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häufig mit den speziellsten Erkundigungen nach Ihnen, nachdem sie gehört hatten, daß wir aus Deutschland kämen.""

,,Am 5. April von Kalkutta abgereist und glücklich in Darbschiling angelangt, wollte Hermann Schlagintweit alsbald nach Sikhim weiter gehen; aber erst hier erfuhr er, daß die deshalb geschehene erste Anfrage der englischen Regierung von dem Radscha zu Sikhim entschieden mit „Nein“ beantwortet sei. Da aber aus Dr. Hooker's Geschichte bekannt genug ist, wie hier die Radschas unter dem Einfluffe ihrer Minister stehen, so kömmt es vorzüglich auf geschickte Unterhandlungen mit diesen an, um seine Zwecke zu erreichen. Es wurde daher zunächst der Vorschlag gemacht, nur direkt an den Fuß des Kintschindschinga zu gehen, und dies durch Dr. Campbell, den Residenten des ostindischen Gouvernements, der auch seinem Freunde, dem Botaniker Dr. Hooker, als Vermittler mit dem Sikhim-Radscha so wesentliche Dienste geleistet hatte, zu bewerkstelligen. Es wurde dabei bereits angedeutet, daß es hierzu ganz unvermeidlich sein werde, den Beamten des Radscha oder vielmehr ihm selbst indirekt bedeutende Geschenke im Betrage von tausend Rupien (à 20 Sgr.) zu machen, um nicht unterweges aufgehalten zu werden. Dazu wird uns nun die gütige Unterstüßung Sr. Majestät des Königs verhelfen, die uns hier auf das freudigste überrascht Hat"", schreibt der Brieffteller.

"Die gemachten Sammlungen bestehen vorzugsweise in Insekten und Versteinerungen, so wie in einer ziemlich vollständigen Reihe aller charakteristischen Fluß- und Quellwasser, die wir auf unserer Reise in Indien fanden. Sie sind in Glasfläschchen, mit eingeriebenen und gut versiegelten Stöpseln versehen, für spätere chemische Erforschung wohl aufbewahrt.

,,,,Unter den ethnographischen Gegenständen dürften von uns vielleicht besonders die Photographieen und Abgüsse des Gesichts in Gyps zu erwähnen sein. Alles bis jest gesammelte Material liegt im Surveyor General Office zu Kalkutta und wird späterhin mit dem im Himalaya gewonnenen nach Europa geschickt werden. - Dahin find auch Briefe zu adressiren.““

,,Adolph Schlagintweit schreibt vom 17. Mai an Herrn A. v. Humboldt; der Brief ist zu Nainy Tal in der Provinz Kamaon, im Südoften von Almora, datirt, derselben Station, von wo aus auch Prinz Waldemar seine Nordwestreise nach den Gangesquellen und Kaschmir begann. Nach der am 25. März von Kalkutta erfolgten Abreise der Brüder Adolph und Robert hörten beide schon in Patna am Ganges, daß theilweise wegen der zwischen den Nepalesen und den Tibetanern stattfindenden Gränzftreitigkeiten für diesen Sommer durchaus keine Hoffnung vorhanden sei, daß die nepalische Regierung ihnen gestatten werde, sich von der Hauptstadt Khatmandu aus tiefer in das Innere des Landes zu begeben. Sie beschlossen daher, weiter westlich nach Kamaon zu gehen, und erreichten in der Mitte des Monats April die hübsche englische Station Naing Tal, an 6400 engl. Fuß über dem Meere, in der Vorkette des Himalaya, etwas füdlich von Almora gelegen.")

Von der Hiße des April, die gewöhnlich in den Ebenen Bengalens sehr groß ist, hatten sie verhältnißmäßig nur wenig gelitten, da dieses Jahr ungewöhnlich kühl war, d. h. im bengalischen Sinne für den Monat April. Das Thermometer steht um Mittag stets 30° Celf., gewöhnlich 33o und oft 36° bis 37° Celf, (28°, 6—29°, 6 R.). Aber fie fanden die Hiße in der That mit einiger Vorsicht weit weniger unangenehm und störend für ihre Beobachtungen, als fie früher gefürchtet hatten. Von Nainy Tal aus machten sie verschiedene sehr intereffante geologische Exkursionen in die Vorketten des Himalaya, die hier aus eocenen Schichten (untere Tertiärformation) mit Foramini feren und Fukoiden bestehen, die mit alpinen Schichten die größte Aehnlichkeit haben.

„Sie wohnten je drei Tage auf zwei der höchsten Punkte der Vorketten des Himalaya, auf dem Tschinnûr Pik, 8700 engl. Fuß, und Loeria Kantha (?), an 8200 Fuß über dem Meere, von wo aus fie den ungemein schönen, belehrenden Ueberblick des Himalaya von den nepalischen Ketten an über Nanda-Devi, Trisûla, Niti, Badrinatha und bis über Gangotri (das Ganges-Quellgebirge) hinaus genoffen. Sie versuchten mehrere Zeichnungen dieser prachtvollen Himalaya-Piks zu entwerfen und maßen zu verschiedenen Malen mit ihren vortrefflichen Pistorschen Theodoliten die Horizontal- und Höhenwinkel aller wichtigen Punkte. Sie erhielten hier einen sehr guten Ueberblick über die Drographie dieses Theiles des Himalaya. Der Commiffioner Mr. Batten und Capt. Ramsay, welche mit der Topographie von Kamaon sehr vertraut find, unterstüßten die Beobachtun gen der deutschen Reisenden auf die zuvorkommendste Weise. Eine große Eigenthümlichkeit ist es, daß die höchsten Ketten oder vielmehr

*) Eine schöne Zeichnung der lieblichen Lage dieses Nainy Tal, d. h. See des Nainy, vom Prinzen Waldemar ist in dem so cben von seinen königlichen Geschwistern unter dem Titel: Sur Erinnerung an die Reise des Prinzen Waldemar von Preußen durch Indien in den Jahren 1844–1846". Berlin, 1853, Fol. edirten Prachtwerke, Thl.I., Laf. XXXIII.in Kupfer gestochen erschienen,

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die höchsten von Often nach Westen fortziehenden Gruppen, da sie überall durch tiefe Thal-Einschnitte getrennt sind, sich mauerartig sehr plößlich über die niederen Vorketten erheben. Es verleiht dies dem Himalaya den Alpen gegenüber einen ganz eigenthümlichen Charakter. "Wir haben noch zu wenig vom Himalaya gesehen"", sagen die Berichterstatter,,,,,um einen Vergleich mit den Alpen wagen zu köne nen; überraschend schön ist jedenfalls seine Vegetation. Die prachtvollen Eichen am Tschinnûr und das frische und üppige Grün aller Laubbäume an den Abhängen sind sicher in den Alpen nirgends schöner zu finden. Die Rhododendronbäume, die gerade voll rother Blüthen hingen, als wir hierher kamen, verleihen der Landschaft einen ganz eigenthümlich reichen Charakter.""""

