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Marqueterie-Möbel in Ebenholz, Eichenholz, Polysander mit ihren unendlich mannigfaltigen Formen nachmachen? Man muß die Maffen von Möbeln, welche in den Gängen des Panorama aufgestellt sind, sehen, um sich zu überzeugen, bis zu welchem Grade der Vollendung die Franzosen es in diesem Zweige gebracht haben.

Nicht minder reich ist die französische Ausstellung in der großen Maschinengalerie vertreten, obgleich so manche Maschine mehr Lärm macht, als sie werth ist. Allein nichtsdestoweniger flößen die Lokomo tiven und Maschinen von Cavé, Cail, Gonie u. A. unbedingten Respekt ein. Das ganze Maschinenreich ist mit einer Vollständigkeit beschickt, die keinen Zweifel darüber bestehen läßt, daß diese Industrie auf einer hohen Stufe steht. Eben so zeigen auch die landwirthschaftlichen Maschinen Frankreichs, daß seine Ackerbauer aus der alten Routine erwachen; nur laboriren diese Maschinen und Geräthe an zu hohen Preisen und sind deshalb der großen Maffe der kleinen Landwirthe unzugänglich. Eine ganze lange Galerie ist mit französischen Luruswagen gefüllt; sie können aber an Leichtigkeit und Bequemlichkeit von Engländern und Belgiern noch Manches lernen.

Ein eigenes Interesse gewähren die Ausstellungen der Kolonieen und der übrigen nichteuropäischen Länder. Englands Kanada und Frankreichs Algerien bilden für sich allein Miniaturbilder der großen Welt-Ausstellung, da man dort, außer ihren Boden-Erzeugniffen, noch sämmtliche übrige Industriezweige der Mutterländer vertreten findet. Kanada glänzt besonders durch seine prachtvolle Hölzersammlung, Algerien durch eine Menge von ungeahnten Bodenprodukten. In der Ausstellung der anderen Kolonieen bilden die sogenannten Kolonialwaaren das Haupt-Element.

Nord-Amerika hat nur eine sehr beschränkte und nicht sehr bedeutende Ausstellung. Die Ausstellung zu New-York hat hier einen schädlichen Einfluß geübt. Die füdamerikanischen Staaten haben nicht viel mehr als ihre Bodenprodukte gesandt. Der Orient dagegen bietet ein sehr glänzendes Bild dar. Vor Allem zeigt sich Ostindien mit der ganzen Pracht seiner Shawls, Wollen- und Seidenstoffe, feiner Möbel aus kostbaren Hölzern, seiner Schnigwaaren aus Elfenbein und seiner Filigran-Arbeiten. Die Türkei, Aegypten und Tunis haben ihre trefflichen Seiden- und Wollenstoffe, ihre Parfümerieen und Stickereien, ihre Waffen und Sattler-Arbeiten, ihre Pfeifen und Teppiche gesandt. Nur China glänzt, gleich Rußland und Neapel, durch seine Abwesenheit.

Nord-Amerika.

George Washington's Abstammung.

Washington Irving in seinem kürzlich erschienenen,, Leben Washington's") widmet der Genealogie feines Helden ein ganzes Kapitel, worin er unter Anderem sagt: „Wir haben uns auf das genealogische Detail mit etwas mehr als gewöhnlicher Genauigkeit einge, laffen, indem wir die Spuren der Familie durch die Gänge geschichtlicher Dokumente Schritt für Schritt über sechs Jahrhunderte aufwärts verfolgten, wozu wir uns durch die urkundlichen Beweise von Dem angestammten und dauernden Werth des Geschlechtes versucht fühlten. Wir haben nachgewiesen, daß die Familie durch viele Generationen, unter mannigfaltigen, wechselvollen Ereignissen, Wohlstand und Achtbarkeit (respectability) in gleich hohem Grade mit Ehren und Pflichttreue (loyalty) fich bewahrt hat. Erblicher Rang mag eine Täuschung sein, erbliche Tugend aber giebt ein angeborenes Adelspatent, wie es kein Wappenamt auszustellen vermag."

Dagegen hat der Beurtheiler der Biographie in Putnam's Monthly Manches zu erinnern. „Wenn“, meint er, „ein englischer Schriftsteller, bei der Behandlung irgend eines englisch-geschichtlichen Themas, bis zur normännischen oder gar bis zur sächsischen Eroberung zurückzugehen für ersprießlich hält, so haben wir Nichts dawider; allein bei einer amerikanischen Biographie müßte das Geschlechtsregifter, wenn ein solches für nöthig erachtet wird, mit der Ankunft der Ahnen auf amerikanischem Boden seinen Anfang nehmen. Es können zwar Fälle eintreten, die auch an eine amerikanische Lebensbeschreibung das Verlangen ftellen, von jener Regel abzuweichen und dem Stammbaum des Helden bis auf die Wurzel zu gehen, um gleichsam aus dem Keim die Natur der entwickelten Pflanze zu erklären; allein in dem, was Irving über die de Weffyngtons, Herren des Rittergutes Weffyngton nach englischen Wappenbüchern die Vorfahren der Washingtons in in dem genealogischen Kapitel beibringt, sehen wir keine Beweise des ,,angeftammten dauernden Werthes“ und „der erblichen Tugend". Al

*) Life of George Washington. New-York, G. P. Putnam & Co. 3 vols. 1855. Berlin, A. Asher & Comp.

les, was wir von ihnen wiffen, ist, daß fie drei Jahrhunderte hindurch, mit dem Jahre 1183 beginnend, die Pfalzgrafschaft Durham zu Lehn trugen. Ueber die Bischöfe dieser Landschaft, die zugleich Pfalzgrafen mit fast unabhängiger Gerichtsbarkeit waren, spricht übrigens Irving weit ausführlicher, als über die eigentlichen de Weslyngtone. Das mag für einen Geschichtsforscher überhaupt interessant sein, aber gehört es in eine Biographie Washington's?"

Washington stammt also von einer englischen Adelsfamilie. Die de Weffyngtons oder die englischen Washingtons waren Jahrhunderte lang Lehnträger des Rittergutes Weffyngton und nachmals anderer Güter. Der Name Washington erglänzte jedoch erst in Amerika, so daß umgekehrt ein Schimmer dieses Glanzes auf die englischen Washingtons zurückfällt; ihr amerikanischer Abkömmling leuchtete mit eigenem Lichte, das seine Vorfahren nicht vergrößern können. Irving läßt die Familie Washington in dem nördlichen Winkel von Virginien lan den und begleitet nun im zweiten Kapitel unseren George Washington durch seine Knabenzeit. Zu seinem Glücke genoß er eine Erziehung, die alle Vorzüge hinterwäldlicher Abhärtung mit denen einer hochgebildeten Umgebung in sich vereinte und so die nachtheiligen Einflüsse des ausschließlichen Lebens im Blockhaus oder in den feinen Salons von ihm abhielt. Kaum zum Manne gereift, trat er seine Lehrjahre des öffentlichen Dienstes mit dem Auftrage an, den ihm Dinwiddie gab, die französischen Posten in Venango, am oberen Alleghanystrom und am nördlichen Ohio zu rekognosziren. In diesem Kampf mit Schwierigkeiten zeigte schon der Lehrling all die Eigenschaften, die später den. Meister verherrlichten: ausdauernde Geduld, feste Haltung, Reichthum an inneren Hülfsquellen. Doch das Alles sind nur Vorbereitungen für die Rolle, zu der er berufen war. für die Rolle, zu der er berufen war. Mit seiner Ankunft in Cambridge, wo er an die Spiße der Kriegsmacht als Generalissimus trat, endet der erste Band des Irvingschen Werkes, auf das wir vielleicht bei der Erscheinung der folgenden zwei Bände zurückkommen.

