Billeder på siden
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Schon rollten gewaltige Blöcke den schmalen Fleck Wiese herunter, auf den ich mich geflüchtet hatte. Ich suchte mich hinter einer hügelartigen Erhöhung zu schüßen und wartete da ab, bis das Gekrache, welches eine gute Viertelstunde dauerte, vorüber war.

Als es ruhiger geworden, war mein erster Gedanke: was ist aus K. geworden? Ich eilte in banger Erwartung zurück und traf sie zum Glück wohlbehalten, aber zum Tod erschrocken wieder. Madame K. zitterte an allen Gliedern, aber die Aufregung und die Angst hielten fie aufrecht, und so eilten wir über den zerstörten, zerklüfteten Weg, an schroffen Felswänden vorüber, von denen jeden Augenblick nenes Gestein nachstürzen und uns zerschmettern konnte. Erd-Rutsche, alte, starke Baumstämme, Felsentrümmer mußten wir häufig übersteigen. Endlich kamen wir nach St. Nikolaus.

Hier war keines der fteinernen Häuser unversehrt geblieben; die Kirche war zusammengestürzt, unser freundlicher Gasthof, wo ich mich zu erholen hoffte, war eine Ruine. Ueber Trümmerhaufen suchten wir den Weg ins Freie. Vor dem Dorfe stand der katholische Pfarrer, ein junger, aber würdiger Mann, umgeben von weinenden Weibern und Kindern und ernst aussehenden Männern, die sich bei ihm Troft und Rath holten, denn Alles war in fürchterlichen Beängstigungen, jeden Augenblick besorgte man einen neuen Stoß, der noch größere Verwüstungen anrichten könnte, da vom ersten bereits viel gelockert sein mußte. Der Pfarrer bot uns sein Haus zum Absteigequartier an, welches, wie alle solid gebauten Holzhäuser, verschont geblieben war und nur am Dache einige Beschädigung erlitten hatte. Der Geiftliche bot uns Wein und Brod, und während wir uns labten und die Kleider wechselten, eilte er zu den Verwundeten, deren man vier zählte und von denen ein junges Mädchen und ein Mann schwer verlegt waren. Der Regen goß in Strömen, aber Madame K. hielt es in dem unheimlichen Thale nicht länger aus, denn wiederholt verspürten wir ein leichtes Dröhnen, deren an demselben Tage sechs bis acht verspürt worden sind, welche wir aber nicht immer bemerkten, so sehr waren wir in Aufregung und ängstlicher Haft, vorwärts zu kommen. Wir redeten Madame K. zu, in St. Nikolaus zu bleiben, denn wir fürchteten, nicht fortkommen zu können.

In der That bot der fünf Stunden lange Weg bis Viège unsäg liche Schwierigkeiten dar, als wir endlich der geängstigten Frau nach gegeben und uns wieder auf die Beine gemacht hatten. Eingestürzte Sennenhütten, Bäume und Felsblöcke bildeten häufig Barrikaden, über die wir hinwegklettern mußten; zuweilen war der Weg ganz ausgeriffen, und wir mußten über lockeres, steil abfallendes Erdreich hinwegkriechen, mit dem wir in entseßliche Tiefen hinabrollen konnten, wenn es unter uns nachgegeben hätte. Dabei eine schwüle, ängstliche Luft, starker Regen, tief ins Thal herabhängende Nebel, und die beständige, ängstliche Erwartung eines neuen Stoßes. Die Angst und die Spannung gaben der Dame ungewöhnliche Kräfte, und sie bedurfte kaum unseres Armes bei gefährlichen Stellen, um darüber hinweg zu kommen. In solchen Fällen gleicht der Mensch einem Nachtwandler; er fieht und achtet nichts, er hat nur ein Ziel: vorwärts!

derholung des Ereignisses schwanden. Wir befchloffen, hier zu übernachten, troß des Widerstrebens der Madame K., die in nervöser Aufregung immer weiter trieb, als wenn der leibhafte Tod ihr auf den Fersen folgte. Es geht nichts über das Wohlbehagen, sich nach ausgestandenen Strapazen und Gefahren wieder sicher zu fühlen, und fo versezte mich denn bald die trockene Wäsche, ein gutes, kräftiges Abend effen und eine gute Flasche Wein in den besten Humor. Nach einer gut durchschlafenen Nacht schien am anderen Morgen heitere Sonne in mein Zimmer, und draußen sah Alles so freundlich und fröhlich aus, daß selbst Madame K. wieder Muth bekam. Wir fuhren nun über Martigny nach Vevey, wo wir der armen Frau Ruhe und Erholung gönnten und uns zwei Tage aufhielten.

Mannigfaltiges.

Dr. H. Barth's Ankunft in Europa. Nach einer mehr als fünfjährigen Abwesenheit ist unser deutscher Landsmann, der wackere, eben so wissenschaftlich tüchtige, wie mit seltenen moralischen und physischen Eigenschaften ausgestattete Reisende, Dr. Heinrich Barth, von seiner großen afrikanischen Expedition zurückgekehrt. Am 8. September hat er in Marseille wieder europäischen Boden betreten, von wo er zunächst wohl nach England gehen wird, um der englischen Regierung den vollständigen Bericht über die im Interesse des englischen Welthandels von ihm neu aufgefundenen Wege im inneren Afrika, so wie über die mit den dortigen Negerstaaten abgeschloffenen Freundschafts-Verträge, abzustatten. Die wissenschaftlichen deutschen Freunde, die feine Verwendung zu diesem Zwecke im englischen Interesse möglich machten und herbeiführten, und die hauptsächlich seine Korrespondenz mit Europa vermittelten, Ritter Bunsen und Dr. A. Petermann, leben jezt Beide in Deutschland (Ersterer in Heidelberg und Lesterer in Gotha), und so dürfen wir wohl hoffen, ihn bald auch im Vaterlande zu begrüßen, wohin ihn ohnedies auch die Liebe zu seinen in Hamburg lebenden Verwandten zieht. Ein durch alle Briefe Barth's hindurchgehender Grundzug seines Charakters ist sein außerordentliches Gottvertrauen, das ihm in der That geholfen hat, die größten Gefahren, Mühseligkeiten und Krankheiten in Ländern, die zum Theil noch kein europäischer Fuß betreten hatte, zu überwinden. Das Journal der Gesellschaft für Erdkunde in Berlin, welche in rühmlicher Weise ihr Scherflein zur Unterstüßung der Reisen von Barth, Overweg und Vogel in Afrika beigetragen, so wie die geographischen, Mittheilungen“ Petermann's, die bereits (in ihren Heften I., II. und IV.) Auszüge aus Barth's Briefen geliefert, werden uns bald auch wohl noch Manches über seine ereigniß- und resultatreiche Reise bringen, deren Erzählung, außer ihrem großen Werthe für die Wissenschaft, für Jedermann ein spannendes Interesse darbietet.

