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Anthem entitled: God save the King" durch unwiderlegliche, authentische Aktenstücke den wahren Komponisten dieses Liedes nachgewiesen habe. Es war dies Niemand anders, als John Bull! John Bull hieß nämlich in der That ein berühmter Musiker und Zeitgenosse Shakespeare's, der, im Jahre 1563 in Sommersetshire geboren, sehr jung in Orford zum Doktor der Musik promovirt wurde und den die Königin Elisabeth zu ihrem Hoforganisten und zum Professor am GreshamCollege ernannte. Später machte Dr. Bull aus Gesundheits-Nückfichten eine Reise durch Deutschland und Frankreich, wo er überall mit Auszeichnung aufgenommen wurde. Mehrere Fürsten hatten ihm Anträge gemacht, in ihre Dienste einzutreten; er kehrte jedoch nach England zurück, wo inmittelst König Jakob I. den Thron bestiegen hatte. Um diese Zeit komponirte er das God save the King, und zwar zur Feier der wunderbaren Rettung Jakob's I. bei der Pulververschwörung. Das Wort „save" deutet auch augenscheinlich, eben so wie mehrere andere Ausdrücke des englischen Tertes, auf die Errettung des Königs aus den Händen seiner Feinde hin. Ueber die späteren Schicksale des Dr. John Bull hat der englische Berichterstatter nichts ermitteln kön nen; er weiß nur, daß der berühmte Komponist nachmals wieder nach dem Kontinent gereist und dort gestorben sei, ohne daß der Verfasser der vorgedachten Schrift anzugeben vermag, wo? Diese Lücke nuu füllt unser belgischer Musikforscher aus, indem er nach Ermittelungen, die Herr Leon de Burbure in den Archiven des Domes von Antwerpen gewonnen, Folgendes als authentisch mittheilt: Dr. John Bull kam im Jahre 1617 nach Antwerpen und bewarb sich um die durch Rombout Waelrant's Tod erledigte Stelle eines Organisten der drei Orgeln des Domes. Das Domkapitel bewilligte dem englischen Komponisten diese Stelle, und Dr. Bull leistete am 29. Dezember 1617 den Amtseid in seiner neuen Eigenschaft. Am 16. März 1628 ist der Komponist des God save the King in Antwerpen mit Tode abgegangen.

Dieser dankenswerthen Notiz zur Erledigung eines vielbesproches nen Gegenstandes der Geschichte der Musik fügt unser belgischer Forscher auch noch Einiges über die Frage hinzu, wer eigentlich der Kom. ponist der Marseillaise" sei. Es wird zwar allgemein angenommen, Rouget de l'Isle sei nicht blos der Dichter, sondern auch der Kompoponist der Hymne. Der belgische Musikforscher hat jedoch ein in Paris vor sechzig Jahren gedrucktes, im ,,Magazin de musique à l'usage des fêtes nationales erschienenes Notenblatt (Preis: 5 Sous und an allen Theatern 2c. verkäuflich) vor Augen, dessen Titel folgendermaßen lautet: „Marche des Marseillais, musique du citoyen Navoigille, accompagnement de guitarre par le citoyen Mathieu." Diese Musik ist eben keine andere, als die bekannte Melodie der von Rouget de L'Isle gedichteten Marseillaise, welcher Leßtere übrigens auch noch andere Lieder verfaßt hat, ohne sie zu komponiren, z. B. eine ,,Hymne è la liberté", komponirt von Ignaz Pleyel, während er allerdings auch Musiker genug gewesen soll, um seine eigenen Dichtungen in Musik segen zu können. Der auf dem obengedachten Notenblatte genannte Navoigille war übrigens auch ein geachteter Musiker. Er war erster Violinist in der Kapelle des Herzogs von Orleans gewesen, wurde dann Musikdirektor des zur Zeit der ersten Republik in Paris gegründeten Théâtre de la Cité und folgte im Jahre 1805 einem Rufe als Dirigent der Kapelle des Königs Ludwig von Holland. Mit Recht wird bemerklich gemacht, daß ein so geachteter Künstler, wie Navoigille, es nicht geduldet haben würde, wenn man ihn auf Musikblättern als Komponist von Arbeiten genannt hätte, die nicht von ihm herrührten. Andererfeits berichtet freilich der Moniteur des Jahres III der Republik, daß in der Sigung des Nationalkonvents vom 26. Messidor, zur Feier des Jahrestages der Erstürmung der Bastille, nach einer Rede über dieses Ereigniß, das „Institut national de musique" unter mehreren anderen Musikstücken auch die Marseillaise vorgetragen, worauf sich der Abgeordnete Jean Debry erhoben und Folgendes gesprochen habe: „Ich trage darauf an, daß der Name des Verfassers der Marseillaise in dem Protokolle der heutigen Sigung ehrenvoll erwähnt werde. Dieser vortreffliche Patriot ist während der Tyrannei Robespierre's zur selbigen Zeit, als der Gesang, deffen Worte und Musik er geliefert, unsere Brüder zum Siege führte, sechs Monate lang eingeferkert gewesen." Der Konvent trat dem Antrage bei. Das würde jedoch nur beweisen, daß Jean Debry der Meinung war, der Dichter der Marseillaise habe auch die Musik dazu geliefert, keinesweges würden jedoch die Ansprüche Navoigille's dadurch ganz beseitigt werden.

Es ist interessant, daß derselbe belgische Musikforscher, der die Frage über den Komponisten des God save the King bis zum Tode desselben löst, über die Composition eines anderen Volksgefanges eine neue Frage aufwirft, welche einer näheren Prüfung der Musikgeschichtsfreunde nicht unwerth ist.

Mannigfaltiges.

- Das Bad Nauheim unter französischem Protektorat. In der Revue des deux Mondes (zehnter Theil, vierte Lieferung) findet sich ein Fingerzeig über deutsche Bäder, der besonders Nauheim anpreist, weil seit 1853 die dortigen Einrichtungen durch eine franzöfische Gesellschaft wesentlich verbessert sein sollen. Leider ist es hauptsächlich eine Spielbank, welche diese französische Gesellschaft in dem kleinen bisher wenig beachteten Nauheim gegründet hat, um dadurch das große Publikum der Müßiggänger und Glücksjäger herbeizulocken. Wie in den meisten anderen Badeorten haben die Spielpächter die Verpflichtung übernommen, auf die Verschönerung und Bequemlichkeit des Bades jährlich eine bestimmte Summe zu verwenden. Nauheim hat deshalb allerdings äußerlich gewonnen; ob es aber erfreulich ist, daß die Wohlthaten seiner Heilquellen mit dem Gift des Spiellafters verseßt worden, ist eine andere Frage. Es wird behauptet, die hessische Regierung habe zu diesem verzweifelten Mittel gegriffen, um der preußischen Nebenbuhlerin von Nauheim den Nang abzulaufen. Diese ist nämlich das Bad Oeynhausen in Westfalen, das noch reichere champagnerartige Badequellen hat als Nauheim, in einer reizenden Gegend mitten in der westfälischen Pforte liegt und von der preußischen Regierung in wahrhaft großartiger Weise mit gemeinnügigen Anstalten und prächtigen Gebäuden ausgestattet worden ist. Aber freilich eine Spielbank wird dort nicht geduldet! und abgesehen von aller Moralität, mit Recht nicht, denn die traurige Modekrankheit der neuen Zeit, Rückenmarkleiden, ist hauptsächlich eine Folge der Aufregung am Spieltisch uno findet in den geheimnißvollen, mächtigen Wirkungen der Sprudel. quellen von Oeynhausen allein noch die Hoffnung auf Heilung oder Linderung. F. v. H.

