der antiken und der hriftlichen Welt gegeben. Herr Profeffor Rosenkranz ist seitdem zu der Ueberzeugung gelangt, daß diese Eintheilung der Welt-, Kunst- und Religions-Geschichte eine unhaltbare sei. Diesem Umstande haben wir es zu verdanken, daß uns jeßt eine neue, unter dem unten angeführten Titel erschienene Darstellung der Geschichte der Poesie aller Völker von Karl Rosenkranz vorliegt. Eine Besprechung dieses, wenn auch zunächst nur der deutschen Literatur angehörigen Werkes in unserem „Magazin“ wird, wenn man berücksichtigt, daß in diesem Werke die gesammten poetischen Literaturen des Auslandes und diese zum großen Theil noch ausführlicher, als die deutsche Literatur, und zwar von einem Verfaffer dargestellt werden, dessen frühere Leistungen auf diesem Felde wiffenschaftlich historischer Forschung die allgemeine Bedeutung dieser neuen Arbeit zur Genüge verbürgen, vollkommen gerechtfertigt erscheinen.

Daß in dem vorliegenden Werke eine viel größere Maffe von Material verarbeitet ist, als in dem vor dreiundzwanzig Jahren herausgegebenen Handbuch, davon darf man im voraus überzeugt sein, da man ja weiß, in welchem Maße Herr Rosenkranz es vermag, sich über Alles, was für die Wissenschaft überhaupt und besonders für die Fächer der Wissenschaft, in denen er als produktiver Schriftsteller arbeitet, von irgend einer Wichtigkeit ist, immer au fait zu erhalten. Eine oberflächliche Vergleichung zeigt uns, daß der Herr Verfasser sich den ungeheuren Zuwachs, den das Material für eine allgemeine Geschichte der Poesie seit dem Jahre 1832 gewonnen, gründlich anzueignen nicht verabsäumt hat. Aber abgesehen hiervon, ist auch schon die Behandlung des Gegenstandes in dem vorliegendem Werke eine ganz andere, als in dem 1832 erschienenen Handbuche, in Betreff deffen der Herr Verfaffer den Vorwurf, das Faktische mitunter zu eilig unter die a priori fertigen Begriffe untergebracht zu haben, jezt selbst nicht mehr ungerechtfertigt finden wird. Obwohl Herr Rosenkranz auch jest feine ,,Literatur-Geschichte" hat schreiben wollen, wie Grässe sie so gründlich bietet, obwohl er auch jezt als Hauptziel im Auge gehabt, die den verschiedenen nationalen Erzeugnissen der Poesie zu Grunde liegenden Ideale zu entwickeln, das Verhältniß derselben zu einander festzustellen, die natürliche Gruppirung der Völker in Bezug auf ihre Poesie, wie dieselbe objektiv gegeben ist, klar zu machen, den Entwickelungsgang, den die Menschheit im Gebiet der Poesie bis jezt gemacht, als einen dem vernünftigen Begriff entsprechenden wiederzugeben, so hat er doch, damit die so sehr mit Mißtrauen gegen die Philosophie erfüllte Welt der Gegenwart keine Veranlassung habe, seine neue Arbeit als eine a priori fonstruirte Geschichte zu beseitigen, sich diesmal mehr angelegen sein laffen,,,mit der prinzipiellen Begründung die möglichste Bestimmt heit und Anschaulichkeit des empirischen Materials, so wie den Nachweis des chronologischen Zusammenhangs im Besonderen zu verbinden, die spezielle Analyse einzelner Kunstwerke jedoch auszuschließen.“ Wir müssen sogar behaupten, daß der Herr Verfasser dem gegen die Philosophie zur Zeit noch herrschenden Mißtrauen diesmal zu stark Rechnung getragen habe; der Philosoph tritt faft überall, nachdem er sich in den Einleitungen zu den einzelnen Abschnitten, übrigens auch nicht einmal in seiner ganzen Größe, gezeigt, zu stark in den Hintergrund; er wird, wo es sich darum handelt, das empirische Material als eine von dem Begriff bewältigte Wirklichkeit erscheinen zu lassen, zu sehr ein mehr nur geistreich darstellender Empiriker; er überläßt es mehr, als

*),,Die Poesie und ihre Geschichte". Eine Entwickelung der poetischen Ideale der Völker, von Karl Rosenkranz, Königl. Geheimen Rath, Dr. der Theologie und ordentlichem Professor der Philosophie u. s. w. Königsberg, Verlag der Gebrüder Bornträger. 1855.

1855.

es in einem philosophisch-historischen Werke wünschenswerth ist, seinen Lesern, das reichlich dargebotene empirische Material mit den vorher angegebenen allgemeinen Begriffen und philosophischen Behauptungen in Einheit zu sehen. Eine solche Verschmelzung der Begriffs-Entwickelung mit der historischen Darstellung, der feinen wissenschaftlichen Form mit dem gegebenen Inhalt, wie sie z. B. in der Aesthetik Vischer's, diesem großartigsten Werke echter deutscher Wissenschaft, zu finden ist, können wir der vorliegenden Geschichte der Poesie nicht nachrühmen. Der größeren Popularität zu Liebe hat der Herr Verfaffer in der philosophischen Begriffs-Entwickelung die Tiefe gemieden und in der historischen Darstellung des empirischen Materials sich damit begnügt, mehr philosophisch geistreich, als streng wissenschaftlich zu sein. Daß das vorliegende Werk troßdem eine höchft bedeutende Erscheinung im Gebiete der allgemeinen Literaturgeschichte ist, daß der Herr Verfasser sein Verdienst nicht überschäßt, indem er in der Vorrede äußert, daß es weder den Franzosen, noch den Engländern schaden würde, wenn sie sich seinen Versuch aneigneten, da es in ihren Literaturen gänzlich an einem ähnlichen Werke fehlt, und indem er das Studium desselben insbesondere unseren jungen Dichtern ans Herz legt, das wollen wir gern einräumen. Eine allgemeine Uebersicht über den Inhalt des ziemlich umfangreichen Werks (der Verfasser hat dasfelbe in Einem Bande, aber in einem Bande, der 756 Seiten umfaßt, herausgegeben) möge unsere Leser überzeugen, daß unser vorstehend angedeutetes Urtheil nicht unbegründet ist.

