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Ja, man weiß kaum, was man mehr bewundern foll: ob die furcht bare Kraft des Dampfes, oder den erfinderischen Geift, der allen Be dürfnissen durch einen neuen finnreichen Mechanismus zu entsprechen weiß. ,,An Drehscheiben, diefem wichtigen Theile des Bahnhofs-Mate rials, fehlt es natürlich ebenfalls nicht, und zwar sind darunter einige von ganz neuer Construction. Die Erfahrung allein kann jedoch nur maßgebend sein, welche dieser verschiedenen Formen in größeren oder kleineren Dimensionen den Preis verdient."

Nord-Amerika.

Ein Gottesdienst bei den „hartschaligen“ Taufgefinnten
in Georgia.*)

Das Beiwort hartschalig (Hard-shell) bezeichnet keine besondere politische Färbung; die Hard-shells bekennen sich vielmehr zu dem allgemeinen Glauben aller Taufgesinnten und haben nur den Zunamen angenommen, weil sie den fremden evangelischen Missionen alle Unterstüßung versagen und gegen sie ihr Angesicht zu einem Kiefelstein machten." Sie sind im Allgemeinen ein schlichtes Völkchen, allem Prunk und Lurus abgesagt, mit mäßigen Glücksgütern versehen, und wegen ihrer Ehrlichkeit und Pünktlichkeit im Bezahlen mögen fie mit Recht die Quäker des Südens heißen. Sie äffen keine modische Sprechweise nach, haffen alle Neuerungen in Sitten, Glauben, Moden und stellen den ungeschulten gefunden Menschenverstand höher, als allen Bücherkram und Unterricht. . . .

Es war Sonnabend, und es sollte in der Nachbarschaft heute und morgen Gottesdienst gehalten werden. Ich folgte der Einladung mei nes Wirthes, mehr aus Neugierde, als aus Andachtstrieb. Das Verfammlungshaus, wohin wir uns verfügten, war von roh zugehauenen Blöcken erbaut, ungetäfelt und ungedielt, mit Schiebeladen an den Fenstern; lange Bänke, wie in einem Schulzimmer, waren angebracht. Es lag in einem Wäldchen, nahe bei einer freundlichen Quelle. Jn. wenigen Stunden kamen zahlreiche Pflanzer mit ihren Frauen und Kindern zu Pferd und zu Maulthier; keiner zu Wagen.

Mit ruhig herzlicher Begrüßung kamen sie auf einander zu und sammelten sich in Gruppen, wie sie Zufall oder Absicht zusammen. brachte, unter den weitschattigen Bäumen. Obgleich ein Fremder, empfing ich dennoch den herzlichsten Händedruck und wurde in das Tagesgespräch gezogen. Nachdem das Thema der Pflanzer-Interessen und der Familien-Angelegenheiten erschöpft war, trat ein weißlockiger Greis in die Thür und rief: Die Stunde des Gottesdienstes ist da, Brüs der!" Sofort verstummte das Plaudern und das Lachen; da war ein Glattstreichen der Haare, ein Räuspern der Kehlen, ein Bürsten der Kleider, ein allgemeines Drängen zu den Thüren, die Frauen rechts, die Männer links. Die stattlichen Mitglieder der Kirche nahmen ihren Siz in der Nähe der Kanzel; andere ordneten sich nach dem Grad der Frömmigkeit und des Alters auf den Bänken; die fröhliche Jugend füllte den Hintergrund, und zuleßt standen die Sklaven. Ein Ueberblick des Innern brachte mir die seltsame Grille des alten George Chapman ins Gedächtniß: „Wenn ich je wieder zu einem Hause komme, will ich es ganz nach innen bauen; kein Lichtstrahl soll den gemeinen Ausweg finden. Nichts von Aufwand, Kunft und Schmuck; Alles schlicht und rauh, eine Scheu der falschen Menschengesellschaft, die alle Vernunft zu Trümmern schlägt und für irdische Größe alle himmlische Wonne zu Luft verdünnt. Ich will darum im Dunkeln leben, und all mein Licht soll, wie in alten Tempeln, von oben einfallen." Der Dichter aus Elisabeth's Zeiten war ein „Hartschaliger“ in seinem Bau ftyl- vielleicht noch etwas mehr von einem Nonkonformisten, als seine modernen Brüder. Jedenfalls aber war das gegenwärtige Haus einem warmen Klima angemessener, als der englischen dunftigen Luft.

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Da die Harten" oder, wie sie sich selbst nennen, die Urtauf gesinnten, sich eben so aufrichtig von allem äußeren Schmuck in anderen Dingen, wie in der Einrichtung des Gottesdienstes", lossagen, fo scheint die Eigenthümlichkeit der Sette durch keinen störenden Einfluß von außen in nächster Zukunft gefährdet. Die Frage, wie die Patriarchen den vorfluthlichen Gottesdienst auf ihren weiten Weidepläßen eingerichtet haben, mag den biblischen Alterthumsforschern über laffen bleiben; inzwischen können sie für ihre gelehrten Konjelturen einigen Halt finden bei diesen heutigen Gottverehrern in den Wäl. dern. Die Form besteht hier eben in aller Abwesenheit der Form; die Ceremonie ist blos eine überlieferte Vorschrift, dem allgemeinen Antrieb zu folgen. Und was soll ich von dem Gesang sagen? von diesem Gewoge rauher Waldstimmen, die nach individueller Laune ebbten und flutheten, eintönig trillerten, schleiften, abschnappten. Genug, der Gesang schwieg tiefe Stille gespannte Erwartung von

*) Nach Putnam's Monthly.

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wenigen Minuten bis zum Auftreten des Predigers. Er erhob sich; ein Mann mit harten Zügen, ein Kovenanter durch und durch; an seiner Kleidung kein Faden der seidenen Orthodorie, reines Hausgespinnst von zweischlächtigem Schnitt zwischen Quäfer und Waidmann; der Haarschnitt wie die Puritaner, die ihre Haare hart an dem Rande eines Keffels, den sie über den Kopf stülpen, rund abscheeren. Die niedrige, vorspringende Stirn überschattete eine umfängliche, plattge drückte Nase; die Augen lagen fast versteckt unter den zottigen Brauen. Um den Hals wand sich eine koloffale Binde, in welche das glattgeschorene, blaugesprenkelte Kinu von Zeit zu Zeit untertauchte, wie ein Klog, der fich auf tiefem Gewäffer schaukelt. Bei den Kraftstellen seiner Predigt verrenkten sich die schmalen Schultern, und die langen Arme wirbelten wie die Windmühlenflügel im Kreise herum. Wie er so dastand, die Bänke dumm anftarrend, zusammengekrümmt, ohne ein Wort zu sprechen; kaum daß Etwas, außer den rollenden Augen, sich an ihm bewegte -da hätte keiner erwartet, daß diese Maffe in Feuer gerathen könne. Ein engbrüftiger Sang unterbrach die Pause; er räusperte sich, hob das Buch hoch mit seinen langen Armen, blickte lange rund umher und legte die Bibel nieder. Er steckte das Sacktuch gemeiniglich für das Panier der Priesterschaft gehalten unter das Pult, auf das er die Arme senkte und hörbar athmete. Das Kinn fiel in den weitgeöffneten Schlund der Halsbinde. Wiederum ftreckte er sich in die Höhe, zog eine Börse, legte eine Münze auf das Pult und machte eine Pause; wiederum schwenkte er die Bibel, las zwei Verse aus dem neuen Testament, legte das Buch wiederum auf das Pult hin, wischte den Mund, brachte das Sacktuch an den geheiligten Plaz und begann:

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,,Brüder, ich fam zu dem Zert auf eine seltsame Weise - ich hatte mir vorgenommen, keinen Text festzuhalten, der mich nicht festhielt. Ich las einen Text, und er hielt mich nicht fest; ich las einen zweiten, und er that es nicht, und so einen dritten, vierten und so fort, bis ich an den zwölften kam, und da er mich nicht festhielt, so hielt ich ihn fest. Hier steht er in diesem guten Buche. Nun, Brüder, leset Ihr Eure Bibel? Ich möchte wohl sehen, wie viele von Euch wissen, wo diese Verse sich finden. Nun, ich will das hier wetten"

hier zeigte er die Silbermünze zwischen seinen Fingerspigen „Keiner hier wird mir fagen, wo dieselben Verse zu finden sind.“ Und der Ehrwürdige ballte die Faust gegen die andächtigen Zuhörer und führte einen Schlag auf das Pult, der einen Ochfen hätte fällen können.

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Und die Zuhörer? Da bemerkt Ihr nicht das geringste Zeichen der Veränderung, Alles schien in der Ordnung; blos saben sie sich um, als hofften sie, es würde Einer den richtigen Text nennen. Der Blick zeugte nur von einer gewissen Neugierde, wer wohl der Glückliche sein werde, den Ruf der Bibelfestigkeit, auf den die „Hartschaligen" sich was zugutethun, aufrecht zu erhalten. Die Geistlichkeit hatte dem Laienthum den Handschuh hingeworfen. Wird, kann irgend ein theurer Bruder, irgend eine theure Schwester dem Prediger auf eigenem Grund und Boden die Stirn bieten?" Die Neugierde fing an zu erschlaffen, zu wanken, ging in Ungewißheit, in Zweifel über, und man machte sich auf eine Niederlage gefaßt. Der Tag gehörte dann dem Prediger, und wie siegreich hätte er sie ausgescholten, wie hätte er sie, von seinen Sarkasmen durchbohrt, heimgeschickt. Alle Hoffnung war hin- als eine schmächtige, knochige Gestalt sich nahe an der Kanzel erhob, den blauen bis an den Füßen herabreichenden Ueberrock zuknöpfte und die eckigen Achseln zuckte. Aller Augen bohrten sich in ihn hinein, er aber wandte sich zu dem Prediger mit den Worten: „Bruder, die Wette ist nur klein, ich lasse aber keine vorbeigehen“; und er gab richtig die Stelle an. -,,Das Geld ist Euer!"

Der Prediger hatte seinen Mann gefunden und trug keine Siegesfahne davon. Die Predigt schleppte sich nun matt fort - die Kraft, das Leben, die Schärfe und die Keckheit waren geflohen — der Rückschlag, den der Laienbruder dem Klerus verseßt, hatte den Zauber der Rede gebrochen, und der Verdruß lag wie ein Alp auf des Predigers Hirn. Der Schlachtgesang ward gegen die Abendhymnen vertauscht, das Hüfthorn wich der Hirtenschalmei. Die Predigt schloß mit der Verkündigung, daß der Brauch des Fußwaschens morgen mit der Austheilung des Abendmahls verbunden werden solle, — Wie, habe ich recht gehört? Fußwaschen! Ich schwieg indeß, um mich nicht durch unzeitiges Fragen dem Gelächter preiszugeben, ward aber noch im Laufe des Tages aus meiner Verlegenheit gezogen, denn ein „Harter" be wies aus der Schrift, daß das Fußwaschen ein frommer Brauch sei.

Den nächsten Tag war der Zudrang zu dem Meeting-Haus noch bei weitem größer. Ein neuer Bruder sollte einen Vortrag halten. Uuleugbar war seine Predigt originell durch und durch. Er entwarf im Umriß ein Bild von den Eigenthümlichkeiten des Familienlebens und brach den Stab über alle Gewohnheiten, denen der alte Branch der Hartschaligen" feinen Stempel nicht aufgedrückt hat. Einige Reformen und Volksvereine wurden derb abgefertigt oder verhöhnt ale,,reif in Thorheit und verfault in der Vernunft". Das Branntweingeseß des Staates Maine (Maine - Liquor - Law) war noch

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nicht als eine politische Maßregel bekannt; allein diesen Endzweck hatten die Temperenzler" und die Söhne der Mäßigkeit" im Auge, und das war genug für den Geift des Redners, der sein schwerstes Geschüß gegen ihre Batterieen richtete und mit Selbstgefühl des Erfolgs manchen betäubenden Schuß abfeuerte. Ein Anakreon in Profa, huldigte er dem Bacchus, indem er es als Pflicht darstellte, die guten Dinge dieser Welt mit Maß zu genießen, den Mißbrauch zu meiden, sich nahe an die goldene Mitte und fern von allem Aeußersten zu halten. Uebermaß und Teetotalismus waren seine Scylla und Cha. rybdis. Um zu zeigen, daß er sich innerhalb der Schranken der „Urtaufgesinnten" befinde, erzählte er folgendes Geschichtchen: Bruder Dupeaty hatte sich einen Tadel von der Kirche zugezogen, weil er in Pfirsichbranntwein ein Uebriges that. Auf die Erklärung des Bruders aber, daß er, so lange er lebte, keinen anderen Tropfen angerührt hätte, erfuhr er einen neuen Tadel, daß er die mancherlei Gaben der Gnade verwerfe, und wurde überdies angewiesen, auch fernerhin sein Gläschen bei Gelegenheit zu trinken, sich aber niemals darin zu über nehmen. „Das ist die Lehre der Urtaufgesinnten; ist's nicht so, Bruder?" Ein Nicken mit den Köpfen und Müßen rechts und links bekräftigte die Text-Erklärung des würdigen Arbeiters im Weinberge des Herrn.

Der Geist der General-Mission wurde nur leicht gestreift, da der Gegenstand zu umfassend sei, um ihn in einer einzigen Predigt er, schöpfend zu besprechen; indeß verhieß er für die Zukunft eine Stunde der Abrechnung mit dieser Gorgone.