"Wir haben vor einigen Tagen fiebzig Kulies (Laftträger) mit mehreren Instrumenten, Zelten u. s. w. nach Almora vorangesandt. Robert ist heute Morgen abgegangen, ich werde morgen nachfolgen. Wir werden uns von hier zunächst auf zwei verschiedenen Wegen nach Milum, einem Dorfe der Bhotias am Oftfuße der Nanda-Devi-Gruppe, begeben. Mein Bruder Robert geht mit dem größeren Theile der Kulies den direkteren Weg; ich selbst werde zuerst die Gletscher am Ursprung des Pindar-Stromes besuchen und dort den Südfuß der Nanda Devi und Nanda-Kota untersuchen, von da aber östlich in das Thal von Milum (etwa 11,400 engl. Fuß über dem Meere) einbiegen.""")

"Von Milum wollen wir nach vierzehntägigem Aufenthalte, nur mit dem nöthigsten Gepäck versehen, nach Thibet gehen. Daselbst wird die weitere Ausdehnung der Reise sehr von den Umständen und von dem Zusammentreffen mit den Eingeborenen abhängen. Wir haben von dort aus uns weftlich zu wenden und über den Mana Ghat nach Badrinath zurückzukommen. Von da gehen wir nach Gangotri, dann aber auf zwei verschiedenen Wegen nach Simla, wo wir Mitte Okto ber anzukommen hoffen. Durch das gütige Intereffe, welches Mr. Colvin, der Lieutenant-Gouverneur der Nordwest-Provinzen, an unseren Beobachtungen nimmt, werden wir in den Stand gesezt werden, sehr zuverlässige korrespondirende Barometer-Beobachtungen mit guten Inftrumenten sowohl hier in Nainy Tal, als in Agra, zu erhalten.""

,,Von dem Bruder in Dardschiling hatten sie zwar keine neuen Nachrichten erhalten, doch von ihm erfahren, daß er in Sikhim reichen Stoff für seine Beobachtungen angetroffen habe, und daß er sich in vollkommen gutem Gesundheitszustande befinde. Von Milum aus soll wieder geschrieben, auch eine kleine Sammlung von Photographieen gesendet werden, die Robert Schlagintweit im Himalaya mit gutem Erfolge begonnen hat."

Aegypten.

Die ägyptischen Pyramiden in ihren ursprünglichen Bildungen. **)

Herr Friedrich Röber, der (wie auch in diesen Blättern erwähnt wurde) im vergangenen Jahre mit einer wichtigen neuen Entdeckung in der ägyptischen Alterthumskunde hervortrat und nachwies, daß sämmtliche Tempel des alten Aegyptens nach einem festen geome trischen Schema erbaut worden sind, welches in naher Beziehung zur uralten Forschung der Formenlehre in der Natur gestanden hat, schließt uns in seiner neuen Schrift auch das Innere der Pyramiden auf, und zwar durch so überzeugende Angaben, daß kein Zweifel übrig bleiben kann, daß erst jezt jene Wunderbaue einer Urzeit verstanden vor uns liegen. Wir sind deshalb veranlaßt, dieser neuen Entdeckung hier mit einigen Worten zu gedenken.

Die koloffale Größe der ägyptischen Pyramiden, namentlich der drei großen von Memphis, der ungeheure Aufwand von Zeit, Mühe und Material, die zu ihrer Erbauung erfordert wurden, und wovon noch die alten Schriftsteller erzählen, führte auf den Gedanken, daß diese Monumente noch einen anderen Zweck gehabt haben müßten, als den, die Mumie eines Königs hineinzusehen. Da man die Pyramiden genau nach den vier Weltgegenden orientirt fand, so war es ganz natürlich, daß der Glaube auftauchte, sie seien zu astronomischen Zwecken bestimmt gewesen, eine Idee, die bis auf die neuesten Zeiten fortgelebt hat, sich aber als irrig erwiesen hat.

*) Nach Edw. Thornton's Gazetteer liegt Milum in Dschewahir, 13 engl. Meilen südlich des Dschewahir-Passes, unter 30° 25′ nördl. Br. und 86° 11' Fuß über dem Meere. Ge hat 140 Steinhäuser und liegt an der Bifurcation öftl. L. von Greenw., die Stadt 11,430, der Tempel über derfelben 11,706 engl. der Flüsse Gunkha und Gori. Der Ort ist nur vom Juli bis Oktober bewohnt; wegen des tiefen Schnees wird er dann von den Einwohnern verlassen, welche weil von hier über den Oschewahir-Paß der Haupthandel nach dem thibetischen in das untere Kamaon gehen, von wo sie aber das nächste Jahr zurückkehren, Gebiete von Undes geführt wird, indem bis jest den Hindus ausschließlich der Markt auf thibetischem Territorium unter chinesischer Öberhoheit gestattet ift."

**) Die ägyptischen Pyramiden in ihren ursprünglichen Bildungen, nebft einer Darstellung der proportionellen Verhältnisse im Parthenon zu Athen, von Friedrich Röber. 4. Mit einer lithographirten Tafel. Dresden, Woldemar Türk, 1855.

Jomard, Mitglied der großen wissenschaftlichen Expedition nach Aegypten unter Napoleon I., in der Ueberzeugung, daß der Architekt durch den Aftronomen geleitet worden sei, versuchte, nach Ausmessung der großen Pyramide von Gizeh, die Hauptmasse derselben auf die Erdmessung zu stüßen, viele andere Versuche folgten nach, ohne daß es einem derselben gelungen wäre, den Charakter dieser uralten Bauten zu ergründen und das Räthsel zu lösen. Es war ein großer der Wissenschaft geleisteter Dienst, als im Laufe der Jahre 1837-39 der englische Oberst Howard Vyse auf seine Kosten eine genaue Ausmessung der ägyptischen Pyramiden durch seinen Ingenieur, Herrn Perring, vornehmen ließ; ihre Maße wurden zum ersten Mal genau angegeben und die geschichtliche Forschung durch die Entdeckung neuer Gräber und Königsnamen bereichert. Was aber jene viel gesuchten Verhältnisse oder Meßverbindungen betraf, so kam Herr Perring auf die Idee, die von ihm ermittelte 1,71: englische Fuß lange Elle oder große Coude auf die von ihm gemachten Meffungen anzuwenden und die Hauptmaße der Monumente danach auf runde Coudenzahlen zurückzuführen, wobei er freilich seine eigenen Vermessungen nicht mehr ganz festhalten konnte; man schrieb jedoch den Unterschied der Schwierigkeit zu, in diesen zum Theil verfallenen Grabmälern ganz genaue Messungen zu erlangen, und war mit dem Ergebniß so zufrieden gestellt, daß man nicht mehr zweifelte, die inneren Verhältniffe und Maßverbindungen der Pyramiden feien nun vollständig erkannt und in dieser Hinsicht nichts mehr zu suchen.