Der Titel: Die Poesie und ihre Geschichte" berechtigt zu der Erwartung, der Verfaffer werde der Darstellung der geschichtlichen Erscheinung der Poesie eine neue gründliche Untersuchung über das Wesen der Poesie vorangehen lassen. Daß eine solche Untersuchung nicht mehr nöthig sei, daß die Poesie in ihrem Begriff, in ihrem Verhältniß zur Kunft überhaupt, in ihrem Verhältniß zur Religion, in ihrer wahren Bedeutung für die Menschheitsgeschichte, daß sie insbesondere sowohl in Bezug auf ihren Inhalt: die in ihr dargestellte Wirklichkeit, als auch in Bezug auf ihre schöpferische Formthätigkeit: die dichterische Phantasie, schon zur Genüge erkannt und begriffen sei, wird Der am wenigften glauben können, der sich gedrungen fühlt, die bis dahin allgemein geltende Eintheilung der Welt- und Kunstgeschichte als eine unhaltbare aufzugeben und dafür eine andere zur Geltung zu bringen.

„Es leuchtet ein“, sagt der Verfaffer, „daß der Gang der Poesie von dem Gange der Weltgeschichte überhaupt nicht verschieden sein kann, daß also die Eintheilung der Geschichte der Poesie wesentlich mit der der Weltgeschichte zusammenfallen muß. Es leuchtet aber deshalb auch ein, daß die Geschichte ein noch universelleres Prinzip der Eintheilung darbieten muß, als die Kunft. Dieses Prinzip ist das religiöse. Das Bewußstein des Menschen über sein Verhältniß zu Gott ist dasjenige, durch welches auch sein Verhalten zur Natur und zum Menschen bestimmt wird; ein Bewußtsein, welches sich einerseits in der Kunft, andererseits in der Wissenschaft eine besondere Gestaltung auch außerhalb des religiösen Geistes giebt, mit ihnen aber im innigsten Zusammenhang steht. Nun zeigt uns die Erscheinung der Religion 1) die Gruppe der ethnischen Völker, die in ihrem Kultus von der Anschauung der Natur ausgehen und sich allmählich zur Vorftellung der Einheit, Güte und Weisheit Gottes erheben; 2) die Gruppe der theiftischen Völker, die in ihrem Kultus von der Vorstellung des Einen allmächtigen Gottes ausgehen und von ihr in die Anschauung der Natur, als der Schöpfung, worin er sich offenbart, zurückgehen; 3) die Gruppe der christlichen Völker, die in ihrem Kultus von der Anschauung der Menschwerdung des Einen Gottes ausgehen und sich zu dem Begriff Gottes als des absoluten Geistes erheben. Mit diesen Unterschieden ist zugleich ein Unterschied des ästhetischen Ideals verknüpft, der sich abstrakterweise so ausdrücken läßt, daß die ethnischen Völker die Schönheit, die theistischen die Weisheit, die chriftlichen die Freiheit in ihren Kunstwerken darzustellen bemüht find."

Dies ist Alles, was der Verfaffer in dem vorliegenden Werke zur Begründung seiner neuen Eintheilung der Geschichte der Poesie gesagt hat. Wir gestehen, daß uns diese Eintheilung nicht befriedigt und uns

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auch mit der früheren philosophischen Auffassung des Herrn Rosenkranz nicht vereinbar scheint. Hätte der Herr Verfaffer der durch den Titel feines Werks erregten Erwartung entsprochen; hätte er - anstatt sich mit einer Einleitung" zu begnügen, in welcher (auf nicht mehr als zweiundzwanzig Seiten) nur die nothdürftigsten Mittheilungen über die Poesie in ihrem Verhältniß zu den übrigen Künften“, über die poetische Production“, über „die Dichtungsarten“ und über einige andere Punkte gegeben werden, wie sie beinahe in jedem Handbuch der Literaturgeschichte für Schulen jezt schon zu finden sind; hätte er seiner Darstellung der Geschichte der Poesie eine echt wissenschaftliche Darstellung des Begriffs der Poesie mit allen seinen Unter- und Nebenbegriffen, zu denen unter Anderem auch der Begriff des die Poesie schaffenden Subjekts: der poetischen Phantasie, gehört, vorangehen lassen, so würde sich auch die Geschichte der Poesie aus ihrem eigenen Begriff, insbesondere aus dem Begriff der Phantasie und der Geschichte derselben, auf eine mit dem Gange der Weltgeschichte beffer harmonirende Weise eingetheilt haben. Der Verfaffer würde gefunden haben, daß die schlichte Eintheilung der Weltgeschichte in Alterthum, Mittelalter und Neue Zeit auch für die Geschichte der Poesie, wie der Kunft überhaupt, wie vor dem Menschenverstande, so auch vor der echt wissenschaftlichen Kritik, Stand hält.

Wir geben nun einen Ueberblick über die Geschichte der Poesie, wie der Verfasser fie auf der Grundlage feiner neuen Eintheilung darstellt. Die Geschichte der Poesie der Kulturvölker des Ethnizismus, deren Ideal uns der Verfasser um des darin enthaltenen finnlichen, realistischen Momentes willen im Allgemeinen als das Ideal der Schönheit bezeichnen zu dürfen glaubt, wird nach folgendem Schema dargestellt:

A. Die Gruppe der passiven Völker, denen der theoretische Prozeß in sich ruhender Beschaulichkeit zur höchsten Norm des Lebens wird, eine Tendenz, die im Buddhismus ihren reinften welthistorischen Ausdruck gefunden hat. Hierher sind die Chinesen, die Jnder, die indochinesischen Völker zu rechnen.

B. Die Gruppe der aktiven Völker, welche den Werth des Lebens in einen unaufhörlichen Kampf gegen das Unreine, Ueble und Widrige feßen. Hierher sind die Parsen, die Aegypter und die femitischen Stämme zu ziehen, aus welchen letteren jedoch die Hebräer frühzeitig zu einer freieren und höheren Welt-Anschauung ausscheiden.

C. Die Gruppe derjenigen Völker, welche die Freiheit der Individualität sowohl theoretisch als praktisch zu verwirklichen ftreben, wie dies die Griechen äfthetisch, die Römer politisch, die barbarischen Uebergangsvölker zum europäischen Mittelalter, Slaven, Kelten und Germanen, in der Form subjektiver, in sich vertiefter, nach außen hin spröder Innerlichkeit versuchen.