- Der orientalische Charakter Wiens. In dem für die Brockhaussche,,Reisebibliothek“ skizzirten, historischen und topographischen Bilde der österreichischën Kaiserstadt“) von Dr. F. G. Kühne (einer sehr gedrängten, aber anziehenden Schilderung) ist der St. Stephans-Dom mit befonderer Vorliebe ausgemalt. Der Verfasser bes trachtet ihn als den einzigen, noch in Wien vorhandenen, mittelalterlichen Zeugen echt deutschen Sinnes. Er sagt bei dieser Gelegenheit:

Endlich beim Dorfe Stalden wurde das Thal etwas weiter, und die hohen Felswände drohten nicht mehr unmittelbar auf uns herabzustürzen. In diesem ersten leichten Augenblicke, wo wir wieder Hoffnung schöpften, begegnete uns der Postbote, der mir Deinen Brief überbrachte. Ich hatte weder Zeit, noch die Stimmung, ihn zu lesen; wir eilten vorwärts, Viège entgegen, wo wir den größten Schreckniffen,,Was Spanier und Italiäner, Magyaren und Türken hier hinterentronnen zu sein hoffen konnten. Der Weg führte nun tiefer ins Thal hinab, nicht mehr an Abgründen hin, und die Spuren des Erdbebens zeigten sich nur noch in tiefen Riffen und Spalten, womit über haupt der ganze Weg bis hierher zerrissen gewesen war. Hier und da hatten wir noch herabrutschendes Erdreich und zusammengestürzte Mauern zu überklimmen, bis wir endlich bei einbrechender Nacht, auf die Haut durchnäßt, in Viège ankamen, wo wir Ruhe zu finden hofften. Aber auch hier war Bleiben unräthlich. Das Städtchen besteht zumeist aus steinernen Häusern, die zum größten Theil die Dächer verloren hatten oder ganz eingestürzt waren. Der schöne, hohe Glockenthurm, den wir acht Tage vorher bewundert hatten, war sammt Kirche zusammengestürzt, die ganze Stadt war öde und verlassen, denn die ganze Einwohnerschaft hatte sich troß des Regens ins Freie geflüchtet und war entschlossen, unter Zelten oder ganz unter freiem Himmel zu übernachten. Der Gasthof, in welchem wir vor acht Tagen gewohnt hatten, war zusammengestürzt, und die einstürzende Decke hatte zwei Männer schwer verwundet; von anderen Unglücksfällen vernahmen wir nichts.

Wir bestellten einen Wagen, der bald bereit stand, und fuhren fort, so schnell wir konnten. Zwei Stunden später waren wir im Tourte magne, wo man die Stöße nur schwach gespürt hatte. Das reinliche, hübsche Gasthaus hatte keinen Schaden gelitten, und die Menschen machten so ruhige Gesichter, daß unsere Befürchtungen von einer Wie

ließen, hat sich dem weichen Schooße von Wien vermählt; vom deuts schen Mittelalter ist St. Stephan stehen geblieben. Desterreich hat alle Niederlagen, alle Schicksale Deutschlands mit erlebt, aber von den besten Errungenschaften wenig Erbtheil mitbekommen. Spurlos schienen Luther und Friedrich für Defterreich am deutschen Himmel auf- und niederzugehen; spurlos blieb hier die Zucht der klassischen Schule, die Zucht eines Lessing und Kant im Denken, Glauben und Sprechen. Hier war der weiche Schvoß und die hohe Schule der Musik, jener Kunft, die mit ihrem Behagen Alles begütigt, auflöst und begräbt. Ein Calderonisch Musiziren schien hier das beste Dichten; türkisch wie Janitscharenmusik und wie Opiumrausch die Erhebung der Geister; Fatalismus der Glaube Aller. Die Wißigen befpöttelten diesen Glauben, die Ernsten bejammerten, die Pedanten bewiesen ihn; Alle aber wurden getreue Sklaven und theilten ihn: fatalistisch-orientalisch ward faft die ganze Geisteswelt von Wien. Und dies hindämmernde Leben, diese Hingebung ins blinde Schicksal, diese Selbftbetäubung eine täuschungsvolle Phantasie, eine Flucht vor dem eigenen Bewußtsein, eine Flucht vor dem ftrengen Dienst der Arbeit des Geisteswas kann, was konnte undeutscher sein, als das! Streng ehrbar, eine Kraft spartanischen Wollens, eine That germanischer Erhabenheit will uns in Wien fast nur St. Stephan erscheinen!"

*),,Wien in alter und neuer Zeit". Von F. Gustav Kühne. Leipzig, Brockhaus. 85 S. Pr. 10 Sgr.

Böchentlich erscheinen 3 Nummern. Preis jährlich 3 Thlr. 10 Egr., halbjährlich i Thlr. 20 Sgr. und viertelfährlich 25 Sgr., wofür das Blatt im Inlande portofrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird

N No 112.

für die

Bestellungen werden von jeder deutschen Buchhandlung (in Berlin bei Beit u. Comp., Jägerstr. Nr. 25, und beim Spediteur Neumann, Riederwallfir. Nr.21), so wie von allen königl. Post-Aemtern angenommen.

Literatur des Auslandes.

England.

Berlin, Dienstag den 18. September

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Alle großen Leute sind jest weg von London, selbst die kleinen, wenn sie nur große Börsen haben, um sich damit während des Interdikts und Bannes, der bis zum Oktober auf London lastet, in Margate, Ramsgate oder sonst einem kleinen Badeorte in gelben Schlafschuhen zeigen und dann noch eine Zeitlang in Brighton aufhalten zu können, bis die Zeit, wo es für Jeden der „Gesellschaft“ lebensgefährlich ist, in London gesehen zu werden, vorüber ist. Die zwei Millionen Menschen, die zurückgeblieben sind, machen zusammen noch kein „respektables" Individuum aus. Alles „mob", „rabble" und „rubbish”, ', „skrophulöses Gesindel“ ohne irgend eine Stimme in der Politik, ohne irgend eine Aussicht, jemals unter den „oberften zehn Tausend" anerkannt zu werden, obgleich wir, ftatt einer, sogar zwei Reform-Affociationen haben, die beiderseits der Aristokratie die Hälse brechen wollten, aber ganz zufrieden sind, wenn sie als Wahlschwindler diesen oder jenen ihrer Helden ins Unterhaus schmuggeln können.