Wie sich aber nun aus den Untersuchungen des Herrn Röber ergiebt, so ist man allerdings hierbei in einem großen Irrthum befangen gewesen, und man muß bekennen, daß der wichtigste Theil der Pyramiden - Organisation bisher noch gänzlich unbekannt geblieben ist. Herr Röber beweist durch Berechnung der inneren und äußeren Verhältnisse und durch Vergleichung seiner Angaben mit den genauen Vermessungen der Herren Vyse und Perring, daß die Construction dieser altersgrauen Monumente, mit einziger Ausnahme der großen Pyramide von Gizeh, keinesweges aus der Einheit des Ellenmaßes oder der einfachen Coude erklärt werden kann, sondern daß in allen Pyramiden quadratische Maße zum Grunde liegen, die potenzirt und depotenzirt werden müssen, um die Verhältnisse zu erhalten. Er stellt einen sehr einfachen Triangel auf, der sich auf Euklidische Säße gründet, und zeigt, wie aus solchen die Hauptmaße, namentlich die Höhen, hervorgehen, wobei eine sehr merkwürdige geometrische Uebereinstim» mung gezeigt wird. Es ergiebt sich, wie auch die kleinsten Einzelnheiten, selbst Stufen, Nischen, Fallthüren u. s. w., geometrisch konAtruirt worden find. Zugleich wird hiermit das sehr hohe Alterthum der Euklidischen Säße bewiesen, die, wie Herr Röber bemerkt, weit über die erste Manethonische, die Menes-Dynastie, hinausreichen müsse. Der Pyramiden-Organismus selbst ist unstreitig eines der ur ältesten wissenschaftlichen Erzeugniffe des Menschengeiftes, und er verdient schon deswegen, näher gekannt zu sein.

Die große Pyramide von Gizeh, die man bisher für die allein mathematische ansah und vorzugsweise untersuchte, weicht in ihrer ConAtruction etwas von der der übrigen ab, ihr viel besprochener Organismus wird hier zum richtigen Verständniß gebracht, so wie wir überhaupt annehmen dürfen, daß seit der Zeit der Erbauung dieser Grabmäler, welche die neuere Forschung nach Lepfius in das vierte, nach Anderen in das dritte Jahrtausend vor Chr. Geb. seßt, ihre wahren Verhältnisse hier zum ersten Male offen dargelegt werden.

Die aus der Construction gewonnenen Maße weichen von den Messungen der Herren Vyse und Perring, die in dem Innern der Baue mit Sicherheit genommen werden konnten, meistens nur in den hinteren Dezimalen, oft auch gar nicht ab und beweisen die Richtigkeit dieser Ausmessungen.

Außer den Pyramiden-Constructionen giebt Herr Nöber in seinem Buche auch noch die bisher ebenfalls unbekannt gebliebenen proportionalen Verhältnisse des Parthenon zu Athen, eine, wie uns scheint, für die griechische Kunst nicht unwichtige Entdeckung, die überdies noch dadurch hervorgehoben wird, daß die geometrische Construction des Parthenon aus denselben Euklidischen Sägen hervorgeht, welche die ägyptischen Baumeister bei der Pyramiden-Anlage angewendet haben. Darüber, ob hier bloßer Zufall waltet, erlaubt sich Herr Röber kein Urtheil, nur bemerkt er, daß der Sarg des Königs Mycerinus in der britten großen Pyramide von Gizeh nach dorischem Style gearbeitet gefunden wurde. Aus der Construction laffen sich endlich auch noch manche Verhältnisse der dorischen Säulen erklären, die sich der Modulberechnung nicht fügen wollten und durch eine einfache geometrische Operation hervorgehen.

Dem Kunst- und Alterthumsfreunde dürfte dieses Werk jedenfalls eine willkommene Gabe sein.

Dresden.

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Mannigfaltiges.

L. Schüding's Westfalen". Ein rechtes Musterbuch der neuen Eisenbahn-Literatur ift Levin Schücking's „Westfalen“,*) indem es uns nicht blos mit Land und Leuten, sondern auch mit der Geschichte dieses echt deutschen Stückes Erde, so wie mit allen interessanten Persönlichkeiten, bekannt macht, die jemals dort gelebt und gewirkt haben. Der Verfaffer ist augenscheinlich zuhause auf dem Boden Westfalens, den er uns mit Vorliebe beschreibt. Er wählte, um uns in das Land einzuführen, die von Mittel-Deutschland (Kaffel) kommende, über Warburg und Paderborn nach Hamm führende „Westfälische Eisenbahn“, worauf er, die Köln-Mindener Bahn überschreitend, uns nach dem Münsterland und deffen Hauptstadt führt, von wo er noch einen Abstecher nach Rheine und Osnabrück macht, um mit der nördlichen Gränze Westfalens zu schließen. Augenscheinlich ist dies der historisch interessantere Weg durch das Land, aber der von den Eisenbahn-Reisenden am meisten besuchte, der gewerb- und zukunftreichere Theil der Provinz ist es nicht. Dieser liegt zum Theil an der Köln-Mindener und zum Theil an der Bergisch-Märkischen Eisenbahn, welche beide der Verfasser fast gänzlich abseits hat liegen lassen. Seine Vorliebe für Romantik und Geschichte hat ihn, wie es scheint, übersehen laffen, daß in Westfalen auch reiche Bergwerke, die feinsten Leinengewebe und die schärfsten Stahlklingen zu finden sind, die wohl einmal (S. 71), aber nur ganz nebenbei, erwähnt werden. Allerdings bieten Iserlohn, Wetter, Dortmund, Bielefeld und Minden wenig oder gar nichts Romantisches dar, aber in einer zweiten Auflage seines „Westfalen“ wird uns Herr Schücking nothwendig auch auf diese weftöftliche Linie der Provinz führen müssen. Ueber den Namen des Landes haben wir uns Folgendes aus dem Büchlein gemerkt:,,Wir glau ben, daß es besser wäre, bevor man untersucht, was phalen" oder falen“ bedeutet, zu untersuchen, ob man damit nicht ganz auf irrigem Wege ist, indem man von Ost- und von Westfalen redet, und ob der Name nicht unmittelbar von jenem in angelsächsischen Stammregistern erwähnten Westfalah, Vesterfalina, abzuleiten, der als Volks-Heros früher zu einem Enkel Odin's gestempelt wurde. Es käme darauf an, zu untersuchen, ob Oftfalen jemals eine populäre Benennung des Landes auf dem rechten Weser-Ufer gewesen, was wir allerdings sehr bezweifeln: uns scheint der Ausdruck nur von Bücherschreibern geschaffen.“

