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Protection und die Wohlthätigkeit, find gut behandelt; sie zeichnen sich sogar durch Anmuth und Würde aus.

In dem wieder eröffneten Boymansschen Museum zu Rotterdam findet man mehrere Hauptwerke großer Meister, unter Anderem den Musikus des Adrian von Ostade, bekannt durch den Kupferstich des Cornelis Visscher; ein Blumenstück von Rachel Ruysch, der Tochter des berühmten Anatomen, der Peter den Großen in seiner Kunst an terrichtet hat; neun Gestalten und eine Garten-Ansicht, von Pieter de Hoogt; ein Stillleben, von Jan Weenix; einen Greis mit einer Meute Hunde, von Bartholomäus van der Helft; einen Knaben mit seinem Papagei, von Nicolas Maes.

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Die jährliche Ausstellung der Gemälde von lebenden Meistern enthält mehrere bemerkenswerthe Werke. Herr François, von Brüssel, hat in seiner Flucht des Grotius" die Probe einer in den Details sehr geschickten Pinselführung gegeben; aber ist er sonst auch der Darstelfung seines Gegenstandes gewachsen gewesen? Der erste Rechtskundige feines Jahrhunderts, der Vater des internationalen Rechts, der beste und der friedfertigste Mensch, in dem Fort Loevenstein eingeschlossen, ange. flagt, ein Freund Frankreichs zu sein, als ein Hochverräther verfolgt und durch den ehrgeizigen Moriß von Oranien mit dem tragischen Ende Oldenbarneveldt's bedroht, blos darum, weil er diesem Usurpator in den Weg getreten war; die edle und geistreiche Frau des Gefangenen im Begriff, denselben in einer Kiste, welche sie, mit Büchern gefüllt, gebracht hatte, zu verstecken, und mit der rührendsten Sorgfalt den Schiffern ihren kostbaren Schaß auf die Seele bindend; aus diesem Stoff war wohl etwas Besseres zu machen als eine flamändische Farce, in welcher alle Personen wie Schuljungen aussehen, die ihrem Lehrer einen Schabernack zu spielen im Begriff sind. Und diese seltsame Pa. rodie hat einen Käufer gefunden!

„Michel Angelo vor dem Leichnam der Vittoria Colonna", der Corneille der Malerei, wie er der berühmtesten Frau Italiens, der Frau, die er bis in ihr Greisenalter so zärtlich geliebt, das leßte Abschiedswort zuruft. Auch dies ist ein großartiger Gegenstand; Herr Schwarze hat denselben auf eine recht effektvolle Weise dargestellt; nur wäre der Darstellung etwas mehr Bestimmtheit zu wünschen; es wird diese durch die Portrait-Aehnlichkeit noch nicht erseßt.

Herzogenbusch hat in diesem Winter seine erste Ausstellung der schönen Künfte veranstaltet. Der Katalog enthielt 519 Nummern. Die Celebritäten hatten, aus Furcht, sich zu kompromittiren, sich nicht betheiligt. Aber es waren doch eine Menge guter Werke da. Die kommission hat die glückliche Idee gehabt, die ganze Ausstellung zu verloosen; das Loos koftete nur zwei Gulden."- - Wenn es unter Ihren Lesern Engländer giebt, welche geneigt sind, Holland zu besuchen, so möchte ich sie bitten, fich vor den Betrügereien unserer Gemäldehändler in Acht zu nehmen; sie übertreffen diejenigen, welche van Effen vor hundert Jahren auf so komische Weise in dem Spectator angezeigt hat; es vergeht selten ein Monat, wo nicht der eine oder der andere der englischen Käufer sich anführen läßt. Man treibt die Unverschämt heit so weit, daß man ihnen vorgebliche Originalgemälde von modernen englischen Malern verkauft; die englischen Maler werden erstaunt sein, wenn man ihnen ihre Gemälde bringt, damit sie dieselben auffrischen! Würde man ein so großes Talent der Nachahmung nicht beffer anwenden können?

Bei dem Verkauf der Münzen- und Medaillensammlung des Herrn Becker sind ziemlich hohe Preise bezahlt worden. Ein in Battavia Ein in Battavia 1646 geprägtes Halbguldenstück ist mit neunundneunzig Gulden bezahlt worden. Die Medaille zum Andenken an den Angriff des Statthalters Wilhelm II. auf Amsterdam hat einundsechzig und zweiundsiebzig Gulden gebracht. Zwei Ehrenmedaillen, die der König Louis Napo. leon der Industrie-Ausstellung zu Utrecht und der Zeichen-Akademie in Haag gewidmet hat, sind mit funfzig und zweiunddreißig Gulden bezahlt worden. Obwohl Käufer aus Frankreich, aus Belgien, aus Deutschland, aus Dänemark und sogar aus Rußland gekommen waren, ist doch der größte Theil der Sammlung, wenigftens in Bezug auf die aus dem Mittelalter und aus den neueren Zeiten herrührenden Münzen, in Holland geblieben. — Bei dem Verkauf der Hilleveltschen Gemäldesammlung ist ein Interieur" von Leys mit 3460 Gulden bezahlt worden. Wir können der Regierung Glück dazu wünschen, daß sie den werthvollen Nachlaß Gysbert Cuper's, eines Staats mannes und Gelehrten, der von 1664-1716 in Korrespondenz mit den meisten Celebritäten seiner Zeit gestanden, an sich gekauft hat. Ohne die fechzehn Bände einheimischer Manuskripte zu rechnen, hat die Königliche Bibliothek im Haag sich dadurch um 140 Bände von Briefen bereichert, welche Cuper mit 300-400 wissenschaftlichen Notabilitäten in Europa und in Asien gewechselt hat, unter denen wir nur die folgenden anführen: Montfaucon, Banduri, Magliabechi, Lacroze,