Dieser Censor der öffentlichen Moral nahm dann die gesellschaftliche Umgangsweise vor und schleuderte feine Schmähungen meist gegen eitle Worte, gegen das Rothwelsch seltsamlicher Redensarten. Diese Materie riß ihn völlig mit sich fort; er arbeitete mit Händen und Füßen, dogmatisch und heiß für eine Umgestaltung von Grund aus, um diesen Schaden zu heilen.

„Brüder, das kann nicht so fortgehen; dieses Gewäsch ist nicht urbaptistisch; wir müssen diese Zeichen der Weltlichkeit von uns thun; müssen wir wohl, Du Bruder? Müssen wir wohl, Du Schwester?“ Und diese direkte Berufung wurde von besagtem Bruder und besagter Schwester mit einem beifälligen Nicken beantwortet. ,,Yes, Sir-ee und No, Sir-ee (Ja, Herr-e, nein, Herr-e) find quere Ausdrücke und verboten. Ich kann sie nicht leiden, auch kein Bruder kann sie leiden; fie verachten fie, sie verabscheuen fie so recht aus Herzensgrund, und" hier drehte er sich um zu seinem geistlichen Bruder, der hinter der Kanzel saß — „ich bin gerüstet, ihnen die Stirn zu bieten, jezt und für immer, wie jene Brüder und Schwestern, meint Jhr nicht, Bruber?",,Yes, Sir-ee", stammelte der geängstigte Amtsbruder.

Eine Ermahnung schloß den Vortrag, und jegt folgte wirklich eine allgemeine Fußwaschung: die Frauen nahmen sie hinter einem Schirm vor; die Männer aber boten sich frank und frei zur Reinigung dar. Sie schritten paarweise vor; der eine feßte sich, entblößte das Bein bis zum Knie, der andere legte seinen Rock ab, verfah sich mit einem Handtuch, kniete an dem Wassergefäß nieder, wusch und trocknete das nackte Gliedmaß. Dann geschah ihm das Gleiche von feinem Partner. War das Paar abgefertigt, so trat ein anderes an das Wassergefäß und verfuhr in derselben Weise, bis die ganze Versammlung die Verrichtung vollbracht hatte. So schloß das heilige Tagewerk, und Jeder kehrte nach seinem Hause heim.

Mannigfaltiges.

Die Neue Zeit. Unter diesem Titel erscheint seit dem Monat April d. J. in New-York eine deutsche Wochen-Zeitung, die sowohl ihrer inneren wie ihrer äußeren Ausstattung wegen ein würdiges Organ der deutschen Bevölkerung der Vereinigten Staaten ift. Herausgegeben und redigirt wird sie von Herrn Paul Bern hard, dem jeßigen buchhändlerischen Besißer des Meyerschen Verlags-Instituts in New-York, das bekanntlich ein Filiale von Meyer in Hildburghausen und welchem ein großes Verdienst um die Verbreitung deutscher Literatur in Nord-Amerika nicht abzusprechen ist. Auch die "Neue Zeit" sucht sowohl in literarischer, als in kulturhistorischer und politischer Beziehung deutsche Ideen auf transatlantischem Boden zu verbreiten. Obwohl die Deutschen warnend vor Selbstisolirung und vor Nachahmung der einseitigen und lächerlichen Erklusivität des Knownothingthums, sucht die Zeitung doch eben so dahin zu wirken, daß sich die Deutschen nicht den Gegnern der Knownothings, den „Temperenzlern" und fanatischen Abolitionisten, anschließen. Von zweien Uebeln das kleinste wählen“ ist zwar eine unter den Deutschen sehr beliebte Marime; die,,Neue Zeit" beweist ihnen jedoch, ohne zu den radikalen

Ausschreitungen des Pionier" ihre Zuflucht zu nehmen, daß die Deutschen sich von beiden Uebeln auf gleiche Weise fern halten tönnen. Das Feuilleton der „Neuen Zeit" ist meistens mit naturhistorischen belehrenden Artikeln gefüllt, die zum Theil von Deutschen in Amerika abgefaßt und zum Theil natürlich deutschen Werken entlehnt sind. Die naturhistorische Richtung herrscht jeßt augenscheinlich auch auf dem amerikanisch-deutschen Büchermarkte vor, wie fast aus allen Buchhändler-Ankündigungen hervorgeht, die sich in amerikanischen Blättern finden. Von einer eigenthümlichen Rechtsnorm hinsichtlich des Zeitungs-Abonnements zeugen nachfolgende gesegliche Bestimmun gen, auf welche in jedem Blatte der „Neuen Zeit" hingewiesen wird: "Zeitungsbestimmungen, welche durch die Union gelten.

,,1) Wenn Abonnenten nicht ausdrücklich das Gegentheil bestellen, so wird angenommen, daß sie eine Fortseßung des Abonnements wünschen. ,,2) Das Abonnement kann nicht eher rechtsgültig abbestellt werden, als bis alle Rückstände bezahlt find.

,,3) Wenn Abonnenten es unterlassen oder sich weigern, ihre Zeis tungen von der betreffenden Post-Office abzuholen, so find sie verant wortlich, bis sie ihre Rechnung bezahlt und das Abonnement abbestellt haben.

,,4) Wenn Abonnenten den Wohnort verändern, ohne die ZeitungsExpedition davon zu benachrichtigen, so ist es ihr Schade, wenn die Zeitungen nach der Post-Office ihres alten Wohnortes gesandt werden.

,,5) Die richterlichen Entscheidungen lauten dahin, daß eine Weigerung, Zeitungen von der betreffenden Post-Office abzuholen, oder Veränderung des Wohnortes ohne vorhergehende Anzeige als prima facie Beweis des absichtlichen Betruges anzusehen ist.

,,Wer drei Nummern einer Zeitung annimmt, wird als Abonnent betrachtet und hat für dieselbe Zahlung zu leisten."

Eine Holzpapier-Mühle. Wie die nordamerikanischen Zeitungen melden, ist zu Little Falls im Staate New-York von einem gewiffen Herrn Beardslee eine Papiermühle errichtet worden, in der er Papier aus dem Holze der nordamerikanischen Linde (Tilia glabra) bereiten will. Das Gebäude ist im großartigsten Styl aufgeführt; das untere Stockwerk hat Mauern von acht Fuß Dicke, aus Steinblöcken zusammengeseßt, die 8 bis 10 Tons (1 Ton 20 Centner) wiegen. Mit der Mühle ist eine Maschinenbau-Anstalt zur Anferti gung der Papier-Maschinen verbunden, von welchen funfzehn bis zwanzig zur Bereitung einer Papier-Maffe von funfzig Tons wöchentlich genügen werden. Außer dem Holze der nordamerikanischen Linde hat Beardslee noch mit folgenden Holzarten Versuche angestellt: mit der Sproffenfichte, Rothtanne, Hemlocks-Tanne, weißblühenden Roß-Kaftanie (buckeye) u. s. w., und er hält es für ausgemacht, daß er von jeder dieser Spezies ein feines Papier von bester Qualität erzeugen und den Druckern zu einem niedrigeren Preise als dem bisher dafürgezahlten ablaffen kann. Wenn sich dies bestätigt, so dürfte eine förmliche Umwälzung in der Papier-Fabrication stattfinden, welche die jeßt mit schwerem Gelde aufgewogenen Lumpen ihres ganzen Werthes berauben würde.