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Die Nüßlichkeit der Vögel. Es dauert lange, bemerkt ein amerikanisches Blatt, **) bis der Mensch die Wege der Vorsehung erkennen lernt und einsieht, daß hienieden Alles für ihn beffer eingerichtet ist, als er es selbst einrichten könnte. So beginnt man erst seit kurzem sich zu überzeugen, daß man den Beruf der kleinen Vögel mißverstanden und den Zweck, welchen der Allmächtige bei ihrer Schöpfung beabsichtigte, nicht begriffen habe. Sie verdienen von denjenigen, die da fäen und ärndten, als ihre Freunde, und zwar als sehr wichtige Freunde, betrachtet zu werden. Es hat sich gezeigt, daß sie größtentheils von Insekten leben, welche mit zu den ärgsten Feinden des Landmannes gehören, und daß, wenn sie zuweilen ein Weizenkorn sich aneignen, dies nur als ein kleiner Lohn für die unermeßlichen Dienste gelten muß, die sie geleistet haben. Bei dieser veränderten Ansicht der Dinge werden von den legislativen Versammlungen Amerika's Geseße zum Schuße der Vögel erlaffen, so wie die Strafen erhöht, die bereits auf das Tödten derselben gesezt waren. Welche Rolle sie bei der Vertilgung des Ungeziefers spielen, erhellt aus folgendem Vorfall, der sich jüngst zu Binghampton im Staate New-York zugetragen. Ein Farmer in jener Gegend wünschte von seinem Nachbar eine Jagdflinte zu borgen, um einige kleine gelbe Vögel, die in seinem Weizenfelde das Getraide fraßen, zu schießen. Der Nachbar weigerte sich, ihm die Flinte zu leihen, indem er die Vögel für nüßlich hielt. Um ihm dies zu be weisen und zugleich seine Neugierde zu befriedigen, schoß er einen dieser Vögel, öffnete deffen Kropf und fand darin zweihundert Kornwürmer, mit nur vier Weizenkörnern, und auch diese vier Körner hatte der Wurm angefressen! Der Vogel, von dem hier die Rede ist, hat, wie man sagt, Aehnlichkeit mit dem Kanarienvogel und singt auch schön. Doch soll es überhaupt keinen einzigen seines Geschlechts geben, der sich nicht auf eine oder die andere Weise um den Farmer und den Gärtner verdient machte.

*) Eine Eisenbahnfahrt durch Westfalen. Von Levin Schücking. Leipzig, F. A. Brockhaus (Reisebibliothek), 1855. **) Das New-Haven Palladium.

Böchentlich erscheinen 3 Nummern. Preis jährlich 3 Thlr. 10 Sgr., halbjährlich 1 Thlr. 20 Sgr. und vierteljährlich 25 Sgr., wofür das Blatt im Inlande portofrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird.

No 111.

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Literatur des Auslandes.

Italien.

Berlin, Sonnabend den 15. September

Literatur-Berichte aus Italien.

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Der Madaische Prozeß und die religiöse Bewegung in Italien. Toleranz in Sardinien. Neue reformatorische Schriften. Dante Literatur. Graf Sanvitale über das Tischrücken. Der Areopag von Genua. Geschichte der Genueser-Herrschaft in der Krim. Der Jude von Verona. Massimo d'Azeglio's Schrift gegen die römische Kurie. - Lebende italiänische Dichter. Das Urtel in dem Prozeß gegen die Madaischen Eheleute in Florenz, welche, weil sie zu dem evangelischen Glauben übergetreten waren, der Mann zu sechsundfunfzig und die Frau zu fünfundvierzig Monaten Zuchthausstrafe verurtheilt worden waren, ist bekanntlich durch die Erlaubniß zur Auswanderung modifizirt worden. Das italiänische Publikum hat an dieser cause célèbre solchen Antheil genommen, daß der Abdruck des in leßter Instanz ergangenen Erkennt» nisses1) überall verbreitet und sehr viel gelesen worden ist. Der Ver. theidiger der Angeklagten, der rühmlichst bekannte Advokat Maggio, rani, hat seinerseits Alles gethan, um die Straflosigkeit derselben auszuführen. Allein die Thatsache stand fest, daß sie in Gegenwart Anderer ihren dem katholischen Lehrbegriff entgegenstehenden Glauben ausgesprochen hatten; der oberste Gerichtshof verwarf daher das gegen dieses Erkenntniß eingelegte Cassationsgesuch, und man muß den Nich, tern die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß sie ein verhältnißmäßig niedriges Strafmaß angewandt haben; denn das hier zur Anwendung kommende Gesez vom 30. November 1786 bestimmt für die vorliegen den Thatsachen die härteste Strafe il massimo e più essemplare rigore welche nicht unter Strafarbeit auf längere bis lebenswierige Dauer sein soll. Gedachte Schrift findet in Italien eine um so größere Verbreitung, als sich jezt hier eine religiöse Bewegung kund giebt, welche, von der Ueberzeugung ausgehend, daß die weltliche Herrschaft des Papstes das Unglück von Italien herbeigeführt hat, nach einem von allen Mißbräuchen geläuterten Christenthume strebt. Hierbei zeichnen sich besonders gelehrte Neapolitaner aus, welche in Turin und Genua zahlreiche evangelische Gesellschaften geftiftet haben. Zu diesen neapolitanischen Gelehrten gehört auch Herr B. Spaventa,) welcher unter Anderem nachweist, daß bis zum heil. Augustinus die Kirche kein anderes Haupt hatte, als den göttlichen Stifter der Relis gion selbst, der nicht von dieser Welt sein wollte. Ein anderer nea politanischer vormaliger Richter, Albarella, hat in Turin eine evangelische Buchhandlung angelegt, und sein Sohn giebt eine evangelische Zeitschrift: La luce evangelica" (,,das Licht des Evangeliums"), heraus. Die Italiäner hatten zu allen Zeiten Männer, welche über Religion von dem Papstthum sehr abweichende Ansichten hatten; aber die Veröffentlichung ihrer Meinungen war ihnen niemals verstattet. Jezt muß man in Italien sehr oft den Vorwurf hören, daß der Aberglaube der germanischen Völker die Mißbräuche der Kirche nach dem Falle des römischen Reiches beförderte, daß die Schwäche der deutschen Kaiser dem Papst seine Allmacht gegeben, und daß noch jest in Italien mehr Toleranz herrsche, als in Deutschland, wo noch der Juden haß selbst bei sogenannten Gebildeten eingewurzelt sei, indem fogar Schriftsteller (wie Herr G. Freitag), die die Lehrer des Volkes sein wollen, sich desselben nicht entschlagen können, während man hierzulande dieses engherzige Gefühl gar nicht kennt. Besonders aber in dem vorgeschrittenen sardinischen Staate herrscht eine solche Gewissensfreiheit, daß man sich dort sehr wundert, wenn man in den Zeitungen zuweilen von strengen Maßregeln lieft, die gegen religiöse Sekten in DeutschLand zur Anwendung kommen.

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Bei dieser Gelegenheit machen wir auf einige Schriften aufmerk sam, die in Italien zu Verbreitung der evangelischen Lehre erschienen find, welche leztere von Herrn Albarella, dem Sohne des oben gedachten neapolitanischen Rechtsgelehrten, sehr gefördert wird. Er hat

1) Giudizio della suprema corte di Cassazione nella causa dei conjugi Fr. e Re Madiai condannati per prosilitismo dalla corte regia di Firenze. (Dal Avvocato Odoardo Maggiorani.) Firenze, 1855.

2) S. seine Abhandlung im zweiten Januar-Heft des Cimento. Torino, 1855. Vol. V. Del principio della Riforma religiosa nel XVI. secolo.'

1855.

vor kurzem eine italiänische Ueberfegung des französischen Bibelfreundes herausgegeben, 1) und in seiner Buchhandlung zu Turin werden zum großen Aerger der Römlinge die in London erschienenen,,Memoiren eines Er-Kapuziners" 2) sehr viel gekauft.