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Huet, Ménage, Saumaise, Bentley, den Bischof von Salisbury, Galland, Bonjour, die Graevius, die Gronovius, Heinsius, P. Burman, Schulting, Scheuchzer, Witsen und Leibniz. - Die Manuskripte des verstorbenen Vice-Admirals van der Velde, die man schon mit so großem Nugen für die Geschichte der niederländischen Marine" benugt hat, sind durch seine Söhne dem Staate übergeben und in den Archiven niedergelegt worden. Das naturhistorische Museum Leydens hat sich durch eine reiche Sammlung von Fischen aus Niederländisch - Indien bereichert. Die Münzen und MedaillenSammlung der Universität Leyden ist mit einer Auswahl seltener einheimischer Münzen aus dem achtzehnten Jahrhundert und merkwürdiger Münzen aus Portugal, aus Brafilien und von den Azoren beschenkt worden. Ich kann hier auch noch die Mittheilung hinzufügen, daß in Utrecht auf dem Plaße, der ehemals innerhalb der Ringmauer der Pauls-Abtei gelegen, einen halben Mètre tief in der Erde von Handwerkern ein mit einem Stein bedeckter Topf gefunden worden ist, der 558 niederländische, spanische, englische, schottische, französische, deutsche, österreichische und kärnthnische Goldmünzen aus der Zeit von 1420-1562 enthielt. Diesen Schaß haben die frommen Väter ohne Zweifel während der Religionskriege zu Ende des sechzehnten Jahrhunderts der Erde anvertraut, als die katholische Geiftlichkeit sich in der alten Bischofsstadt stark bedrängt sah. Im Jahre 1580 wurde die Abtei wirklich geplündert. — Dem beständigen Comité der Gesellschaft der Wissenschaften von Seeland ist ein Bericht abgestattet worden über eine große Anzahl von Briefen und eigenhändigen Schriftstücken Philipp's II. von Spanien, Wilhelm's des Schweigsamen, des Grafen von Horn, des Herzogs von Alba, Vargas' und anderer Personen, welche in den großen Befreiungskampf der Niederlande verflochten wären. Diese von der Direction der Archive der Provinz mitgetheilten Dokumente, von denen mehrere einen bedeutenden historischen Werth haben sollen, sind größtentheils in Chiffern geschrieben. Dem Präsidenten ist es schon gelungen, einen Brief, in welchem der schreckliche König seinem Lieblingsminister geheime Instructionen giebt, zu entziffern. Herr Gachard hat den vierten Band der bisher noch nicht veröffentlichten Korrespondenz Wilhelm's des Schweigsamen veröffentlicht: 128 von ihm selbst geschriebene Briefe, sieben den Generalstaaten von ihm gemachten Propofitionen und den Text des Berichtes, der den Generalstaaten und dem Prinzen von den Deputirten abgestattet wurde, die abgeschickt worden waren, die niederländische Krone dem Herzog von Anjou, Bruder Heinrich's III., anzutragen. Die Redacteure der politischen und ökonomischen Jahrbücher“ sind endlich dahin gelangt, die regelmäßige Veröffentlichung dieser nüßlichen Sammlung verheißen zu können; es ist so eben der sechste Jahrgang erschienen. — Holland hat bis zum Jahre 1815 keine gleichförmige Orthographie. Es wurde in diesem Jahre Profeffor Siegenbeck damit beauftragt, die Orthographie für die holländische Sprache definitiv festzustellen. Dieser Romulus der holländischen Grammatik, der Schrecken der Schüler, ift nicht im Wetter gen Himmel gefahren; er ist friedlich in seinem Bett zu Leyden gestorben, in seinem zweiundachtzigsten Lebensjahre, als einfacher Akademiker. (Schluß folgt.)

Mannigfaltiges.

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Verlust von archäologischen Denkmälern. Nachrichten aus dem Orient melden den Verlust einer schönen Sammlung von Alterthümern, welche die Agenten der französischen Regierung während der legten Jahre in den verschiedenen Ruinen Affyriens und Babyloniens für das Museum des Louvre zusammengebracht hatten. Sie be ftand erstens aus allen seit vier Jahren in Khorsabad gefundenen Dentmålern, nämlich aus zwei koloffalen Stieren, mehreren Bildsäulen afsyrischer Götter, einer Reihe von Basreliefs, einer großen Menge mit Inschriften versehener Steine, Cylinder und Tafeln, eisernen Geräthschaften, elfenbeinernen und goldenen Zierraten und zahlreichen kleineren Kunstgegenständen; zweitens aus einer sehr umfangreichen Collec-. tion in Koyundschik und Nimrub ausgegrabener Basreliefs, etwa hun dertfünfzig an der Zahl, und drittens aus der Gesammtausbeute der Babylonischen Kommission des Herrn Fresnel, welche in vierzig bis funfzig Kisten gepackt und, wie man glaubt, von großem Werthe war. Diese ganze Sammlung ging beim Umschlagen eines Bootes auf der Fahrt den Euphrat hinab nach Bassorah verloren und liegt jest in fünf Klafter tiefem Waffer, ohne daß man Hoffnung hätte, sie wieder an den Tag zu fördern. Zum Glück hatte Herr Place die Marmortafeln von Khorsabad photographiren laffen, während die Koyundschiker von dem Künstler des Britischen Museums, Herrn Boutcher, abgezeichnet wurden. Von den Inschriften hat Oberst Rawlinson Kopieen nach England mitgebracht.

Wöchentlich erscheinen 3 Nummern. Preis jährlich 3 Thlr. 10 Sgr., halbjährlich 1 Thlr. 20 Sgr. und vierteljährlich 25 Sgr., wofür das Blatt im Inlande portofrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird.

No 97.

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Literatur des Auslandes.

England.

Literatur-Briefe aus England.

Berlin, Dienstag den 14. August

Achter Monats-Bericht. 1855.

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Erlebte Literatur. Eine Ainsworthsche Novelle in Leben und ein Speckvolksfest überseßt. Die Bewerbung zärtlicher Ehepaare um den,, Dunmow Speck Fletsch". Entstehung, Charakter und Schilderung des Dunmow - Festes. Ainsworth's Magazine. - Die Auguft-Hefte der Monats-Magazine. Der deutsche und der englische Student. Englische Warnung vor gewissen Frfindungen Berlins. Privatleben des Königs von Dude in Ostindien mit seinem englischen Barbier und Premier-Minister, jezt Omnibus- Conducteur in London. Admee - Kanawallah, das menschenfressende Pferd. — „Die alte Hosvorstadt" Londons, von Leigh Hunt. Biographieen der Königinnen von England aus dem Hause Hannover, von Dr. Doran. Reise- Abenteuer aus den Hinterwäldern Amerika's, von Beste. Verfälschungs-Literatur. - Verfälschte Handels- und Staatsleute. Die fünfundzwanzigste Hauptversamm lung der British Association. Rawlinson's Vortrag über seine babylo

nischen Forschungen. ,,Newcomes" zu Ende.

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London, Anfangs August. Das Kriterium eines schöngeistigen Erzeugnisses ist, nach Goethe, „daß es etwas Erlebtes enthalte." Rur das Erlebte kann wieder Leben werden und geben, weil im Erleben sich der geistige Inhalt, der zur schönen, wirksamen Darstellung kommen soll, individualisirt und in feinem Reichthume offenbart. Deshalb freue ich mich, mit doppelt er lebter Literatur aufwarten zu können, mit Literatur, die lustiges, wirk liches Leben geworden, das ich mit erlebt habe, Liebesleben, Familien leben mit zweihundert Pfund mildesten Dunmow-Frühstücksspecks. Doch diese beiden aus der Literatur hervorgegangenen zweihundertpfündigen Speckseiten bedürfen eines guten Kommentars für Deutschland, wo man die tägliche Sitte und Wonne eines gebratenen Schnittes Speck, eines „rasher of bacon" zuhause und in jedem Kaffeehause nicht kennt und die Souverainetät des Speckes beim Frühstück, zum Thee und Kaffee nicht anerkennt, da er nur sich mit Eiern oder als „Spice" im Braten oder sonst in untergeordneter kulinarischer Stellung aus dem Rauchfange und der Speisekammer hervorwagen darf. Wie bei den Lappländern der Fischthran, ist bei den Engländern der Speck zum Selbstbewußtsein gekommen, ein Ich geworden und dabei so stolz und voll Spontaneität, als wollte er mit Cartefius sagen: cogito ergo sum. In Deutschland fängt man mit selbständigem Speck Mäuse, in England belohnt man treue Liebe damit, denn ohne Spec zum Frühstück bleibt kein Engländer ein treuer, liebender Gatte. Außerdem muß er Abends zum Thee auch noch ,,shrimps" haben.