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Mannigfaltiges.

Brockhaus' Reise-Bibliothek. Die von der Brockhause schen Buchhandlung etwas verspätet unternommene Herausgabe einer deutschen Eisenbahn- und Reise-Bibliothek (à zehn Sgr. das Bändchen) hat vor anderen ähnlichen Unternehmungen den Vorzug, daß sie sich hauptsächlich mit dem Reisen felbft beschäftigt, einem Thema, das na= türlich für Leser, die eben einen Waggon oder ein Dampfschiff bestiegen haben oder besteigen wollen, das interessanteste ist. Eine von Levin Schücking beschriebene,,Eisenbahnfahrt durch Westfalen", oder ,,Wien in alter und neuer Zeit", von F. G. Kühne beschrieben, ein poetisches Reise- Album", von Joseph Rank herausgegeben, oder auch der Harz mit seinen Sitten und Gebräuchen“, von Heinrich Pröhle, ist, nicht blos der Darsteller, sondern auch des Dargestellten wegen, eine eben so anziehende, als unter Umständen nüßliche und belehrende Lektüre. Andere entsprechende Bücher, wie z. B. ein „Reisebuch von Frankfurt a. M. bis Basel", von Aurelio Buddeus, ein Reisebuch von Berlin bis Hamburg", von Ernst Willkomm, Beschreibungen der fächsisch-böhmischen, der Köln-Mindener, der thüringischen und der schlesischen Eisenbahnen, werden in dieser Sammlung folgen. Die Herren Brockhaus und Lorck sollten nur auch dafür Sorge tragen, daß die neue Eisenbahn- und Dampfboot-Literatur auch auf den Bahnhöfen und Landungspläßen der Dampfschiffe eben so in Deutschland überall käuflich sei, wie es in England und Frankreich der Fall ist. Besonders an solchen Orten, welche die Centralpunkte der Vergnügungs-Reisenden bilden, würden dergleichen Bücher, an den rechten Stellen ausgelegt, gewiß einen reichen Absaß finden.

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Lord's Eisenbahn-Bücher. Unter den neuesten Lieferungen dieser Drittelthaler-Bibliothek zeichnen sich besonders einige Ueberfegungen guter amerikanisch-englischer und französischer Schriften aus: namentlich, Wolferts-Ruft", von Washington Irving; „Streifzüge in Island", von Pliny Miles; das Leben Benjamin Franklin's", von Mignet; „Tolla Feraldi", eine italiänische Geschichte der neueren Zeit, erzählt von Edmond About, dem talentvollen Mitarbeiter der Revue des deux Mondes, der diese feffelnde Darstellung einer im Jahre 1841 in Paris gedruckten, seitdem jedoch aus dem Buchhandel verschwundenen, italiänischen Erzählung: „,Vittoria Savorelli", nachgebildet; ferner:,,Ein Sommer in Schleswig“, zwar von einem Dänen geschildert, jedoch ohne Nationalgroll gegen die Bewohner des Herzogthumes; endlich eine von Dr. Moriz Busch gelieferte, recht gut gearbeitete Geschichte der „Mormonen“, worin über die Entstehung, Ausbreitung und jeßige Gestaltung dieser vielweiberischen Theo-Demokratie ziemlich vollständige Auskunft ertheilt wird.

Böchentlich erscheinen 8 Nummern. Breis jährlich 3 Thlr. 10 Sgr., halbjährlich 1 Thlr. 20 Sgr. und vierteljährlich 25 Sgr., wofür das Blatt im Inlande portofrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird.

No 102.

für die

Bestellungen werden von jeder deutschen Buchhandlung (in Berlin bei Beit u. Comp., Jágerftr. Nr. 25, und beim Spediteur Neumann, Niederwallfir. Nr.21), so wie von allen königl. Post-Uemtern, angenommen.

Literatur des Auslandes.

England.

Berlin, Sonnabend den 25. August

Literarische Kuriositäten Englands.

II.

Anleitung zur wilden Reisekunst.

Reisen ist jezt so leicht und in der Mode, wie man früher Abends um die Stadt herumging und wieder zurückkehrte, ehe die Pfeife auswar. Ein paar Groschen klein Geld, eine Reisetasche, und man ist ausgerüstet, fast in jeder beliebigen Richtung durch Europa zu fliegen (nur Damen haben es etwas schwerer wegen der Hutschachteln und unzähliger anderer Reise-Necessaires, von denen wir oft kaum eine Ahnung haben). Reisen ist in England und Amerika beinahe ein tägliches Bedürfniß geworden. Die Hälfte der Anglo-Sachsen ist immer während Tag und Nacht unterweges. Aber Reisen und Reisen ist ein Unterschied. Von civilisirten Reisen mit dem einförmigen Dampfe kann man jest kaum sprechen, geschweige ein Buch schreiben. Touriften haben deshalb längst angefangen, die entlegensten Wildnisse und antipodische Barbaren verschiedener Gattung und Farbe aufzusuchen, blos um die Aufregung, die Abwechselung, die Abenteuer, die Noth und die Erlösung des Reisens zu genießen und das Ganze in Oktav mit Holzschnitten herauszugeben. In den fabelhaften Wildnissen, wo kein Mensch ist, findet man durchweg einen Engländer, einen Amerikaner und einen deutschen Schneidergesellen. Der romantische mittelalterliche, deutsche Handwerksbursch, mit dem Stab in der Hand, dem verbrannten Gesicht und den Stiefelfohlen, die auf beiden Seiten des Felleisens gemüthlich herausgucken und sich die Welt besehen, ist in Deutschland ziemlich verschwunden und eine kosmopolitische Figur geworden. Er geht „fechten“ rund um die Erde herum, bis er irgendwo ein gelbes, braunes oder gar schwarzes Mädchen heiratet, um der Civilisation eine Stätte zu bereiten und die Welt um neue Stammbäume zu bereichern. Ueberhaupt hat der Deutsche weit mehr Verdienste um Ausbreitung der Civilisation, als der Engländer oder Amerikaner. Er ftere können, Leştere wollen Sebastopol nicht erobern, die Deutschen haben schon halb Rußland, ohne daß es die andere Hälfte kaum merkt. Der Deutsche läuft überall einzeln in der Welt umher und kömmt und pflanzt sich fort und faßt überall festen Fuß. Die einzelnen AngloSachsen dagegen reisen blos, gehen überall wieder fort und gedeihen blos unter sich in Kolonieen, durch welche sie die Wildnisse ausbeuten und die Wilden vertilgen. Der Deutsche geht mitten unter fie, macht sich mit ihnen familiär und bringt ihnen Civilisation bei.