Das Ideal der ersten Gruppe wird in der Ueberschrift als das fentimentale" Ideal bezeichnet und die Poesie dieser Gruppe im Allgemeinen folgendermaßen eingetheilt und charakterisirt:

Die Bezeichnung des der Poefie dieser drei Gruppen zu Grunde liegenden Zdeals als des sentimentalen" hat der Verfaffer besonders zu motiviren nicht für nöthig gehalten; in Betreff der Chinesen ist auf ein aus dem Prinzip der Familienpietät sich ergebendes sentimentales Element" hingewiesen; in Bezug auf den Buddhismus ist beiläufig einmal von der erzentrischen Sentimentalität“ deffelben die Rede. Das im Allgemeinen als „naiv“ bezeichnete Ideal des Ethnizismus in seiner ersten geschichtlichen Erscheinungsform gleich auch wieder für sentimental auszugeben, scheint uns um so unzuverlässiger, da ja der Verfasser das Prädikat „sentimental" auch schon dem Ideal der hriftlichen Völker, im Gegensaß zu dem naiven Ideal des Ethnizismus, beigelegt hat. Die Sentimentalität, welche auch schon unter dem Begriff der Naivetät enthalten sein soll, hätte uns als eine Möglichkeit erst nachgewiesen und in ihrem Verhältniß zu der modernen Sentimentalität, welche den Gegensaß zur Naivetät des Alterthums bildet, dargestellt werden müssen. Wir glauben nicht, daß z. B. die Verbrennung der Witwen in Indien auf eine Sentimentalität zurückzuführen sei. (Fortseßung folgt.)

Nord-Amerika.

Die neuesten englischen Werke über Amerika.
(Schluß.)

Hier kömmt noch in Betracht, daß Baumwollen- und Zucker-Induftrie als Ackerbau durchaus von Sklaven-Arbeit abhängen. Und da neuerdings die Profite der Baumwollenbauern bedeutend steigen, ist an etwa überhand nehmende Humanität in Bezug auf die Sklavenfrage weder im Süden, noch im Norden zu denken, denn der Norden ist Spediteur des Südens. Man wird troß aller Vereidigung auf die Bibel, troß alles Religionsunterrichts, troß aller Frömmigkeit des Yaufeeismus die Sklaverei immer weiter in die neuen Regionen ausdehnen und die Deutschen mit Feuer, die Irländer mit Schwert verfolgen, weil Erftere mit dem Kopfe, Leßtere mit den Händen (durch wohlfeilere freie Arbeit) dagegen streiten.

Dies ist die Ueberzeugung aller vorurtheilslosen Kritiker amerikanischer Zustände. Robert Everest, ein Geistlicher, sagt in seiner „Reise durch die Vereinigten Staaten und einen Theil Kanada's“ („A Journey through the United States and part of Canada”) geradezu, daß jede neue Baumwollenspinnerei, die sich in Lancashire erhebt, eine gesteigerte Nachfrage nach Sklaven am Mississippi erzeugt und den Preis des schwarzen Menschenfleisches auf den Sklavenmärkten Virginiens in die Höhe treibt. Das Verbrechen der Sklaverei macht sich also eben so breit unter dem breitkrämpigen Hute des Manchester-Quäkers und Friedens-Täuberich, wie unter dem Bibelkultus und dem neuen Wasser-Enthusiasmus der aristokratifirenden Knownothinger im Kongreß und auf den Wahlbühnen Amerika's. Die biblische OnkelDas Prinzip der chinesischen Poesie ist die Familienpietät. Der Tom-Sauce der Amerikaner und die religiösen Petitionen englischer Chinese fühlt sich vornehmlich als Kind, und felbft als Staatsbürger Herzoginnen dagegen waren eitel Humbug oder wenigstens sentimensoll er dem Kaiser gegenüber keine andere Empfindung haben. Das taler Unverstand. „Es überläuft mich kalt", sagt W. E. Barter, Kind bedarf der Belehrung, und die Poesie ist daher voll von mora- englisches Parlamentsmitglied, in seinem „America and the Americans”, lischen Tendenzen. In dem Wesen der Familie liegt aber die Rüh-an die grausamen Qualen zu denken, an die brutale Unterdrückung, rung der Kinder über das Schicksal, durch den Tod der Aeltern beraubt zu werden, so wie umgekehrt die Rührung der Aeltern, die Kinder verlaffen zu müssen, und aus diesem Gefühl gefellt sich zur pädagogischen Didaktik ein sentimentales Element. In der Form kann eine solche Poesie nur verständig sich verhalten; denn die Unterweisung verlangt Deutlichkeit und die Zucht eine würdevolle Haltung.

unter welcher die unglücklichen Schwarzen seufzen, um unsere weiße Aristokratie zu unterstüßen und die Ungeheuer von Manchester, welche die Baumwollenballen täglich zu Tausenden verzehren, alle Tage frisch zu füttern.“

Die nördlichen Staaten, welche oft beten: Ich danke Dir, Gott, daß ich nicht bin, wie diese Zöllner und Sünder im Süden“, find im Das Prinzip der indischen Poesie ist die Geschlechtsliebe. Für Grunde viel schlimmer, als die Sklaven-Eigenthümer. Leßtere sorgen den Inder ist die Existenz der Welt eine Täuschung, zu welcher sich doch wenigstens für ihre Sklaven, wie für ihr Vieh, während die nörddas an sich gestaltlose Urfein durch das weibliche Prinzip hat hinreißen lichen Republikaner alles Farbige bis auf die leßte zarteste Tinte brandlaffen. Auf diesen Rausch erst folgt die Ernüchterung aus dem zeu marken, ausstoßen, ausschließen und verachten, obgleich sie freie Fargungsluftigen Taumel. Kein Gefühl ist in der indischen Poesie so bige vor sich haben. Neben dieser aristokratischen Seuche herrscht ihre ftark ausgedrückt, als einerseits das Entzücken der sich selbst vergeffen Baumwollen-Manufaktur auch nur durch Zwang, durch Beraubung des den Wolluft und andererseits der Ekel vor dem Betruge der Sinnlich Publikums zu Gunsten der Fabrikanten. Und zudem schickt der Norteit. Zwischen diesen Polen bewegt sich die indische Poefte. Sie hat den Leute in den Kongreß, welche die Agitation zu Gunsten der Ausaber eine gewiffe Vereinigung dieser Extreme in der Ausbildung des dehnung der Sklaverei in neue Territorien leiten. Endlich fügt BarIdeals weiblicher Treue erreicht, insofern das Weib es ist, deffen Schön- ter hinzu, daß die Abolitionisten durch ihre Leidenschaftlichkeit gegen heit den Mann zur Zeugung verlockt, aber das Weib als Gattin in die Sklaverei den Fanatismus der Sklaven-Interessenten schüren und der Treue die Liebe zum Manne opferfreudig verewigt. Dem ero- alle „mäßigen“ Freunde der Freiheit von sich zurückstoßen. Sie wüntischen Orgiasmus ist die phantastische Form gemäß, die in der Un- fchen die Anerkennung der Sklaven als Menschen zu sehr. Das endlichkeit der Gefühle schwelgt und sich in dem Glanz der Bilder, giebt den Sklaven-Interessenten auch noch einen Grund, heuchlerisch im Schwung der Rhythmen, im Spiel der Reime nicht genugthun kann. zu posaunen: „D, Ihr macht es zu arg, so daß Ihr nur die Freiheit In der buddhistischen Welt kann die Poesie kaum aufkommen. der Sklaven unmöglich macht. Solchen zu großen Liebhabern der Ihr Prinzip isolirt das Individuum, macht es gleichgültig gegen die Sklavenbefreiung können wir doch nicht nachgeben, denn wir sind Ehe, gegen die Familie, gegen die Welt überhaupt. Das Individuum,, Gentlemen", welche nichts Leidenschaftliches leiden können." "Ich bestimmt sich dazu, sich nicht selbst zu bestimmen. Poesie wird vom habe nicht ein Dußend Amerikaner gefunden", sagt Barter,,,welche Buddhismus nur in phantastischen Heiligenlegenden und in liturgischen anderer Meinung gewesen wären." Dem englischen Parlamentsmit