Doch zur Sache, nämlich zu dem aus der Literatur hervorgequollenen Speckseiten-Liebesfeste zu Dunmow, das manche Leser wohl schon in englischen illustrirten Blättern abgebildet gesehen haben. Ein Wochenblatt brachte sogar eine Schilderung des Festes vierundzwanzig Stunden vor demselben, wie Rellstab früher Kritiken über Konzertleistungen, die gar nicht geleistet worden, vorher schrieb und drucken ließ. Ich werde es nie vergessen, so lange es auch her ist, daß Madame Crelinger einmal ein Gedicht mit Weihe und Kraft" gesprochen, während fie gar nicht da war. Das Dunmow-Speckfest war ein literarisches Ereigniß, das ganz London lebhaft beschäftigte, eine helle, launige, frische Auferstehung des merry Old England, ein gutes, gesundes Zeichen unter so schrecklich viel Krankheitssymptomen der englischen Gesellschaft. Voriges Jahr erschien eine Novelle von Ainsworth: The Flitch of Bacon",,,bie Speckseite". Die fpeckkulturberühmte Stadt Dunmow, vierzig Meilen von London auf der Ostseite, las das Buch, und die Herzen ihrer Bewohner erweiterten sich und erhoben sich, als sie mit Staunen erfuhren, daß die Speckseiten-Novelle in ihrer eigenen Stadt spielte und ein Volksfest schilderte, das einst so viel Lust und Heiterkeit in dem jeßigen, stillen, nüchternen Orte verbreitete und Volksmassen aus weiter Ferne herbeirief. Schon das Wort,,Speck" regte sie auf, wie der Schlachtengesang den schottischen Hochlandshäuptling oder die Trom

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1855.

pete das alte Kavalleriepferd. Die Dunmowiter fühlten das Blut der Geschichte durch ihre Adern jagen, sie wurden resolut und faßten die Resolution, auf Grund der Ainsworthschen Speckseite eine allgemeine Volksversammlung im Rathhause zu halten, natürlich mit dem Mayor an der Spige. In dem Meeting ward natürlich ein Comité gewählt, welches den Beschluß, das alte Dunmowsche Speckseitenfest wieder ins Leben zu zaubern, ausführen sollte. Das Comité schrieb an Ainsworth um Beistand. Wie konnte der Dichter, der so ins Leben getroffen, ihn verweigern? Er war es, der ihnen zugerufen:,,Che liche Treue und Friedfertigkeit mit Speck einzureiben!" Er hatte unter den Dunmowitern einen neuen Zeitgeist hervorgerufen, er hatte einen hundertjährigen Todten erweckt. Ainsworth antwortete mit goldenen Worten und fünf Guineen als Beitrag zur Bestreitung der Kosten.

In seiner Novelle hieß es:,,Ein gutes Weib ist nicht nur eine Krone für den Mann, sondern sie kann für ihn auch ein Fletsch) Spec werden, wenn sie nach Dunmow geht und die Prüfung besteht. Die zeitgeehrte (altersheilige) Sitte verdient wieder ins Leben gerufen zu werden. Jedes verheiratete Paar, welches gewissenhaft schwören fann, daß sie mindestens ein Jahr und einen Tag hinter einander in vollkommener Harmonie und glücklich mit einander verlebt haben, sollen als einen Preis zwei Hundertgewichte (zwei englische Centner) des mildeften Frühstücksfpeckes erhalten, verbürgt, daß es dunmowgezogener, dunmowgemäßteter und dunmowgeräucherter fei."

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Nach Shakespeare ist Musik der Liebe Nahrung; die Speisekarte derselben muß aber in England mindestens um Speck bereichert werden. Von einem verheirateten Liebespaar sagen zu können" (Worte des Charles Povey),,,es verdiene den,,Fletsch", ist ein hohes Kompliment; aber die Glücklichsten der Sterblichen sind die, welche ihn schon gewonnen haben." Und kann man, nach Solon, auch keinen Menschen vor seinem Tode glücklich preisen, machen doch die Beiden eine Ausnahme, die den so gewonnenen Fletsch auch verzehren und nicht nöthig haben, ihn etwa aus Geld- oder Hutverlegenheit der Frau zu verkaufen. Amor muß die Pfeile aus seinem Köcher schütten und Speckhaken dafür hineinthun. Es wirft ein bedenkliches Licht auf den Ehefrieden Englands, daß just ein ganzes Jahrhundert lang niemals ein Paar sich zur Prüfung für den zweicentnerigen Dunmow-Fletsch gemeldet. Ein ganzes Jahrhundert lang schlug jedem Paare das Gewissen bei dem alten, sächsischen Sprüchworte: He that repents him not of his marriage in a year and a day, either sleeping or waking,

May lawfully go to Dunmow and fetch a flitch of bacon.

In der Eil übersegt, lautet dies im Deutschen etwa:

Wer Jahr und Tag weder wachend, noch schlafend seine Hälfte sich wünscht gestohlen,

Hat das Recht, nach Dunmow zu gehen und sich ein Stück Speck zu holen.

Die Männer tranken in England mehr, als die wegen diefer Tugend berühmten Deutschen. Sechs Flaschen Wein oder zehn Quark Bier in den Leib, wo blieb da der Raum für die Liebe? Das Knallen der Pfropfen und das Gurgeln des Zapfen übermusizirte die Stimme der Liebe zuhause, die ihren Gatten jede Woche siebenmal mit Hülfe starker Dienstboten zu Bett bringen mußte. Wo sollte da der Dunmow-Speck zu Einreibungen häuslicher Glückseligkeit herkommen? Auch sollen früher die Damen gern mit Freunden und Fremden im Mondschein spazieren gegangen sein, damit ihnen die Zeit bis zum Empfange des zehn Quart schwereren Gatten nicht zu lang werde.