Kiepert's Handatlas über alle Theile der Erde. Wir freuen uns, das Erscheinen eines neuen, von Dr. Heinr. Kiepert, Mitglied der K. Akademie der Wissenschaften in Berlin, herausgegebenen Handatlas über alle Theile der Erde°) anzeigen zu können. Sowohl durch seinen Plan und Umfang, als durch seinen Preis wird sich dieser Atlas zur Anschaffung nicht blos für wissenschaftliche Kartenfreunde, fondern auch für den gebildeten Mittelstand und für noch in ihrer Ausbildung begriffene jüngere Leute eignen. Das Ganze, das im Laufe von drei Jahren ausgegeben wird, wird aus 40 Karten in mittlerer Größe (von 16×20" im lichten, oder 19×24" Papiergröße) bestehen und den Preis von sechzehn Thalern (also 12 Sgr. für jede Karte) nicht übersteigen. Die erste Lieferung, die vier Karten: Italien, Riederlande und Belgien, britische Inseln und Australien enthaltend, ist bereits erschienen und macht durch Zeichnung, Schrift und Schattirung, wie durch Druck und Kolorirung, einen sehr gewinnenden Eindruck, wobei wir allerdings nicht verhehlen, daß uns die von E. Reiher gestochenen beiden Blätter (Italien und Australien) am meisten gefallen. Die Niederlande und Belgien find im LängenMaßstabs-Verhältnisse von 1 zu einer Million, die britischen Inseln von 1 zu zwei Millionen und Italien von 1 zu 24 Millionen aufgenommen. Europa wird das Längen-Maßstabs-Verhältniß wie 1 zu zwölf Millionen, Deutschland wie 1 zu drei Millionen, Ostpreußen: und Pommern wie 1 zu einundeinviertel Millionen, Schlesien und Posen wie 1 zu einer Million, eben so Brandenburg, Sachsen und Thüringen wie 1 zu einer Million darbieten. Mit diesen Verhältnißzahlen vor Augen, wird der Studirende leicht, troß der gleichen Größen der Karten, die Ausdehnung des einen Landes im Verhältnisse zu der des anderen ermessen können, indem z. B. der doppelte Längen-Maßstab den vierfachen Flächen-Maßstab bedingt, und so im quadratischen Verhältnisse weiter. Heinrich Kiepert ist zuerst unter Karl Ritter's wissenschaftlicher Aegide in die kartographische Welt eingeführt worden. Bekannt sind seine trefflichen Blätter von Syrien und Palästina, die sich auch in England und Frankreich einen wohlverdienten Ruhm erworben haben. Von tiefen Studien des Alterthums zeugen seine historischen Kartenzeichnungen, obwohl seine Geschichtsblätter von Hellas einen mehr wissenschaftlichen als artistischen Werth haben. Mit Verlangen sehen wir der Fortsetzung des neuen Kiepertschen Werkes entgegen, das dem Verfaffer auch Gelegenheit geben wird, namentlich bei der Zeichnung der Länder des gegenwärtigen Kriegsschauplages, seine ausgebreitete historische Kenntniß darzulegen.

*) Berlin, Dietrich Reimer.

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Fortschritte und Gränzen der Civilisation, nach M. v. Prittwig. Der Königl. preußische General-Major und Ingenieur-Inspecteur von Prittwig, der sich bereits durch mehrere die National-Dekonomie betreffende Schriften) rühmlichst bekannt gemacht, hat ein größeres, die künftigen Fortschritte der Civilisation zum Gegenstande habendes Werk in einer zweiten neu bearbeiteten Auflage der Deffentlichkeit übergeben.) Im Vorbericht zur ersten Auflage wird das uns vorliegende Buch als das Resultat zwanzigjährigen Sammelns, Beob achtens und Nachdenkens" bezeichnet. Der Umstand, daß der Großmei fter aller Erfahrungswissenschaft, Alexander von Humboldt, den Herrn Verfasser veranlaßt hat, sein Werk in einer neuen Bearbeitung erscheinen zu lassen, ist ebenfalls geeignet, für daffelbe ein günstiges Vorurtheil zu erwecke Und das dem Titel des Buches beigefügte Motto (Und sie bewegt sich doch"!) berechtigt im voraus zu der Annahme, daß der geehrte Herr Verfasser im Gegensaße gegen diejenigen seiner Kollegen in den preußischen Kammern, welche die Nothwendigkeit eines Stillstandes, ja, einer Umkehr von Wissenschaft und Civilisation predigen, sein Buch in der menschenfreundlichen Absicht veröffentlicht habe, die sittliche religiöse Ueberzeugung von der unaufhaltsam fort schreitenden Civilisation in denen, welche im Hinblick auf die scheinbaren Erfolge der, entschiedenen Rückschrittspartei irre und muthlos zu werden geneigt sind, auf eine zeitgemäße Weise zu kräftigen und zu stärken.

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Wir freuen uns, es hier aussprechen zu können, daß das Buch den Erwartungen, welche durch die erwähnten Umstände erregt werden, in hohem Maße entspricht. Eine Uebersicht des Inhalts und einige Mittheilungen aus dem Buche werden unsere Leser überzeugen, daß die Andeutungen“, welche uns hier über die möglichen Fortschritte des Menschengeschlechtes und über die Zukunft deffelben, mittelst einer logischen Schlußfolge und unter Zugrundelegung der durch die Erfah. rung und die positiven Wissenschaften uns gelieferten Materialien" gegeben werden, in hohem Grade geeignet find, das Intereffe aller denkenden Menschen, welche über ihren persönlichen Interessen das Intereffe an der Aufgabe der Menschheit nicht verloren haben, in Anspruch zu nehmen.

Unter der Civilisation verfteht der Herr Verfasser die fortschreitende Vervollkommnung des geselligen Zustandes der Menschheit in jeder Beziehung; als das civilisirteste gilt ihm dasjenige Volk, bei dem die größte Zahl seiner Bürger der größten Menge und dar unter wieder der edelsten der Güter des Lebens" theilhaftig ist.