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Nussische Gefangene im Kaukasus. Es wird den Zeis tungslesern vielleicht noch erinnerlich sein, daß im Herbste v. J. bei einer von Schamyl im Rücken der gegen die Türken beschäftigten ruffischen Armee unternommenen Razzia mehrere vornehme georgische Damen - darunter die Witwe des in der Schlacht bei Subatan gebliebenen Generals Fürsten Orbelian und die Gattin des Obersten Fürsten Tschawtschawadse gefangen genommen und ins Gebirge entführt. wurden, ohne daß es den nachseßenden Verwandten gelang, den Räubern ihre kostbare Beute abzujagen. Nach einer achtmonatlichen Gefangenschaft wurden sie gegen einen Sohn Schamyl's, der vor vielen Jahren in die Hände der Ruffen gefallen und auf Befehl des verstorbenen Kaisers Nikolaus im Petersburger Kadettencorps erzogen worden war, ausgewechselt und konnten in den Schooß ihrer Familie. zurückkehren. Wie wir jezt aus dem Kawkas erfahren, beabsichtigen diese Damen, zum Besten der in der erwähnten Razzia niedergebrannten georgischen Dorfschaften eine Beschreibung ihrer Gefangenschaft herauszugeben, die, nach den von dem Tifliser Blatt mitgetheilten Proben zu urtheilen, recht interessant zu werden verspricht und vielleicht dazu beitragen wird, das mystische Dunkel aufzuklären, das noch immer. über den berühmten Imam und seine Umgebung verbreitet ist.

Böchentlich erscheinen 3 Nummern. Preis jährlich 3 Thlr. 10 Sgr., halbjährlich 1 Thlr. 20 Sgr. und vierteljährlich 25 Sgr., wofür bas Blatt im Inlande portofrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird

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Literatur des Auslandes.

Italien.

Berlin, Dienstag den 4. September

Ein Besuch bei den Waldensern.

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Zu den neuesten Reiseberichten über Italien gehört das uns vor liegende Werk eines schottischen Geistlichen, welcher das klassische Land aus einem den meisten Touristen ziemlich fremden Standpunkt dem exklusiv protestantischen oder vielmehr kalvinistischen - betrachtet, welchem der Papst noch immer der Antichrist und Rom die auf den sieben Hügeln thronende große Babylon, die Mutter aller Gräuel auf Er den" ist.") Daß einem solchen Reisenden die ohnehin nicht sehr erfreulichen Zustände der Halbinsel im allerschwärzesten Lichte erscheinen müssen, ist leicht begreiflich; nur in Piemont erblickt er eine Dase in der Wüste des geistlichen und weltlichen Despotismus: ein Land, auf welchem offenbar der göttliche Segen ruhe, der es vor den hochaufgethürmten Wellen der Revolution, wie vor der versumpfenden Ebbe der Reaction vor den rothen Hüten Roms, wie vor den rothen Müßen der Republik — bewahrt habe. Was ihn aber in jenem Lande noch mehr intereffirte, als die Constitution, die Verhandlungen der Deputirtenkammer und die Erinnerungen an das „Schwert Italiens“, war der Umstand, daß in einem Winkel desselben die Märtyrerkirche der Waldenser ihr Dasein durch Jahrhunderte der Verfolgung gefristet hat, bis die im Jahre 1848 gewährte Religionsfreiheit sie von ihren langen Leiden erlöfte. In Turin angekommen, hatte daher unser Verfasser nichts Eiligeres zu thun, als eine Wallfahrt nach den abgelegenen Thälern der Waldenser zu unternehmen, auf der er von zwei ihm befreundeten Mit gliedern dieser Religionsgenossenschaft begleitet ward. Als er sich mit ihnen im Hotel zu Pignerol, an der Gränze des Waldensergebietes, zu Tische niedersezte, machten sie ihn darauf aufmerksam, daß noch vor wenigen Jahren in diesem Ort ein Gefeß bestanden habe, wodurch bei schwerer Strafe verboten wurde, den Waldensern Speise oder Tranf zu verabreichen.

„Die Thäler“, schreibt er,,,waren von hier aus zehn (engl.) Meilen entfernt, und wir kamen überein, den Weg zu Fuße zurückzulegen. In dieser Art müffen auch alle folche Orte besucht werden, wenn man des Eindrucks, den sie hervorbringen, vollständig genießen will. Von Pignerol aus begann die Straße sich allmählich in das Gebirge hinein zuziehen, und mit jedem Schritt wurde die Landschaft romantischer. Zur Rechten erhoben sich die Berge der Waldenser, mit zahlreichen Hütten befäet und mit Wäldern gekrönt; zur Linken wand sich der Po durch Weingärten und Felder, von den goldenen Strahlen der unter gehenden Sonne beleuchtet, hin. Die Scenerie erinnerte mich an die schottischen Hochlande, nur daß sie die letteren an Großartigkeit und Pracht bei weitem übertraf. Nirgends hatte ich üppigeren Wein er blickt. Die Reben waren kranzartig verschlungen, wie ich sie in den Alpen gesehen hatte, aber sie machten hier eine weit pittoreskere Wir tung. Sie streckten sich buchstäblich in einem ununterbrochenen Gewebe über ganze Felder aus. In reiches Laub gekleidet, glichen sie einer zweiten himmelblauen Decke, die über der Erde hing und den Ackersmann und feine Stiere vor der brennenden Sonne schüßte, deren goldene Strahlen, von dem dichten Laube gebrochen, mit mildem, gedämpftem Glanz auf den neu gepflügten Boden fielen. Der Weizen foll unter dem Schatten des Weins beffer reifen, als in der heißen Sonne. Die Zeit des Weins war beinahe vorüber, aber hier und dort hingen noch große Trauben von den Stöcken.

,,Die drei Waldenser-Thäler sind das Val Martino, das Val Angrona und das Val Lucerna. Schon ihre Lage eignet sie zur Vertheidigung gegen einen weit überlegenen Feind. Sie dehnen sich in der Gestalt eines Fächers aus, indem sie in einen Mittelpunkt zusammentreffen, von wo aus fie in einem Irrgarten von Weinbergen, Wiefen, Kastanienhainen, finsteren Schluchten und schäumenden Gießbächen sich bis zu den Kuppen und Gletschern der Alpen hinwinden. Fast am Vereinigungspunkte des Val Angrona und des Val Lucerna liegt La Tour,

*) Pilgrimage from the Alps to the Tiber, or the Influence of Romanism on Trade, Justice, and Knowledge. By Rev. J. A. Wylie, L. L. D. Edinburgh, Shepherd & Elliot, 1855. Berlin, A. Asher & Comp.