Doch welch ein Unterschied zwischen 1755 and 1855!,,Die pöbelhafte Gesundheit der Engländer" (wie Heine sagt) hat sich verloren und damit auch die entseßliche Kraft, so viel zu vertragen. Statt der Zehnquartstammgäfte im schlimmsten Falle ,,brandy and water", außer. dem Alles voll Teetotalismus. Die jeßige Generation hat sich filtrirt

*) Ich habe das Wort unter den Bauern Sachsens oft gehört, welche damit einen großen, unregelmäßigen, fetten Fleck oder Klumpen bezeichnen. Sie sagen: a Fletsch Butter",,,a Fletsch Blut“, „a Fletsch Fleesch". Dies berechtigt zu einer so wortgetreuen Ueberseßung.

und purifizirt. Der Schmuß hat sich gesezt, und das bürgerliche und ebeliche Leben ist klar wie Krystall. Die Bedingungen eines gefeßlichen Anspruchs auf den Dunmow-Speck find kein Traum mehr. Kaum erschien die Bekanntmachung, daß die Speckkonkurrenz glücklicher Paare wieder eröffnet werden solle, als das Comité sofort in eine Fluth von Briefen versank. In jedem Briefe stand die Versicherung, daß dem Schreiber der Speck sicher sei. Wie es aber zugegangen, weiß ich nicht, genug, nur vierzehn Paare erschienen im Druck als zulässige Ritter, um den Preis zu kämpfen, und auch von diesen vierzehn Ritterpaaren kamen nur zwei in die Schrauken. Damit wir als Zuschauer hineinkommen und das Turnier verstehen, müssen wir uns von außen und aus London herbeidrängen und etwas historisch werden.

Man hatte eine große Prozession von und nach dem Rathhause beschlossen mit Pferden, Federbüschen, Kostümen, Fahnen, Bannern, Pauken, Trompeten und Allem, was sonst zu einem ordentlich auferstandenen Speckkultus gehören mag. Aber wo das alles in Dun mow, das nicht einmal ein Theater hat, hernehmen? Das Comité fand guten Rath in einem der vielen Briefe, unterschrieben C. T. Smith. Das ist kein gewöhnlicher Mann mit Namen Smith, sondern der Pächter des Drurylane-Theaters, der den Actionairen auch nach jedem der in diesem Theater üblichen Bankerotte Zinsen und Dividenden zu zahlen versteht. Er hatte sich zudem auch zu einer Speckseite gemeldet. Man schrieb an ihn um Glanz und Pracht, und er schickte einige Fuder mittelalterlicher Ritter-, Knappen- und Bauern-Kostüme, goldener Stäbe, Guirlanden meilenweise, Fahnen und Flaggen in allen Farben und Formen. Kleider machen Leute, und Leute machen eine Prozession. Der Grund war durch Ainsworth's Guineen, zu denen Patrioten Hunderte fügten, und Smith's Kleidermagazin gelegt, und da der Aufbau durch Freiwillige bewerkstelligt ward, wie der mittelalterlicher Dome, wuchs das Festgerüste wie durch Zauberei empor. Und so würde die Sonne des 19. Juli mit lauter Glanz und Gluth am Festhimmel emporgestiegen sein und auf das kolossalste Theater im Freien zu Dunmow herabgelächelt haben, wenn es unter ihr nicht unbarmherzig geregnet hätte. Um 7 Uhr Morgens, als ich festgeschmückt zur Eisenbahn eilte, fing der Himmel an zu sprühen und zu spucken, wie eine in Wuth gefeßte wilde Kaße mit krummem Buckel. Deffenungeachtet mußten auf dem Eastern Counties-Eisenbahnhofe noch immer Wagen an Wagen gehangen werden, um die gepußten Gäste aufzunehmen. Troß des Troß des knatternden Kleingewehrfeuers von Wasser, das ununterbrochen gegen die Fenster bombardirte, ging es doch in den Waggons ziemlich luftig her. Fremde und Freunde lachten und sprachen mit einander, was sonst durchaus auf keiner englischen Eisenbahn Mode ist. Jeder fühlte sich durch den Geist eines echt humanistischen Volksfeftes befreit von der traurigen englischen Etikette, erwärmt, erhoben. Die jungen Damen, ungemein zahlreich vertreten, zeigten sich ganz besonders aufgeräumt. Ich fing mit meiner stark braungelockten Nachbarin eine Unterhaltung durch die Frage an, wie es von wegen meiner stillen Sehnsucht nach einer Cigarre stände? „Oh, no objection at all, Sir!" Und so gab ich das Feuersignal, und in weniger als fünf Minuten fingen alle nicht Eingeweihten an zu husten, und eine Rauchsäule bildete sich aus wohl zwanzig Glimmstengeln zu den kleinen offenen Fenstern her aus, so dick wie die Oeffnung. Der Tabacksrauch erheitert, ohne zu berauschen, zumal wenn die Nichtrauchenden dazu husten und lachen und zeigen wollen, daß sie mit dem Zeitgeiste fortgeschritten sind. Die Zeiten, wo in Englands guter Gesellschaft der Verdacht, daß Einer rauche, gleich nach dem, daß er einen filbernen Löffel gestohlen, kam, find vorbei. In Leicester-Square, allerdings der deenglisirtesten Gegend Londons, giebt es schon einen großen englischen Penny-Lesesaal mit unbeschränkter Rauchfreiheit, wodurch der Mann schnell aufgekommen ist, da den meisten Lesern das in anderen Kaffee- und Lese-,,boxes" gültige,,no smoking allowed", als Warnungstafel dient.

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Auf der Eisenbahn war die Reise ganz amüsant. Aber als wir von Bishop's-Stratford aus die noch übrigen neun Meilen bis Dunmow ohne Dampf zurücklegen sollten, ward ́unser Fortkommen zum Davonlaufen. Möbelwagen und Laftkarren aller Art mit und ohne Decke standen bereit, uns auf- oder vielmehr unser Geld auf die unverschämteste Weise einzunehmen. Sie forderten mehr, als zu einer Reise um die halbe Erde erforderlich ist, und zwar pränumerando. Dies war mir zu arg; die freien Engländer und Engländerinnen um mich herum, dreißig Stück auf nassen Brettern - schwiegen. Ich aber machte einen Lärm, als wäre ich der Freigeborene, und sagte (mich mit eingeschlossen), daß freigeborene, französisch-alliirte Englishmen sich diese Entweihung der Menschenrechte nicht gefallen lassen könnten und lieber wieder an den schmußigen Rädern herunterklettern würden, statt so unverschämt und pränumerando sich ausbeuten zu lassen. So stand ich auf und kletterte wieder hinunter, gefolgt von neunundzwanzig Empörten beiderlei Geschlechts. Ich wandte mich im Namen meines Gefolges an ein fettes, ehrliches Gesicht und akkordirte einen civilen Preis, der auch angenommen und von uns gemeinschaftlich postnume

Kompliment, daß die foreigners" ganz resolute Leute seien und Alles zu menagiren wüßten; Engländer hätten sich ohne mich jedenfalls furchtbar prellen laffen.