Für das Hauptwerk des Priesters de Sanctis, früher Pfarrer an der Magdalenenkirche in Rom, der in Turin zum evangelischen Glauben übergetreten ist, hält man seine dogmatisch-geschichtliche Darstellung der Beichte, *) welche fünf Auflagen erlebt hat.

Betrachtungen über die Apokalypse find von einem in Italien lebenden englischen General, der, nachdem er ein Bein bei Waterloo verloren, sich ganz der Verbreitung der evangelischen Lehre in Italien widmete, herausgegeben worden. Er hat zugleich große Summen zum Bau der Waldenser-Kirche in Turin hergegeben.*)

Ein anderes theologisches Werk, der Mensch, gegenüber der Bibel", von Boucher, ist von dem evangelischen Pastor der WaldenserKirche in Turin, Herrn Bert, aus dem Französischen überseßt, erschienen.*) Eben so der Abschied vom Papste", von dem franzöfischen Priester G. C. Maurette, welcher vor kurzem evangelisch wurde. ®)

"

Ein sehr gut geschriebener geschichtlicher Roman,,,Gianavele, oder die Waldenser in Piemont im sechzehnten Jahrhundert“, von dem oben mehrfach genannten Neapolitaner, Ritter Vincenzo Albarella d'Aflitto,7) schildert die Verfolgungen, denen diese dem Urchriftenthum treu gebliebenen sogenannten Keger ausgesezt waren, mit lebendigen Farben, und soll später darüber näher berichtet werden. Aus dem Englischen überseßt, hat der oben genannte Prediger A. Bert die Kirchengeschichte des protestantischen Erzbischofs Whateley zu Dublin in italiänischer Sprache herausgegeben. *) Es ist auffallend, welches rege Leben jegt in Italien für die reformirte Lehre des Evangeliums sich kundgiebt.

Für die Verehrer der Dante-Literatur wird es angenehm sein, zu erfahren, daß Herr Ottavio Gigli zu Florenz®) die Studien von Galilei, Borghini und anderen berühmten Italiänern über die „Göttliche Komödie" herausgegeben hat. Da Dante es wagte, die Päpste eben so gut, wie andere Leute, in die Hölle zu verseßen, so war er sehr angegriffen worden; die diesfallfigen Erörterungen in dem gedachten Werke dürften eben so im Auslande wie in Italien mit großem Interesse gelesen werden.

Der Genuesische Magnetiseur, Graf Sanvitale, ist kürzlich mit einer Schrift über das Tischrücken und die damit verwandten Erschei nungen hervorgetreten. Dieser allgemein geachtete Gelehrte, aus Parma wegen der dortigen politischen Verhältnisse ausgewandert, zog nach Genua, wo er als Direktor der Bibliothek angestellt wurde, die auch Sonntags bis Abends 11 Uhr geöffnet ist und zahlreiche Leser aufnimmt. Er ist der Oheim des Grafen Sanvitale, welcher die Tochter der vorigen Herzogin von Parma, der Witwe Napoleon's, geheiratet hat. Graf Jacopo Sanvitale weist in seiner Schrift zur Erklärung jener psychisch-physiologischen Erscheinungen 10) nach, daß ein Alles durchdringendes Fluidum dabei eine Hauptwirksamkeit übe, und zeigt zugleich, daß die Alten bereits eine Ahnung von dem hatten, was wir jezt Magnetismus nennen.

1) Il compagno della Bibbia, dedicata alle famiglie Italiane. dotta dal francese di Vincenzo Albarella. Torino, 1854.

2) Memorie d'un Excapuzino. London, 1854.

Tra

3) La confessione, saggio dommatico-storico dal de Sanctis. Edizio quinta. Torino, 1855. 4) Horae apocalypticae. Le profegie di Daniele e l'apocalipse del evangelisto Joanne. (Dal Generale Beckwith.) Torino, 1855. sul uomo e del uomo sulla Bibbia, di Filippo Boucher. Torino, 1855. 5) L'uomo dirimpetto alla Bibbia, ossia diritti rispettive della Bibbia 6) Addio al Papa, di G. A. Maurette. Torino, 1855.

7) Gianavele, ovvero i Valdesi del Piemonte, storia del secolo XVI. narrata da Vincenzo Albarella. Torino, 1855. III. Vol.

8) Introduzione alla storia del culto religioso dal Dottore Whateley, archivescovo evangelico di Dublino, di Amadeo Bert. Torino, 1853. 9) Studii sulla Divina Commedia di Galileo Galilei, Vincenzo Borghini ed altri, publicati di Ottavio Gigli. Firenze, 1855.

10) Considerazioni psico-fisiologiche esplicative del estasi umana. Genova, 1855.

In Genua ist ein neues literarisches Institut entstanden, welches zugleich gelehrte Gesellschaft, Redaction einer wissenschaftlichen Zeitschrift und ein großartiges Lese- Kabinet ist. Direktor dieser unter dem Namen:,, Areopago" geftifteten Anstalt ist der Dr. Ferrari-Redigino, welcher eine gefeierte Preisschrift über die Erziehung für Musik und Theater) herausgegeben hat. Die literarische Zeitschrift dieser gelehrten Gesellschaft 2) hat einen bedeutenden Mitarbeiter an dem Grafen Pompilio Decuppis gewonnen, welcher früher in österreichischen Militair-Diensten stand und sich später auf Astronomie legte. Er wird bei dieser Anstalt in Genua eine Sternwarte anlegen und seine Artikel über die Natur der Wolken, des Windes u. s. w. dort veröffentlichen. Von ihm wird nächstens auch ein Werk über vergleichende GeoSelenologie erscheinen, auf welche bereits die Bibliothèque universelle de Génève aufmerksam gemacht hat.

Der bekannte Genuesische Geschichtschreiber, Advokat Canale, dessen sehr geachtetes Werk über seine Vaterstadt bis zur Herrschaft der Genuesen über die wichtigsten Theile der Krim fortgeseßt worden, hat diese Arbeit einstweilen unterbrochen, um eine Geschichte der Krim3) herauszugeben, welche eben zu rechter Zeit erscheint. Der Verfaffer, ohnehin mit der Geschichte seines Vaterlandes sehr vertraut, hat be sonders über die Zeit des Genuesischen Handels im Schwarzen Meere sehr bedeutende Vorstudien gemacht, da ihm das Genuefische StaatsArchiv zugänglich war. *)

Eben kömmt in Turin eine neue Auflage des von dem Jesuiten Bresciani in Rom herausgegebenen bekannten Romans „Der Jude von Verona“ heraus.) Dieses Werk ist bereits hinreichend bekannt, so daß es überflüssig ist, noch etwas darüber zu sagen. Es hat einen sehr geistreichen, scharfen Beurtheiler in dem bekannten gelehrten Francesco de Sanctis gefunden, welcher in dem vierten Heft des Cimento) alle seine Schwächen aufdeckt.