aber die Amerikaner haben ihre guten Gründe für Beibehaltung der Sklaverei.

In der zum Theil amüsanten, leichten,,Ferien-Tour durch die Vereinigten Staaten und Kanada", von C. R. Weld (,,A Vacation Tour in the United States and Canada"), ist besonders eine Vergleichung der Steuerlaßten zwischen England und Amerika auffallend. Die Engländer sind das besteuertfte Volk der Erde, etwa vierzehn Thaler auf jeden Kopf, aber die Amerikaner, ohne den kostbaren Glanz von Thronen und Sonnen und Monde darum herum, ohne eximirte Aristokratie, ohne Militairglanz, ohne Paraden und Polizei, zahlen noch viel mehr Steuern, sagt Weld, d. h. insofern er die Besteuerung für Fütterung der Schußzoll-Industrieen hinzurechnet. Er hat es freilich nicht speziell bewiesen, so daß wir bescheiden an seiner Behauptung zweifeln, troßdem daß wir wissen, welche Summen die Molochs der Schutzölle jährlich verschlingen. Die Steuerlasten, unter denen die arbeitenden und handelnden Engländer büffeln, noch zu übertreffen, und zwar in Amerika, das wäre ein zu ungeheures Kunststück. Ihre taufend Millionen Pfund Sterling Kriegsschulden sind und bleiben ein nationaler Vorzug. Außerdem sind die Zollhäusler in dem handelsfreien England viel ungehobelter und härter, als selbst die verschrie nen Prohibitivzoll-Ruffen.

In dem Werke Barter's finden wir eine sehr korrekte und in struktive Schilderung der amerikanischen Kultur-Inftitutionen, die er während zweier Besuche sehr genau studirte, besonders der ausgebildetsten und blühendften, der Schul- und Erziehungs- und Bildungs-Anstalten. Hierin ist Amerika groß und herrlich, wie kein Staat der Welt. Jedes Kind bekömmt seine Bildung auf Kosten der Gemeinden. Kein Pfennig Schulgeldzwang. Erziehung und Bildung stehen Jedem offen, wie die Luft und das Licht. Allerdings spielt dabei auch die Allerdings spielt dabei auch die amerikanische Frömmelei eine Rolle. In einer Sonntagsschule zu Philadelphia mit 850 Kindern sind diese Kleinen schon so dresfirt worden, daß sie in einem Jahre von dem Gelde, wofür sie sich sonst Kuchen und Obst gekauft haben würden, tausend Thaler für das "Missionswesen" sammelten.

Die polizeilich eingepeitschte Enthaltsamkeit von geistigen Getränten in Amerika ist, nach Barter, eine Wahl-Politik. Die Zahl der Wafferheuchler ist sehr groß. Um ihre Stimmen zu bekommen, verpflichteten sich die Wahl-Kandidaten zur Beförderung der Wassersucht und polizeilichen Schließung aller Lokale,,,wo man einen guten schenkt." Das heißt, es wird überall gehörig fortgesoffen, nur heuchlerisch vermittelst des,,sick-boy", des,, Krankenjungen", wie der Kellner heißt, welcher Jedem, der da vorgiebt, es sei ihm nicht wohl, einschenkt, was verlangt wird. Humbug! Barnum! - Ich habe in den Büchern viel Gutes über Amerika gelesen, aber keine Hoffnung auf eine gefunde Zukunft desselben schöpfen können.

Rußland.

-α.

Statistische Nachrichten über die Steppe der fibirischen

Kirghisen.*)

Da der Flächenraum der sibirischen Kirghisen-Steppe nicht wohl meßbar ist, so ist derselbe auch nur annäherungsweise auf 900,000 Qua drat-Werft (c. 18,367 Quadrat-Meilen) geschäßt worden, von welchem Areal etwa ein Prozent mit Wald bestanden ist. An zum Ackerbau tauglichem Lande und an Wiesen findet sich nicht viel, der größte Theil der Steppe ist unfruchtbar, steinig und wafferarm. Gegen Westen und Süden zieht sich eine Hügelkette von ansehnlicher Höhe hin. An Flüffen giebt es wenige, an Seen mehrere, ihr Wasser ist aber meist unbrauch bar, einige liefern Salz.

Die Einwohnerzahl betrug im Jahre 1853: 363,550 beiderlei Geschlechts, 5619 mehr als im Jahre 1852, welche Zunahme namentlich der Rückkehr einer Anzahl Kirghisen unter die Botmäßigkeit Rußlands zuzuschreiben ist. Die Zahl der geborenen und gestorbenen Kirghisen läßt sich nicht bestimmen, da sie keine Kirchenbücher haben; unter den Einwohnern aus anderen Nationen wurden geboren 983, starben 576. In der Kirghisen. Steppe leben in Dörfern angesiedelte Kosaken, die Mehrzahl der Einwohner bilden aber nomadisirende Eingeborene, die sibirischen Kirghisen, die man auf 186,000 männliche Seelen schäßt: fie treiben Viehzucht, zeitweise auch Jagd und Fischfang, ausnahms weise Ackerbau. Die Bevölkerung der Kirghisen-Steppe läßt sich folgendermaßen vertheilen:

1) geistlichen Standes: orthodor-griechischer Konfeff.

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18männl.

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*) Nach offiziellen Angaben im russischen „Journal des Ministerium des Innern", 1855.

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Der Konfession nach find: orthodor-griechische 19,800, römisch-katholische 45, Muhammedaner 343,500 Einwohner beiderlei Geschlechts, endlich findet man auch einige Lutheraner und Juden. Im Jahre 1853 gingen zur griechischen Kirche über: 8 Muhammedaner und 1 Jude.