Im ersten Theil werden unter der Ueberschrift: „Gränzen der Production", die Güterquellen und die Arten der Production besprochen. Die Güterquellen werden in folgender Weise unterschieden: 1) nicht angeeignete oder unentgeltlich dargebotene, wie organische und chemische Kräfte, Klima, Wind, wüstes Land, Wafferstraßen u. dgl.; 2) wirklich bereits angeeignete natürliche Güterquellen: Grund und Boden, Bergwerke, Wind- und Wafferkraft, Zugthiere, günstige Lage und schöne Natur; 3) das gesammelte Kapital, unter welchem der Verfaffer nicht blos die Gesammtheit der materiellen Güter, die man mit dem Ausdruck: Nationalvermögen bezeichnet, sondern auch den Besiz an Wiffenschaft und an Mitteln, die der Wissenschaft dienen, an Künsten und Kunstfertigkeiten, auch die vorhandene sittliche Bildung: Redlichkeit, Arbeitsluft und Unternehmungsgeist u. s. w., begreift; 4) die menschliche Arbeit die Arbeit der Einzelnen und die Unternehmungen der Vereine und des Staates umfassend.

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Der den Arten der Production" gewidmete Abschnitt enthält außer den beiden Kapiteln, in denen die beiden Arten der Production:

*) Vorschlag zur schnelleren Tilgung der Staats- und Kommunalschulden" 1832. Gemeinfaßliche Darstellung der Volkswirthschaft, oder die Kunst, reich zu werden". 1840. ,,Theorie der Steuern und Zölle". 1842.

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**) Der vollständige Titel dieses Werkes lautet:,,Andeutungen über die fünftigen Fortschritte und die Gränzen der Civilisation. E pur si muove! Von V. v. Prittwiß, Königl. preußischem General-Major, Ingenieur-Inspecteur und Abgeordnetem zur zweiten Kammer für den dritten Berliner Wahlbezirk. Sweite, neu bearbeitete Auflage. Berlin, Verlag von Alexander Duncker, Königl. Hosbuchhändler. 1855,

1855.

Umformung und Ortsveränderung, besprochen werden, noch zwei andere Kapitel, von denen das erste,,allgemeinen Betrachtungen über Production und Verkehr“ (Schußsystem, zunehmende Wohlfeilheit der Produkte, Vertheilung der Güter des Lebens) gewidmet ist, das zweite einige besondere Zweige des Verkehrs (Luftschifffahrt, Nachrichtenbe förderung, Geldverkehr, literarischer Verkehr, Geschwindschrift, allgemeine Sprache) behandelt.

In Bezug auf die Frage, wie der Ertrag des Bodens an Nahrungsmitteln gesteigert werden könne, werden die künftliche Vergrößerung der tragbaren Bodenfläche und die Vergrößerung der Tragbarkeit des Bodens besprochen. Die Mittel, die Tragbarkeit des Bodens zu vergrößern, sind: Verbesserung der Ackerkrume, vermehrte Bewässerung, Anbau schneller wachsender und ertragreicherer Vegetation, erhöhte Wärme und verbessertes Klima. Ueber alle diese Zweige der Bodenkultur giebt uns der Verfasser interessante Notizen und praktische Reflexionen. Die Vermehrung der Ertragsfähigkeit des Bodens mittelst künstlicher Wärme in Mistbeeten und Treibhäusern wird als ganz besonders wichtig hervorgehoben. Wenn auch dieses Mittel", sagt der Verfaffer,,,im Vergleich der Production der ganzen Erdoberfläche jezt kaum noch in Betracht kömmt, so wird es doch auf einzelnen Strecken, namentlich in der Nähe von großen Städten, schon in ziemlich ausgedehntem Maße angewandt, und es unterliegt keinem Zweifel, daß es bei fortschreitender Civilisation einen merklichen Einfluß auf die Ertragsfähigkeit der Gärten haben muß.... Es genüge hier die Bemerkung, daß man in England schon die Wärme fließender Quellen benußt_hat, um zartere Pflanzen in bedeckten Räumen durchzuwintern; daß in Paris in einer Werkstatt das durch Dampf aus einem Brunnen gehobene Wasser dieselbe genügend erwärmt, um die Heizung zu sparen; daß überhaupt das Innere der Erde einen so unerschöpflichen Vorrath von Wärme enthält, daß es nur auf die Mittel ankömmt, ihn für unsere Zwecke auszubeuten.“

Auf Grund einer Darstellung der Fortschritte, welche die Bodenkultur in Großbritannien bis zum Jahre 1831 gemacht, beweist der Verfasser uns, daß die Erdoberfläche eine fiebenundzwanzigmal so große Bevölkerung als die jeßige ernähren könne. Die Frage: welches find die Mittel, Länder und Weltheile schnell zu bevölkern? wird durch eine dem „Magazin für die Lit. d. A.“ (1854 Nr. 67.) entnommene Mittheilung über den Unterschied der Colonisation in Nord-Amerika und in Rußland beantwortet.*) Dem Gartenbau im Gegensaß zum Ackerbau wird eine großartige Zukunft in Aussicht gestellt. Was der Verfaffer in Bezug auf den zukünftigen Preis der Lebensmittel und Grundstücke ausführt, deuten wir durch Mittheilung der folgenden Stellen an. Es ist unzweifelhaft, daß im Laufe der Zeiten der Werth der Grundstücke, als des sichersten Kapitals, nothwendig ungeheuer steigen muß, ohne daß jedoch die Grundrente diesem Verhältniß folgen wird.“ Da der Grundbesig durch die Beschränktheit des kultivirbaren Landes bestimmten Gränzen unterliegt, die gesammelten Kapitalien da. gegen einer unbegränzten Vermehrung fähig sind, so ist vorauszusehen, daß der Gesammt-Kapitalwerth des großen Grundbesizes und mithin namentlich der Reichthum des auf Majorate begründeten Adels, im Vergleich der Reichthümer der übrigen Klassen, immer mehr abnehmen und mithin die großen erblichen Grundbesiger immer mehr von ihrem Einfluß verlieren müffen, wie es sich jezt schon in den am meisten in der Industrie fortschreitenden Ländern Europa's zeigt."

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In Bezug auf die Wichtigkeit des Eisens für alle Zweige der Industrie zeigt der Verfaffer, daß der jährliche Eisenverbrauch in jedem Lande fast als Maßstab für deffen Civilisation gelten könne. 3ft es zu begreifen", ruft er dann aus,,,daß die Staatsmänner des Kontinents, allen gesunden und wissenschaftlichen Prinzipien entgegen, und lediglich fußend auf einem durch lange Gewohnheit geheiligten Mißbrauch, das Eisen durch Einfuhrzölle künstlich vertheuern (mitunter faft um 100g), um einen ohnedies schon wohlhabenden Theil der Bevölkerung auf Kosten der großen Maffe noch mehr zu bereichern?”

*) Es kann der Redaction des „Magazin“ nur Freude und Genugthuung gewähren, daß der geehrte Verfasser des gediegenen Werks an sehr vielen Stellen seine Leser auf frühere im,,Magazin" erschienene Artikel hinweist. D, V.