1855.

die Hauptstadt der Thäler. Sie besteht aus einer einzigen Straße (denn die wenigen Abzweigungen derselben sind kaum der Erwähnung werth) von zweiftöckigen, weiß angestrichenen Häusern, mit breiten Giebeln, die so weit hervorragen, daß sie nur einen kleinen Streif blauen Himmels sichtbar laffen. Die Stadt zieht sich etwa eine Viertelmeile den Berg hinauf, unter dem Schatten des berühmten Caftelluzzo, eines mächtigen Felsens, der wie eine Säule auf ihrem Piedestal mehrere Tausend Fuß hoch emporschießt und in früherer Zeit mit seinen steinigen Armen die verfolgten Kinder der Thäler umschlang, als die Heere Frankreichs und Savoyens sich um seinen Fuß schaarten. Von welchen traurigen Scenen ist dieser Riesenfels Zeuge gewesen! Er hat das friedliche La Tour als einen Haufen rauchender Trümmer und die klaren Fluthen der Pelice, die sich längs seinem Rande schlängelt, roth von dem Blute der unglücklichen Waldenser gesehen. Er hat die zornigen Verwünschungen bewaffneter Männer gehört, welche auf derselben Stätte die Luft erfüllten, wo einst die Loblieder und Gebete der frommen Thalbewohner zum Himmel emporstiegen. Solche Erinnerungen sind unaussprechlich rührend, und wer an der Menschheit verzweifelt, muß die Geschichte der Waldenser, so reich an Zügen heldenmüthiger Standhaftigkeit und frommer Einfalt, studiren, um von seinem Irrthum geheilt zu werden.

,,Die Stärke des Waldenserlandes, als militairischer Position, besteht in der verhältnißmäßigen Enge des Raumes, der den Eingang zu den Thälern bildet. Das Asyl dieses Völkchens war in der That eine natürliche Citadelle, im Felsen gegründet, mit ihren Zinnen über die Wolken ragend und mit einem einzigen Thore als Eingang. Dieses Thor konnte leicht vertheidigt werden; ja, es vertheidigte sich selbst. Dieselbe Hand, welche diese mächtige Festung erbaute, hat auch einen Wall vor ihrem Thore aufgethürmt, eigens, wie es scheint, zum Schuße ihrer Bewohner. Eine längliche Hügelreihe, die sich zu einer Höhe von vier bis fünfhundert Fuß erhebt, liegt quer vor der Deffnung dieser Thäler, ungefähr eine Meile in der Breite, und dient so als Vertheidigungsmauer. Aber selbst wenn dieser Eingang erstürmt wurde, wie es mitunter geschah, fand man innerhalb des Gebirges selbft, welches eine Reihe von natürlichen Festungen darstellt, hinlängliche Mittel, den Kampf zu verlängern. Die Thäler ftroßen von Schluchten und engen Päffen, wo Ein Mann sich gegen funfzig halten kann. Außerdem giebt es noch Felsen-Abhänge mit Galerieen und Höhlen, die nur den Waldensern bekannt sind. Sogar die Nebel ihrer Berge begünstigten sie, indem sie in einigen bemerkenswerthen Fällen sie vor den Blicken ihrer Feinde bargen. So konnte jeder Fußbreit ihres Gebiets vertheidigt werden und wurde in der That gegen die Blüthe der französischen und sardinischen Heere mit einem Heldenmuth vertheidigt, den Rom nie übertroffen, und einem Patriotismus, den Griechenland nie erreicht hat."

Das Waldenserland wird als äußerst fruchtbar geschildert. „Derselbe Baumeister, der die Festung errichtet, hat sie auch, so zu sagen, verproviantirt und mit keiner fargen Hand. Mochten die Waldenser auch von ihren Feinden rings eingeschloffen und ihnen alle Verbindung mit der Außenwelt abgeschnitten werden, innerhalb ihrer Gebirgsmauern bot sich ihnen eine Fülle von Naturgaben dar. Am ersten Morgen nach meiner Ankunft ging ich das Lucerna-Thal in füdlicher Richtung entlang. Jeder Fleck Landes, auf dem das Auge ruhte, von den Ufern des Baches bis zum Saume des Nebels, der die Bergspißen verhüllte, war mit einem Ueberfluß von Blumen und Früchten bedeckt. Die Weizen und Maisfelder wechselten mit Obstgärten und Weinbergen ab und waren mit sauber gehaltenen Hecken eingefaßt. Die Weinstöcke hatten eine ungewöhnliche Größe, und ihr Laub zeigte schon die herrliche goldgelbe Farbe, die ihm der Herbst verleiht. In einer kleinen Entfernung, auf einer sanften Anhöhe, schimmerte die Kirche San Giovanni durch die Bäume hervor, so glänzend weiß, wie ein Marmorblock, an welchem eben der Meißel des Bildhauers gearbeitet. Dicht dabei erblickte man das Dorf Lucerna, halb versteckt von den es umgebenden Obstgärten. Zur Rechten erhob sich die mächtige Alpenmauer, zur Linken öffnete sich das Thal auf die Ebene des Po, von einer Reihe blau schattirter Hügel begränzt, die sich weit gen Südwesten ausstreckten und am fernen Horizont sich mit den gewaltigeren

Massen der Alpen verschmolzen. Die Sonne brach jezt durch den Nebel, und ihre Strahlen, auf die üppige Schönheit des Thales und den verschiedenartigeren, aber nicht weniger reichen Schmuck der Berge die Weiden, die Pflanzungen und die weißen Sennhütten fallend, beleuchteten ein Bild, das einer Reliquie aus dem Paradiese glich, ehe noch die Sünde den Menschen aus seinem Eden vertrieben hatte.