Wir rumpelten lustig unter dem Regen hin neben grüngeschmück ten Karren und Körben voller Erdbeeren, Kirschen, Austern u. f. w. und klatschend nassen Fußgängern vorbei, bis wir in der Nähe des Rathhauses mitten unter einer triefenden Menge ankamen. Von Menschen sah man eigentlich nicht viel: Alles war Regenschirm und Röcke und Säcke und Wachsleinwand über den Köpfen. Wir drängten uns durch die triefende, schweigende Menge in den überfüllten „SarazenenKopf" (ein großes Gast- und Bierhaus) hinein, um für gutes Geld spottschlecht zu essen und zu trinken, und lichteten dann unsere Anker nach dem Rathhause, der „,Town Hall", einem nüchternen, weißwändigen Raum mit hölzernen Querbalken oben, aber unten ziemlich anmuthig mit Damen geschmückt. Doch der Hauptschmuck waren die zwei Preis-Fletsche, die in blau angestrichenen Holzpyramiden, mit Blumen umwunden, auf beiden Seiten des Präsidentenstuhls hingen. Ganz dicht an die Wand gequetscht, saßen die Junggesellen und Jungfrauen, welche als Geschworene fungiren sollten. Die Ersteren hatten ungemein viel Pommade in ihr Haar geschmiert, damit es feierlich glänze und die Locken steif fäßen. Ein Geschworener trug eine solche festgedrehte dicke Locke gerade auf der Stirn, als sollte sie ihm gelegentlich als Operngucker dienen. Sie sah auch ganz so aus. Auf einer hölzernen Galerie aber, nicht größer als ein Omnibus, drängten sich die Dunmowiter Honoratioren zusammen, wie mir gesagt ward. Doch habe ich kaum hinaufgeblickt. Die sechs weiblichen geschworenen Jungfrauen, alle geborene Dunmowiterinnen, drei Blondinen und drei Brünetten, schienen sich verschworen zu haben, Alt und Jung unseres Geschlechts für alle anderen Reize des Festes blind zu machen. So sehr ich auch schon ins alte Register gerathe, war meine Bewunderung doch ganz jugendlich. Ich entschuldigte mich im Stillen mit den weißhaarigen Greifen des Homer, welche, troß ihres Schnees auf den Köpfen, die Helena dermaßen bewunderten, daß sie meinten, so viel Blut und Thränen der Krieg auch koste, sie sei es werth. Nein, sie waren zu schön, zu reizend! Die frischen, feinen Wangen waren ein stets lebendiger Tummelplaß von seinen Erröthungen, die darüber hinjagten, wie Wolkenschatten über die Erde. Sie merkten es, daß sie allgemein bewundert wurden, und waren es außerdem auch gar nicht gewohnt, als Geschworene über eheliche Glückseligkeit öffentlich zu entscheiden. Und zudem ringsum von dichten Operngucker-Batterieen umdroht und durch die Fenster von außen roh, aber ehrlich und enthusiastisch bewundert und laut gelobt, eine vor der anderen, und mit Namen genannt. Da ging es schon nicht anders, alle chromatischen Tonleitern des Erröthens mußten wiederholt durchgespielt werden auf und ab, bis der Präsident eintrat und das Fest durch eine Rede eröffnete.

Präsident Mr. Ainsworth fing mit dem zwölften Jahrhundert an, in welchem das Dunmow-Fletsch-Speck-Fest Mode geworden und sich Jahr für Jahr frisch erhalten bis 1755. Er mischte die Tempelritter mit ein und wies Spuren des Festes in Frankreich und Deutschland nach. Solch eine spaßhafte, originelle, weitverbreitete Festsitte verdiene wieder aufgefrischt zu werden. Dafür hatte er unzählige historische, ernste und humoristische Gründe und Motive. Was Deutschland betrifft, so führte er ein „Stadtthor in Oesterreich an“ (als wenn Desterreich eine kleine Stadt mit einem Thore sei), über welchem die Verse eingegraben feien: (Ich ließ sie mir von einem Stenographen hinterher diktiren, natürlich englisch, so daß ich daraus zurücküberseßen muß, da ich weder das Original, noch die Stadt kenne. Vielleicht kömmt uns ein Gelehrter in Defterreich zu Hülfe.)

,,Giebt's irgendwo 'nen Ehemann,
Der wahrheitstreu behaupten kann,
Daß er, seitdem er ließ sich trau’n,
Sich niemals wünschte bessre Frau'n,
Der mag den Speck hier 'runterhau’n.“

Was der folgende Redner, Mr. Bell, Herausgeber der englischen Klassiker in prächtigen Shillingbänden, Alles gesagt haben mag, als ich ihn in den französischen Liebes-Höfen verließ, weiß ich nicht, denn dicht neben mir stellte sich eine braunlockige Schönheit, mit ätherischem Pferdehaargeflechthut, auf den Stuhl und war fortwährend so schön, daß ich weder von Bell's, noch von Costello's (des Gerichts- Anwalts) Rede etwas vernahm. Ich hatte beide Ohren in den Augen. Erst als das Gericht sich formirte und die Geschworenen verlesen wurden, kam ich wieder zu mir, oder vielmehr zu den schönen Geschworenen. Ich wollte wenigstens wissen, wie die geschworene, zarte Taube mit den bernsteinspigenfarbigen Locken hieße. Sie antwortete auf den Namen Miß Lydia Collis. Eine ihrer Kolleginnen schoß in die allerstärksten Purpurtinten der Erröthung empor, als sie, die Natur ihrer Mission verkennend und sich vor dem Altare denkend, auf Verlesung ihres Namens schnell antwortete: I will". Schallendes Gelächter, das mich aber sehr ärgerte. (Fortseßung folgt.)

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Holland.

Mittheilungen aus dem Gebiete der Kunst und Literatur. (Schluß.)

Es ist bekannt, daß kein Land so große hydraulische Wunderwerke zu Stande gebracht, wie Holland. Seine Lage unter dem Niveau des Meeres hat ihm den Wasserbau zu einer Nothwendigkeit gemacht. Man kann kaum begreifen, wie Holland mit den schwachen Mitteln, über welche die Wissenschaft im Mittelalter zu verfügen hatte, es möglich gemacht, der Gewalt des Meeres seinen Boden abzugewinnen und den= felben durch Deiche sicher zu stellen. Seit dem siebzehnten Jahrhundert sind im Innern Hollands ungeheure Wasserbecken trocken gelegt worden. Heutzutage unternimmt es Holland, mit Hülfe des Dampfes das Harlemer Meer, einen der größten Seen Europa's, in fruchtbares Ackerland zu verwandeln. Der 20 Meilen lange Kanal, durch welchen Amsterdam mit dem Helder verbunden, ist ein Werk, das seinesgleichen nicht hat. Es muß also befremden, daß der Plan, durch die Provinz Holland an der Stelle, wo sie die geringste Breite hat, einen Kanal zu bauen, zum Gegenstande einer Preis-Aufgabe gemacht, keine des Preises werth geachtete Denkschrift zur Folge gehabt. Man könnte meinen, daß die Holländer es der Mühe nicht werth gehalten haben, fich mit Lösung eines so leichten Problems abzugeben. Die batavische Gesellschaft der Experimental- Physik hat jezt ein schwierigeres Problem zu lösen gegeben: „Es soll für anser Küstenland der Plan zum Bau eines Seehafens entworfen werden, der, zur Zeit der Ebbe, fieben Ellen tief gehende Schiffe aufnehmen kann, eine so breite Mündung hat, daß solche Schiffe bei einem starken Nordwestwinde ohne Gefahr einlaufen können, und so eingerichtet ist, daß seine Unterhal tung keine große Kosten verursacht.“