Dieses wilde, vagabundirende Reisen allein kann noch auf Verdienst, auf das Prädikat einer Kunst und Wissenschaft Anspruch machen. Wie sehr es Letteres ist, ersehen wir ganz handgreiflich aus einem Handbuch der Reise kunst durch Wildnisse. Die Kunst, zu reisen, oder Kunstgriffe und Behelfe von Nugen in wilden Ländern", von Francis Galton, Verfaffer der,,Entdeckungsreisen im tropischen Süd-Afrika", mit Holzschnitten) (London, Murray, 1855), ist eine ganze Ausstellung und Werkstätte origineller, extemporirter Maschinen der Intelligenz gegen die Macht der wilden Natur, ein Zeughaus von Waffen gegen Mangel an Trank und Speise, an Feuer und Küchengeräthen, an Kleidern und Schuhen, an Werkzeugen, Waffen, Wagen, Geld, Bedienung und Gesundheit. Alle diese unentbehrlichsten Dinge können dem Reisenden in Wildnissen im Handumdrehen abhänden kommen; aber das schadet nichts, wenn ihm nur der Kopf, der Wille, der Geist bleiben. Dann hilft er sich auf irgend eine Weise durch und heraus, und sollte er sich, wie Münchhausen, selbst beim Schopfe faffen und aus dem Pech" herausziehen. Viele seiner Winke und Kunstgriffe sind auch für Reisende unter Polizei und mit der Paßkarte von Nußen und Interesse, da aller Kontrole, Aufsicht, Telegraphie und Visitation zum Troß man selbst zwischen Berlin und Potsdam in eine momen

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°) The Art of Travel; or, Shifts and Contrivances available in Wild Countries u. s. w.

1855.

tane Wildniß hineingeworfen werden kann. Er behandelt der Reihe nach Waffer, Feuer, Bivouac, Kleidung, Nahrung, Kochkunst, Diszi plin, Vertheidigung, Verstecke, Böte, extemporirte Noth-Fähren, Fußfteige, Tragung von Gepäck, extemporirtes Tischlern, Schmieden und Schneidern, Häute und Hörner von erlegten Thieren, Schreibmaterialien, Reit- und Zugthiere, Waffen, Fallen, Fischen, Arzneien, Geschenke, Tausch-Artikel und sonst allerlei Dinge und Möglichkeiten, die in Wüsten und Wildnissen manchmal plöglich höher im Course steigen, als ein ganzes vereinigtes Deutschland werth sein könnte.

Wir geben hier just eine vom Zufalle und augenblicklicher Laune zusammengestellte Anthologie der Galtonschen wilden Reisekünfte.

Wenn man in heißer Wüste Durst und kein Waffer hat, was macht man da? Man verdurftet, würde ein Mensch sagen, der nichts von dieser Kunst versteht. Galton sagt: man werde sofort Augur und sehe, wo die Vögel hinfliegen. Diese wissen stets, wo es etwas zu trinken giebt. Sollte es auf dem Wege nach dem Wasser regnen und der Durst sehr groß sein, trinke man durch die Poren. Man ziehe fich deshalb aus und laufe durch den Regen. Ist das gefundene Wasser sehr schmußig, kann man es mit einer Handvoll kegelförmig gedrücktem Grase erträglich filtriren. In Ermangelung von Wasserge= fäßen kann man von gut fetteingeriebener Leinwand oder sonstigem Gewebe eine Trinkflasche extemporiren und Wasser thatsächlich in der Tasche mitnehmen.

In der Wüste, wo keine Schwefelhölzer und kein Zündschwamm verkauft werden, schlägt man am besten mit Achat Feuer. Auch hat man schon durch die krystallinische Linse eines Thierauges, statt eines Brennglases, Feuer gemacht. Cigarren-Asche und Papier, gerieben, giebt einen guten Zunder. In Ermangelung von Holz und Torf tocht man mit getrocknetem Mist oder bratet die Nindskeule mit den eigenen Knochen des Ochsen, wie es die Falkland- Insulaner machen. Die Ruffen, 1829 in der Türkei, kochten einmal eine Zeitlang mit Knochen vom Kirchhofe zu Adrianopel.

In wilden, menschenleeren Ländern giebt es keine Gasthöfe und keine armen Witwen, die Schlafburschen annehmen. Dieser Mangel läßt sich in der Regel sehr gut erseßen. Nur Laien legen sich unter einen Baum oder Busch. Er hat Blätter nach oben, aber unten pfeift der Wind durch. Ein Mensch, wenn er sich da auf seine Muttererde hingelegt hat, ist nur eine niedrige Kleinigkeit, und ein Schirm von achtzehn Zoll Höhe schüßt ihn gut und gern gegen Wind und Sturm. Ein dickes Stück Rasen, sieben Fuß lang, zwei breit, mit der einen Seite aufgerichtet, giebt einen solchen Schirm. In einer fandigen warmen Ebene schläft es sich auch sehr gut, wenn man sich in den Sand einpuddelt und blos die Nase herausgucken läßt. Mr. Moffat spricht sogar von dem „realen Comfort und dem Lurus" einer solchen Schlafstelle.

Gewebte Stoffe laffen den Wind oft durch, wie ein Sieb.,,Die Schafhüter auf den Hügeln von Schottland machen deshalb in kalten Nächten ihre „Plaids” winddicht, ehe sie sich hineinwickeln, und tauchen sie deshalb vorher in Waffer. Die Feuchtigkeit schwellt die Fibern des Gewebes und macht es auf diese Weise zu einer dichten, Wärme haltenden Maffe. Die Hochland-Wilddiebe,,tucken“ sich in kalten Nächten auf folgende Weise in einander. Sie sammeln und freuen Haidekraut, legen sich, bis auf Einen, für den ein Plaß gelaffen wird, dicht neben einander und lassen sich von dem Einen mit plaids und wieder mit Haidekraut bedecken, worauf sich der Eine in seinen Plaz hineinwärmt und windet." Auch hält Galton dem Flanell die schönste Lobrede und weist aus der Statistik verschiedener Expeditionen nach, daß die Mannschaften ohne diese,,Haut auf der Haut" in viel größeren Maffen erkrankten und starben. Dabei erwähnt er die originelle Mode des abyssinischen Reisenden Parkyns, seinen einzigen Anzug auch mitten im Regen trocken zu halten. Er band gegen den Regen seine ganze „Kleidage" in ein Bündel und seßte sich im Urzustande darauf, bis der Regen vorüber war. Für den Rothfall empfiehlt er auch Unreinlichkeit als Gesundheitspolizei: Man kann die Thatsache nicht leng nen, so unangenehm es auch klingen mag, daß Schmug und Schmiere