Die erweiterte Freiheit der periodischen Preffe hat außer einigen illustrirten Sudeleien in Wochenlieferungen noch keine respektable Zeitung in London geschaffen. Die Eigenthümer der Daily News, welche in mancherlei Schwankungen bald liberal, bald ministeriell u. f. w. war, versuchen jeßt ein Zweipence-Abendblatt: The Express, zweiund zwanzig Folio-Kolumnen für zwei Pence, also sehr billigen bedruckten Kattun. Standpunkt, Gesinnung, Grundsaß ist in dem Programm nicht angegeben. Sind zweiundzwanzig Kolumnen für zwei Pence nicht schon genug? Wer wird dabei noch einen Standpunkt", ein Prinzip verlangen? Praktisch, praktisch! Viel Waare fürs Geld, viel Lumpen, viel aufgedruckte Schwärze mit so wenig als möglich Weiß dazwischen. That 'll do".

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Im Uebrigen kann jezt von Literatur nicht die Rede sein, wenn man sich nicht in den unteren und untersten Kreisen derselben, die auch jeßt frisch fortwuchert, umzusehen weiß. Dies habe ich schon öfter gethan, und so benuge ich diese Gelegenheit, meine Studien und Beob achtungen in der Sphäre, welche man „Chapbook-literature” (literarischer Kleinkram, Haufir- und Höker-Literatur) nennt, einmal in Kürze anzubringen, zumal da man sie, Gott sei Dank, im Wesentlichen bald zu den Todten rechnen können wird, so daß es auch literar-historisch als eine Pflicht erscheint, die Sache und deren Prozeß zu notiren. Das gemeine Volk hatte früher eine ungeheure Literatur und Kunft für sich allein, wie bis in die neuesten Zeiten noch in Frankreich. Die von dem Polizei-Minister Maupas eingeseßte Censur-Kommission über die ,,Litérature du colportage" mußte jedes zu kolportirende Buch erst einer Prüfung unterwerfen. Es wurden nicht weniger als 7500 Werke eingereicht, von denen über drei Viertel absolut verurtheilt wurden. Außerdem weiß jeder roué und die Holywellstreet in London, wie viele Millionen Bücher und Bilder, die keine Censur passiren und selbst unter ungezügeltster Preßfreiheit das Licht scheuen, in Paris fabrizirt und in alle Welt exportirt werden. Bücher und Wische unsittlichen, niederträchtigen und rohspaßigen Inhalts, Wiße, Kunststücke, Abenteuer von Dirnen und Galgenvögeln hatten früher ein ungeheures Publikum in Dieben, Verbrechern und lüderlichen Leuten aller Art. „Abenteuer Abenteuer Scogan's" (dem, nach Shakespeare Falstaff, das Genick brach), „Abenteuer Buchanan's", "Jack Sheppard" (jezt auch als Theaterstück), irische Geschichten von Banim,,,die Herzen von Stahl", der,,New

1855.

gate-Kalender" und eine Menge Sudeleien dieses Genre, Prophezeiungen, Abhandlungen über Pillen, um sie zu empfehlen, Lieder mit Abbildungen auf halben Oktavbogen, wißige Gesänge, versifizirte Mordgeschichten und namentlich die Millionen und aber Millionen Oktavblätter der ,,Religious Tract Society" überschatten und umnachten noch in unbegränzter Verbreitung die Köpfe der unteren Klassen. Man kann faum eine Straße in London paffiren, wo uns nicht Empfehlungen von Aerzten, als sicheren und verschwiegenen Heilanden gewisser Krankheiten, und religiöse Traktätlein umsonst in die Hände oder gar in die Rocktaschen geschoben werden. Von Holywellstreet, dem,,Paternoster-Now" versiegelter Unzucht aus Frankreich und dem Inlande, läßt sich gar nicht reden. Ich bemerke blos beiläufig, daß anständigen Leuten, die nicht wagen, sich in Holywellstreet sehen zu laffen, in anderen Straßen von „, Chapmen" versiegelte Bücher verstohlen zugeschoben werden, wenn sie verstohlen zehn Shilling dafür herausrücken. Natürlich gebietet der Anstand, die Siegel nicht eher zu brechen, als bis der Käufer in seinem verschloffenen Privatzimmer sicher ist, wo er dann nicht selten ein paar Dußend Traktätlein der ,,Tract Society" herausnimmt. Ein beißendes sittliches und literarisches Epigramm, die frommen Traktätlein unter dem Kißel einer gehofften Bestialität unter die Leute zu bringen und zu Geld zu machen.

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Allerdings hat sich in England Vieles gebeffert, und wohlfeile Journale und Bücher, wenn nicht gediegenen, so doch anständigen Inhalts verdrängen die „, Chapbook-literature" immer mehr; aber noch halten sich auf jedem Nachtmarkte Londons eine Menge fliegende Buchhändler" durch Verkauf von unanständig, abergläubisch und roh bedrucktem Löschpapier. Einige behaupten auch an bestimmten Plägen Jahr aus, Jahr ein ihren bestimmten Stand. Ich erwähne nur die alle Tage an den Eisengittern von Euston-Square frisch aufgehangene Buchhandlung: eine ungeheure Sammlung schmußiger, moralisch und vom Wetter betriefter, kleiner Halbbogenwische, fast stets mit einem horrenden Holzschnitte unter dem Titel:,,Lieder und Späße“ für bankerotte Droschenkutscher, versoffene Irländer, Taschendiebe, Straßen. pflasterer und Kloakenfischer, an denen der Strom des Lebens stets in Haft und Fülle vorbeirauscht, ohne daß er dem Buchhändler etwas anhaben kann. In Deutschland, auf dem ganzen Kontinente würde eine solche Verhöhnung des Geschmacks und der Kultur auch ohne Polizei, auch im Frühlinge 1848 nicht eine Viertelstunde geduldet werden. Die Engländer haben ein hartes Fell und trauen es auch Anderen zu, so daß sie in Indien faktisch noch die Daumenschraube gegen schlechte Steuerzahler anwenden und erst vor einigen Tagen im Lager von Aldershatt zwei Soldaten mit der „neunschwänzigen Kage“ todt geknutet haben, blos weil sie glaubten, das Fell der Leute könne mehr vertragen, als sich erwies. gen, als sich erwies. Man denke an die Folter der Steuer-Einnehmer in Indien, an die Knute gegen Vaterlandsvertheidiger zuhause, wenn man noch in Gefahr kömmt, sich von der öffentlichen, offiziellen Kultur Englands einen zu hohen Begriff zu machen.