Der General-Gouverneur des niederländischen Indien hat in Batavia einen Bericht über den Unterricht unter den Eingeborenen veröffentlichen laffen. Es geht daraus hervor, daß die Eingeborenen den Unterricht stark begehren und sich sogar Mühe geben, für ihre Kinder die Zulassung zu den für die Europäer bestimmten Schulen zu erlangen. Auf Java hat man überall, wo über zwanzig Kinder unter vierzehn Jahren vorhanden sind, eine Elementarschule gegründet, die für den Armen unentgeltlich ist. Die Kontrole der Schulkommission erstreckt sich bereits auf zwanzigtausend Schüler. Außer den gewöhnlichen Unterrichtsgegenständen bringt man den kleinen Javanesen das Lesen und das Schreiben ihrer eigenen Sprache und des Malayischen bei. Die meisten Niederlassungen sind noch durch die Indianerhäuptlinge bedroht; und doch kann die holländische Normalschule den Nachfragen nach Lehrern nicht genügen. Also Millionen von Barbaren gehen hier raschen Schrittes der Civilisation entgegen.

Ein Geolog, deffen Schriften in Deutschland sehr bekannt sind, Herr Volt, hat sich an der deutschen Kommission betheiligt, welche auf Kosten der niederländischen Regierung nach Surinam geschickt ist, um zu untersuchen, ob die Gegend sich zu einer Kolonie für seine Landsleute eignet. In Betreff der gegenwärtig so lebhaft besprochenen Frage, ob die Weißen die Arbeit in diesen Kolonieen auszuhalten im Stande sind, werde ich bald Mittheilungen machen können. In Be treff der geologischen Untersuchungen des genannten Gelehrten kann ich schon jest melden, daß dieselben bemerkenswerthe Ergebnisse geliefert haben. Die Küstengegend besteht aus einer mehrere Fuß dicken Schichte von Ueberresten sehr mannigfaltiger Schalthiere; diese Schichte ist hier und da mit Sand und Lehm bedeckt. Weiter ins Land hinein findet man Ueberreste alter Dünen; noch weiter eine Reihe von niedrigen Bergen aus Granit, Gneiß und Diorit; in dem Gneiß finden sich zerstreut viele Granitkörner von der Größe eines Stecknadelkopfes. In dem Bett des oberen Surinam haben die Wasserfluthen ein großes Lager von eisenhaltigem Gestein abgelagert, während der Granit dem Flusse einen weißlichen sandigen Boden gegeben. Herr Volg verspricht uns auch interessante Details über die antediluvianische Fauna des holländischen Guyana.

Man kann großherzige Handlungen nicht genug verbreiten; wir theilen also mit, daß Herr Koenen in Amsterdam, welchem ein Buch händler für seine ,,Vorlesungen über die Geschichte des niederländi schen Handels" eine sehr bedeutende Summe geboten, diese Summe der zur Unterstüßung der Familien armer Schriftsteller gegründeten Kaffe geschenkt hat, und daß der Bildhauer Leonhard de Cuyper in Antwerpen sich erboten, eine Statue Vondel's unentgeltlich anzufertigen.

Sie wollen vielleicht auch wissen, wie, es den vielen Holländern, die zur Industrie-Ausstellung gereist sind, in Paris gefällt? Es kann ihnen durchaus nicht angenehm gewesen sein, zu früh hingekommen zu sein, d. h. die hunderttausend Meisterwerke noch nicht aufgestellt gefunden zu haben. Die leeren Galerieen und die Vorarbeiten haben ihre Schaulust nicht befriedigen können. Dafür entschädigt sie ein anderes eben so merkwürdiges Schauspiel. Stellen Sie sich vor, daß

die Bewohner eines der entlegensten Dörfer Frankreichs, wo man die Reparatur der Bedachung des Glockenthurms zwanzig Jahre vorher zu verhandeln anfängt, plöglich in das Chaos von Ruinen und Bauten nach Paris verseßt seien, so werden Sie eine Vorstellung von dem Erstaunen haben, von dem unsere harmlosen Landsleute ergriffen werden, wenn sie diese riesigen Gerüste, diese ungeheuren Steinblöcke, dieses rege nicht einmal in der Nacht unterbrochene Lärmen und Arbeiten der Handwerker und der Maschinen sehen. Für Leute, die, vor Allem Neues zu sehen, nach Paris gereist sind, hat es eine bessere Entschädigung nicht geben können. Die Welt-Ausstellung hat schon eine Vorgängerin gehabt; aber die gegenwärtige großartige Regsamkeit der Architektur in Paris hat ihresgleichen noch nicht gehabt. Wir haben hier an den Ufern der Amstel noch mythologisirende Dichter. Sie werden auch nach Paris kommen, und ich höre sie schon ausrufen: „, Sohn der Antiope! wenn Du hier wärest, Du würdest fragen, was das für ein neues Theben ist, welches hier vor unseren Blicken ersteht ohne die Hülfe Deiner Leper!"

Von unseren gelehrten Gesellschaften, von dem Zustande unserer Preffe, vom Theater u. dgl. m. werde ich nächstens sprechen. Heute will ich nur noch melden, daß der ,, Konst- en Letterbode", unsere erste Wochen-Revüe für Literatur, Wissenschaft und Kunst, eine vortreffliche Sammlung, unter großem Beifall sich in neuerer Zeit regenerirt hat.

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geschichtliche Tableaus der Kaiser- Ferdinands - Nordbahn.

Eine eben so in wissenschaftlicher, wie in künstlerischer Hinsicht bemerkenswerthe und in ihrem Genre völlig neue Erscheinung geht uns aus Wien zu; nämlich eine dort lithographirte und in bunten Farben gedruckte Reihe von Tableaus zur Geschichte der „Kaiser-FerdinandsNordbahn“, entworfen und ausgearbeitet von Herrn Joseph Stummer, Professor am polytechnischen Institut in Wien und Vorsigenden der Direction der genannten Eisenbahn.")