der Haut bedeutenden Schuß gegen garstiges Wetter gewähren. Deshalb sollte der Führer einer Expedition nicht so genau und streng mit der Aeußerlichkeit seiner Leute sein. Kann man tägliche Waschungen nicht durch Einölung oder entsprechende Kleidung ausgleichen, muß schon der Schmuß als Protektor gegen Erkältung und Erkrankung herhalten. Sieh den Hund. Er schläft gesund unter jedem Busch, in jedem Wetter und gedeiht. Fange aber an, ihn zu waschen und zärtlich zu pflegen, so muß er eine gute Hütte haben, oder er verkömmt und friert zunächst wie ein Hund". Der Wilde wäscht sich nie, wenn er nicht schon frisches Del hat, um sich damit zu kleiden. In civilisirten Städten können und müssen wir uns waschen, der nackte Wilde hüllt und hält sich in seinen Mantel."

Neffeln gaben Reisenden oft ein gutes Mahl. Huc und Gobat lebten mehr als einen Monat ausschließlich von Neffeln. Die jungen Sproffen von Farrnkräutern geben, in bloßem Waffer gekocht, „einen deliziösen Spargel“. „Alte, ungegerbte Häute verbessern jede Suppe, wenn sie darin mitgekocht werden. Oder man kann sie auch so effen, wenn man sie trocknet und hämmert. Reisende in menschenleeren Gegenden müssen sich oft eine Mahlzeit aus gedörrten Fleischstücken zusammenhämmern, oder „pemmicam" daraus machen, wie man die gehämmerte Mahlzeit, mit Fett und Mehl vermischt, nennt. Kaviar macht man sich aus getrocknetem Fischrogen. In Ermangelung von Topf und Pfanne kann man den Ochsen in seiner eigenen Haut kochen. Man bindet die Haut an vier Pfähle, daß sie nach der Mitte zu einen Sack bildet. In diesen thut man das Fleisch mit Wasser und macht Feuer darunter? Nein, Lezteres geht allerdings nicht, aber man macht große Steine glühend und thut sie hinein. In kurzer Zeit dampft Dir das schönste Suppen-Aroma entgegen, und dann kannst Du erfahren, wie schön Bouillon schmeckt. Eine der größten Delikatessen der Wildniß kann man sich in dem Magen erlegter Thiere zubereiten. Man füllt ihn mit Blut und den zerschnittenen Theilen von Fett, Lunge, Herz u. s. w., bratet ihn dann, vor dem Feuer an einem Stricke aufgehangen, und bekömmt bald ein ungemein deliziöses Stück Mahlzeit."

Als Wegweiser und Lastträger werden Weiber empfohlen, beson ders auch, weil sie gern plaudern und uns mit allen Geheimnissen weit in der Runde bekannt machen und nicht viel kosten. Zur Noth leben fie vom Belecken ihrer Finger."

„Bei Ankunft in einer wilden Niederlafsung laufen die Bewohner gern davon. Bist Du hungrig oder brauchst Etwas, geh nur dreift hinein, nimm, was Du brauchst, und laß entsprechende Zahlung zurück." Poststationen in der Wildniß macht man zur Noth in Bäumen. Man meißelt einen Briefkasten hinein und deckt die Rinde wieder darüber. Natürlich muß man für die, welche den Brief finden sollen, Merkmale verabredet haben. Durch tiefe Flüffe muß man nicht reiten, sondern das Pferd hineintreiben, sich an den Schwanz halten und es durch Sprißen mit Waffer lenken. Im Sturme auf dem Meere hält ein gewöhnliches Boot jede Mißhandlung aus und hält sich nach dem Winde, wenn man Sparren oder Ruder am Kopfe deffelben so anbringt, daß sie am Buge desselben schwimmen. Sie brechen dann die Wogen.

Im Fangen und Jagen und Fallenstellen ist Galton besonders reich und genial. Zunächst muß man wissen, daß die Thiere für nahe und nahende Menschen den fabelhaftesten feinen Geruch haben. Der Mensch dunftet einen Geruch aus, der jedem wilden Thiere unausstehlich ift. Die Häupter sehr entfernter Heerden stoßen sofort beunruhigt ihre Köpfe in die Höhe, wenn sie die Witterung eines Menschen fangen. Ging er gestern über die gewöhnliche Straße von Thieren (z. B. zwischen Wald und Wasser), bemerkt er heute, daß sie vor dem Uebergangspunkte umkehrten und sich einen neuen Weg bahnten. Keine Reinlichkeit vermindert diesen Geruch, im Gegentheil Civilisation vermehrt ihn. Die Witterung eines Försters ist nicht so abstoßend für die Thiere, als die des Herrn, noch weniger die eines Negers oder Buschmanns, die eines Europäers ist am abstoßendsten." Geier und Raubvögel werden auf rohe Ochsenhäute, unter denen sich Leute mit Stricken versteckt haben, heruntergelockt und an den Füßen festgebunden. Fußreisenden werden Abends Einreibungen von Spiritus und Talg empfohlen. ,,Bequemlichkeit vor Eleganz, d. h. seife die Strümpfe ein, ehe Du fie anziehst, und schlage ein rohes Ei in jeden Stiefel."

Doch wir wollen nicht weiter extrahiren. Das kuriose Handbuch der Reisekunst hat etwas Naives, Kräftiges, Erfrischendes in einer Zeit, wo man im Durchschnitt schnell, aber langweilig und bequem auf ausgeleierten Straßen reißt und überall nach derselben Methode „gehämmert" wird, statt daß wir in die Lage kommen, uns selbst pemmicam zu hämmern. Das Buch zeigt uns den verlassenen, hülflosen Menschen siegreich im Kampfe mit der rohen, feindlichen Natur und läßt deshalb einen erfrischenden, kräftigen Eindruck zurück.

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Italien.