Von den achtungswerthesten politischen Grundsäßen geht der berühmte Massimo d'Azeglio in seiner so eben erschienenen Streitschreift gegen die römische Kurie aus.7) Diese hatte nämlich in der bekannten Denkschrift, welche die weitere Ausführung der merkwürdigen päpstlichen Drohung gegen das Königreich Sardinien enthält, dem gedachten damaligen Premierminister Vorwürfe gemacht, daß er sich in seinen Unterhandlungen mit Rom nicht so unterwürfig gezeigt habe, wie die Hierarchie es vorauszusehen für gut fand. Maffimo d'Azeglio lebt, seit er in das Privatleben zurückgetreten ist, meist von seinem kunft reichen Pinsel als Maler, hat aber noch nicht verlernt, die Feder zu führen. Er sagt in dieser seiner Vertheidigung unter Anderem: „In Rom unterdrückt das kirchliche Gewissen das natürliche, und die Gerechtigkeit des kanonischen Rechts erstickt jedes Gefühl der Rechtlich keit, welches Gott in das Herz jedes Menschen gepflanzt hat." Ein Geistlicher in Italien, ein frommer Katholik, sagte noch vor kurzem dem Einsender:,,Das Gewissen ist stärker als die Religion. Die größere Bildung macht den Menschen beffer."

Der oben erwähnte Ritter Decuppis hat vor kurzem auf eine neue Erfindung eines Uhrmachers, Namens Chiricci, aufmerksam gemacht,) welche auf eine sehr sinnreiche Art den Bewegungen der Himmelskörper folgt.

Von neuen Jugend-Schriften verdienen eine rühmliche Erwähnung: Zwölf Erzählungen, ein Neujahrsgeschenk für ihre Zöglinge, von Francesca Anselmi,) einer sehr geachteten Lehrerin an einer weiblichen Erziehungs-Anstalt zu Turin, wo jezt auch sehr viele junge Damen mit Liebe Deutsch lernen.

Zum Schluffe geben wir noch eine Uebersicht der jeßt in Italien am meisten geschäßten, lebenden Dichter, unter denen sich allerdings manche Namen befinden, die in Deutschland noch wenig oder gar nicht

1855.

1) Euterpe etico-biotecnica, del Dott. Ferrari-Redigino. Genova, 2) Areopago e gli avvenimenti riuniti. Genova, 1855.

3) Della Crimea, del suo commercio e dei suoi dominatori, dell' Avvocato M. G. Carale. Genova, 1855. III. Vol.

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4) In Genua ist kürzlich auch unter dem Titel Question italienne; Murat et les Bourbons" eine Schrift erschienen, die von einem ehemaligen Minister Joachim Murat's abgefaßt sein soll und worin die gegenwärtige neapolitanische Regierung mit der des Napoleonischen Reiter - Generals, natürlich nicht zum Vortheile der ersteren, verglichen wird. Neapel wird auf das Bei spiel Frankreichs hingewiesen, das den Neffen Napoleon's auf den Thron ge= fegt, den jest ganz Europa anerkenne. Eben so, meint der Verfasser dieser Schrift, möge Neapel zum Heile von ganz Italien dem Sohne Joachim's, Lucian Murat, wieder als König huldigen. Lesterer hat an den Verfasser ein Schreiben gerichtet, worin er seine Bereitwilligkeit ausspricht, einem an ihn ergehenden Rufe zu folgen. D. R.

5) L'Ebreo di Verona, del padre Bresciani, con una lettera ai suoi amici Torinesi. Torino, 1855.

6) Il Cimento, rivista di scienze, lettere ed arti. Torino, 1855. Fasciculo VII.

7) Il Governo di Piemonte e la corte di Roma, per Massimo d'Azeglio. Torino, 1855.

8) Intorno ad un nuovo orologio parallatico dal L. Chiricci. Lettera del Prof. Cav. Decuppis. Firenze, 1855.

9) Il buon capo d'anno, dodici novelle narrate da Francesca Anselmi alle sue alunne. Torino, 1855.

bekannt sein mögen: Italien ist das Land der Dichter. Oben an steht der berühmte Alessandro Graf Manzoni in Mailand, dessen Ode auf den Tod Napoleon's in Italien am meisten geschäßt wird, während in Deutschland seine ,,Verlobten" mehr bekannt sind. Er gilt in Italien für den ersten lyrischen Dichter. lien für den ersten lyrischen Dichter. Nach ihm nennt man zunächst den beliebten Operntert-Dichter Felice Romani; von ihm werden am meisten geschäßt seine Gesänge auf Taffo, auf den Bildhauer Marchesi und auf die Sängerin Pasta, das Libretto der Norma und des Columbus. Jacopo Graf Sanvitale, früher Profeffor der Literatur an der Universität zu Parma, wird hochgeachtet wegen seiner Gelehrsamkeit, reichen Phantasie, Reinheit der Sprache, Eleganz des Style. Unter seinen Sonetten werden die auf Venedig von seinen Landsleuten am höchsten gestellt. Ritter Prati, aus dem Venetianischen, jezt in Turin, glänzt als Lyriker, und schäßt man am meiften sein Gedicht,,Ermengarde". Rovere wird wegen seiner Sonette gepriesen. Lorenzo Costa hat den Columbus besungen, und besonders wird der erhabene Schwung seiner reimlosen Verse sehr gerühmt. Giuseppe Gando zeichnet sich durch seine Sonette aus, auch sind feine lateinischen Verse von seltener Trefflichkeit. Hippolito D'Aste wird für den besten tragischen Dichter unter den jest lebenden italiänischen Autoren gehalten. Graf Gallardi wird gerühmt wegen des Feuers feiner Darstellung und der Neuheit seiner Auffassungsweise, die sich mehr der Offianischen, der deutschen und der von Lamartine nähert. Ein sehr beliebter Dichter ist Dall' Ongaro wegen seiner erhabenen Gedanken und edlen Gefühle, welche er mit eben so viel Zartheit als Feuer vorträgt. Während des Karnevals 1848 warf er in Rom aus dem Wagen des Fürsten Canino den auf den Balkonen des Corso stehenden Damen Bonbons zu, welche in seine politischen Gedichte eingewickelt waren. Er gehört zu den Geistlichen, welche vorzogen, ihren Stand ehrlich zu verlassen, statt gegen ihre Ueberzeugung zu heucheln. Emmanuele Celesia wird als Dichter voll edler, freifinniger Gedanken gelobt, und Davide Chiozzone wegen der Tiefe seiner Ideen und der Anmuth feines Styls. Von improvifirenden Dichtern find jezt in Italien am meisten genannt: Regaldi, Bindocci und Masi. Der Erftere hat auf seinen Reisen im Orient vielfachen Stoff gesammelt, und der Zulegtgenannte ist Secretair des Fürsten Carlo Bonaparte-Canino in Paris. Während der Belagerung Roms durch die Franzosen zeichnete er sich als Oberst bei der tapferen Vertheidigung dieser nie als Festung angefehenen Stadt aus.

Von Dichterinnen nennen wir noch die Gräfin Cantalamessa aus Ascoli und Frau Clelia Melchioni in Turin, welche zugleich ein ausgezeichnetes Talent für Bildhauerei besißt. J. F. Neigebaur.