Die Geschichte der ältesten Eisenbahnen in England, Belgien, Deutschland, Nord-Amerika, Frankreich 2c. ist zugleich die Geschichte des Eisenbahnwesens überhaupt, da dieses sich bereits in seiner Kindheit über alle Civilisations-Länder gleichzeitig verbreitete und überall dieselben Schwierigkeiten und Vorurtheile zu überwinden, so wie dieselben Triumphe zu gewärtigen hatte. Die österreichische „Kaiser-FerdinandsNordbahn", die sich von Wien in nordöstlicher Richtung, einerseits nach Preßburg (Gänserndorf) und andererseits nach Mähren, Böhmen, österreichisch und preußisch Schlesien, so wie nach Galizien, in einer Ausdehnung von fünfundfunfzig Meilen erstreckt, wozu demnächst noch funfzehn Meilen Eisenbahn bis Krakau treten werden, °°) ist, nächst der Leipzig-Dresdener Linie, die älteste größere Eisenbahn in Deutschland und (mit Ausnahme der belgischen Staatsbahn) auf dem Kontinent überhaupt. Bereits am 6. Januar 1838 wurde ihre erste Strecke, von Wien bis Wagram, 24 Meile lang, eröffnet; sie ist jegt demnach im achtzehnten Jahre ihres Betriebes und hat in dieser Zeit die Erfahrungen, welche die Technik auf diesem neuen Gebiete, nicht ohne mancherlei Opfer, gesammelt, selbst alle praktisch durchgemacht. Wenn uns daher die Geschichte dieser Bahn in leicht übersichtlichen und künstlerisch ausgeführten Tableaus vor Augen geführt wird, so hat dies nicht blos für die Actionaire des jeßt sehr rentabeln Unternehmens, sondern für jeden, der mit Theilnahme auf das die Welt in Bewegung seßende und ihre Bewohner in den innigsten Wechselverkehr bringende Eisenbahnwesen blickt, ein näheres Interesse.

Herr Professor Stummer hat in den uns vorliegenden Tableaus nach einer Idee, die eines sinnigen ägyptischen Hieroglyphographen nicht unwürdig sein würde, die Geschichte jedes Jahres der von ihm geleiteten Eisenbahn, und zwar mit allen Ereignissen, Glücks- und Unglücksfällen, Fortschritten und Verbesserungen, Beobachtungen und Erfahrungen dargestellt. Acht Tableaus umfaffen die sechzehnjährige Thätigkeit von 1838-1853, so daß jedes Tableau die Geschichte zweier Jahre enthält. Wir sehen in den ersten Jahren die Bahn nach und nach entstehen und anwachsen, folgen dann ihrer allmählichen inneren Entwickelung und gelangen endlich zu ihrer vollständigen Ausbildung und ihrer wohl keiner weiteren Gefahr mehr ausgeseßten Blüthe und

*) Bildliche Darstellung der Geschichte der Kaiser - Ferdinands - Nordbahn, von dem Zeitpunkte der Gröffnung im Jahre 1838 bis zu Ende des Jahres 1853. Entworfen und ausgearbeitet von Joseph Stummer, K. K. Professor 2. Lithographie und Farbendruck von Hermann Engel, Wien, 1855.

**) Kürzlich hat die Verwaltung dieser Bahn auch ein in Mähren, an ihrer Eisenbahn gelegenes, nahe an der preußischen Gränze und an den Ufern der Oder aufgeschlossenes Steinkohlen-Bergwerk für 550,000 Gulden erworben. Die Kaiser-Ferdinands - Nordbahn wird dadurch in den Stand gesezt, ihren Bedarf an Feuerungs- Material aus ihren eigenen Gruben und viel billiger als bisher (15 Kr. gegen 294 Kreuzer pro Centner) zu beziehen.

reichen Ertragsfähigkeit. Um gleich die beiden Endpunkte zusammenzufassen, bemerken wir auf dem ersten Jahrgange des ersten Tableaus (1838) 6 Lokomotiven in Thätigkeit, ferner 25 Personen- und 5 Güterund Lastwagen, während uns der zweite Jahrgang des achten Tableaus (1853) nicht weniger, als 154 Lokomotiven, dreihundertzehn Personenwagen, 1710 sechsräderige, 260 achträderige Güterwagen, 1000 Kohlenwagen und 188 diverse Lastwagen zeigt.

Durch Theilung jedes Jahres in zwölf Monats-Kolumnen, während jede Kolumne in zehnmal zehn Abtheilungen zerfällt, wovon wiederum jede einzelne zehn kleine Quadrate enthält, ist es möglich gewesen, die verschiedensten statistischen Verhältnisse durch Linien darzustellen, welche uns durch ihre Steigung und Senkung die mannigfachen Fluctuationen des Verkehrs vor Augen führen. Die verschiedenartige Färbung dieser Linien zeigt ihre Qualität an, während die QuantiMaße sowohl, als Gewichte, Personenzahlen und Prozente durch das Längenverhältniß der Quadrate, die von den Linien berührt werden, angezeigt ist.

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Wir übersehen dadurch mit einem einzigen Blicke die nachstehenden Verhältnisse:

1) die monatliche Gesammt-Brutto-Einnahme;

2) die monatliche Einnahme durch den Personenverkehr;
3) die monatliche Einnahme durch den Frachtverkehr;
4) die jährliche Beförderung von Militairs;
5) den jährlichen Gesammt-Frachtenverkehr;

6) den jährlichen Verkehr einzelner Hauptartikel, wie namentlich Steinkohlen, Salz, Taback, Getraide und lebendes Vieh;

7) die Emission der Actien in den verschiedenen Jahren; 8) den jährlichen Stand des Fundations- und Betriebs-Kapitals; 9) den Umfang und das Verhältniß der Betriebskosten; 10) den laufenden Börsenkurs der Actien; 11) die jährliche Dividende;

12) die Ausdehnung der Bahnlinie mit ihren Verzweigungen; 13) die Ausdehnung des elektro-magnetischen Telegraphen; 14) die Zahlenverhältnisse der Lokomotiven; 15) die Zahlenverhältnisse des Wagenparks; 16) die Constructions-Verhältnisse des Betriebsparks; 17) Witterungs- und andere Ereignisse, die auf den Betrieb eingewirkt;

18) den lebhaften Aufschwung oder den gedrückten Zustand des Unternehmens.

Die drei leßtgedachten Verhältnisse (unter 16, 17 und 18) find namentlich auch durch geschmackvolle, bildliche Randverzierungen erläutert, so daß uns im Laufe der Jahre die Fortschritte, welche der Bau der Lokomotiven und Wagen gemacht, stets begleiten und uns durch den heiteren oder getrübten Horizont, die Sonnenblicke und die gewitterschweren Wolken, die politischen und anderen Konjunkturen ange deutet werden, welche mit der Geschichte dieser Eisenbahnen mehr noch, als mit der jeden anderen Unternehmung dieser Art, Hand in hand gingen.