Bestimmte Handels-Kapitalien giebt es in der Kirghisen - Steppe nicht. Engros-Handel wird hier überhaupt vermißt; der Kleinhandel befindet sich in den Händen der Tataren, Bucharen, Laschkhenzen und Khokhandzen (die Zahl der Taschkhenzen und Khokhandzen, welche Ausländer find, beläuft sich auf 157), die, indem sie von Aul zu Aul fah. ren, bei den Kirghisen verschiedene zum Haushalt nöthige Waaren abseßen. Die russischen Händler haben nur in den Ansiedelungen Läden. Die Kirghisen selbst treiben, besonders im Herbst, Tauschhandel, einige den Verkauf von rohen Fellen, Lalg, Schaffleisch, aus Kameelhaaren verfertigten Kleidungsstücken, Leder und anderen Gegenständen. Im Jahre 1853 gingen aus der Bucharei und Taschkhend 25 Karawanen, 1,816,000 Rubel Silber an Werth, über die Gränze.

Die Industrie ist in der Kirghisen-Steppe auf der niedrigsten Stufe: Die nomadifirenden Kirghisen haben keine beständigen Werkftätten, ihre ganze Betriebsamkeit ist auf die Viehzucht, theilweise auch auf Jagd, Fischfang und einige Salz-Gewinnung aus den Seen gerichtet. Im Bezirke Karkaralin befindet sich eine dem Kommerzienrath Popov gehörige Erz-Schmelze, im Bezirk Koftschetav eine Lederfabrik. Außerdem zählt man im Koltschetavschen Bezirk 7 (von welchen im Jahre 1853: 5 unbenugte) und im Kokbektischen 6 Gold- und Silberbleigruben, im Bajan-Aulschen Bezirk 6, im Karkaralinschen 7 Silberbleigruben; auch im Bezirk Ajagus find Goldspuren entdeckt, aber im Jahre 1853 nicht bearbeitet worden. Auf zwei Goldwerken im Bezirk Koltschetav und 5 im Bezirk Kokbektin wurden im Jahre 1853: 2 Pub 30 Pfund Gold erarbeitet.

In den Bezirken der Kirghisen-Steppe find 5 Märkte angelegt worden, zu dreien derselben fand sich aber im Jahre 1853 Niemand ein, auf die beiden übrigen zusammen wurden im Jahre 1853 Waaren zu dem Werthe von 25,000 Rubel Silber angeführt, von welchen für 11,000 Rubel Silber veräußert wurden.

71.

Der Ackerbau ist zur Zeit bei den Kirghisen ein sehr beschränkter, da fie ihrem Nomadenleben noch zu sehr anhängen, und die Bemühungen der Regierung haben nur wenige Versuche in festem Landbau zur Folge gehabt, die in der Steppe angesiedelten Kosaken treiben aber mit Gewinn den Ackerbau und veräußern ihr Korn theilweise in den Krons-Magazinen, sie bauen selbst Kartoffeln, wenngleich nur zn eigenem Bedarf. Im Jahre 1853 wurden auf 5600 Deffätinen Landes (24,461,34 preuß. Morg.) circa 9000 Tschetwert (34,000 preuß. Scheffel) verschiedenen Korns ausgesät und von denselben circa 41,000 Tschetwert (156,000 Scheffel) geärndtet, also das 4 te Korn. Die Viehzucht ist bei den Kirghisen ausgebreitet, es wurden im obengenannten Jahre angenommen 845,000 Pferde, 200,000 Stück Hornvieh, 3,200,000 Schafe. Das Rindvich wird nicht zu Arbeiten, sondern nur zum Verkauf und zur Nahrung gezogen. Besondere Gestüte oder ausgezeichnete PferdeRacen gibt es in der Kirghisen-Steppe nicht, da die Kirghisen sich um die Verbesserung der Race nicht kümmern und nur die Vergrößerung ihrer Pferdeheerden (Tabunen) im Auge haben. Die Pferde sind größtentheils nur zum Reiten tauglich und dazu recht ausdauernd; bei dem im September 1853 im Bajan-Aulschen Bezirk abgehaltenen WettRennen von Kirghisen-Pferden lief unter 15 Rennern einer 10 Werft (1,4376 geogr. M.) in 18, ein anderer in 19 Minuten. Die Kirghisen tauschen an der Linie Korn ein, wenn das selbstgebaute nicht hinreicht; ihre Haupt-Speise ist aber Pferde- und Schaffleisch, aus welchen fie für den Winter Rauchfleisch und Würfte (kasy, russisch kalbassy) bereiten; im Sommer begnügen sie sich an Kumys, das aus Stutenmilch mit gesäuerter Kuh- und Kameel-Milch besteht, an aus Schaf- und Ziegenmilch bereitetem Airan (geronnener Milch), Katyk øder Kaimak (Rahm) und Irimtschik (an der Sonne zu kleinen Kugeln getrocknetem Käse, auf Winter-Reisen entweder trocken, oder in Wasser zerrieben zu genießen, von angenehm saurem Geschmack).

Mit Einschluß der Rückstände sollten im Jahre 1853 ungefähr 2,802,200 Rubel Silber an Abgaben von den russischen Kirghisen beigetrieben werden, es kamen aber nur 221,000 Rubel zusammen; die von russischem Boden fortgezogenen Kirghisen schuldeten 24,313 Rubel. Die Kirghisen sind ferner belastet mit der Stellung von Pferden zu den Fahrten obrigkeitlicher Personen ohne Entschädigung, anderer Reifenden gegen eine bestimmte Lare. Die Poftstraßen sind in der Kirghisen-Steppe gut, über Flüsse sind für Rechnung des Staates Fähren eingerichtet, im Bezirk Ajagus 2, Akmolli 3. Statt der Posthaltereien hat man hier Pikette, der Zahl nach 94.

In der Kirghisen-Steppe befinden sich 3782 Kron- und Kommunalgebäude (292 steinerne, 3315 hölzerne, 75 aus zusammengeschlagener Erde). Die Behörden haben Quartier in Krongebäuden. Im Im Jahre 1853 wurden 6 fteinerne und 86 hölzerne Privat-Wohngebäude und 3 Privat-Mühlen von Ruffen und Kirghisen neu aufgeführt. Anlangend den Zustand der Moralität bei der Bevölkerung in der Kirghisen- Steppe, hat sich die Zahl der Mordthaten im Jahre 1853 im Verhältniß zum Jahre 1852 gemindert. Sie geschehen meist aus Rache und um zu rauben, bisweilen auch bei gefeßlicher Gegenwehr. Die Häufigkeit der Diebstähle, der Räubereien und der Widerseßlich keiten ist ebenfalls geringer geworden. Für Diebstahl werden die Kirghisen nach ihrer Nationalfitte mit Schlägen bestraft. Im Jahre 1853 kamen drei uneheliche Geburten vor. Zur Ansiedelung nach Sibirien wurden drei Kirghisen in die Straf-Compagnie versandt.