Algerien.

Algerien und seine Zukunft. (Schluß.)

Die folgenden Mittheilungen mögen zum Beweise dienen, daß der Verfasser auch das Interesse der nicht mit Auswanderungsplänen umgehenden Leser zu befriedigen versteht.

Aus der Schilderung, die der Verfaffer über die Hauptstadt Algier giebt, wollen wir nur die folgenden Stellen mittheilen:

,,Von besonderem Intereffe für den Fremden ist der am Ausgange der Rue de Chartres befindliche maurische Bazar oder die Galerie d'Orléans, sowohl der darin aufgestellten Landes- und Kunsterzeugnisse halber, als auch zur Erlangung eines Genrebildes maurischen Lebens und Treibens. Diese Galerie besteht aus einem mit Glas bedeckten Bogengange, in deffen Mitte sich ein großer runder Saal befindet; die Seitenwände find in viereckige Räume abgetheilt, deren Fußboden ungefähr zwei Fuß über dem des Ganges liegt, und die zehn Fuß im Quadrat messen. Der Fußboden, so wie die halbe Höhe der Wände, find mit schön gearbeiteten Strohmatten bekleidet, auf welchen mit untergeschlagenen Beinen die Mauren umhersißen. Mit echt orientalischer Gravität sißen hier die Meister, eine lange Pfeife rauchend und ihre Gehülfen überwachend, welche mit Anfertigung hübscher Lederstickereien, zierlicher Pantoffeln oder prächtiger Frauengürtel beschäftigt find. Hier ist der Stapelplag aller jener kostbaren, in Europa so sehr gesuchten Artikel, die zum Theil sehr billig zu haben sind, so wie anderer Gegenstände des täglichen Bedürfnisses Das wohlriechende Rosenöl von Tunis durchduftet die Halle, während man in anderen Kaufläden zier lich umwobene Straußeneier, Armbänder aus Korallen vom Riffe bei la Calle, feine arabische Burnusse, Kameelhaardecken, seidene Shawls und rothe tunesische Fez erblickt. An gewiffen Tagen finden in diesem Bazar Versteigerungen von allerlei Gegenständen statt.

"Im maurischen Quartier bekömmt man eine annähernde Vorstellung von dem, was Algier einst war. Dieser Theil der Stadt gleicht mit seinen winkelreichen Straßen und Engpäffen einem großen Labyrinth, indem Straßen von vier Fuß Breite, von oft noch weniger, selten mehr, in ihren mannigfaltigen Krümmungen alles Andere, nur

keine gerade Linie zeigen, für welche die eingeborenen Ingenieure eine erklärte Abneigung gehabt zu haben scheinen. Die Häuser zeigen von außen keine Fenster, wenn man nicht etwa den einzeln angebrachten Luftlöchern diesen Namen geben will; oft ragen die oberen Etagen der Häuser über die der entgegengesetten Häuserreihe weit hinaus; zu weilen stoßen sie in der Mitte an einander, indem sie unten eben nur einen Raum zum Durchgange lassen; an vielen Stellen windet sich die Straße unter finsteren Bogengängen fort. Nun stelle man sich all dieses Gemäuer von blendender Weiße vor, denn zweimal im Jahre wird Alles frisch betüncht, und man hat ein ungefähres Bild von dem alten Algier ... Noch denke man sich diese finsteren Martergänge am Abend, nur spärlich durch kleine Lampen erhellt, und man wird es dem Europäer, der die Wanderung besteht, gern verzeihen, wenn feine aufgeregte Phantasie die einsamen Straßen noch mit anderen Schreckbildern bevölkert..."

Ueber den so oft geschilderten schrecklichen Sirocco, von den Arabern Samum genannt, spricht der Verfasser sich so aus:

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,,Obgleich er eine der größten Plagen dieser Gegenden ist, so find doch die todbringenden Eigenschaften, welche ihm von so vielen Reifenden beigelegt werden, in der Wirklichkeit nicht in so hohem Grade vorhanden. ... Durch den dichten Staub, welchen er aufwirbelte, erschien mir die Sonne wie eine große bluthrothe Scheibe und die ganze Atmosphäre gelblich grau. Troß der Hiße, welche der gleichkömmt, die man vor einem erhißten Backofen empfindet, bemerkte ich keine Spur von Schweiß, offenbar, weil jede Ausdehnung von der beinahe absolut trockenen Luft sofort absorbirt wird. Ich empfand ein brennendes Gefühl am ganzen Körper, so wie eine Beklemmung, begleitet von einer außerordentlichen Angst, starkem Herzklopfen und Pulfiren der Kopfadern. Es ist leicht begreiflich, daß die Einwirkung dieses Windes für korpulente und vollblütige Personen gefährlich werden kann; daß jedoch das ganze Personal einer Karawane davon getödtet worden sei, ist eine rein aus der Luft gegriffene Fabel." Ein Glück für die Bewohner Algeriens ist es, daß der Sirocco, der funf zig Tage, im Mai und im Juni, herrscht, ohne Unterbrechung nie über drei Tage anhält.

teser, 4442 Deutsche, 1667 Schweizer, 460 Belgier und Holländer, 446 Engländer, 270 Polen, 80 Griechen und 642 Individuen anderer Nationen. Im Jahre 1852 zählte man in der Totalsumme der europäischen Bevölkerung von 133,204 Individuen nur 56,881 weibliche. Unverheiratete weibliche Individuen können also sicher sein, daß sie in Algerien eine gute Aufnahme finden. Handwerker, welche in Algerien ganz besonders auf Erfolg rechnen können, find: Tischler, Drechsler, Glaser, Schmiede, Schloffer, Büchsenschäfter, Maurer, Satt ler, Tapezirer, Schuhmacher und Stellmacher. Ueber den Handelsverkehr Algeriens mit dem Innern Afrika's, besonders mit Timbuktu, giebt der Versaffer sehr interessante Mittheilungen. Auch Proben algerischer Poesie sind in dem Buche mitgetheilt.

Wir schließen unseren Bericht mit der Ueberzeugung, daß derselbe in vielen unserer Leser die Luft erwecken wird, das eben so belehrende wie angenehm unterhaltende Buch selbst zu lesen.

Schweiz.

Das Erdbeben im Wisp-Thale.

(Dem Schreiben eines Augenzeugen entlehnt.) Anfangs Juli traf K. in Zürich ein, und zwar in Begleitung seiner Frau, die zur Stärkung ihres geschwächten Nervensystems in der reinen Alpenluft einige Wochen zubringen sollte. Er beredete mich leicht, ihn nach Zermatt zu begleiten, einem Drte im Wisp-Thale, im Kanton Wallis, der sehr in Aufnahme gekommen und ziemlich hoch am Fuße der Gebirgskette des Monte Rosa gelegen ist. Wir machten uns bald auf die Reise, fuhren über Arth, Schwyz nach Brunnen, über den Vierwaldstädter See nach Flueln und gingen die Gotthardsstraße hinauf über die Furka hinweg, beim Rhonegletscher vorüber, stiegen das Rhonethal hinab nach Brieg und, bei Viège oder Wispach angekommen, bogen wir ins Wisp-Thal ein, an dessen äußerstem Ende Zermatt oder Zermatten, das Ziel unserer Wanderung, liegt.