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Aus dem Abschnitte über die fossilen Kohlen, Torf und andere Brennstoffe heben wir nur die Notiz hervor, daß man zu dem Resul. tate gekommen, daß der Kohlenreichthum Preußens, bei dem jeßigen Verbrauch von jährlich etwa 100 Millionen Centner, noch viertausend bis fünftausend Jahre ausreichen würde, während England, bei einem jährlichen Verbrauch von 700 Millionen Centner, nur noch 500 Jahre ausreichen wird. Interessant ist, was der Verfasser über die Versuche, andere Wärmequellen, wie z. B. die latente Wärme der Körper und das Centralfeuer der Erde, zu benußen, beigebracht hat.

Die Frage nach dem zukünftigen Schicksale der Zugthiere erörternd, macht der Verfaffer die folgende allgemeine Bemerkung: In Län dern, wo Religion, Regierungsform und Sitte den Menschen zur größten Enthaltsamkeit gewöhnt oder gar zum Sklaven herabgewürdigt haben, wird freilich der Mensch alle Arbeiten selbst verrichten, sich für ein Stück Brod zu den niedrigsten Arbeiten hergeben und die Hausthiere um ihr Futter beneiden. In Ländern dagegen, wo der Mensch die Annehmlichkeiten der Civilisation kennen gelernt und sich an immer mehr Genüffe und Bedürfnisse gewöhnt hat, die ihm eine entfesselte Industrie überall mit der zuvorkommendsten Regsamkeit zu verschaffen fucht, wird man selbst in der ärmsten Hütte mehr Annehmlichkeiten des Lebens finden, als bei den Wohlhabenderen jener herabgewürdig. ten und entarteten Völker; - und in diesen civilifirteren Ländern wird die Zahl derer immer zunehmen, die ohne höhere und feinere Genüffe des Lebens, wozu Luxuspferde mit Recht gezählt werden, nicht zu leben gewöhnt sind und nicht leben wollen."

Die Ansichten des Verfaffers in Bezug auf das Nationalvermögen und die Mittel zu dessen Vermehrung werden unseren Lesern aus der folgenden Stelle am besten einleuchten: „Ein Volk, das kaum so viel produzirt, um ein elendes Leben zu fristen, oder das die geringen täglichen Ersparnisse nur dazu verwendet, um sich Sonntags zu berauschen, oder, durch das Beispiel eines üppigen Hofes oder verschwen derischer Reichen verleitet, sein Glück nur in Gelagen, Freudenfesten und Feuerwerken findet; oder dessen Große ihren Stolz darin suchen, ein zahlreiches Gefolge von Müßiggängern um sich zu versammeln; oder das endlich seine Finanzen durch den Unterhalt von Parade-Truppen für den Friedens-Dienst oder durch unnüße Kriege erschöpft und zu den nothwendigen und nüglichen Ausgaben nichts übrig behält, wie die Geschichte davon Beispiele genug liefert; ein solches Volk wird seine Kapitalien nur sehr langsam vermehren. Ein Volk dagegen, in dem die einzelnen Individuen zum Sparen und selbst zum Geize geneigt find, den dauernden Genuß stets dem flüchtigeren, einen guten Rock einem guten Trunk oder einem guten Braten, und wiederum eine gesunde, freundliche Wohnung einem Sonntagsrock vorziehen; wo Denkmünzen und Sparbüchsen noch in jeder Familie zu finden find, wo der Sonntag nicht zu Gelagen und Spiel, sondern zur Andacht und Erholung benugt wird; wo die Zahl der Handwerker, die beim Bau der Häuser, Straßen, Kanäle, Eisenbahnen, Maschinen u. s. w. beschäftigt find, ferner die Buch- und Kunsthandlungen, Buchdrucker und KünftIer in einem schnelleren Verhältniß zunehmen, als die Branntwein brenner, Kuchenbäcker, Pughandlungen, Tanzfäle u. f. m.; wo in allen Städten reichlich benußte Sparkassen zu finden sind; wo die Verwaltung mehr auf Straßen, Kanäle, Eisenbahnen, Brücken, öffentliche Schulen und Institute, Sternwarten und Leuchtthürme hält, als auf Luft-Lager, große Paraden und Hof- und Krönungs-Feste: bei einem solchen Volke wird sich das Kapital des Staates im Großen und in jedem Hauswesen im Kleinen an tausend verschiedenen Punkten pfennigweise unmerklich wie das Salz-Krystall anseßen und in überraschend kurzer Zeit zu einem vielverzweigten glänzenden Krystallbaum fich ausbilden."

Aus dem Abschnitte über die immateriellen Kapitalien, der reich an höchft beherzigenswerthen Bemerkungen ist, heben wir die folgende Stelle hervor: Nur da kann die Lust zum Erwerben rege werden, wo dem Menschen sein Eigenthum gegen jeden Eingriff gefichert ist; nur da kann sie sich ausbilden, wo ihm überhaupt gestattet ift, seine Kräfte zu gebrauchen, und wo es als Grundsag gilt, daß das Gefeß nur immer möglichst wenig und nur gerade so viel einschreite, als es die Aufrechthaltung der Zwecke des Staates erfordert, wo mithin möglichst wenig regiert wird und unbeschränkte Gewerbefreiheit herrscht; nur da endlich wird der Unternehmungsgeist ergiebige Früchte tragen, wo Volk und Regierung mit den erforderlichen Kenntnissen aller Art ausgestattet sind, und vorzugsweise da, wo richtige staatswirthschaftliche Kenntniffe allgemein verbreitet sind."

Die Zukunft der arbeitenden Klaffen besprechend, weißt der Verfaffer nach, daß der Verdienst aller Arten von Arbeitern immer dem durch Sitte und Gewohnheit bestimmten Grade von Bedürfnissen angemessen sei und sein müsse, daß die Arbeiter nur elend find, wenn sie es zu fein gewohnt find. Könnte man den Irländer, den polnischen und oberschlesischen Knecht dahin bringen, daß er nicht blos von Kartoffeln leben wollte, und daß er namentlich keine Ehe schlöffe und keine Kinder in die Welt seßte, so lange er für diese nicht eine beffere Zukunft