„Es war meine Absicht, das Thal Lucerna, in welchem, wie schon gefagt, La Tour, die Hauptstadt der Waldenser, gelegen ist, in seiner ganzen Ausdehnung zu verfolgen, an dem Dorf und der Kirche von Bobbio vorbei und die Berge hinauf, bis es sich in den Schnee ihrer Gipfel verliert: eine Expedition, die durch die schwarzen Wolken unterbrochen wurde, die um Mittag wie der Rauch einer Effe über das Thal trieben und sich in Strömen von Regen entluden. Indem ich meinen Weg durch die enge, krumme Straße von La Tour nahm und den Rand des riesigen Caftelluzzo umging, erreichte ich das offene Thal. Sein Anblick entzückte mich durch die Mischung von Lieblichkeit und großartiger Majestät, die sich mir darbot. Der Thalgrund, der eine bis zwei Meilen breit sein mochte, obwohl er in Folge des titanartigen Charakters der ihn umgebenden Felsenmauer enger schien, bildete bis zu einem gewissen Punkt einen fortlaufenden Weinberg. Der Wein schießt hier zu einer bedeutenden Höhe empor und erstreckt sich in reichen Guirlanden von einer Seite des Thals bis zur anderen. Die Abhänge der Berge waren nicht kahl und öde, sondern mit Weingärten, Kornfeldern, grafigen Triften, Gebüschen und Obstbäumen, Häusern und Chalets besäet und von silbernen Bächen gefurcht, welche in glänzenden Lichtstreifen hinabrollten, um sich mit der am Fuße entlang strömenden Pelice zu vereinigen. Keine Spanne Landes war unbebaut, und die üppigen Aerndten gaben Zeugniß sowohl von den Eigenschaften des Bodens und des Klimas, als von dem Fleiße der Waldenser. Etwas weiter hinauf nahm die Scene einen theilweise veränderten Charakter an. Die Weingärten wurden seltener, und an ihre Stelle traten reiche Weideländer, auf welchen zahlreiche Heerden graften. Die Hügel zur Linken waren noch mit Reben bekleidet, zur Rechten aber, wo sich die Straße eine Hochebene entlang zog, wurden die Kastanienhaine häufiger, und gewaltige Firfte machten sich gelegentlich bemerkbar. Hier war es, wo die rollende Wolkenmasse, die mir in droHender Schwärze den Hügel hinauf gefolgt war, mich einholte und durch eine Sündfluth von Regen, die sich aus ihr ergoß, meinem weiteren Vordringen Schranken seßte." (Schluß folgt.)

Frankreich.

Die großen Männer im Hauskleid.

Von Alexander Dumas.

Heinrich IV.
(Schluß.)

Eine bedeutende Rolle in Heinrich's Leben spielte damals der bekannte Sully. Er war es vornehmlich, der Jenen von seinen Liebesthorheiten zurückzuhalten oder wenigstens Extravaganzen zu hintertreiben suchte. Er selbst aber war auch nicht ohne seine Schwächen, besonders hatte er eine große Neigung zum Wein. Eines Tages, als der König auf dem Balkon ftand, fah er Sully daherkommen. Während dieser den König grüßte, wäre er beinahe umgefallen. D, sagte der König zu seiner Umgebung, laßt Euch das nicht Wunder nehmen. Wenn der größte Trinker unter meinen Schweizern so viel Schoppen im Kopfe hätte, als er jezt hat, so wäre er der Länge nach hingestürzt.

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Seltsamer war Sully's Tanzluft. Er selbst schreibt in dieser Beziehung: Einmal konnten Herr v. Biron und zwölf der feinsten Hofherren mit einem Ballet nicht fertig werden. Der König ließ daher mich rufen, um die Sache ins Reine zu bringen. Sully war allerdings kein Balletmeister, aber wenn diese Kunst nicht sein Beruf war, so war sie wenigstens sein Stolz, seine Leidenschaft. Alle Abende fam ein königlicher Kammerdiener, Namens Laroche, zu ihm, der ihm auf der Laute die damals üblichen Tänze vorspielen mußte, welche Sully sodann, mit einer phantastischen Müze geschmückt, vor seinem Secretair La Clavelle und dem Präsidenten Duret tanzte.

Mit dieser feinen Kunst stand sein Kurzangebundensein in grellem Widerspruch. Eines Tages wollten ihm einige Herren ihre Aufwartung machen. Ihre Namen waren von der Art, daß man sie nicht wohl abweisen konnte. Sully empfing fie daher, aber mit seiner ge= wöhnlichen grämlichen Miene: Was wollen Sie von mir, meine Herren? fragte er barsch. Ihn zu besänftigen, erwiederte einer der Her ren: Beruhigen Sie sich, wir sind nur gekommen, um Sie zu sehen. Ah, versezte Sully, wenn das ist, da werden wir bald fertig sein. Und er zeigte sich ihnen von vorn und dann von hinten, trat in sein Kabinet zurück und schloß die Thür hinter sich ab.

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Sully war Calvinist, und obwohl er es war, der Heinrich zusprach, seinen Glauben abzuschwören, so wollte er es selbst doch nie

thun. Man kann in jeder Religion selig werden, pflegte er zu sagen. Als er sich jedoch dem Tode näherte, befahl er, man solle ihn doch für alle Fälle" in geweihtem Boden begraben.

Sully war es vorzugsweise gewesen, der Heinrich zu einer zweiten Heirat veranlaßt hatte. Marie von Medicis galt indeß doch mit Unrecht für eben so galant wie Marguerite von Valois. Einer ihrer Liebhaber soll Bassompierre, ein Mann von großartigen Gesinnungen, gewesen sein. Er spielte einmal mit Heinrich, der, wie schon gesagt, ein Knauser war und im Spiele betrog. Plößlich that der König, als finde er unter dem Spielgelde halbe Pistolen. Ei, was ist das, Bassompierre? das, Bassompierre? Parbleu, es sind halbe Pistolen. Wer hat fie ins Spiel gebracht? Sie, Sire! Ich? Ja, Sie. - Nein, Du warst's. Ich? - Ja, ich schwöre es. Gut, versezte Bassompierre, legte statt der halben Pistolen ganze hin, nahm jene und warf sie zum Fenster hinaus den Lakaien zu. Dann sette er sich wieder ruhig nieder. Während er so that, folgten ihm Heinrich und Marie mit den Augen. Ah, rief Marie, der König spielt Baffompierre, und Baffompierre spielt den König!

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Der König selbst sezte seine Liebschaften fort. Die leßte war die Sängerin Paulet. Sie war es, die zuerst den Namen Löwin (Lionne) erhielt. Das Feuer, mit welchem sie liebte, sagt ein Zeitgenoffe, ihr Muth, ihr Stolz, ihre flammenden Augen und die etwas zu goldenen Haare trugen ihr diesen Namen ein. Auf dem Wege zu ihr wurde Heinrich ermordet.

Dieser lezte Tag Heinrich's ist mit einem fast lächerlichen Detail wiedergegeben. Wir wollen wenigstens die lezte und interessanteste Partie wiederholen. Troß der Bitten der Königin, welche beängftigende Träume gehabt, und troß seiner eigenen unerklärlichen Aufregung, oder vielleicht gerade um dieser zu entfliehen, stieg er gegen 34 Uhr in den Wagen und nahm anfangs den ersten Plaß darin ein. Da er aber an der Schwelle auf den Herzog von Epernon stieß und von diesem hörte, daß er ein Geschäft in der Stadt habe, ließ er ihn zu seiner Rechten fißen.

Am Kutschenschlag auf dieser Seite befanden sich der Marschall de Lavardin und Herr von Roquelaure, auf der entgegengeseßten der Herzog von Montbazon und der Marquis de la Force; auf dem Vordersig saßen sein erster Stallmeister Liancourt und der Marquis von Mirabeau.