A. v. Reumont's Beiträge zur italiänischen Geschichte.
(Schluß.)

Wir sind dem mäandrischen Gange dieser Abhandlung gefolgt, um die oben von uns charakterisirte Art und Weise, wie A. v. Reumont seine Stoffe bearbeitet, an einem Beispiel zu veranschaulichen. Es sind diesem Aufsatz zwei dankenswerthe Beilagen hinzugefügt. Die erste,,,Rom nach der Belagerung“, wird den Kennern der Topogra= phie Roms von hohem Interesse sein; sie macht die Zerstörungen namhaft, welche die Weltstadt durch die Belagerung im Jahre 1849 erlitten hat. ten hat. Der Verfaffer urtheilt, daß der Schaden viel geringer ist, als man ihn dargestellt hat, und daß der größere Theil desselben nicht von den Franzosen, sondern von den Vertheidigern angerichtet ist, die namentlich fast alle Baumgänge der eigentlichen Stadt (mit Ausnahme der Promenade am Cälius) und einige der reizendsten Villen, darunter Villa Borghese, zerstört haben. Villa Albani hat nur ihr Thorgebäude verloren, ihr Casino ist gerettet. Am meisten hat natürlich der Janiculus gelitten; in die ihn einschließende Mauer find drei Breschen ge= legt; die Villen und Casinos Barberini, Spada, Savorelli, Corsini, Giraud sind zerstört; in Villa Pamfili find die Skulpturen und Kunstwerke von den Vertheidigern zertrümmert. Paul's V. Fontaine hat' wenig gelitten; dagegen ist das Aeußere der Kirche S. Pietro in Montorio durch die Geschosse der Franzosen stark beschädigt, das Innere durch die Vertheidiger verwüstet worden; hier ist das Geländer an der Familienkapelle Julius' III. mit Ammanato's Skulpturen ganz verschwunden, aber Pinturicchio's und Sebastiano del Piombo's Altarbilder haben nicht gelitten. bilder haben nicht gelitten. Die zweite Beilage: Die Garibaldianer in San Marino", stüßt sich auf eine italiänische Schrift (,,Le Bande Garibaldiane a San Marino. Racconto storico di Oreste Brizi”. Arezzo, 1850.) und giebt eine lebendige Schilderung des Rückzugs Garibaldi's, wie er, nach der Uebergabe Roms, an der Spiße eines Trupps von achtzehnhundert Mann, von zwei Heeren verfolgt und ihnen vier Wochen troßend, fich quer durch Italien durchschlägt und, da ihm die Straße über Urbino in das Metaurus-Thal verlegt war, das Gebiet von San Marino betritt. Da ihm die von den Oesterreichern diktirten Capitulationsbedingungen unannehmbar schienen, verließ er mit hundertfunfzig seiner Getreuen in der Nacht vom 31. Juli zum 1. Auguft San Marino und erreichte die Küfte bei Cesenatico (auf dem halben Wege von Rimini nach Ravenna), wo er sich einschiffte.

Außer diesen Artikeln und dem schon früher erwähnten „Leibniz, Magliabechi und Muratori“ enthält der dritte Band noch einen entsprechenden, einfach gehaltenen Auffaß: „Die ständische Verfassung des Mittelalters in Savoyen und Piemont", ein intereffantes Thema, für dessen Bearbeitung die von dem Grafen Sclopis herausgegebene Sammlung von Urkunden über die Stände des funfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts (,,Degli Stati generali e d'altre istitutioni politiche del Piemonte e della Savoia. Saggio storico corredato di documenti di Federigo Sclopis". Torino, 1851.) schägenswerthe Materialien liefert; - ferner einen längeren Artikel,,Benvenuto Cellini's legte Lebensjahre", in welchem der Verfasser die noch vorhandenen, auf die Zeit, welche die Selbstbiographie nicht umfaßt, bezüglichen schriftlichen Dokumente, Suppliken, Briefe, Tagebuch - Aufzeichnungen, die theils in den verschiedenen Ausgaben der Lebensbeschreibung des Künftlers oder in seinen gesammelten Werken allmählich veröffentlicht, theils handschriftlich in verschiedenen Archiven zerstreut find, zur Vervollständigung der Biographie des merkwürdigen Mannes verarbeitet hat; - endlich einen Artikel, die Herzoge von Urbino", der eine gedrängte Uebersicht der Geschichte dieses Ländchens bietet und doch das dreibändige Werk des Schotten Dennistoun (,,Memoirs of the Dukes of Urbino, illustrating the Arms, Arts and Literature of Italy, from 1440 to 1630". London, 1851.) in manchen Punkten ergänzt.

Der vierte Band beginnt mit einem der interessantesten Artikel der ganzen Sammlung: Die leßten Zeiten des Johanniterordens"; er bietet aus der früheren Geschichte des Ordens nur Episoden, zeichnet dann aber mit kräftigen Zügen den Verfall desselben unter dem Großmeisterthum des schwachen Grafen v. Hompesch, die Eroberung Malta's durch Bonaparte, die späteren Schicksale des Ordens und der Insel bis zur definitiven Vereinigung der lehteren mit England, endlich die Versuche der neuesten Zeit, den Orden wieder zu heben. Reumont spricht hier auch von der Herstellung der Balei Brandenburg im Jahre 1852, die zwei Jahre später außer dem Heermeister (dem Prinzen Karl von Preußen) acht Komthure, sechsundfunfzig Rechtsund vierhundertundvierzig Ehrenritter zählte und gegen 50,000 Thlr. Vermögen besaß. Es wurde schon oben bemerkt", sagt der Verfasser, ,,daß die alte Balei, deren Mitglieder vom Ende des sechzehnten Jahr.

Adel gewählt wurden, insofern in einem Zusammenhange mit dem Ge fammtorden blieb, daß die Wahl des Oberhauptes jedesmal dem Großprior von Deutschland angezeigt wurde. Ob und wie irgend ein Verhältniß der neuen, den bisherigen königl. preuß. St. Johanniterorden in sich aufnehmenden Balei zu dem katholischen Orden sich gestalten wird, muß der Zukunft vorbehalten bleiben.“ . . . Unter den Projekten, die Zukunft des Ordens zu sichern, erwähnt der Verfasser auch das, die Militairmacht des Papstes unter Befehl des Ordens zu stellen, . h. die Johanniter für den Verlust Malta's durch den Kirchenstaat zu entschädigen. Schon einmal hatte der Orden Wache an dem Konflave gehalten, in welchem die Kardinäle zur Papstwahl vereinigt waren, und damals wurde ein Johanniter (Clemens VII.) auf den päpstlichen Stuhl gehoben: kann man zweifeln, daß die Ausführung jenes Projekts unter den jeßigen Umständen ein anderes Resultat haben würde? Der oben mitgetheilte Hinweis des Verfassers auf die künftige Stellung der protestantischen Johanniter würde dann noch zu bedenklicheren Reflexionen Anlaß bieten. An die orientalischen Wirren knüpft Reumont die Idee, die Johanniter zu Wächtern des heiligen Grabes zu bestellen; sollte hierdurch der Antagonismus der verschiedenen christlichen Konfesfionen beseitigt werden, so würde eine Wiedervereinigung und Wiederbelebung der disjecta membra des Ordens in Rußland, Preußen und den katholischen Ländern vorhergehen müssen. Wer sich die Momente vergegenwärtigt, welche diesem und anderen kriegerischen Orden in einer Zeit höchster Unsicherheit, fortdauernder Kämpfe gegen die damalige aggressive Richtung des Islam und der Abwesenheit stehender Heere in den christlichen Staaten Ursprung und Bedeutung verliehen, wird nicht einen Augenblick daran zweifeln, daß die Lebensbedingungen dieser Institutionen vollständig verschwunden sind.