Die Chap, oder Haufir- und Höfer-Literatur erinnert mich an die,,Chap-picture"-Industrie, mit deren Früchten nicht nur die Hütten und Häuser des Landes, sondern auch das Ausland überschwemmt wird. Nachdem Hogarth die Kunst bildlicher Darstellung und Schildermalerei geschaffen und einen Sinn für Bilder und Gemälde erweckt, erfand ein industrielles Genie die fabrikmäßige Delmalerei auf Glas in zwei Größen, vierzehn und eilf und vierzehn und zweiundzwanzig Zoll in Länge und Breite, gerade wie noch jezt. Die Wände der Wohnungen der ländlichen Bevölkerung Englands find mit solchen Delgemälden bedeckt, so wie ebenfalls ziemlich dicht in Spanien, Portugal, bei den gebildeten Negern in Afrika u. f. w. In katholischen Ländern stellen fie fast alle Madonnen, Ecce-Homo und Spezial-Heilige vor. Ob. gleich auch diese Industrie nach Behauptung des Haupt-Fabrikanten hier auf ein Zwanzigstel ihrer früheren Ausdehnung zusammengesunken sein soll, macht er wenigstens immer noch brillante Geschäfte, dieser Mr. Daubham in Leatherlane zu London hier. Die Art seiner Del malerei gilt auch unter den Malern von Fach noch als Geheimniß, doch kann ich mich rühmen, beinahe auf den ersten Blick dahinter gekommen zu sein. Hinten im Hofe breitet sich sein großes Atelier mit

einer ganzen Seite Fenster aus. Beim Eintritt überfällt uns ein dumpfer, ranziger Delgeruch, der von einem Dugend anstreichender Jungen und Mädchen ausgeht. Die dünnen Glasscheiben, noch immer vierzehn und elf und vierzehn und zweiundzwanzig, wie zu Hogarth's Zeiten, werden zuerst gereinigt und dann mit einem Terpenthin-Lack überstrichen. Dieser trocknet schnell, so daß das Bild vom Papiere mit der Hand und einem Schwamme sofort auf den Lack gerieben und übertragen werden kann. Der Lack hat hiermit nicht nur die Tinten des Bildes an sich genommen, sondern es auch grundirt, so daß es jest nur noch ausgefüllt zu werden braucht. Zu diesem Zwecke werden etwa je zwanzig so präparirte Glasplatten auf einmal, mit der Bildseite nach dem Lichte, auf eine Staffelei gestellt und nun, nach dem Prinzipe der alten russischen Musik, in der jeder Musikant nur einen Ton spielt, ausgemalt. Jeder Junge und jedes Mädchen nehmen je ihren bestimmten Farbentopf, Tom „Fleischfarbe“, Dick „Grün“, Bill ,,Braun", Mary Himmel", Jane,,Mondschein" u. f. f. und ihren Pinsel dazu, und im Handumdrehen machen diese verschiedenen Pinsel auf der Rückseite des Glases je zwanzig Bilder fir und fertig. Man sieht, daß dies eine Art höherer Potichinomanie ist. Das ist die geheimnißvolle Delbilder-Fabricationskunst, über deren Art und Weise fich die Welt so lange die Köpfe zerbrach. Man sollte meinen, daß auf diese geheimnißvolle Weise nur die gröbsten Schmierereien fabrizirt werden könnten. Aber nein, in gewisser Entfernung haben fast alle Bilder einen ganz hübschen, ziemlich naturwahren Effekt. Die harten Gränzen zwischen den Farben fließen in einander und ergänzen sich ganz naturgefeßlich, und da es an den nöthigen Tinten nicht fehlt und diese von merkwürdig geübten Händen schnell (che der Lack trocknet) und sicher angeworfen werden, entstehen alle funfzehn bis zwanzig Minuten zwanzig vollständige, wirkliche Delgemälde, die dann, von anderen Händen fabrikmäßig eingerahmt, dugendweise (acht Shilling per Dußend ohne Rahmen) an Händler und Hausirer abgesezt werden, die sie dann größtentheils paarweise (sechs oder fieben Shilling mit Rahmen) in Stadt und Land verkaufen. Außerdem schickt Mr. Daubham allein jährlich große Quantitäten in katholische Länder: Madonnen und Märtyrer, den heiligen Franziscus, den heiligen Januarius, St. Nikolas, Sta. Theresa u. s. w. Die heilige Jungfrau hat er in etwa funfzehn verschiedenen Mustern. Für Exportation nach Italien, Spanien, Portugal und zu den bekehrten Negern werden sie zwischen eigens dazu fabrizirte Raufen mit Papier, Spänen u. s. w. eingefüttert, so daß sie sicher durch alle Gefahren auf den fernen Märkten ankommen. Diese geheimnißvolle Industrie wird um so merkwürdiger, wenn man in englischen Reisebüchern über Spanien, Portugal, Italien u. f. w. die Verwunderung liest, mit welcher die Touristen bei diesen über einen Leißten geschlagenen Heiligenbildern verweilen. Niemand ahnte, daß Mr.,,Schmierheim im Ledergäßchen“ zu London und einige Kollegen von ihm alle diese uniforme Heiligkeit fabriziren.

Ich sagte, diese Glas-Delmalerei sei jezt sehr in Verfall gekommen, aber freilich nicht zu Gunsten eines besseren Geschmacks für ,,Del auf Leinwand". Auch hier wird in ausgedehntester und unverschämtester Weise fabrizirt und kopirt, nicht in der ehrlichen, stereotypen Weise der Daubhams, welche ihre Platten seit Jahrhunderten vervielfältigen und dabei bleiben. Die Fabrikanten in Del auf Leinwand stehlen dagegen stets berühmte Originale von alten und lebenden Meistern und machen alle Tage frisch Jahrhundert alte Bilder und kopiren Landfeers eben so feck, als Murillos, Raphaels und Titians, wobei sie nicht selten die Erfahrung gemacht haben sollen, daß reiche Lords und Gentlemen, welche in Raritäten-Läden die Wahl zwischen Originalen und frisch fabrizirten Kopieen hatten, legtere wählten und mit Hunderten von Guineen bezahlten, weil die Kopieen in der Regel doch nicht ganz so beschädigt und zeitbenagt aussehen, als die Driginale. London und ganz England ist merkwürdig reich an jenen alten, schmußigen Raritätenläden, wie Dickens einen schilderte, worin alte Möbel und Gemälde, alte Leuchter und Monstrositäten aller Art unter einer gemeinschaftlichen Decke von Schmuß und Staub schlummern, unter welchen von den in England ganz eigenthümlich gedeihenden Raritätenjägern bald diese, bald jene Merkwürdigkeit hervorgestöbert wird.