In der Kirghisen-Steppe befindet sich nur ein Civil-Arzt; sonst wird die Kranken- Aufsicht von Militair-Aerzten versehen, deren Zahl 12 ist. Bei den Militair-Lazarethen sind 7 Kron-Apotheken; Privat-Apotheken fehlen. Mit der Schußpocken-Impfung beschäftigen sich die Feldscheerer und deren Schüler aus den Kirghisen-Knaben; im Jahre 1853 wurden 1079 Kinder geimpft. - Vom 10. Oktober bis zum 10. November herrschte in der Gemeinde Jalykbaschev im Bezirk Karkaralin die Cholera; es erkrankten 25, von welchen 10 starben. In der Gemeinde Kutschuk-Tobuklin deffelben Bezirks herrschte im Mai der Typhus, welchem 5 Menschen erlagen. An der fibirischen Beule fielen in dem Bezirk Koktschetav 40 Pferde, 30 Stück Hornvieh und 190 Stück Kleinvieh, die Epidemie herrschte troß angeordneter polizeilicher Maßregeln vom 15. Juli bis 7. September. Außerdem fielen in den Bezirken Kisch-Murun, Kokbektin und Karkaralin in Folge des ftrengen Winters, hohen Schneefalls und der Orkane etwa 31,500 Pferde, 9000 Stück Groß- und 76,000 Stück Klein-Vieh.

Ein Kollegium zu allgemeiner Fürsorge ist für die KirghisenSteppe noch nicht eingerichtet, sie ist den Bezirks-Verwaltungen anheimgestellt, von welchen jede zu wohlthätigen Zwecken jährlich 142 Rubel und außerdem zu den Lazarethen eben so viel bezieht; da es aber in der Steppe keine Armen- oder Krankenhäuser giebt, so ist diese Summe bisher zu anderen Zwecken verwendet worden. Jedoch ist es im Plan, in Ajagus und Akmolli je ein Krankenhaus für zwanzig Kirghisen einzurichten. In Folge eines Geseßes sollen sich bei jeder BezirksVerwaltung zur Aufnahme altersschwacher und verkrüppelter Kirghisen 5-10 Jurten befinden; in den Jahren 1851 und 1853 wurden auch die Kirghisen zu freiwilligen Beiträgen zu solchem Zwecke aufgefordert, und gingen aus dem Bezirk Akmolli 2 Jurten und aus Kisch-Murun 32 Rubel 91 Kopeken ein, die übrigen Kirghisen dagegen erklärten einstimmig, daß die sich unter ihnen findenden Altersschwachen und Krüppel stets bei ihren Verwandten oder Stammgenoffen Obdach, Kleidung und Nahrung finden.

Eine Schule zum Elementar- Unterricht der Kinder mit einigermaßen genügendem Lehrer- und Lehr-Material findet sich nur bei den in der Steppe angesiedelten Kosaken, die Kirghisen haben weder Kron, noch Gemeinde-Schulen, wohl aber Privat-Schulen in den Dörfern, während solche bei den nomadisirenden Kirghisen gänzlich fehlen, indem bei diesen die Kinder von Mullahs, bisweilen auch von Laien unter den Tataren und Kirghisen unterrichtet werden. Der Staat weist zu Schulzwecken jeder Bezirks-Verwaltung jährlich 142 Rubel Silber an. Im Ganzen zählt man in der Steppe an russischen Kosaken- und an privilegirten Kirghisen-Schulen 12 mit 370 Schülern, es kömmt also auf 977 Einwohner 1 Lernender.

Die Bezirks-Verwaltungen vereinigen in fich die Kompetenzen der Land- und der Stadt-Polizei; besondere Polizei-Kommandos fehlen, an deren Stelle werden vorkommendenfalls Kosaken des sibirischen Linien-Kosaken-Regiments requirirt. Die bürgerliche Sicherheit wird bei den Kirghisen erhalten durch ihre Aul-Aelteften, die den Gemeinde Vorstehern übergeordnet find, während diese von den Bezirks-Verwaltungen abhängen.

Mannigfaltiges.

Die europäischen Arbeiter. In dem compte rendu der Sigung der Pariser Akademie der Wissenschaften vom 13. Auguft d. J. liest man: Herr Dumas überreichte der Akademie von Seiten des Verfaffers, Herrn Le Play, Oberbergwerks-Ingenieurs, ein Werk unter dem Titel,,Die europäischen Arbeiter; Studien über die Arbeiten, das häusliche Leben und den moralischen Zustand der Arbeiter-Bevölkerungen Europa's", mit einer Einleitung über die vom Verfaffer befolgte Methode.) Herr Le Play ist zu diesem Werke durch seine Studien, als Profeffor der Bergwerks-Schule, über die Industrie der bekanntesten metallurgischen Gegenden Europa's veranlaßt worden. Da dem Verfaffer täglich Arbeiter der verschiedensten Art, mit geringeren oder größeren Erwerbsmitteln ausgestattet und unter den mannigfaltigsten politischen und religiösen Verhältnissen lebend, vor Augen kommen, so hat er Gelegenheit genommen, zu untersuchen, wie sich in jedem Jahre für eine Arbeiter-Familie gegebener Art das Budget ihrer Einnahmen und Ausgaben gestaltete und welches die Elemente der Zufriedenheit und des moralischen Glückes find, deren fie theilhaftig zu werden im Stande waren. Mehr als dreihundert vollständige Monographieen der Lebensweise und der Zustände von Arbeiter-Familien in Fabrikgegenden, die fich von Cadir bis nach Sibirien erstrecken, sind von Herrn Le Play mit höchfter Sorgfalt abgefaßt worden. Sechsunddreißig der charakteristischsten dieser Skizzen bilden die Grundlage seines Buches über die europäischen Arbeiter, das die kaiserliche Buchdruckerei in Paris typographisch hergestellt, da eine Privat-Offizin wegen der zahlreichen, sehr ausgedehnten und komplizirten Tabellen, die zu dem Buche gehören, nicht leicht im Stande gewesen wäre, dasselbe so auszuführen. Das Werk des Herrn Le Play (fügte Herr Dumas hinzu) wird in der Geschichte der Sozial-Dekonomie Epoche machen. Die Lefer finden darin eine außerordentliche Menge von Thatsachen, die in den verschiedensten Ländern Europa's gesammelt sind und die einen um so größeren Werth in Folge des Umstandes haben, daß sie von einer und derselben Person gesammelt und deshalb durchweg vergleichbar mit einander find. Ja, was das Werk des Herrn Le Play besonders auszeichnet, ist die strenge Methode, mit der er zu Werke gegangen eine Methode, vermittelst deren der Sozial-Dekonomie eine Präzision und eine feste Norm verliehen wird, wie sie bis jezt nur den Naturwissenschaften vorbehalten zu sein schien.“