Der Kutscher ließ durch den Stallmeister vom Dienst um den Befehl des Königs für den einzuschlagenden Weg bitten.

Fahr nur einmal zum Louvre hinaus, sagte der König. Als er unter dem Gewölbe des ersten Thores war, ließ er den Wagen nach allen Seiten öffnen.

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Ein Mann, den man nicht beachtet hatte, stand zwischen beiden Thoren und paßte auf den König. Als er aber den Herzog v. Epernon an deffen Plage sah und zugleich den Ruf hörte: Nach dem Arsenal! hoffte er unterweges eine bessere Gelegenheit zur Ausführung seines Vorhabens zu finden. Er glitt daher zwischen dem Wagen und der Mauer hindurch und beschloß, den König bei einer der kleinen Buden zu erwarten, die in der Straße de la Ferronnerie nahe bei den Innocents stehen. Gegenüber von dem Hotel de Longueville ließ der König halten und schickte sein Gefolge heim.

Jest fragte der Kutscher noch einmal, wohin er fahren solle, wie wenn er ihn das erste Mal nicht recht verstanden hätte. Nach Croix du Trahoir, verfeßte der König.

Und von dort?

Von dort? Das will ich Dir später sagen.
Man hielt an Croix du Trahoir.

Der König befann sich einen Augenblick, ob er zu Mademoiselle Paulet oder ins Arsenal fahren solle. Er beschloß, zuerst ins Arsenal und auf dem Rückweg zur Paulet zu gehen.

Er streckte den Kopf zum Schlage hinaus und rief laut: Nach dem Arsenal, am Kirchhofe der Sts. Jnnocents vorbei! Da es heiß war, legte er jegt den Mantel ab und nahm ihn aufs Knie.

Man gelangte in die Straße de la Ferronnerie. Am Eingang derselben bemerkte der König den Herrn v. Montigny in seiner Karosse. Er beugte sich noch einmal aus dem Wagen und rief: Herr Montigny, Jhr Diener!

Dann bog der Wagen des Königs in die genannte Straße.

Die Straße war mit Hütten und Buden, welche längs der Mauer des Kirchhofes der Sts. Innocents hinliefen, blokirt. Am 14. Mai 1554, also gerade sechsundfunfzig Jahre vorher, hatte Heinrich II., in Betracht, daß die Straße de la Ferronnerie der gewöhnliche Weg war, auf welchem die Könige vom Louvre nach ihrem Schloffe des Tournelles fuhren, einen Befehl erlassen, wonach die Buden abgebrochen und weggeräumt werden sollten. Der Befehl war vom Parlament sanctionirt, die Ausführung aber bis jezt vernachlässigt worden.

Jnmitten dieser Buden und Hütten wartete der Mensch, der am Eingang des Louvres gestanden hatte, auf den König.

Es war, als ob das böse Vorhaben auf jede Weise befördert werden sollte; denn als der Wagen des Königs in die Straße einbog, stieß er auf zwei Karren, von denen der eine mit Heu, der andere mit Wein beladen war.

Der Heukarren, der gerade in der Mitte der Straße stand, veranlaßte den Kutscher, nach der Linken auszuweichen, wobei er alle Augenblicke anhalten mußte. Die Diener, welche den Wagen zu Fuß begleiteten, waren dieses Umstands wegen über den Kirchhof gegangen. Um diese Zeit gelangten mehrere Personen zwischen den Wagen und die Buden. Unter ihnen war auch ein Mensch, der einen Mantel über die linke Schulter trug, unter welchem er ein Meffer verbarg. Der König hatte den Kopf eben zur Rechten gedreht. Er sprach mit Epernon, dem er ein Papier eingehändigt hatte. Sein rechter Arm lag um den Hals des Herzogs, der linke auf der Schulter des Herzogs von Montbazon, der selbst den Kopf abwendete, um nicht zu hören, was der König zum Herzog von Epernon und zum Marschall de Lavardin sagte.

Wenn wir vom Arsenal zurückkommen, sprach der König, will ich Euch die Pläne zeigen, die Descure für den Marsch meiner Armee entworfen hat. Ihr werdet davon eben so befriedigt sein, als ich es war, denn --. Hier brach er ab und rief: Ah! ich bin verwundet! Dann sezte er hinzu: Es ist Nichts.

Aber zu gleicher Zeit stieß er eher einen Seufzer als einen Schrei aus, und das Blut schoß ihm in dicken Tropfen aus dem Munde. Sire! schrie Epernon, denken Sie an Gott!

Der König hörte diese Worte noch, dann faltete er die Hände und hob die Augen gen Himmel. Aber gleich darauf sank sein Haupt auf die Schulter des Herzogs.

Er war todt.

Die Sache war so zugegangen:

Der Mann im Mantel hatte den Augenblick benugt, wo der ein zige Diener zu Fuß, der noch beim König geblieben war, sein Knie. band fester umlegte. Da glitt er zwischen ihn und den Wagen, brachte über das Rad weg seinen Arm in den Kutschenschlag und gab dem Könige zwei Messerstiche.

Er wollte ihm noch einen dritten verseßen, aber der Herzog von Montbazon fing ihn mit dem Aermel seines Wamses auf.

Der erste Stoß, welcher dem Könige den Ruf: Ich bin verwundet! entlockt hatte, traf ihn zwischen der zweiten und dritten Rippe, drang jedoch nicht in die Brufthöhle ein, sondern ging blos unter die Brustmuskel. Der zweite dagegen, etwas tiefer in der Mitte der Seite geführt, war zwischen der fünften und sechsten Rippe hindurch in die Brust gedrungen und hatte die Lungenflügel, so wie die Arterie am linken Herzohr, durchschnitten. Dieser Stoß hatte dem Könige das Blut aus dem Munde getrieben.

Der Tod war fast augenblicklich erfolgt.

Die schauerliche Execution Ravaillac's, die wir schon im Neuen Pitaval" mit denselben Details gelesen, beschließt das jedenfalls intereffante Büchlein, welches, wie Dumas verspricht, wenn es Anklang findet, noch manche Nachfolger haben werde, bis zu Alerander dem Großen hinauf!

Die Buchdruckerkunft auf der Pariser Ausstellung.*) Von den verschiedenen Versuchen, die gegenwärtig im Gebiete der Buchdruckerkunst gemacht werden, giebt die Welt-Ausstellung eine intereffante Uebersicht. Es gehen diese Versuche einerseits darauf aus, die Zusammensetzung der beweglichen Lettern der Mechanik zu unterwerfen; andererseits will die Typographie die noch geheimnißvollen Kräfte der Elektrizität und des Lichts für einige ihrer Operationen be nußen. Außerdem werden in Betreff des Abziehens der Druckbogen Vervollkommnungen erstrebt, insofern entweder die Arbeit beschleunigt øder die dabei angewandten Vorrichtungen vereinfacht werden. Ferner zeigen sich die Fortschritte in Bezug auf den Farbendruck sehr bedeutend; und die Kunst, Vignetten in den Text zu drucken, erreicht eine wahrhaft ideale Vollkommenheit.