Außer den Fälschungs- und Kopir-Fabriken giebt es hier noch eine besondere Kunstschule, welche allerhand Delgemälde für fertige Rahmen liefert und nach der Elle (eine halbe Krone für die Quadrat-Elle) honorirt wird. Doch bekömmt der Künstler dabei die Leinwand schon grundirt, also z. B. für Mondscheinlandschaften bleiblau angestrichene Leinwand, für Sonnen-Auf- und Untergänge orange grundirte, für Winterlandschaften geweißte u. s. f., so daß er nur mit kühnen Strichen und Würfen Lichter und Schatten darauf zu schmieren braucht. Ich kenne hier selbst einen solchen Künstler, der durch diese Industrie von einem Gemälde-Exporteur nicht selten wöchentlich fünf Guineen verdiente, obgleich er nur mit einer halben Krone für die Quadrat-Elle bezahlt ward. Dies klingt fabelhaft, aber man muß bedenken, daß er

Hunderte von Ellen Leinwand zu gleicher Zeit bearbeitet wurden, so daß während des Trocknens keine Zeit verloren ging. (Schluß folgt.)

Rußland.

Die Weisheit des Orients. (Zweite Probe.*)

Meine nicht, daß Du Palmensekt in Deine Krüge füllen werdest, wenn Du in die Rinde der Gummibäume schneideft. Nenne Dich darum nicht einen Schwimmer, weil Du im Kahne über den Wellen schwebest.

Pomeranze, Du hast keinen Grund, den zu verklagen, welcher Dich eine bittere Frucht heißet.

Ihr Frösche im Sumpfe des Nil, wählet den Jbis nicht zu Eurem Kadi und die Schlange nicht zu Eurem Scheich.

Eine Palme ohne Datteln und ein guter Vorfah ohne die gute That, beide haben den gleichen Werth.

Jenes Streben nach Ruhm ist Dir wohl gestattet, o Sohn, durch welches Du Dir eine Leiter bauen willst, um zu Allah emporzufteigen. Vergolde den Sumpf der Lüge, wie Du willst, der elende Schlamm wird überall durchblicken.

Während Allah die Durrafelder verflucht, hebt er die Hand auf zum Segen über die Reißäcker.

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Jener Staub, welcher uns ins Auge weht, pflegt kein Goldftaub sein.

Süßer schmeckt die Koloquinte dem Glücklichen, als die Feige dem Bekümmerten.

Die Freude kömmt zu uns geschlichen wie eine Schnecke, das Unglück aber naht uns wie ein Habicht im Fluge.

Der Faden der Güte zieht stärker als das Tau der Unbarmherzigkeit.

Das Leben ist eine Wolke, die zwischen zwei Welten schwebt, die Liebe ist der Sonne Strahl, der die Wolke vergoldet.

Wenn die Art des Unglücks die Palme der Frömmigkeit trifft, so war es ein Schlag, geführt mit der Stumpfe der Art, nicht mit der Schärfe derselben.

Der Wein, welcher Dich zu großen Thaten befeuert, ist kein vom Propheten verbotener.

Auch der Fromme würde dem Eden zu entfliehen trachten, wofern er als der Einzige darin weilen müßte.

Nichts Anderes, o Sohn, darfst Du in eine demantene Schale legen als Gold.

Wenn Du auch den Reihern entgangen bist, o Fisch! und wenn Du gleich keine Beute wurdest der Kraniche: doch ist es Noth, daß Du auch noch suchest den Ottern zu entfliehen, und daß Du die Krokodile zu vermeiden trachteft.

Auf der Fuchsjagd erlernt man es nicht, wie man Panther zu fangen habe.

Dem, der Durst hat, erscheint der Brunnen stets allzu tief. Bete, o Liane, für das Gedeihen der Palme, um deren Stamm Du Dich gewunden haft.

Wer das Gefühl zum Sultan seiner Handlungen macht, der macht den Verstand zum Sklaven seiner Launen.

Die Zeit ist eine Mühle, deren Räder von den Wellen des Glückes leicht getrieben werden, so daß das Mehl der Freude reichlich zu Tage gefördert wird.

Also gewaltig ist der Rachen der Zeit, daß er nicht allein schwache Bauern zerbeißt, sondern auch kräftige Sultane verschlingt.

Allah füllt schon das Euter der Kameelstute mit Milch, bevor das Füllen geworfen ist.

Erwarte nicht, daß die Krähe eine andere Farbe schön heißen werde, als die schwarze.

Die Einbildung ist ein süßes Manna, womit der Dichter sein Herz speist.

Es giebt mehr Muscheln als Perlen und mehr Erzschlacken als Goldkörner.

Lege die faulen Eier in den wärmsten Ziegelofen, Hennen werden nicht ausgebrütet werden.

Die Gazelle reckte ihr Haupt empor. Eine Giraffe wurde nicht

aus ihr.

Der Hai nennt das Krokodil gefräßig.

Es kriechen nicht aus allen Eiern Krokodile.

Vertheile das Pantherfell eher nicht an Deine Zeltgenossen, bevor Du den Panther erlegt haft.

Wenn der Sklave auf das Kameel kömmt, möchte er auf beiden Buckeln desselben reiten.

Was die Mäuse aus der Reißkammer in einem Jahre zusammenschleppen, verzehrt der Elephant an einem Lage.

Dem Biß der Tarantel entging Mancher, der vom Skorpione gestochen wird.

Der Strauß sah die Schwalbe fliegen, alsogleich rührte er auch feine Flügel, aber der Flug ging nicht hoch.

Wenn der Sultan in das Zelt des Bettlers geht, muß er dem Wunsche absagen, einen Thronseffel daselbst zu finden.

Sei ein Tyrann Deiner Zunge, aber ein Wohlthäter Deines Ohrs. Fandest Du einen Ohnarmigen, der Dich seifte, wirst Du auch einen Messerlofen entdecken, der Dich rasirt.

Wenn das Gold im Berge liegt, glänzt es nicht.
Schönheit ist eine Blüthe, die keine Frucht erseßt, wenn sie abfällt.
So lange das Schwert in der Scheide ist, flößt es auch dem Fei-
gen keine Furcht ein.

Die Sehnsucht ist es, die des Himmels Sterne kreisen läßt, benn fie gehen aus, Gott zu suchen.

Eine Waise ist nicht der Vaterlose, sondern der Unverständige. Was hat die Welt davon, wenn Du täglich Scherbet trinkest und Datteln ist? Das nur dient zum Ergößen der Menschen, wenn Du ihnen täglich die füße Speise Deines Geistes auftischest.

Unter den Stummen verlernt man seine Sprache.