In Zermatt beschlossen wir wenigstens acht Tage zu bleiben; K. schickte sich an, Studien zu machen, und ich benußte die Zeit unseres

Die einheimische Bevölkerung Algeriens wird vom Verfaffer fol- dortigen Aufenthalts, die höher gelegenen Punkte zu besteigen, von wo gendermaßen angegeben:

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Was uns über Abstammung, Charakter, Lebensweise dieser VölTer mitgetheilt wird, ist für Jedermann interessant. Die Kabylen, über deren Abstammung sehr abweichende Hypothesen aufgestellt worden sind, hält der Verfaffer für eine der nubischen oder berberischen Völkerschaften, die durch Vermischung der arabischen Raçe mit der Negerraçe entstanden sind und sich über das ganze nördliche Afrika verbreitet haben. Die politische Verfaffung der Kabylen-Stämme bietet einen Republikanismus dar, wie er wohl auf der Erde anderswo nicht angetroffen wird.,,Man sollte glauben", sagt der Verfasser, „daß bei einem Volke, wie dieses, wo der höchfte Grad individueller Freiheit herrscht, bei welchem die Macht der vom Volke selbst gewählten Oberhäupter eine sehr eingeschränkte und bei dem die Ausübung der Blutrache gleichsam zu einem Ehrengefeß erhoben ist, die Sicherheit des Eigenthums und des Lebens bedeutend gefährdet, so wie eine vollKtändige Anarchie herrschend sein müßte. Dem ist jedoch nicht so; denn Eigenthum und Leben find in Kabylien vielleicht gesicherter, als in manchen anderen Ländern, welche sich einer geregelten Regierung und Polizei zu erfreuen haben. Diese Sicherheit verdanken die Kabylen zweien höchst merkwürdigen Inftitutionen, nämlich denen der Zauza und der Anaza."

Die Zauzas find geheiligte Orte, die den Marabut (den Prieftern) zur Wohnung dienen, gleichzeitig aber auch Schul-Anstalten und Freistätten für Bedrängte sind. Die Anaza ist eine Schußherrschaft, welche jedes Individuum eines Stammes, sei es männlich oder weiblich, über einen Jeden ausüben kann, der daffelbe um seinen Schuß bittet. Die Anaza oder das sichtbare Zeichen derselben, d. §. irgend ein Gegenstand, welcher der die Anaza gewährenden Person angehört und als derselben bekannt ist, ftellt den Inhaber gegen jeden räuberischen und feindlichen Angriff im ganzen Umfange des Stammterrito riums sicher. Auf Nichts ist der Kabyle eifersüchtiger, als auf die Anerkennung seiner Anaza, und er würde eher seine Familie, Habe und Leben aufopfern, als die Nichtachtung derselben ungerächt laffen. Die Schauza von hohem Wuchs, weißer Haut, blauen Augen, blonden Haaren und ohne Ohrläppchen - ift der Verfaffer geneigt, für Nachkommen von Gothen zu halten, die von Spanien nach Afrika gekommen find.

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Die europäische Bevölkerung Algeriens beläuft sich nach dem amt lichen Bericht von 1853 auf 142,359 Seelen und begreift in sich: 83,421 Franzosen, 37,424 Spanier, 7540 Italiäner, 5967 Anglo-Mal

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aus man die Gletscherregionen des Monte Rosa übersieht. An großartiger wilder Gebirgsnatur kömmt Nichts diesen Gegenden gleich; gleichwohl war ich zufrieden, als wir nach acht Tagen unser Bündel schnürten und unseren Rückweg nach Viège (Wispach) antraten. Wir gingen sämmtlich zu Fuß, denn Madame K. war nicht wieder zu be wegen, ein Pferd zu besteigen, seitdem sie am Rhonegletscher mit dem Pferde den Berg herabgefallen war, ohne sich indeffen zu verlegen.

Wir traten also den neun Stunden langen Weg durchs Wisp-Thal zurück sämmtlich zu Fuß an und beschlossen, in St. Nikolaus zu übernachten, wo wir früher ein reinliches Wirthshaus gefunden hatten. Der schmale Saumpfad windet sich an Felsenwänden hin, über Gießbäche und Steingerölle hinweg, und tief im Abgrunde brauft die Wisp und erfüllt mit ihrem Getöse das enge, düstere Felsenthal. Wir waren kaum eine halbe Stunde gegangen, als es anfing zu regnen, anfangs schwach, dann immer stärker und stärker, so daß ich zulegt in meinem leichten Leinwandrock bis auf die Haut durchnäßt war. Da uns Madame K. am schnellen Gehen verhinderte, so beschloß ich, vorauszueilen, und so lief ich denn über Stock und Stein, was ich konnte, mich in meinem durchnäßten Zustande mit dem Gedanken an das freundliche Wirthshaus in St. Nikolaus tröstend. Ich hatte meine Begleiter bald aus dem Gefichte, aber die drückende, schwüle Luft nöthigte mich bald, meinen schnellen Lauf etwas zu mäßigen. Dicke Nebel senkten sich in das enge Thal herab und verbargen zum Theil die hohen steilen Felswände, die fast senkrecht vor mir aufstiegen.

Endlich lag das Dörfchen Herbringen vor mir, von wo aus ich nur noch eine halbe Stunde Weges bis St. Nikolaus hatte, als ich auf einmal einen dumpfen Donnerschlag vernehme; die Erde dröhnt und zittert unter meinen Füßen, so daß ich mich kaum auf den Beinen zu erhalten hoffe und mechanisch nach dem Geländer greife, welches den Weg einfaßt. Aber der Zaun flieht meinen Händen, die Felswände zittern und gewinnen Leben, und während diese zitternd-stoßende Bewegung fortdauert, sehe ich Häuser und Dächer des Dörfchens vor mir zusammenstürzen. Alles das mochte wohl fünf bis sechs Sekunden gedauert haben, aber Sekunden der peinlichsten und ängstlichsten Erwartung, denn vom ersten Moment an wußte ich, daß ein Erdbeben der bedrohlichsten Art stattfinde, und erwartete ich schon, daß sich die Erde vor mir spalten würde. Zu gleicher Zeit nun entstand ein fürchterliches Krachen von nah und fern, als ob eine heiße Schlacht begonnen hätte, und das Echo wiederholte vielfach den Donner um mich herum. Koloffale Felsblöcke stürzten maffenweise von den Bergen herunter, rissen in ihrem wilden Laufe Alles mit sich fort, und alte Tannen und hohe Fichten flogen wie leichte Späne vor den schweren Geschoffen einher, herab ins Thal. Jeden Augenblick fürchtete ich getroffen zu wer den, und der dichte Nebel, der die Berge, die mich zunächst bedrohten, verhüllte, erlaubte mir nicht, funfzig bis sechzig Schritt weit zu sehen.

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