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vor sich sähe, so würde diese elende Menschenklasse bald so abnehmen, daß diejenigen, die dergleichen Arbeiter brauchten, wohl genöthigt sein würden, ihnen so viel zu gewähren, daß fie fich eine bessere Existenz verschaffen könnten." Den Staats-Regierungen legt der Verfaffer in Bezug auf das Elend der niedrigsten Klaffen nur die Pflicht auf, für die Erziehung derselben zum Zweck der Selbsterhaltung zu sorgen. Uebel ist es", sagt er, wenn die Regierungen sowohl, als die Reichen absichtlich die niederen Klassen, vielleicht in der wohlgemeinten Absicht, fie an Genügsamkeit zu gewöhnen, in Rohheit, Dummheit und Mangel zu erhalten sich bestreben und ihnen die Mittel vorenthalten, sich daraus emporzuarbeiten." Erwirb und spare! In diesen beiden Worten", fagt der Verfaffer,,,liegt die Lösung des großen Problems." Das Er werben soll die Regierung durch Förderung der Industrie einem Jeden möglich zu machen bestrebt sein; das Sparen soll sie durch Einrichtungen von Sparkassen, Lebens- und Renten-Versicherungen, Kranken-, Sterbe- und Innungs-Kaffen u. dgl. der Klaffe der Proletarier ers leichtern; selbst ein Zwang zum Sparen erscheint dem Verfasser gerechtfertigt, eben so gerechtfertigt, wie der Zwang, den Kindern, dadurch, daß sie zur Schule angehalten werden, ein immaterielles Kapital zu sammeln. In Folge der gesteigerten Civilisation und der in allen Klaffen verbreiteten Bildung wird der Unterschied des Reichthums immer mehr schwinden und der St. Simonistische Grundsaß, ohne alle ge= waltsamen und künstlichen Mittel, immer mehr zur Wirklichkeit gedeihen: daß der Mensch nur nach seiner Arbeit und seinen Talenten belohnt werden soll, - eine Aussicht, die alle jene Besorgnisse wegen Uebervölkerung, zunehmender Verarmung und Ausartung, die so manche Regierung auf der Bahn des Fortschreitens bedenklich macht, verscheucht — — —.“ -"

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Des Verfassers Ansicht in Betreff der industriellen Unternehmungen der Staatsregierungen finden wir in der folgenden Stelle sehr entschieden ausgesprochen: „Wenn auch jezt noch Staats-Behörden für eigene Rechnung Kohlen graben und Eisen schmieden, Taffen, Töpfe und Schüffeln fabriziren, Lohn- und Fracht-Fuhrwerk treiben, Salz sieden und Brod backen, Ställe und Scheunen bauen, Holz- und Wildpret-Handel treiben und dazu eine Menge wohlbesoldeter und pensionsberechtigter Beamten haben: so unterliegt es keinem Zweifel, daß diese Einwirkung der Staats-Behörde immer mehr befferer Einsicht weichen und ihr zulegt nur diejenigen Geschäfte überlaffen bleiben werden, die ihrer Beschaffenheit nach nicht von einem Einzelnen oder von einer Privat-Gesellschaft verwaltet werden können. Die Staats-Behörde ist dazu da, alle die Hinderniffe hinwegzuräumen, welche dem Menschen bei Erreichung seines Lebenszweckes im Wege stehen, und zwar mit der geringft möglichen Beschränkung feiner Freiheit, und der Staat wäre der beste, in welchem der Mensch die vollkommenfte intellektuelle und moralische Ausbildung erhalten könnte, ohne daß überhaupt die obere Staats-Behörde wirksam würde. Es giebt kein größeres Lob für eine Staats-Verwaltung, als die Schmeichelei, welche Voltaire an den Kardinal Fleury richtete:,,Gnädiger Herr, Sie bestreben sich, sich überflüssig zu machen.""

In Bezug auf den die Arten der Production und den Verkehr behandelnden Abschnitt begnügen wir uns damit, unseren Lesern die allgemeine Versicherung zu geben, daß fie alle darin zur Sprache gebrachten Gegenstände, insbesondere die Wirkungen der allgemeinen Einführung derEisenbahnen, auf eine den Menschenfreund zu den besten Hoffnungen für die Zukunft des Menschengeschlechtes berechtigende Weise erörtert und beleuchtet finden.

Der zweite Theil des uns vorliegenden Werkes behandelt unter der Ueberschrift: „Gränzen der Consumtion", die folgenden Gegenstände: 1) Consumtion der Individuen und Familien - wesentliche und weniger wesentliche Bedürfniffe; 2) Armenpflege; 3) Consumtionen der Gesellschaften und Vereine; 4) Confumtionen des Staats: Staats-Einnahmen (das Steuerwesen) und Staats-Ausgaben (Heerwesen und Strafgesetzgebung).

Zwei beispielsweise angeführte Ausgabe-Etats, der eine für eine Familie höheren Standes (2000 Thlr. betragend) und der andere für einen preußischen Infanteristen (62 Thlr. betragend) — dienen dem Verfasser als Grundlage verschiedener höchft lehrreicher Betrachtungen in Bezug auf die wesentlichen Bedürfniffe: Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Hülfe, Erziehung der Kinder und in Bezug auf die weniger wesentlichen Bedürfniffe, wie Bedienung, Reisen u. s. w. Wir wollen hier von diesen Betrachtungen nur dies sagen, daß sie für Menschen aller Stände höchst praktisch und darum werth sind, der Beachtung in ben weitesten Kreifen empfohlen zu werden. Das Ergebniß dieser Betrachtungen finden wir in der folgenden Stelle ausgesprochen: „Gehen wir die Genüffe und die Consumtionen durch, wie sie in aufsteigender Linie von den ärmeren Klassen zu den reicheren hinauf ftattfinden, so bemerken wir, daß an diesen Consumtionen eine immer größere Zahl von Mitgenießenden Theil nimmt, und daß vorzugsweise in dieser Beziehung die Consumtion wohl so ziemlich als unbegränzt angesehen werden darf, während sie in Bezug auf die Person des Neichen selbst

in viel engere Gränzen eingeschlossen ist; so daß aus dem größten - Theile seiner Consumtionen ihm nur die allerdings von den Meisten emsig gesuchte Befriedigung seiner Eitelkeit bleibt —, bis endlich der edlere und beffere Reiche sein Glück vorzugsweise und ausschließlich darin findet, der Wohlthäter seiner Mitmenschen und des ganzen Menschengeschlechtes zu werden."

In Betreff der Armenpflege spricht sich der Verfasser an einer Stelle so aus:,,Wir werden hiernach die Armen in zwei wesentlich verschiedene Klaffen theilen müffen, in Arbeitsfähige und Arbeitsun fähige. In Bezug auf die ersteren kann kein Zweifel darüber obwalten, daß jede Unterstüßung nur die Wirkung hat, ihre Zahl zu vermehren, und daß es kein anderes Mittel giebt, ihre Zahl zu vermindern, als ihnen jede Unterstügung zu verweigern. Wer ernstlich arbeiten will, kann immer Arbeit finden, einzelne Fälle ausgenommen, und für diese Fälle muß man ihn veranlassen, etwas zurückzulegen." Die hier ausgesprochene Ansicht dürfte der menschenfreundliche Herr Verfaffer, fo richtig fie in der Theorie ist, in der Praxis überall, wo die Gewerbefreiheit noch beschränkt und die geistige Bildung der arbeitenden Klaffen vielleicht gefliffentlich gehemmt ist, zu modifiziren nicht ab geneigt sein.