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Außer dieser ausführlichen Abhandlung enthält der vierte Band noch folgende Artikel: Eleonore Cibo und ihre Verwandten", mit interessanten Mittheilungen über die späteren Schicksale und die zweite Ehe der Gräfin von Lavagna; — „Gregorio Correr“, der im Jahre 1464 Starb, als er eben zum Patriarchen von Venedig ernannt war; -,,Bonapartische Erinnerungen in Toskana", mit genealogischen Untersuchungen über den Zusammenhang der korsischen Bonaparte und italiänischer Familien dieses Namens; der Verfaffer bezeichnet die Annahme einer Verwandtschaft mit den Bonapartes von Treviso und denen von San Miniato als nachweisbar falsch, läßt aber den Zusammenhang der for fischen Familie mit der von Sarzana gelten. Die lettere stammt von Gianfaldo, der seine Güter im Gebiet von Fucecchio 1235 verschenkte und sich in Lucca niederließ. Gianfaldo's Genealogie wird von Pafferini, dem ersten Secretair der florentinischen Central-Archiv-Direction, bis auf den Grafen Teucidio zurückgeführt, der vor 922 ftarb.

Der legte Artikel handelt über Montemarte's Drvietanische Geschichten, die 1846 in Turin herausgegeben sind und namentlich Aufschlüsse über die Verhältnisse von Orvieto und Todi in den unruhigen Zeiten des vierzehnten Jahrhunderts aus der Feder eines Augenzeugen darbieten, welcher in seiner Heimat keine unbedeutende Rolle spielte.

Afrika.

Die Völkerschaften des Baher-el - Abiad.

Wir entlehnen dem Bulletin de la Société de géographie die folgenden Details über die Sitten und Gebräuche der Völkerschaften am Weißen Fluffe:

„Die Religion dieser Stämme ist ein Gemisch von Dogmatik und lächerlichem Aberglauben, in welchem man die Ueberbleibsel der äthiopischen Traditionen erkennt, wie sie noch bei verschiedenen Völkern des Sennaar bestehen. Ich zweifle nicht, daß die hohen Ufer des Weißen Flusses den Einwohnern von Meroë bekannt waren, als diese HauptStadt in ihrer Blüthe stand und sich ihr Handel und ihr Einfluß bis zum Becken des Niger erstreckte. Die Fagih des Sennaar, wie die Gaukler oder Kodschuren des Nil, sind nichts als geweihte Betrüger, die sich die Macht beilegen, Geister zu beschwören oder zu bannen, den Regen zu verhindern oder ihn fallen zu machen. Selim-el-Affunti erzählte schon im dreizehnten Jahrhundert, daß die Einwohner von AlIoa nur zu säen und zu ärndten brauchten, und daß die von den Prieftern gesandten Geister die übrige Arbeit während der Nacht verrichteten, wenn man nur die Vorsicht nicht vernachlässigte, auf den Feldern einige Krüge mit Meriffe (Bier) hinzustellen. Im Jahre 1846 war in dem Lande Gouley, in welchem der Scheich Syris-Aolan herrschte, eine ansteckende Krankheit ausgebrochen, die in einigen Tagen mehr als dreitausend Personen hinraffte. Der durch seinen Einfluß und feine Verbindungen mit den Geistern und Dämonen berühmteste Fagih wurde sogleich aufgefordert, die Pest zu beschwören, und da ihm dies trop einer ansehnlichen Bezahlung nicht gelang, so brachte man ihn selbst um. Hierauf zogen alle Männer mit ihren Lanzen aus, die fie aufs Gerathewohl ins Blaue hinein warfen, um wo möglich die bösen Geister zu treffen, denen sie die Epidemie zuschrieben.

Das Land Gouley ist von Abkömmlingen der alten Aethiopier bewohnt. Die muhammedanische Religion wird dort nur wenig beob achtet. Ihr Oberhaupt ist der Enkel des berühmten Muhammed Abu'Keili, welcher der Majordomus, der Capet der leßten rois fainéants von Sennaar war. Die Kodschuren und die kleinen Könige des Weißen Fluffes haben nur insofern Autorität, als man sie für Zauberer hält, welche die Macht haben, den Regen zurückzuhalten oder dessen Fallen zu bewirken. Wenn die Regenzeit so spät eintritt, daß die Wiesen austrocknen, läßt jedes Familienhaupt ihnen ein Rind oder eine Kuh zu führen, damit sie das Wasser vom Himmel herabrufen. Dauert hierauf die Dürre noch fort, so versammelt man sich, um von neuem Regen zu fordern, und endlich schlißt man ihnen den Bauch auf, der, wie der Schlauch des Aeolus, die Stürme enthalten soll. Dies widerfuhr im Jahre 1850 dem Könige von Hyarpur, einem zwischen Belenia und Ferischat gelegenen Lande. Schoba, König der Bary, mußte sich im Jahre 1849 flüchten, um einem ähnlichen Schicksale zu entgehen.

Don Angelo (ein spanischer Reifender und Missionär) wurde eines Tages von den Einwohnern Belenia's eingeladen, sie zu ihrem Könige Schoba zu begleiten, um Regen zu fordern. Wie Paulus, hatte er sich dieser Gesellschaft angeschlossen, um den unbekannten Gott, den wahren Schöpfer des Himmels, zu predigen. Seine Beweisgründe fanden großen Anklang, sowohl bei Schoba, als bei seinen Unterthanen. Wäre nach der Predigt Regen gefallen, so würde es nicht an Bekehrten gemangelt haben; aber das Wetter blieb trocken, und die Bary, die keine Milch mehr hatten, um ihre Kinder zu nähren, wandten sich nach einigen Tagen abermals an ihren König. Dieser goß etwas Waffer in eine Glocke, die ihm Selim-Capitan, der Anführer einer türkischen Expedition, gegeben hatte, schüttete es in Gegenwart der Versammlung aus und verkündete ein Ungewitter für den folgenden Morgen. Der Zufall begünstigte diese Prophezeiung, und Don Angelo hatte sein Ansehen verloren. Auf diese Art ist die Annäherung der Regenzeit eine Periode des Gewinns und der Gefahr für die Majeftäten des Weißen Flusses.

Die Heerden sind so zahlreich, daß in weniger als zwei Monaten alles Gras von den Kühen abgeweidet oder zertreten wird. Uebrigens gehören diese Grasarten, welche die Sonne in kaum vierzehn Tagen verdorrt, zur Familie des Schilfrohre und enthalten nur wenig Nahrungsstoff. Im Monat März magert das Vieh ab und giebt keine Milch mehr, welche die Hauptnahrung dieser Hirten ausmacht. Die Heerden sind ihr einziger Reichthum; wer nicht Kühe genug besigt, um eine Familie zu ernähren, darf. sich weder verheiraten, noch in den Versammlungen das Wort nehmen: er ist ein Paria. Wenn daher unsere europäischen Glasperlen von ihnen so geschäßt werden, so ist dies nicht so sehr als Zierrat, denn als Mittel, jene ihnen so unentbehrlichen Thiere zu erwerben.