Ein nicht uninteressanter Gegenstand der Beobachtung ist namentlich und zwar auch für diejenigen, die, gleich uns, keine Actienspekulanten find die Linie, welche den laufenden Börsenkurs der Nordbahn-Actien anzeigt. Bisweilen macht diese Linie (wie Herr Stummer in den erläuternden Worten der Beilage bemerkt) sehr naturgemäße, wellenförmige Bewegungen; ein anderes Mal (1845) erhebt sie sich auf eine widernatürliche, durch den Umfang des Eisenbahn-Verkehrs und Ertrages in keiner Weise gerechtfertigte Höhe; mitunter verfolgt fie, ähnlich dem ruhigsten Wasserspiegel, eine merkwürdig gerade, fast horizontale Richtung, sogar mehrere Monate hindurch (1846); bald scheint ihr tiefer Fall und ihre start vibrirende Form von einer Frankhaften Aufregung herzurühren (1848); jedenfalls aber wird diese Linie oft von Einflüffen beherrscht, die ihr allein eigenthümlich und von den Ursachen, welche die anderen Linien steigen oder fallen machen, unabhängig sind.

Wir dürfen freilich nicht verschweigen, daß diese graphische Darstellung keinesweges ein vollständiges und erschöpfendes Bild deffen gewährt, was die in Rede stehende Eisenbahn mit ihren außerordentlichen Mitteln geleistet, und was zu wissen dem Techniker sowohl, als dem vergleichenden Eisenbahn-Statistiker, von großem Interesse ist: z. B. wie viel Achsmeilen die Lokomotiven und die Transportwagen, einzeln und im Ganzen, alljährlich zurückgelegt; wie sich die allgemeinen Regiekosten zu den Kosten der Bahn- und der Transport-Verwaltung verhalten; wie groß die Zahl der Reisenden in jedem Jahre und in jeder Wagenklaffe gewesen 1c. Wir glauben jedoch, daß Herr Stummer bei der weiteren Fortseßung dieser interessanten geschichtlichen

Uebersicht der Kaiser-Ferdinands-Nordbahn auch Angaben, wie die vorgedachten und noch viele andere, wird hinzufügen und sein Werk dadurch immer vollständiger und anziehender wird machen können.

Jedenfalls gereicht diese sinnreich entworfene und auf das fplendidefte ausgeführte, eigenthümliche Arbeit sowohl dem Herrn Verfaffer, als der Direction der Kaiser-Ferdinands-Nordbahn, mit deren Geschichte, wie Herr Profeffor Stummer bemerkt, der Name des fürzlich verstorbenen Baron S. M. von Rothschild unzertrennlich ver. bunden ist, zur Auszeichnung und zu wohlverdientem Ruhme.

Mannigfaltiges.

Der asiatische Kriegsschauplas. Zur Drientirung auf dem asiatischen Kriegsschauplage hat der Verleger der Leipziger Hausbibliothek für Länder- und Völkerkunde, Herr Lord, durch den befann ten Naturforscher Karl Koch eine Reihefolge von dessen eigenen und einigen aus dem Englischen überseßten Schriften über die asiatischen Küstenländer des Schwarzen Meeres zu einem Buche zusammenstellen laffen, das unter dem nicht ganz entsprechenden Titel: „Die kaukasischen Länder und Armenien" erschienen ist.") Es umfaßt dieses Buch sechs verschiedene Schilderungen, von welchen zwei aus der Feder des Herrn Karl Koch selbst gefloffen, die vier übrigen jedoch nach D. Spencer, Robert Curzon, Richard Wilbraham und A. F. Mac Intosh bearbeitet sind. Mit der Küste von Tscherkessien, Abchasien und Mingrelien, nach Spencer, beginnend, knüpft Herr Koch daran seine Reise von Redut-Kaleh nach Trebisond, woran dann Curzon's, des englischen Diplomaten, Bericht über seine Reise von Trebisond nach Erzerum sich reiht. Von Erzerum aus begleiten wir demnächst den Attaché bei der britischen Gesandtschaft in Persien, Herrn Wilbraham, auf seiner Rückreise nach Tabris, wobei wir die an der Gränze der Türtei und Persiens wohnenden armenischen Kurden näher kennen lernen und längs des Wan-Sees die Tour nach der persischen Hauptstadt machen. Andererseits folgen wir dem Schotten Mac Intosh auf seiner in nordöstlicher Richtung von Erzerum nach Tabris unternommenen Reise über Kars, Bajasid und längs des Urmijah-Sees, wobei wir Gelegenheit haben, uns auf dem Schauplaße der beständigen Niederlagen der Türken etwas umzusehen. Von Tabris endlich werden wir durch den Norden Aserbeidschan's und längs der ruffischen Gränzländer im Norden des Araxes über Eriwan und Etschmiadsin nach der russischen Festung Alexandropol (früher Gümri) geführt, um von da auf der großen Heerstraße nach Tiflis zu gelangen. Hier beginnt dann wieder der eigene Bericht Koch's, der sich namentlich mit Schamyl und mit dem Kriege im Osten des Kaukasus beschäftigt. Den asiatischen Kriegsschauplag lernen wir durch dieses Buch, das keinesweges eine Parteischrift im Sinne einer der kriegführenden Mächte ist, ziemlich vollständig, und ohne Verschleierung der Wahrheit über die dort sehr heruntergekommenen Türken, kennen.

Deutscher Sprachwart. Diese der Kunde und der Pflege der deutschen Sprache gewidmete Wochenschrift, deren Herausgabe Herr Max Moltke in Berlin zu Anfang dieses Jahres begonnen, die jedoch mit ihrer Nr. 6 eine Unterbrechung erfuhr, wird, wie wir aus einer uns neuerdings zugegangenen Nummer (7) mit Vergnügen ersehen, auch fernerhin fortgefeßt worden.") In den uns vorliegenden Nummern sind so verschiedenartige werthvolle Auffäße, zum Theil aus der Feder bekannter Sprachforscher und Schulmänner, enthalten, daß wir uns auch von der Fortseßung des Blattes nur Gutes für die Kunbe und Pflege unserer Muttersprache, „für Hebung und Hegung ihrer geistigen Schäße, so wie für die Reinheit und Richtigkeit ihres Gebrauchs in Rede und Schrift“, versprechen dürfen. Für eine solche Zeitschrift scheint Deutschland, deffen Sprache in der Gegenwart eine größere wissenschaftliche Vertretung hat, als die irgend eines anderen Landes, ein besonders ergiebiges Feld darzubieten, und bei einer dauernden Theilnahme tüchtiger Mitarbeiter dürfte es ihr auch an einer entsprechenden Theilnahme des Publikums nicht fehlen.

*) Fünfter Band der,,Hausbibliothek". X und 335 S. Pr. 1 Thaler. Leipzig, Lord, 1855. **) Preis für 13 Bogen 20 Sgr. Berlin, Marienstraße 26.

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