Geduld ist ein Feuer, in welchem das Waffer der Trübsal verdampft. Sauren Nachgeschmack hinterläßt die Paradiesfeige dem Gaumen des Unglücklichen, füßen Nachgeschmack die Koloquinte dem Gaumen des Glücklichen.

Die Bitte der Geliebten ist ein Prophetenwort für das Herz des
Gläubigen.

So furchtbar ist kein Tyrann, daß er sich vor sich selbst entseßte.
Das Gold der Wahrheit ist ein seltenes Metall im Zeltpalaste

des Sultans.

Der Zorn des Bettlers ist minder gefährlich für den Scheich, als der Zorn des Scheichs für den Bettler.

Bescheidenheit ist eine Dattel, die an der Palme des Reichthums nicht zur Reife gelangt.

Auch das Moos am Fuße der Palme hofft, daß ihm ein Holzschaft nachwachsen werde.

Der Geizige speiste die Datteln sammt den Kernen. Man lachte über ihn, und er sprach: ich thue es nur, damit Alles beisammen bleibe. Nicht wird ein Dieb gefunden, welcher des Richters Ausspruch einen gerechten nennt, daß ihm die Hand abgehauen werde.

An die Palme des Glücks seßt sich leicht die Palme des Stolzes. Die Zeit ist eine scharfe Säge, sie zerschneidet selbst den granitenen Rücken der Nilberge.

Wer die unfruchtbare Wüste scheut, wird nicht zur fruchtbaren Dafe gelangen.

Der Wind, welcher von Norden weht, ist nicht der Samum. In der Wüste gilt die Dattel vor dem Edelstein, und der Thautropfen vor der Perle.

Auch der Biffen des Kameelfleisches mundet dem Gaumen beffer, der nahe dem Verhungern war.

Die knieenden Kameele find es, die belastet werden. Vor dem Schicksal kannst Du Dich nirgends verbergen, wie auch der Strauß in der ganzen Wüste Sahel kein Pläzchen findet, um sich vor dem Jäger zu verstecken.

Wenn Du auch die Fasanen in den Käficht des Tigers legst, sein Blick wird sich doch auf die Hühner der Steppe richten.

Der Geier zerreißt die Tauben, Verleumdung die Tugendhaften. Gold ist ein Schlüssel, der auch die Herzkammer des Emirs öffnet. Die Pisangpalme der Thatkraft ist es, an deren Gipfel die Bananen des Ruhmes wachsen.

Der Pfahl ist nur ein Stück Holz in den Augen des Henkers,

Wie mag das Kameel einen anderen Weg gehen als den seinen, für den Gepfählten aber ist er ein Werkzeug der Marter. wenn der Treiber schläft!

Mir mißfällt Dein buntes Gefieder, sagen Papagei und Pfau

zu einander.

Ein eigenes Distelfeld ist werther, als ein fremder Rosenhain.
Es ist die geringste Zahl der Rosen, aus denen Del gepreßt wird.
Der Tod ist ein Tiger, der auch die junge Gazelle würgt, wenn

Wenn Du einen purpurnen Sack hast, wirst Du Goldkörner hin- er sie erreichen kann. einlesen können.

Der fromme Mann legte sich auf das Vipernfeld. Alsbald ließ Allah einen Zbis herbeifliegen, welcher die Schlangen vertilgte.

Die Zeit trägt ein Schwert im Arm, welches sie zuweilen wider den eigenen Busen zu kehren scheint.

Im Garten der Liebe ist die Palme des Glückes ein battellofer Baum.

Elend ist der Freundlose, aber der Elenden Elendester ist der Liebeleere.

Auch des Riesen Ferse gleitet hinab, wenn er über der verdeckten Grube wandelt, die der Zwerge Hände ausgehöhlt haben.

Wenn tausend Sterne von der Decke des Himmels fielen, würde Allah zehntausend neue dafür an die Decke des Himmels heften.

Nicht ist giftig jeder Schlange Zahn, nicht verderblich ein jeder Pfeil aus dem Wizköcher des Uebermüthigen.

Eitelkeit ist die Zwillingsschwester der Schönheit und Unehrbarkeit die Zwillingsschwester der Eitelkeit.

Der Narr tauchte unter bis auf den Grund des Nilsumpfes, um
Perlen zu holen; Kothklumpen brachte er herauf.

Es sind nicht alle Fische Haifische, die im Nil schwimmen.
Der Sohn des Milden übt Barmherzigkeit, der Sprößling des
Harten zückt das Schwert.

Von dem Felsen der Ewigkeit wird das Gedicht wiederklingen, welches der Mund des großen Dichters gesungen hat.

Ihr Haupt umhüllen mit dem Turban Viele, die nicht Mahomed's Jünger find.

Besser ist es, ein schwarzer Elephant unter den weißen sein, als ungenannt bleiben im Volke.

Wer immer stroman geht, kömmt zuleßt in die Berge.
Das Glück ist ein geschwäßiger Sklave, der sich lieber unter das
Zeltdach der lachenden Narren begiebt, als in den einsamen Brunnen
des ernsten Weisen.

Was hilft der straffe Bogen, dafern der Pfeil stumpf ist?
Hast Du nur erst das goldene Thal, so wird bald ein Silber-
strom dasselbe bewässern.

Gesundheit ist eine Dattel, die nur an der Palme der Armuth

gedeiht.

Wenn der zahme Esel den wilden yahnen hört, so dünkt ihm dessen Stimme unmelodisch.

Der Kaftan verhüllt das Hemd, das Hemd verhüllt die Haut, die Haut verhüllt des Herzens Sünde.

Die Banane des Ruhmes ist mit dem Safte der Hoffart angefüllt. Nährend ist die Milch, die man aus den Brüsten der Liebe, giftig die, die man aus den Brüsten der Wollust saugt.

Der Honig im Bienenkorb des Glückes säuert leicht.
Nur an die Palme des Vertrauens erwächst die Dattel der Treue.
Die Geduld ist ein Eisenharnisch, von dem der Pfeil des Unglücks
abprellt.

Die Hoffnung ist eine Tochter des Muthes, die Furcht eine Tochter der Feigheit.

Schwarz ist auch die brennende Farbe des Purpurs für den thränenvollen Blick des unglücklich Liebenden.

Das Glück ist eine Art, die die Ceder der Zufriedenheit an der Wurzel umhaut.

Süßeres als den Honig hat die Biene nicht.

Die Schwinge der Kraft trägt den Wackeren über die Sümpfe

Wenn der Sumpf zu viel des Nebels zur Sonne aufsteigen läßt, des Neides unversehrt hinüber. verschließt er sich selbst gegen ihre Strahlen.

Allah taucht den Speer, den er wider Dein Herz schleudern will, nicht in Schlangengift, sondern in Balsam.