In der Erörterung über das Steuerwesen kömmt der Verfasser zu den Ergebniffen, daß eine sogenannte gleichförmige Vertheilung der Abgaben ein Unding sei, daß die Abgaben bei Gewerbefreiheit und bei einem Beharrungs-Zustand des Abgabenwesens immer und unter allen Umständen von den Konsumenten, und zwar vorzugsweise von den höheren, wohlhabenderen Klassen, getragen werden, daß die Abgaben immer auf die Konsumenten sich auf eine Weise vertheilen, die sich gar nicht im voraus berechnen läßt, und daß sie mithin als Productionskosten angesehen werden müssen, die vorweg von dem jährlichen Gesammt-Einkommen einer Nation abzuziehen sind.

Die Strafgefeßgebung beleuchtet der Verfasser in einer Weise, welche seiner Humanität alle Ehre macht, die aber um deßwillen die allgemeine Anerkennung wohl noch lange nicht finden wird. Er will mit Jdeler, daß das Strafrecht eine praktische Moral und psychologischnaturgemäße Erziehung werden, daß die Verbrecher wie unzurechnungsfähige Wahnsinnige behandelt, daß die Gesellschaft vor ihnen gesichert und daß sie wo möglich geheilt werden sollen. Seinen Unglauben in Bezug auf die Freiheit und Zurechnungs-Fähigkeit des menschlichen Willens rechtfertigt der Verfaffer sehr gut durch Hinweisung auf die Augsburgsche Konfeffion und auf den heiligen Augustin.

Die Mittheilungen, die wir im Vorstehenden über das uns vorliegende Werk gemacht, werden zur Erreichung des Zweckes, den wir dabei im Auge gehabt, vollkommen ausreichen: sie werden unsere Leser überzeugt haben, daß dieses Werk um der praktischen Lebensweisheit willen, die sich in demselben in Bezug auf alle das wahre Menschheitswohl angehenden Fragen ausspricht, in den weitesten Kreisen empfohlen und verbreitet zu werden verdient. Dr. Hr.

England.

Literatur-Briefe aus England. (Schluß.)

England_kann sich erholen, kann sich reformiren und mausern, denn es steckt allerdings eine ungeheure Zähigkeit und Lebenskraft in diesem Volke; aber bis jezt fehlt es durchaus an Mitteln und Wegen, die fähig erscheinen, einen tüchtigen Mauserungs-Prozeß zur Abstoßung der feindlichen Stoffe hervorzurufen. Aus der Administrativ-ReformBewegung kann ein solcher Prozeß werden, bis jezt ist er aber noch kein solcher, denn Layard, deren Seele, ist ein schwacher Charakter, der auf der Oberfläche steht und sich leicht einschüchtern läßt, da er den Mangel eines wirklichen Prinzips fühlt. Zwar hat er neuerdings Zuwachs und Unterstügung tüchtiger Köpfe bekommen, z. B. Charles Dickens, der sich in einem Reform-Meeting neulich zum ersten Male in seinem Leben öffentlich politisch zeigte, so daß noch alles Mögliche aus ihm werden und herauskommen kann; aber das müffen wir Alles noch abwarten. Bis jest zeigt sich in der Reform-Bewegung kein Prinzip, das fähig wäre, das stark und schnell zusammenfinkende (?) EngLand wieder empor-, auf- und vorwärtszutreiben.

Kurz, es fieht gegenwärtig ziemlich troftlos aus. Hoffen wir, daß sich England aus seiner Krisis herausfinde und wieder zu sich komme, zu den gefunden Elementen des alten Sachsenthums, das auf einem anderen Kulturboden noch viel erfreulicher aussehen würde, als auf dem alten. Wie liebenswürdig, wie gemüthlich, wie ehrenfest und lustig ist der wahre Anglo-Sachse, aus dem man das Bild des runden, breitkrämpigen, kniehofsigen John Bull verdichtet hat und der fast nirgends mehr vorkömmt, als im Punch. In der Literatur begegnen wir ihm nur noch zuweilen in Memoiren und Biographieen, z. B. in dem Denkmale, welches Lady Holland ihrem Vater, dem Rev. Sydney

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Smith, gefeßt hat: „A Memoir of the Rev. Sydney Smith. By his daughter Lady Holland. With a Selection from his Letters. Edited by Mrs. Austin". Sydney Smith war der merkwürdigste Mann der Edinburgh-Review-Celebritäten: Jeffrey, Brougham u. f. w., in jeder Zeile er selbst, in unverkennbarster Eigenthümlichkeit seines sprudelnden, herzlichen, warmblütigen Humors, im Leben die treuherzigste Seele und als Spaßmacher der mitfühlendste Freund. Biographisch ist wenig zu sagen. Im Jahre 1771 zu Woodford in Effer geboren, erzogen in Winchester und Orford, und von seinem Vater zum Geistlichen gemacht, ging er sofort, als sich Gelegenheit bot, in seine wahre Sphäre, die Literatur, über. Als Hauslehrer mit seinem Zöglinge nach Edinburg gekommen (1797), machte er Bekanntschaft mit den dortigen Literaten und überredete sie im achten Stockwerke eines Hauses in Buccleugh-Place zur Gründung der Edinburgh Review, deren Seelen Smith und Jeffrey fast ein ganzes Menschenalter blieben, auch als Ersterer von 1804 an als Findlings-Hospital-Prediger" mit 50 Pfund Sterl. jährlich in London wohnte. Später bekam er einige beffere Predigerstellen, die er als Pflicht mit befter Kraft verwaltete; aber seine Paffion blieb bis zu seinem Tode (1845) die humoristische Review-Literatur und die liebenswürdigste Luftigkeit im Leben und in der Gesellschaft. Das Buch der beiden Damen hat besonders seinen Werth darin, diesen leßteren, unmittelbarsten Humor, den er nie drucken ließ, aus seinem Leben gesammelt zu haben, lauter Züge einer wizsprudelnden, herzlichen, eigenthümlichen Persönlichkeit. Um eine Probe zu geben, so theilte man ihm einmal mit, daß ein bekannter junger Schotte eine doppelt so alte, ungemein dicke Irländerin heiraten wolle. Die will er sich zur Frau nehmen?" rief er. Unmöglich. Einen Theil von ihr, das ginge eher, aber die ganze Person — das wäre nicht blos ein Fall von Bigamie, sondern von Trigamie. Der Magiftrat muß hier gefeßlich einschreiten. Diese Irländerin allein ist Stoff genug, um Weiber für einen ganzen Kirchsprengel zu liefern. Ein Mann sie ganz heiraten? Monftrös! Man könnte eine Kolonie mit ihr bevölkern oder eine Versammlung mit ihr halten oder einen Spaziergang um sie herum machen, falls eine gehörige Menge Ruhepläße um fie angelegt wären und man sich guter Beine erfreute. Ich versuchte einmal vor dem Frühstück, um sie herum zu gehen, gab es aber auf halbem Wege erschöpft wieder auf. Wo sie steht, find so viel Menschen auf einem Plage versammelt, daß sie ein Policeman einmal aufforderte, aus einander zu gehen, und ein Anderer die Aufruhr-Akte ihretwegen verlesen ließ. Kurz, das Weib ist zu allen Dingen fähig, nur nicht als eine einzige Frau geheiratet zu werden.“ Man wollte bersten vor Lachen, und die Gesellschaft trieb Ucbermuth im Garten umber und bewunderte seltene Blumen. Das schönste Mädchen darunter rief: „,, Mr. Smith, diese Blume kömmt gewiß nicht zur Vollkommenheit!" Er ergriff fie sanft bei der Hand, führte sie zur Blume und sagte:,,Nun, so kömmt das Vollkommene wenigstens zur Blume!" Von solchen kleinen Bonmots und Wizen des Moments ist das ganze Buch voll. Einmal sprachen sie von dem Nugen einer Maßregel, die ihm unmoralisch erschien. Dies brachte ihn auf die in England besonders herrschenden Utilitarier.,,Seht solch einen Burschen! Ihr könnt einen Lasiwagen mit breiten Rädern über ihn wegfahren, es macht keinen Eindruck auf ihn. Nehmt einen Bohrer und bohrt Löcher in ihn; nichts kömmt heraus als Holzspäne. Diese Schule behandelt die Menschheit wie Maschinen; Gefühle und Herzensregungen haben kein Conto bei ihr. Wenn aber Alles dem Nugen dienen soll, warum begräbt der Nüglichkeitsmensch überhaupt noch seine Großmutter? Warum schneidet er sie nicht in Stücke und tocht Suppe von ihr?" Das sind einige Splitter aus der großen Niederlage seines Geistes, die er in den Herzen der Seinigen zurückließ. Er gehörte zu den kleinen Personen, die nicht Körper genug haben, um ihren Geist damit zu decken, deren Intelligenz sich daher immerwährend große Blößen giebt."