Die Gaukler oder Kodschuren verkünden auch die Zukunft mit Hülfe von fünf Zahlpfennigen, die fie in die Höhe werfen; die Art, wie solche niederfallen, entscheidet über das Schicksal des Anfragenden, der natürlich eine der Wichtigkeit seines Gesuchs angemessene Spende darbringen muß. Einem dieser Kodschuren war es gelungen, den Eliabs den Glauben beizubringen, daß er zur Hälfte von Eisen und in Folge deffen unverwundbar sei; durch dieses Mittel hatte er eine große Partei für sich gewonnen. Die Rinder und die Rathsuchenden kamen von fünf bis sechs Lagereisen in der Runde zu ihm. Wehe dem, der seine Vorhersagungen in Zweifel gezogen hätte! Als er den türkischen Erpeditionen, gegen die er predigte und fein Volk aufwiegelte, furchtbar zu werden anfing, ließen die türkischen Befehlshaber ihn überfallen und tödten. tödten. Vergebens zeigte man aber seinen Kopf den versammelten Eliabs: sie waren von ihrer Ueberzeugung nicht eher abzubringen, bis der Leichnam, dessen Auferstehung sie von einem Augenblick zum anderen erwarteten, in Verwesung überging. Man hat die Zahl der Rinder, welche dieser Betrüger erpreßt hatte und welche von den Betrogenen zurückgenommen wurden, auf mehr denn zweitausend geschägt. Jeßt giebt es in Dim wieder einen anderen Wahrsager, der sich von unseren Barken entfernt hielt und seinen Landsleuten versicherte, daß sie unsere Sklaven würden, wenn sie fortführen, uns Elfenbein zu bringen.

Die Bary und die anderen Völkerstämme des Weißen Flusses glauben an ein höheres, unsichtbares Wesen, von dem sie die Geister abstammen lassen, welche ihre Gaukler inspiriren. Als wir zuerst unter ihnen erschienen, legten sie uns dieselbe Abkunft bei. Sie glauben an die Seelenwanderung und Auferstehung, aber nicht zu einem anderen Leben, sondern um in dieser Welt eine der früheren ähnliche Existenz zu führen. Lautos, Bruder des Königs Lagono, welchen Herr d'Arnaud) gekannt hatte, und Oheim des Schoba, erzählte mir, daß, als sie die ersten Weißen zu Gesicht bekamen, sie nur deshalb so erschrocken waren, weil sie dieselben für die Gespenster einer Karawane

*) Der Begleiter d'Abbadie's auf seiner Reise in das innere Afrika. D. R.

aus Zanzibar oder Adel hielten, die vor etwa siebzig Jahren von ihren Vorfahren ermordet worden und die, wie sie glaubten, nicht ermangeln würden, sich an ihnen zu rächen. Wenn sie einen Löwen tödten, der einen der Ihrigen verzehrt hat, sammeln sie Holz, um ihn zu verbrennen, und nachdem er ganz zu Asche verbrannt ist, wird diese nach allen Winden zerstreut, damit, wie sie sagen, das Opfer nicht in der Gestalt des Ungeheuers wieder auflebe, dem es zur Beute gedient. Nach den Megeleien, welche bei den türkischen Expeditionen stattfanden, kam man oft, um die Weißen zu bitten, daß sie die Todten auferstehen lassen und die Verwundeten heilen möchten.

Die Berathschlagungen und Gerichtsverhandlungen finden gewöhnlich vor den Dörfern unter dem Schatten eines Baumes statt. Jeder mann kann ihnen beiwohnen und seine Stimme abgeben; aber nur die Häuptlinge und die Reichen, Monjehs genannt, die man an ihren gabelförmigen Stöcken erkennt, dürfen Reden halten. Da Alles durch Stimmenmehrheit entschieden wird, so haben diejenigen den meisten Einfluß, welche am besten sprechen oder über die zahlreichste Partei verfügen können. Sogar die Könige oder Häuptlinge sind gezwungen, sich der Entscheidung dieser Volksversammlungen zu unterwerfen; wenn fie deffenungeachtet zuweilen den Sieg davontragen, so ist es nur durch die Drohung, daß sie den Regen zurückhalten werden.

Ein Einwohner von Belenia flüchtete sich eines Tages in meine Barke in demselben Augenblick, wo Nigello und Schoba bei mir waren. Er war von den Mardschus, in deren Nähe wir uns befanden, des Kuhstehlens angeklagt worden, und sie verlangten, daß er mit dem Tode bestraft werde.

Der Rath versammelte sich in der Nähe unseres Lagers; der Angeschuldigte stand frei mitten unter seinen Anklägern und Nichtern. Ich beobachtete den Eindruck, welchen Furcht und Hoffnung auf ihn machten, je nachdem das Murren oder die Zustimmung der Anwesenden die Rede seiner Ankläger oder die seiner Vertheidiger, Nigello's und Schoba's, unterbrachen. Ungeachtet des Mangels an Beweisen und der Beredtsamkeit seiner Anwalte siegten seine Feinde. Es erhob sich am Ende ein allgemeines:,,Kreuziget ihn!" welchem Nigello als leßtes Mittel die Drohung entgegenseßte, ihre Dörfer durch meine Barken anzünden zu lassen, wenn sie den Urtelsspruch vollziehen würden. Nach diesem,,Quos ego" zerstreute sich die Versammlung murrend. Der Angeklagte suchte wieder in meiner Barke Schuß, wo er, so lange er darin blieb, respektirt wurde; aber als er sich einige Tage darauf während der Nacht nach seinem Dorfe begeben wollte, ward er unter weges umgebracht. Man hatte ihm aufgepaßt und die erste Gelegenheit wahrgenommen, das von dem Gerichtshof gefällte Urtel zu voll strecken. Diese Neger tödten Niemanden in ihren Dörfern, indem sie glauben, daß ihre Frauen durch den Anblick des vergoffenen Blutes unfruchtbar werden, und daß es ihren Kindern Unglück bringt. Die Hinrichtungen oder Meuchelmorde geschehen in der Regel auf der Landstraße oder im Walde. Aus dieser Ursache werden die Reisenden wohl thun, ihre Geschäfte so viel als möglich in den Dörfern abzumachen und denjenigen zu mißtrauen, die sie einladen, mit ihren Barken an einer wüsten Stelle des Ufers anzulegen.