Ein Pfad nur führt zum Eden, tausend Pfade aber führen in das Herz der Menschen.

Muth kannst Du nur, o Sohn des Gläubigen, beweisen, wenn die Gefahr Dich in ihre Neße gezogen hat. Aus der Schlinge zieht dann der Wackere nicht nur das Haupt, sondern auch die Ferse.

Du wirst eher durch die Wüste Sahel dringen, als bis an die Zeltschwelle eines gottesfürchtigen Reichen.

Man kann wohl ohne Gott in die Wüste treten, aber nicht ohne ihn wieder zum Nilthale heimkehren.

Wenn der Nil einmal die Ebene erreicht hat, siehst Du ihn nie wieder durch die Berge fließen.

Es stirbt Keiner, nach welchem nicht Allah den Todesengel aussendet.

Seiner Habe rühmt sich der Sultan nicht, wohl aber rühmt sich ihrer ein Bettler.

Es ist nicht Alles Scherbet, was vom Fasse gezapft wird.
Die Wespe saugte am Jasmin: Honig bereitete sie nicht.
Der Bienenstock des Glückes enthält mehr Wachs als Honig.
Wenn der Narr nichts Anderes am Hermelin zu tadeln weiß, so
verurtheilt er ihn wegen seines Pelzes.

Auch das Gold will gewaschen sein.

Der Sklave wird dem blinden Manne seine Anrede nicht verbeffern, wenn er ihn Herr des Wüstendorfs heißt.

Der Sklave begehrte, seiner Herrin Brüste zu sehen. Er sprach: Du hast einen schwarzen Busen.

In welchen Ring werden wir zwei wohl gefaßt werden? fragte der Thautropfen den Diamanten.

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Homer und der tollgewordene Panflavismus. Bekanntlich hat der gelehrte Rudbek nachgewiesen, daß das Paradies oder der erste Sig des Menschengeschlechts eigentlich in Schweden gelegen habe, von wo aus die Völker sich über die anderen, von der Natur weniger begünstigten Länder des Weltballs verbreitet hätten. Etwas später belehrtè uns der Raugraf von Wackerbarth, daß die alten Römer mit den heutigen Deutschen identisch waren, und daß die Helden der Republik im Grunde nichts als verkappte Germanen gewesen find. Einen würdigen Nachfolger dieser eben so gründlichen als originellen Forscher präsentiren wir den Lesern hiermit in der Person des Doktors der Philosophie und Magisters der schönen Künfte, Herrn Etatsraths Georg Claffen in Moskau, dessen angenehme Bekannt schaft wir dem Petersburger Journal Sowreménnik verdanken. In seinem unter dem Titel: ,,Nowyje materialy dlja drewnjéische istorii Slawjan &c." (,,Neue Materialien zur ältesten Geschichte der Slaven im Allgemeinen und der Slavo-Ruffen insbesondere, mit einer kurzen Skizze der russischen Geschichte vor Chrifti Geburt") her ausgegebenen Werke überrascht er uns mit Entdeckungen, welche unsere bisherigen Begriffe von der älteren und neueren Geschichte vollständig über den Haufen werfen, um auf ihren Ruinen ein nagelneues historisches Gebäude ad majorem gloriam der slavischen Raçe aufzuthürmen. Namentlich ist das Kapitel über die alte Literatur der Slavo-Ruffen, Troja, die Trojaner, die Ilias und Homer" so einzig in seiner Art, daß wir uns nicht versagen können, das Wichtigste daraus hervorzuheben. Nachdem Herr Classen gezeigt, daß die Trojaner nicht in KleinAsien, sondern am Arares, d. h. an der Wolga, dem alten Rha, gelebt haben, der oft mit dem Arares verwechselt wurde, fährt er also fort: Der (gleichfalls von dem Verfasser entdeckte) Hauptgott der alten Slaven führte den Namen Jasmen, auch Jaschmun oder Schmun, nach welchem seine Abkömmlinge Jassen, Jasen oder Asen hießen. Hieraus folgt (!), daß der Trojaner Aeneas nicht nur ein Slave, fondern namentlich ein Russe war. (Dieses Raisonnement erinnert an den bekannten Wig Voltaire's, durch welchen er die Identität des ägyptischen Königs Menes mit dem chinesischen Fohi bewies.) Wenden wir uns jezt zur Beleuchtung deffelben Gegenstandes von einem anderen Gesichtspunkte. In dem Liede von dem Heereszuge Igor's heißt es: Bojan! Du Nachtigall der alten Zeit, daß Du jene Streiter befängest skatscha slawiju po myslenu drewu. Was ist hier unter dem Worte drewo (Baum, Holz) zu verstehen? Ohne Zweifel weist dies einfach darauf hin, daß Bojan noch vor Erfindung des Papyrus geschrieben hat, und zwar nach damaligem Gebrauch auf hölzerne Tafeln. Weiter finden wir im Texte der Igoríade: ... risch tscha po tropu Trojanu. Dies bedeutet nichts Anderes, als: „Hättest Du den Heereszug Igor's besungen, so würdest Du ihn so besungen haben, wie den trojanischen Krieg." Und da wir keine anderen Gedichte über den trojanischen Krieg kennen, als die Ilias, so können wir nicht nur vermuthen, sondern bestimmt annehmen, daß Bojan die Ilias geschrieben hat! Die Erklärung Karamfin's, daß unter den Worten: w' tropu Trojanu,,der Weg Trajans" zu verstehen sei, ist grundfalsch. Und also hat Bojan die Jlias geschrieben und nicht der Pseudonymus Homer. Man wird vielleicht fragen, ob Bojan nicht vielleicht nur der Ueberseßer der Ilias gewesen ist? Dem widerspricht aber der Text der Igoríade. Letaja umom pod oblaky,,im Geifte über die Wolken fliegend", bedeutet offenbar, daß Bojan den höchsten Flug des Geistes bei der Ausarbeitung seines Gedichts entwickelte, was von einem bloßen Ueberseßer nicht gesagt werden könnte, da ein solcher nur Worte zur Verdolmetschung der ihm fertig vorliegenden Gedanken nöthig hat. Auf die Frage: in welcher Sprache die Ilias ursprünglich geschrieben wurde? antworten wir mit Zuversicht: nicht in griechischer; folglich konnte Bojan oder Homer auch nicht ein geborener Grieche sein, was auch die Griechen selbst bestätigten (!), indem sie das Wort Homer gleichsam zur Bezeichnung eines Blinden gebrauchen. Hierdurch erkennen sie an, daß die Ilias nicht in griechischer Sprache abgefaßt war, da sonst ein Wort, das nichts weiter als einen Blinden bedeutet, nicht als Dichternamen gebraucht werden konnte. Ferner lesen wir in der Igoríade: „das Unglück trat als Jungfrau in das Land Trojans" es ist dies eine Anspielung auf Helena, deren Raub durch Paris den Untergang Troja's herbeiführte. Hieraus erhellt offen bar, daß die Trojaner Ruffen, und nur Russen, waren.