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Das doppelte Damen-Buch veranlaßt mich, noch einiger weiblicher Produkte zu gedenken, welche im Ganzen während dieser Season spärlicher, als je, auftreten. Wo sollte auch das Intereffe für die Romantik des weiblichen Herzens herkommen, wenn Alles Tag für Tag mit Listen von Todten und Verwundeten, von Mißverwaltung und Krieg gefüttert wird? Außer den Romanen von Mis Pardoe: „Die eifersüchtige Frau" (,,The Jealous Wife"),,,Großleberei" (,,Display") von Mrs. Maberly,,,die heimliche Ehe, oder Kontraste im Leben" (,,The Secret Marriage, or Contrasts in Life") von Miß Fanny Williams und die nächsten Nachbarn“ (,,The Next-door Neighbours") von Miß Gascoigne werden wohl überhaupt, neben den schon früher erwähnten, nicht viel Romane erschienen sein. Wenigstens erinnere ich mich nicht, von irgend einer bedeutenden Erscheinung in der Belletristik gehört zu haben. Ein neuer Roman von Leigh Hunt ist mir noch nicht zu Gesicht gekommen.

Im Ganzen ist die sonst so üppig produktive englische Literatur entweder hauptsächlich reproduktiv oder verdammt, noch immer auf Zei ten zu warten, die den Musen günstiger sein mögen.

Um noch einige wissenschaftliche Ereignisse zu erwähnen, bemerken wir, daß Oberst Rawlinson von Bagdad mit einer ungeheuren Ladung babylonischer Ausgrabungen in London angekommen ist und die Refultate seiner Forschungen zunächst durch Vorträge in der Royal Institution mittheilen wird. Die,, Linnean Society", bisher offiziell schläfrig, wie die geographische Gesellschaft, die unter Dr. Shaw's Pantof fel geographische Neuigkeiten immer frisch zwölf bis achtzehn Monate post festum in ihrem Journale veröffentlichen läßt, will sich etwas verjüngen, um ihr Journal wenigstens alle Vierteljahre herauszugeben. Im Ganzen aber sind die große Menge königlicher Gesellschaften" in Routine und Rücksicht immer Monate und selbst Jahre gegen das polytechnische Institut, das Panoptikon oder den Krystall-Palast zurück, in welchen Privat-Wissenschafts- Instituten alle Entdeckungen und Erfindungen sofort vor das Auge des großen Publikums treten. Mr. Greenough hat einen großen Theil seiner hinterlassenen 180,000 Pfd. Sterl. und alle seine Karten und Bücher der geographischen und geologischen Gesellschaft vermacht, wo sie nun wohl eben so ruhig schlafen werden, wie er selbst. Charles Dickens ist mit seinem Reform-Programm für das Literatur-Unterstügungs-Institut durchgefallen, obgleich es in seiner jeßigen Gestalt eine der größten Absurditäten Englands ist. Der deutsche Professor Hofmann am Royal College geht mit seinem Kollegen Graham zur Münze über, Ersterer als Wardein, Leßterer als Meister.

Nord-Amerika.

Die New-Yorker Tribune und die Brook-Farm-Gemeinde. Nach einer Privat-Mittheilung.

Einige Tagblätter der Vereinigten Staaten haben einen außer ordentlich großen Wirkungskreis. Um diese Wirksamkeit der Presse zu beurtheilen, genügt es, die ungeheure Verbreitung eines einzelnen Tagblattes, wie die New-Yorker Tribune fie besigt, anzuführen: Das Blatt wird täglich in dreißigtausend Exemplaren herausgegeben; dann erscheint wöchentlich zweimal ein Auszug des Inhalts in funfzehntausend Exemplaren und wöchentlich einmal ein eben solcher, nur noch für zer gefaßt, in hundertundzwanzigtausend Exemplaren. Diese wöchentliche Zeitung ist in jedem Laden, jeder Farmwohnung zu finden, ja sogar in den Urwäldern und Prairieen hat sie noch Leser, der Goldgräber und der Schiffer in allen Meeren lernt aus ihr Politik, Literatur und Moral. Die Macht und die Verantwortlichkeit der Männer, welche ein solches Blatt schreiben, ist im Guten wie im Bösen schranfenlos. Die Herausgeber der New-Yorker Tribune sind als ehrenwerth, unparteiisch und streng gewissenhaft anerkannt; man traut ihnen zu, daß sie niemals ihren Einfluß mißbrauchen werden. Es sind ungefähr zwölf oder funfzehn Redacteurs (Mitarbeiter) bei diesem Blatte angestellt, die sich genau in die einzelnen Zweige seines Inhalts theilen. Dr. Robinson hat die Besprechung der Angelegenheiten des Ackerbaues, der Jahrmärkte und der Wohlthätigkeits-Anstalten, Horace Greeley, der Gründer des Blattes, hat die Politik und Industrie, Herr Snow den Handel, die Schiffe, Eisenbahnen u. s.w. Die literarischen Ausarbeitungen, also hauptsächlich der Theil des Blattes, der bleibenden Werth hat, fließen aus der Feder Ripley's, eines Mannes, der in Amerika sich mehrfach bekannt und verdient gemacht hat. Er gehörte zu einer literarischen Verbindung, aus der die bedeutendsten amerikanischen Schriftsteller neuerer Zeit hervorgegangen find. Es war dies die,,Brook-Farm", ursprünglich ein landwirthschaftliches Institut, daß von einer Gesellschaft junger Feuerköpfe, mit Recht von den vernünftigen Amerikanern,,Enthusiasten" genannt, „Enthusiasten“ genannt, errichtet wurde, um die Ideen Fourier's über die Gemeinschaft der Arbeit praktisch auszuführen. Die „Gemeinde“, wie die jungen Leute sich selbst nannten, kaufte in der Nähe von Boston, in Massachusetts, treffliches Land an und bewirthschaftete es ungefähr zehn Jahre; nach Ablauf dieser Zeit waren die Geldverhältniffe der Gemeinde so verwirrt, daß eine Trennung beschlossen wurde. Jedes Mitglied suchte wieder vereinzelt zu arbeiten; indeffen hatte das lange Zusammensein ftrebsamer Geister doch auch manche gute Frucht getragen. Die gelehrte Abtheilung der Gemeinde" hatte sich besonders eifrig mit dem Studium der deutschen und französischen Literatur und Philosophie beschäftigt. Namentlich hat Ripley einige Werke Victor Cousin's übersegt und kritische Abhandlungen über die deutsche Literatur herausgegeben. Er beschäftigte sich nach der Auflösung der „Brook-FarmGemeinde" sehr erfolgreich mit der Aufgabe, seinen Landsleuten die Schäße des deutschen Geistes zugänglich zu machen. Seit er die Literatur der New-Yorker Tribune besorgt, verfolgt er troß seines umfangreichen Geschäftes noch immer mit Vorliebe denselben Gegen