دو

A

- Russische Eisenbahn-Bibliothek. Die seit einiger Zeit in Deutschland, England und Frankreich entstandenen Eisenbahnbücher, Railway Libraries" und „Bibliothèques des chemins de fer" haben, wie wir aus einer Anzeige in der Sjéwernaja Ptschelà bemerken, jeßt auch in Rußland Nachahmung gefunden. Eine solche ist von dem bekannten Petersburger Verleger Smirdin, der sich durch die Herausgabe der „russischen Klassiker" ein so hohes Verdienst um seine vaterländische Literatur erworben, unter dem Titel: „Bibliotheka dlja datsch, jeljésnych dorog i parochodow" (Bibliothek für Sommerwohnungen, Eisenbahnen und Dampfböte) unternommen worden, und zwar zu dem für dortige Verhältnisse höchft niedrigen Preise von 25 Kopeken das Bändchen. Die erste Lieferung enthält eine Novelle des Grafen Sollohub:,,die Frau des Apothekers"; in den folgenden werden, außer Uebersezungen von Werken George Sand's, Jules Janin's und Alexander Dumas', ein Roman: „der leßte Konsul in Kaffa“, von Schidlovskji, und Erzählungen von Panajev, Dahl, Gretsch und anderen renommirten ruffischen Schriftstellern gegeben werden.

Wigand's Pocket-Miscellany. Auch das dritte Bändchen der bei Georg H. Wigand in Göttingen erscheinenden „Pocket-Miscellany" enthält eine recht geschickt getroffene, eben so belehrende, als unterhaltende Auswahl neuer englischer Leseftücke. Wir bemerken darunter vorzugsweise die aus Sir Archibald Alison's „Neuester Geschichte Englands" entlehnte Charakteristik lebender britischer Schriftsteller, namentlich Macaulay's, G. P. R. James', Sir Edw. Bulwer Lytton's, B. Disraeli's, Dickens', Samuel Warren's und Carlyle's; ferner die aus Mayhew's ,,London Labour and London Poor" entlehnten „Habits and Amusements of the London Costermongers", eine Skizze,. die wir zur Zeit ihres Erscheinens in England, wo sie großes Aufsehen machte, in die Spalten des „Magazin“ übertrugen, und endlich die amerikanische Schilderung einer deutschen Niederlafsung in NordAmerika, im Staate Missouri, wo sich die Kolonisten ihre Sprache sowohl, als ihre Nationalität treu zu bewahren wußten. Im Ganzen find es zehn sehr gut gewählte Auffäße, die dieses Bändchen enthält.

*) Les Ouvriers Européens. Etudes &c. par M.F. Le Play &c. Imprimé par autorisation de l'Empereur à l'imprimerie impériale. Gr. Fol. Pr. 60 Fr.

Böchentlich erscheinen 8 Nummern. Breis jährlich 3 Thlr. 10 gr., halbjährlich 1 Thlr. 20 Sgr. und vierteljährlich 25 Sgr., wofür bas Blatt im Inlande portofrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird.

No 119.

für die

Bestellungen werden von jeder deutschen Buchhandlung (in Berlin bei Beit u. Comp., Jägerstr. Nr. 25, und beim Spediteur Neumann, Niederwallfir. Nr. 21), so wie von allen königl. Poft-Uemtern angenommen.

Literatur des Auslandes.

Frankreich.

Berlin, Donnerstag den 4. Oktober

Der erste Pariser Adreß- Kalender.

Der erste Adreß-Kalender erschien in Paris im Jahre 1691 unter dem unten angegebenen Titel.") Das Athenaeum Français giebt über den zweiten Jahrgang dieses Adreß-Buches (vom J. 1692) folgende Notizen: In der Vorrede zu demselben spricht der Verfaffer dem Publikum seinen Dank aus für den Beifall, mit dem es sein,,Bequemlichkeitsbuch" aufgenommen, und zeigt sich auf verschiedene Weise bemüht, dem Buche die ihm zu Theil gewordene Gunst zu erhalten. Einige Anzeigen des Adreß-Kalenders von 1691 hatten sich als falsch erwiesen, und gewisse Personen von Ansehen hatten sich verlegt gefühlt, unerwähnt geblieben zu sein. Der Verfaffer entschuldigt sich: ,,Es können hier", fagt er,,,nur die Adreffen der allgemein bekannten Personen angegeben werden. Es genügt, daß ein Name berühmt geworden ist; in diesem Falle findet er eine Stelle in diesem Buche; es ist dem Verfasser nicht erlaubt, Namen aufzunehmen, von denen man noch nicht gesprochen, wenn dieselben auch den würdigsten Männern dieses oder jenes Berufs angehören."

Es folgen dann verschiedene Bemerkungen, unter denen die folgende von Intereffe ift: Da dieses Buch jedes Jahr in den ersten Tagen des November ausgegeben und der Druck mithin zu Anfang des Monats August beginnen wird, so würde es unnüß sein, Anzeigen, welche neue Adreffen oder Veränderungen betreffen, nach dem Johannistage dem Verfasser zuzuschicken, da derselbe einige Zeit braucht, um den Stoff zu ordnen.“

Ein „Avis" enthält die folgende Stelle: Im Laufe des vori gen Jahres haben viele Personen Anzeigen eingeschickt, die der Art gewesen, daß der Verfaffer auf den Gedanken gekommen, sie in einem "fliegenden Heft" zu veröffentlichen, weil sie sich auf Verhältnisse und Einrichtungen beziehen, die nichts Beständiges haben, welche heute beftehen, im kommenden Monat aber vielleicht wieder aufgehört haben. So etwas gehört in eine Sammlung nicht hinein, welche für ein ganzes Jahr dienen soll. Das fliegende Heft" foll alle Monate erscheinen, unter dem Titel: Die zufälligen (casuelles) Adreffen der Stadt Paris".