,,Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Ilias in unserer vaterländischen Sprache nicht nur dem Dichter der Igoriade, sondern auch vielen anderen Ruffen bekannt war; allein durch die Einfälle der Polowzer und Mongolen ist dieses kostbare Denkmal des Nationalruhms unwiederbringlich verloren gegangen. Wenn man sich übrigens bemühen wollte, eine alte Kopie der Ilias ausfindig zu machen, so müßte man sie vorzugsweise auf hölzerne Tafeln geschrieben suchen, oder auf Pergament, welches in der von Aeneas gegründeten Stadt Per

gamus erfunden wurde. Indeffen konnte sie auch in späteren Abschriften vorhanden sein. Obgleich die Griechen in der Folge selbst eine Odyssee schreiben, so ist sie doch trocken, ungleich, mit rohen Erdichtungen angefüllt und durch farblose Schilderungen entstellt. Die Odyssee ist ein Typus der griechischen Poesie und kann mit der slavischen Jlias keinen Vergleich aushalten. Dieses rührt daher, weil die Poesie mit dem slavischen Charakter inniger verwebt ist, als mit dem aller anderen Völker; man kann sie als eine natürliche Eigenschaft der Slaven betrachten." Ex ungue leonem. Nach einem so vielversprechenden Anfang ist es nicht zu verwundern, daß der Herr Doktor und Etatsrath im ferneren Verlauf seiner Untersuchungen immer dreister zu Werke geht, die Paradoren scheffelweise aus dem Aermel schüttelt und die früheren Historiker, die von seinen großartigen Entdeckungen keine Ahnung hatten, als Ignoranten und Schwachköpfe verdammt. Besonders übel zu sprechen ist er auf Karamsin, der in seiner Geschichte Alles durch die deutsche Brille betrachtet" und die Ruffen zu Gunsten der Deutschen beraubt" habe. — Zur Ehre der russischen Kritik müssen wir übrigens bemerken, daß in der erwähnten Zeitschrift diese Ausgeburt eines tollgewordenen Panslavismus ihre gebührende Abfertigung erhält.

Mannigfaltiges.

Die Resultate der Reisen Barth's in Afrika. Der nunmehr glücklich zurückgekehrte Reisende wirft in einem Schreiben an Ritter Bunsen, vom 9. November v. J. aus Kano, folgenden Rückblick auf die bis dahin von ihm zurückgelegte Reise:")

,,Möge man mich in England und Deutschland mit der Nachsicht empfangen, die dem Reisenden gebührt, der sein Möglichstes gethan, um die unerforschten oder nur unvollkommen gekannten Regionen Central-Afrika's der Wissenschaft und europäischen Unternehmungen zu öffnen. Es ist mir zwar nicht vergönnt gewesen, so tief in die Aequatorial - Regionen vorzudringen, als ich gewünscht; aber eine gü tige Vorsehung hat mich während meiner langjährigen Forschungen in der ungeheuren Region zwischen Timbuktu im Westen und Bagirmi im Often gnädigst beschüßt. Ich habe zuerst das höchst intereffante Land Air oder Asben mit der Hauptstadt Agades gründlich erforscht; ich habe den mächtigen Tschadda-Strom in seinem Oberlauf überschritten und das ganze, große, reiche, von ihm bewäfferte Land Adamaua auf der Karte niedergelegt, ein Land, von dem früher kaum der Name gekannt war, und das nun der europäischen Schifffahrt offen liegt. Ich habe gefunden, daß der Fluß, den Major Denham bei der Hauptstadt von Loggon sah, nur ein kleiner Arm des großen, weiter öftlich fließenden Stroms ist, der den Tsadsee speist; beide Flüffe aber habe ich eine große Strecke bis zu ihrem Oberlaufe verfolgt und niedergelegt. Ich habe die erste genaue Beschreibung der. beiden wichtigen Königreiche Bagirmi und Waday geliefert und eine Karte davon konstruirt. Endlich habe ich auf den speziellen Wunsch Lord Palmerston's meine Schritte nach Westen gewandt, und indem ich eine interessante und wichtige Straße verfolgte, habe ich zwei große Reiche entdeckt und erforscht, nämlich Gando und Hamd-Allahi, die nicht einmal dem Namen nach bekannt waren.

„Der Allmächtige hat mich ferner gnädig bewahrt in meiner kühnen, aber wohlüberlegten Reise nach Timbuktu, wo ich beinahe ein gan zes Jahr verweilte und Gelegenheit hatte, diese eigenthümliche Stadt, die von den Einwohnern mit Recht „Königin der Wüste“ genannt wird, genau kennen zu lernen, eben so wie ihre Geschichte, Bevölkerung und alle anderen Beziehungen. Ueber die umliegenden Länder habe ich die umfangreichsten und genauesten Nachrichten gesammelt, so daß ich im Stande bin, eine genaue Karte von diesen Ländern zu entwerfen.

"Ich habe sodann meinen Rückweg angetreten und bin denselben prachtvollen Strom entlang gezogen, auf dem der kühne Schotte Mungo Park vor etwa funfzig Jahren sich einschiffte, sich durch die zahllosen, von den Tuaricks und von den Völkern des Südens bemannten Flotten durchschlug und endlich seinen Tod fand, ehe er die Küfte erreichte; - mit ihm gingeu seine Papiere verloren und jeder Aufschluß über diese Gegenden. Ich war aber so glücklich, die Bewohner des Großen Fluffses mir zu Freunden zu machen und von ihnen das Versprechen zu erhalten, daß Engländer ihr Land ungefährdet besuchen können, sowohl zu Lande als zu Waffer."

Erfreulich ist, daß mit Barth's Rückkehr auch Nachrichten über Dr. Vogel zusammentreffen, der inzwischen die große Fellata-Stadt Jakoba (10° 17′ 30′′ N. Br. und 9° 28′ D. L. von Greenwich) aufgesucht, wo vorher noch kein Europäer gewesen, und von wo er noch eine weitere Reise nach dem Süden, nach dem Land Adamaua und dem hohen Berg Alantika, angetreten, um wo möglich von dort nordöstlich nach Waday vorzubringen.

*) Vgl.,,Mittheilungen aus Perthes' geographischer Anstalt", 1855. Heft III.

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