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stand. Ein auch in Deutschland bereits bekannter Zögling von BrookFarm ist Nathaniel Hawthorne; sein Roman,,Blythedale" ist in dieser wunderlichen Gemeinschaft entstanden; später ward er eines der gefeiertsten Mitglieder der Presse" in Amerika, und der Ruhm gehört ihm unstreitig, die originellsten Werke geschrieben zu haben, die neuerlich in englischer Sprache erschienen sind. Für deutsche Leser wird noch ein anderer Theilnehmer der Brook-Farm Intereffe haben: es ist dies John Dinglet, weil er sich besonders das Verdienst erworben, die deutsche Musik und das Leben ihrer Komponisten in Amerika bekannt gemacht zu haben; man schwärmt dort für erstere seitdem. Auch ist noch George William Curtis hervorzuheben, er ist noch sehr jung und wird von den kritischen Tagblättern Amerika's als ein Talent bezeichnet, welches die glänzendsten Hoffnungen erweckt. Er ist bereits ein geachtetes „Mitglied der Presse", ein Mitarbeiter an Putnam's Magazin in New-York; sein erstes Werk heißt,,Winke vom Nil“.

Mannigfaltiges.

Englische Erziehungsschriften.) Wir erhalten jezt sehr viel Erziehungsschriften aus England und Frankreich, wozu auch die unten angeführte gehört, welche wahre Goldkörner enthält und vorzüglich für junge Mädchen geschrieben ist, die die Schule verlaffen und nun nicht gleich wissen, wie sie ihre Zeit und ihr Leben ausfüllen sollen. Beherzigenswerthe Worte werden hier gesagt über ihre Beschäftigung: sie werden gewarnt, nicht blos dem Vergnügen zu leben, sondern mit Ernst zu überlegen, wie sie sich nüßlich machen können. Auch die Armenpflege, der Unterricht in Sonntagsschulen wird mit genauer" Prüfung der Befähigung und Berücksichtigung anderer Pflichten vor= genommen. Die Fortbildung des Geistes wird als unerläßliche Pflicht dargestellt und vor den vielen künstlichen Handarbeiten als kostbarer Zeitverschwendung gewarnt, die etwas Geifttödtendes haben, dagegen empfiehlt die Verfasserin ein tüchtiges Nähen von Leinenzeug und Uebung in den schönen Künften, wie Malen, Zeichnen, Musiziren, wodurch immer der Sinn veredelt wird auch bei den Umgebungen. Sie warnt sehr vor seichter und unmoralischer Lektüre, empfiehlt dagegen, jeden Tag einige Stunden etwas Ernsthaftes zu lesen. Die Furcht, ein Blaustrumpf genannt zu werden, weil sie der mechanischen Bewegung ihrer Finger die Ausbildung ihres Geistes vorziehe, sei verschwunden mit der Ansicht, daß eine unterrichtete Jungfrau ihren Anzug vernachläffigen, ihre häuslichen Pflichten versäumen und unbesonnen über Bücher sprechen werde. In Deutschland ist man noch nicht überall so weit gekommen! Sehr ernst spricht sich die Verfasserin über weibliche Unordnung aus, und beherzigungswerthe Worte werden auch gesagt über Sparsamkeit, über die Sünde und Schmach des Schuldenmachens; über die Acht losigkeit, mit der in fremden Häusern junge Mädchen die Arbeit der Dienstboten in Anspruch nehmen, über den Ernst, mit dem sie die Wirkung ihres Betragens auf Andere beachten müssen. Jede Ermahnung gründet sich auf einen Bibelspruch. F. v. H.

Uebersehung der Jugendschriften Ferd. Schmidt's. Der durch die Herausgabe mehrerer interessanter Nationalwerke in Schweden rühmlichst bekannte Verlagsbuchhändler J. Meyer in Stockholm bereitet im gegenwärtigen Augenblick auch eine schwedische Ueberseßung der sämmtlichen Schriften unseres Landsmannes, des bei der Jugend so beliebten Schriftstellers Ferd. Schmidt, vor, und hat sich derselbe bei seiner neulich hier stattgehabten Anwesenheit mit dem Verfaffer des „Herder", der „Odyffee“ u. f. w. dieferhalb in ein näheres Einvernehmen gefeht. Wie wir hören, follen noch im Laufe dieses Jahres der obengedachte „Herder“ und der „Fichte“ er-scheinen, denen sich im nächsten Jahre die Türken vor Wien“, „Richard's Fahrt nach dem heiligen Lande“, „Oswin, oder die Schule des Lebens",,,Kriegsruhm und Vaterlandsliebe“ und „Hermann und Thus, nelda" anreihen sollen, so daß zu hoffen steht, daß schon nach dem Verlauf weniger Jahre die ganze „Jugendbibliothek“ Ferd. Schmidt's in allen ihren Bänden der schwedischen Jugend zur Erbauung und Anfrischung des Geistes vorliegen werde. Auch wegen einer ruffischen Uebertragung sind bereits die einleitenden Schritte geschehen, wie denn auch andererseits von einem berühmten Schriftsteller in Kopenhagen die baldige Herausgabe der besten der Schmidtschen Jugendschriften, feines Herder als Knabe und als Jüngling“, angekündigt wird. J. A,

*) Beachtenswerthe Dinge für die Jugend, von der Verfasserin der Kleiz nigkeiten". Aus dem Englischen, nach der dritten Auflage des Originals. Bre men, Heinrich Strack.

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