Auf die Vorrede und den Avis folgt eine ziemlich naive kleine Abhandlung über „den Erfolg der im vorigen Jahre angezeigten Heilmittel". Diese Heilmittel waren von einem Freund du Pradel's erfunden. Der Leştere giebt fie für unfehlbar aus und führt eine Menge von Fällen an, in denen fie sich bewährt; „wer daran zweifelt, kann beim Buchhändler Namen und Adreffe der geheilten Personen erfahren.“

In dem Adreß-Kalender steht die Geiftlichkeit oben an: der Bischof von Paris und seine Unterbeamten, die apostolischen Notare", die zwölf für den römischen Hof expedirenden Beamten und die kirchlichen Buchhandlungen.

Es folgt nun das Kapitel über die Wohlthätigkeits-Anstalten, eine Lifte der bei den Kirchen und in den Gemeinden bestehenden milden Stiftungen. Zuerst ist die Berührung der Kröpfe durch den König und die Ceremonie der Fußwaschung besprochen. Die Details in Betreff der leßteren sind nicht unintereffant.

,,Der König vollführt auch jedes Jahr am Charfreitag eine seiner besonderen Frömmigkeit würdige Handlung. Nachdem die Messe, die Absolution und die Predigt beendigt sind, wäscht Se. Majestät dreizehn armen Kindern die Füße. Die Kinder sind mit Roben von rothem Fries gekleidet und haben eine Serviette um den Hals, die bis an die Füße reicht. Einem jeden derselben giebt Se. Majestät durch die Hand

*) Le_livre commode, contenant les adresses de la ville de Paris et le trésor des almanachs pour l'année bissextile 1692 avec les séances et les vacations des tribunaux, l'ordre et la discipline des exercices publics, le prix des matériaux et des ouvrages de l'architecture, le tarif des nouvelles monnayes, le départ des courriers et des voitures de routes, et généralement toutes les commodites sujettes aux mutations, par Abraham du Pradel, philosophe et mathématitien. A Paris, chez la veuve Denis Nion, marchand-libraire, sur le quay de Nesle, devant l'abrevoir de Guénegaud, à l'image Sainte-Monique, MDCXCII., avec privilége du roi. In-16, de 196 pages.

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1855.

des Herrn Großalmosenmeisters von Frankreich dreizehn mit Fischen beseßte hölzerne Schüffeln, eine jede mit der Figur eines Apostels; einen Krug Wein, zwei Ellen Leinwand und dreizehn blanke Thaler in einer Börse mit dreizehn herabhängenden Zipfeln. Es wird dies alles in einen Korb gelegt und je ein Korb einer jeden der Mütter dieser Kinder gegeben.“

Unmittelbar auf die Wohlthätigkeits-Einrichtungen folgen die königlichen Finanzen; es werden die folgenden Beamten genannt: der Ober-Finanzrath, die Intendanten, die Hüter des Schaßes, die Generalpächter, die Einnehmer und die Auszahler. Dann folgen die Räthe des Königs und die Kanzlei-Beamten, die Secretaire des königl. Hauses, die hohen und niederen Gerichtshöfe und Jurisdictionen von Paris. Die genauen Details über die Sigungen und die Ferien dürften einen Gegenstand sehr interessanter Studien abgeben.

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In dem Kapitel über das Kriminalwesen findet man die Profefforen der Rechtsschulen, sieben an der Zahl (darunter nur einen für das französische Recht), und eilf Beigeordnete derselben aufgezählt. Es kommen dann die Advokaten. Die Liste der plaidirenden und konfultirenden Advokaten ist im „Palais" beim Buchhändler Charles de Sercy, im Großen Saal, bei der Statue der gekrönten „Bonne foy" zu finden. Die in dieser Liste Genannten find im Allgemeinen Leute, die sich durch ihre Gelehrsamkeit und durch ihre Beredtsamkeit empfehlen." Der Adreß-Kalender giebt aus dieser Liste einen Auszug.

Es folgt nun die Besprechung der öffentlichen Bureaur (Douanen, Pachtungen, Handels-Gesellschaften u. f. w.), der Hofpitäler, der Banquiers, der Akademieen und der öffentlicheu,,Konferenzen". Ordnung ist nicht eine Haupt-Eigenschaft des Verfassers. Ueber die französische Akademie sagt der Verfaffer:

„Sie besteht aus einundvierzig°) Mitgliedern, welche alle durch ihre Stellung, ihr Verdienst und durch ihre Gelehrsamkeit ausgezeichnet find. Sie sind ausschließlich damit beschäftigt, die französische Sprache in ihrer vollkommenen Reinheit herzustellen und zu erhalten. Sie haben ihre Versammlungen dreimal wöchentlich im Alten Louvre", wo sie jährlich am Tage des heiligen Ludwig ansehnliche Preise an diejenigen vertheilen, welche über ein vorgeschlagenes Gebiet und über ein Thema zum Ruhm des Königs die beste Arbeit geliefert haben."

Die Akademieen waren damals außer der französischen Akademie: die der Wissenschaften, in der Bibliothek des Königs, Straße Vivienne, die der Musik, bei Herrn de Francine, im Quartier SaintRoch, die medizinische, Straße Popincourt, die der Architektur, im Palais Brion, die der Zeichenkunft in demselben Palais, und die Akademie des Tanzes, bei Herrn de Beauchamp, Straße Bailleul.

Der Artikel über die Konferenzen" lautet folgendermaßen: „Es findet eine Zusammenkunft von Gelehrten alle Nachmittage statt, bei Herrn Abbé Ménage, Kloster Notre-Dame, wo man über Gegenstände aller Art verhandelt.

,,Herr de Villeraut, Supplikenmeister, Straße Hautefeuille, empfängt auch alle Nachmittage die Gelehrten von Bedeutung; man bespricht hier auch alle beliebigen Gegenstände.

"Herr d'Herbelot, Straße Condé, hat alle Abende nach 7 Uhr bei sich eine Gelehrten-Versammlung.

,,An den Donnerstagen Nachmittags findet eine interessante Konferenz bei dem Herrn Marquis d'Angeau (richtiger: de Dangeau), an der Place royale, statt.

,,An den Dienstagen Nachmittags bei Herrn Abbé de la Roque, Straße Guenégaud, Unterhaltung über verschiedene wiffenschaftliche Gegenstände.

,,An den Sonnabenden, auch Nachmittags, bei Herrn Chevalier Chaffebras du Breau, Kreuzweg Saint-Bénoift, Quartier St. Germain, über Geschichte und Naturwissenschaften.“

Von den Akademieen kömmt der Verfaffer zu den öffentlichen und privaten Bibliotheken, zu den öffentlichen Unterrichts-Anstalten und Vorträgen über Mathematik, gewöhnliche Medizin, empirische Medizin, chirurgische Operationen u. f. w. Der Ruf der Aerzte ist sehr

*) Es mag wohl der Protektor mitgezählt sein.

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