Die auf der Pariser Ausstellung sich darbietenden neuen Erscheinungen im Gebiete der Buchdruckerkunft sind zum Theil auch schon auf früheren Ausstellungen, besonders auf der Londoner im Jahre 1851, vertreten gewesen; ihr Ensemble aber ist auf der gegenwärtigen WeltAusstellung ein vollständigeres. Auch fehlt es an einigen ganz neuen Erscheinungen nicht.

Wir wollen nicht behaupten, daß alle die hier zur Schau geftell, ten Versuche wirklich dauernde Erfolge haben werden; aber wenn sie auch ihren Zweck nicht vollständig erreichen, so haben sie als Beweise des regen Strebens auf diesem Gebiete doch ihren Werth. Die Pari.

*) Nach einem Artikel des Moniteur.

fer Ausstellung führt uns die schönsten Proben von Druck vor, die je zu Stande gebracht worden sind; und wenn solche Lurus-Ausgaben, wie fie hier vorliegen, wegen des zu hohen Preises auch nicht in den Buchhandel kommen, so üben sie doch einen nüzlichen Einfluß auf die Ausftattung der gewöhnlichen Bücher aus, die in dem Maße, in welchem die Bildung allgemeiner wird, für eine immer größer werdende Anzahl von Lesern bestimmt sind.

Der wesentliche Fortschritt in der Buchdruckerkunft ist freilich darin zu finden, daß die für die große Menge bestimmten Bücher beffer ausgestattet und zu einem niedrigeren Preise, als bisher, erscheinen. Dieser Fortschritt wird aber indirekt gefördert durch die Industrie, welche zunächst nur reiche Bücherliebhaber befriedigen will.

Der doppelte Fortschritt der Buchdruckerkunst, sowohl in Bezug auf die Erfindung neuer Methoden, als auch in Bezug auf eine vollkommenere Ausstattung der Bücher, tritt uns in der gegenwärtigen Ausstellung bei mehreren Ländern entgegen. Desterreich, Belgien, die Schweiz, Preußen, Großbritannien, Dänemark, Griechenland, Holland, Sardinien, Sachsen, Württemberg, Portugal, Mexiko u. f. w. haben Druckproben and Druck-Apparate geschickt. Manche dieser Ausstellungen sind nicht umfangreich genug, um von dem Zustande der Buchdruckerkunft in den einzelnen Ländern, welchen sie zugehören, eine genaue Vorstellung zu geben; aber das Ensemble der Ausstellungen ist wohl geeignet, uns den allgemeinen Zustand der Buchdruckerkunst in der Gegenwart genau zu veranschaulichen.

Die Sendungen des Auslandes enthalten sehr merkwürdige Stücke. Es treten uns Reichthümer entgegen, wo wir sie kaum erwarten. Der angedeutete doppelte Fortschritt giebt sich uns mehr oder weniger überall zu erkennen, jedoch am entschiedensten in den Ausstellungen Frankreichs und Desterreichs.

In Desterreich ist es die kaiserliche Buchdruckerei zu Wien, die mit neuen Versuchen vorangeht und fortwährend Experimente anstellt. Die kaiserliche Buchdruckerei in Frankreich zeigt uns, inmitten der reichen Ausstellung ihrer Betriebsmittel, ein Werk, welches ihr in Bezug auf die Typographie die erste Stelle unter allen Buchdruckereien der Welt sichert.

In Bezug auf Einführung neuer Methoden, in Bezug auf kühne Anwendung der Physik und Chemie hatte die kaiserliche Buchdruckerei zu Wien schon auf der Londoner Ausstellung die erste Stelle eingenommen. Sie hat seitdem diese ihre Bestrebungen weiter verfolgt. Es sind kaum zehn bis zwölf Jahre her, daß diese Anstalt, unter der Regierung des Kaisers Franz I. versuchsweise gegründet, einen bemerkenswerthen Aufschwung zu nehmen angefangen. Sie verdankt dies ihrem Direktor, dem Herrn L. Auer, der troß vieler Hindernisse sie vor dem drohenden Untergange bewahrt hat. Durch einen gefchickten Werkführer, Herrn Woring, ift Herr Auer unterstügt worden.

Das Publikum würde, um die österreichische Ausstellung in allen ihren technischen Einzelnheiten verfolgen zu können, ein besonderes Wörterbuch in der Hand haben müssen. Man hat für jeden neuen Versuch eigene Benennungen eingeführt. Wir wollen hier nur das Hauptsächlichste andeuten, was am meisten geeignet ist, von der Anwendung der Elektrizität und der chemischen Agentien auf die Buchdruckerkunft eine Vorstellung zu geben.

Die Galvanoplastik, diese neue Kunft, die uns auf der WeltAusstellung in verschiedenen Gestalten begegnet, zeigt sich am glänzendften in der Anwendung, die man von ihr in der Wiener Buchdruckerei gemacht. Die Kunst der Galvanoplastik besteht bekanntlich darin, daß man mittelst der Voltaschen Säule Ablagerungen von aufgelößten Metallen auf Metallen oder auf anderen Körpern bewirkt. Die ersten galvanoplastischen Versuche find, vor etwa siebzehn Jahren, fast gleichzeitig in Rußland und in England von den Herren Jakobi und Spencer gemacht worden. Ein Dekret vom 23. Februar 1852 hat einen Preis von 50,000 Francs ausgeseßt, um Erfindungen, durch welche die Anwendungen der Voltaschen Säule erleichtert und allgemeiner gemacht werden, hervorzurufen. Schon reich an bekannten Wundern, wird die Kunft der Galvanoplastik in der nächsten Zukunft noch staunenswerthere Wunder zu Tage fördern. Sie wird in dem Maße neue Fortschritte machen, als die Macht des wunderbaren Apparats vermehrt werden wird, mittelst deffen man unter Anderem die elektrische Telegraphie zu Stande gebracht und dem künstlichen Lichte eine bisher nicht geahnte Intensität gegeben hat. Das Metall verwandelt sich unter der magischen Wirksamkeit der Galvanoplastik, wie es vormals in den Schmelztiegeln eines Tycho de Brahe nicht geschehen ist. Durch die Voltasche Säule kann die genaueste Abbildung der Formen bewirkt und den feinsten Stoffen die größeste Festigkeit gegeben werden. Als Beispiele können in der österreichischen Ausstellung die auf Papier abgedrückten fossilen Ueberreste antediluvianischer Fische und die alten Medaillen und Siegel dienen, die auf galvanoplastischem Wege mit mathematischer Genauigkeit nachgebildet sind.

Die Galvanographie ist eine andere Anwendung der Voltaschen Säule. Man läßt auf eine Zinkplatte, auf welche ein Künftler irgend

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