Der Bary nimmt so viel Weiber, als er kaufen kann; sie kosten von zehn bis funfzig Kühe, je nach ihrer Schönheit oder ihrem Rang. Nach dem Tode ihres Gatten gehen sie auf deffen Söhne über, doch darf keiner von diesen seine eigene Mutter heiraten. Je mehr Frauen einer hat, desto mehr wird er geachtet; man kann nicht Monjeh sein, ohne deren wenigstens zwei oder drei zu befißen. Sie dienen auch als Mittel, Einfluß und Macht zu erlangen, denn die Aeltern werden gewöhnlich die Klienten oder Anhänger der Ehemänner. Sie bleiben bis zu ihrer ersten Niederkunft im väterlichen Hause, das sie ernähren muß, eben so wie den Mann, so oft es ihm beliebt, es zu besuchen. Weit entfernt, von Eifersucht geplagt zu werden, leben diese Frauen unter Einem Dache in vollkommener Harmonie; aber andererseits kann man auch ihre Treue nicht sehr rühmen. Troßdem mißhandeln die Barys ihre Frauen nur selten, um sich die Aeltern nicht zu verfeinden. Sie besorgen die Haushaltung und die Feldarbeit; die Männer fäen nur und überlassen ihnen die Verrichtung des Jätens und der Aerndte. Wenn ein Mädchen verführt wird, zwingt man sie, den Schuldigen anzugeben, der verpflichtet ist, sie zu heiraten, wenn er der Rache der Aeltern entgehen will. Ist das Eheversprechen gegeben, so besteht die Heirats-Ceremonie blos darin, daß man einige Ochsen schlachtet, womit die Eingeladenen bewirthet werden. Ein Theil der Mitgift, die der Ehemann zu entrichten hat, wird unter die Verwandten der Ehefrau vertheilt. Vor kurzem tödtete man in Belenia einen Verführer, dem es unmöglich war, die Kühe anzuschaffen, welche man als Preis für seine Geliebte forderte.

Wenn Jemand stirbt, begräbt man ihn sigend in einem Loch, welches vor der Thür seiner Wohnung gegraben wird, und die Freunde

und Verwandten treten und stampfen die Erde, die ihn bedeckt, mit ihren Füßen fest, indem sie in einem klagenden Ton die Worte: „,dio, dio", wiederholen. Nachdem die Erde hinlänglich gehärtet ift, tödtet man einige Ochsen zur Bewirthung der Gesellschaft, worauf sich Alles zerstreut. Bei den Eliabs und Kyks wickeln die Fischer ihre Leichen in eine Matte ein und werfen sie in den Fluß.

Alle diese Völker lieben den Tanz, den Müßiggang, die Beluftigungen und die Meriffe, eine Art Bier, welches von gegohrenem Durah bereitet wird. Ihre Tänze sind nichts als Luftsprünge und Verzerrungen, welche die ganze Nacht vor großen Feuern nach dem Schall der Trommeln fortgeseßt werden. Außer den täglichen Tänzen haben sie auch allgemeine Feste, Leri genannt, wo sich zuweilen sieben bis achttausend Personen versammeln. Man läßt diese mehrere Tage vor her ankündigen, um den entfernten Dorfbewohnern Zeit zu geben, fich dabei einzufinden. Es sind wahrhafte Saturnalien, welche drei Tage, und zwar von Sonnen-Untergang bis zum Morgen, dauern. Diese Feste wiederholen sich mehrere Male im Jahre, bei dem ersten Regen und wenn die Kühe von der Weide nach den Dörfern zurückkehren; fie finden auch zuweilen statt, um die Männer zum Kriege aufzurufen, der am leßten Tage des Festes beschloffen wird. (Schluß folgt.)

Mannigfaltiges.

Altphönizische Sprache. Bekanntlich sind die Reste der phönizischen und der mit derselben identischen karthagischen Sprache sehr gering und fast nur eben hinreichend, um den Beweis zu führen, daß dieselbe der hebräischen ungemein nahe gestanden habe und nur dialektisch von ihr verschieden gewesen sei. Meistens sind es kurze Legenden auf Münzen sidonischer oder tyrischer Kolonieftädte, kurze und verstümmelte Weih-Inschriften, Grabsteine; etwas umfangreicher, wiewohl weniger verlaßbar, was Formen und Deutung betrifft, ist die punische Stelle im Pönulus des Plautus, und nur die in neuerer Zeit entdeckte punische Inschrift von Marseille, welche zuerst Movers vollständig entziffert hat, gab etwas Bedeutenderes. Hierzu ist nun seit Anfang dieses Jahres eine bedeutende Bereicherung gekommen, indem man zu Saida (dem alten Sidon) nebst einer griechisch-chriftlichen zwei heidnisch-phönizische Inschriften entdeckt hat. Die eine davon ist ganz besonders merkwürdig, weil sie auf einem Sarkophage steht, der ihr zu folge einen alten (chronologisch nicht bestimmbaren) König von Sidon, Namens Aschmunezer, den Sohn des Tabnith, beherbergt hat, und deffen Fundstätte die Begräbnißstätte der sidonischen Könige kenntlich gemacht hat. Die Inschrift ist zweiundzwanzig Zeilen lang, zu je fünfundvierzig bis fünfundfunfzig Buchstaben, dabei fast unverleßt, fo daß sie also der Marseiller Inschrift, welche stark verstümmelt ist, den Rang abläuft. Sie enthält außer Geschlechts- und Verwandtennamen des Verstorbenen eine Anzahl sehr formeller Verwünschungen und geseglicher Bestimmungen, welche die Ruhe des Todten sichern sollen.

Thomson, Mitglied der amerikanischen Mission in Syrien, hat genaue Abschriften von beiden an Ort und Stelle selbst gemacht und fie an Ritter Bunsen in Heidelberg gesandt, von welchem sie Prof. Dr. Dietrich in Marburg erhalten hat. Dieser hat sie nun in einem besonderen Werkchen mit Erklärung und einer Menge schäßbarer Untersuchungen veröffentlicht,®) welche jedenfalls auf einzelne Punkte der Alterthumswissenschaft ein bedeutendes Licht werfen werden, namentlich auf die Geschichte der Schrift, die immer noch so bestritten und mangelhaft ist.

Schin oder Schang-te. Unter den englischen Missionären in China hat sich, wie es scheint, ein heftiger Streit über die Frage erhoben, ob das hebräische Elohim und das griechische Oɛós in der heiligen Schrift im Chinesischen durch Schin oder Schang-te zu übersehen ist. Der Verfaffer des unten genannten Werkes**) behandelt dieses schwierige Thema mit einem großen Aufwande von Gelehrsamkeit und entscheidet sich endlich für Schang-te, indem er aus dem Schu-king, dem Tschong-yung und anderen klassischen Büchern der Chinesen nachweist, daß Schin nicht Gott, sondern eigentlich Saluwv, Geist oder gar Teufel, bedeutet. Er beschwört daher die englische Bibelgesellschaft beim Schang-te, das unglückliche Schin nicht in die chinesische Uebersehung der Bibel einschwärzen zu lassen, was auch in der That höchft bedenklich wäre, da sie dadurch Gefahr läuft, die Chin nesen, statt zum Christenthume, zum Teufelsdienst oder im besten Falle zum Pantheismus zu bekehren.

*) Zwei fidonische Inschriften und eine altphönizische Königsinschrift, zuerst herausgegeben und erklärt von Dr. F. E. C. Dietrich. Marburg, Elwert.

**) Who is God in China, Shin or Shang-te? By Rev. S. C. Malan, M. A. London: S. Bagster & Sons. Berlin, A. Asher & Comp.

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